Pamela Wolfberg, Ph. D., koordiniert als Professorin an der Fakultät für Sonderpädagogik der San Francisco State University die dortige Forschung zum Thema Autismus-Spektrum. Darüber hinaus ist sie zuständig für das gemeinsame Doktoranden-Programm der University of California, Berkeley. Ihre Interessen konzentrieren sich auf die einzigartigen Erfahrungen der Menschen im Autismus-Spektrum in den Bereichen Sozialisation, Spiel und Imagination sowie Inklusion in die Peer-Kultur. Als Initiatorin des Integrated Play Groups (IPG)-Modells und Menschenrechtsvertreterin leitet sie Forschungsprojekte, Ausbildungsinitiativen und engagiert sich für internationale Öffentlichkeitsarbeit. Zentrale Ziele sind hierbei die Förderung der sozialen Inklusion im Spiel, wobei kulturelle Erfahrungen, kreative Ausdrucksweisen und sinnvolle Interaktionen ermöglicht werden. Pamela Wolfberg hat zahlreiche Publikationen in Fachzeitschriften veröffentlicht und ist Autorin vieler Bücher und Buchbeiträge. Sie hält international regelmäßig Vorträge und erhielt bereits mehrere Auszeichnungen für ihr Stipendium und ihren Dienst an der Gemeinschaft. Weitere Informationen finden Sie unter www.autismcollective.org
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1. Auflage 2019
Alle Rechte vorbehalten
© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Print:
ISBN 978-3-17-030619-6
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Das afrikanische Sprichwort »It takes a village to raise a child«/Deutsch: »Es braucht ein Dorf, um ein Kind zu erziehen« gilt sicherlich auch für Kinder und Jugendliche mit einer Autismus-Spektrum-Störung (ASS). Und vielleicht braucht es sogar mehr als ein Dorf: nämlich das Wissen von Spezialisten in verschiedenen Ländern, die sich Autismus Spektrum Störungen auf ihre Fahnen geschrieben haben. Ziel unserer Reihe »Autismus Konkret« ist es daher, das Wissen internationaler Experten zu relevanten Themen zu bündeln und Eltern, Therapeuten, Lehrer und anderen Fachkräften dieses Wissen in leicht verständlicher Form und so konkret wie möglich zur Verfügung zu stellen.
Oft ist es nicht einfach, Betroffenen mit ASS zu helfen. Eltern und Fachkräfte wissen, dass Zeit besonders kostbar ist, wenn es darum geht, effektiv Veränderungen zu bewirken. Daher sollten Erklärungsmodelle und Hilfen bewährt und wissenschaftlich anerkannt sein. Wir haben daher Kollegen in Deutschland, Österreich, England und den USA gebeten, ihr Spezialwissen über bestimmte evidenzbasierte und praxiserprobte Therapiemethoden in kurzer, konkreter Form mit unseren Lesern zu teilen.
Hierbei wird ein Einblick in folgende Themen gegeben: Lernen durch ABA und AVT (Applied Behavior Analysis und Autismusspezifische Verhaltenstherapie), Anders denken lernen – Kognitive Verhaltenstherapie zum Abbau von Frustration und Ängsten und zum Aufbau von sozialen Fähigkeiten, Lernen von positiven Alternativen zu Verhaltensproblemen, Lernen im Alltag – Natürliches Lernen, Lernen im Sekundentakt – Präzisionslernen, Lernen durch Apps, Lernen durch visuelle Hilfen, Lernen durch Videomodellierung, Lernen von Spiel und Beziehungen zu Gleichaltrigen: Integrierte Spielgruppen, Lernen im inklusiven schulischen Setting, Medikamentöse Hilfe und die Suche nach den Ursachen von Autismus-Spektrum-Störungen.
Wir hoffen, dass die Bände unserer Reihe »Autismus Konkret« Eltern und Kollegen helfen, Ursachen besser zu verstehen und wissenschaftlich anerkannte Therapiemethoden kennenzulernen. Hierbei wünschen wir, dass jeder Praxisband der Serie einen Beitrag leistet, therapeutische Hilfen für Betroffene mit ASS konkreter zu machen und Kindern und Jugendlichen mit ASS eine echte Chance zu geben, sich so zu entwickeln, dass eine Teilhabe am Leben der Gemeinschaft auch tatsächlich möglich wird. Und dazu braucht es sicher »Mehr als ein Dorf«.
Dr. Vera Bernard-Opitz, Herausgeberin der Reihe, Irvine, Januar 2019
Spiel ist zentral für die kognitive, emotionale und soziale Entwicklung von Kindern. Oft bedauern allerdings Eltern von Kindern mit Autismus, dass ihre Kinder weder allein noch mit anderen Kindern angemessen spielen. Stattdessen beschäftigen sie sich oft stundenlang mit stereotypen Handlungen wie Aufreihen, Beklopfen, Riechen an oder Drehen von Gegenständen oder dem Platzieren derselben nach einem imaginären Prinzip.
Statt der verbreiteten Annahme eines »Defizitmodells von Spiel« haben Adriana Schuler (1947–2011) und Pamela Wolfberg Spiel als Chance betrachtet. Bereits Ende der Achtzigerjahre führten sie ein Forschungsprojekt an der San Francisco State University durch, das zu der Entwicklung von Integrierten Spielgruppen führte (Fletcher, 2012). Durch angeleitetes Spiel mit Gleichaltrigen konnte gezeigt werden, dass sich neben den Spielfähigkeiten soziale und kommunikative Fähigkeiten bei Kindern mit Autismus entscheidend verbesserten. Auch die neurotypischen Kinder profitierten von den Spielgruppen indem sie selbstbewusster, aber auch empathischer und toleranter wurden (McCracken & Wolfberg, 2006).
Dieser Band unserer Serie »Autismus Konkret« macht erstmals deutsche Leser mit diesem evidenzbasierten und praxiserprobten Modell vertraut. Statt Spiel in vielen kleinen Schritten zu üben wird hier durch die Anleitung Gleichaltriger spielen gelernt. Auch werden wiederholende Handlungen oder sinnleere Äußerungen nicht als Verhaltensprobleme betrachtet, sondern es wird versucht, sie zu funktionalen Spielhandlungen zu machen. Hierbei werden die sog. »Spielexperten« von dem Spiel-Leiter unterstützt.
Auch wenn das Modell allen Kindern eine Chance gibt im Miteinander mit anderen Kindern zu lernen, brauchen Betroffene mit extremen Verhaltensproblemen und starken Beeinträchtigungen zunächst meist gezielte individuelle Hilfe. Es bleibt jedoch zu hoffen, dass langfristig alle Kinder des Autismus-Spektrums lernen, Gleichaltrige zu beachten, sie nachzumachen und im spontanen Spiel fröhlich miteinander zu interagieren. Hierzu zeigt das vorliegende Buch konkrete Schritte auf, die durch Fallbeispiele eindrucksvoll verdeutlicht werden
Dr. Vera Bernard-Opitz, Herausgeberin der Reihe, Irvine, Januar 2019
In liebevoller Erinnerung an Adriana Loes Schuler und Therese O’Connor deren Weisheit, Kreativität und spielerischer Geist weiterhin die Spiel-Arbeit meines Lebens lenken.
Das Buch »Lernen von Spiel und Beziehungen zu Gleichaltrigen« gehört zu einer Reihe von Arbeiten, die sich mit dem Integrated Play Groups®-Modell (IPG; engl. für Integrierte Spielgruppen) beschäftigen. Das IPG-Modell ist ein evidenzbasiertes Vorgehen mit dem die soziale Inklusion von Kindern mit Autismus unterstützt wird. Dabei machen Kinder unterschiedlichen Alters und mit unterschiedlichen Fähigkeiten Erfahrungen im Spiel mit Gleichaltrigen und Geschwistern. Das vorliegende Buch richtet sich an Fachkräfte (Pädagogen, Therapeuten, Praktiker) sowie Fachfremde (Eltern, Familienmitglieder, Leistungserbringer), die am IPG-Modell und seiner praktischen Anwendung bei Kindern mit Autismus in kurzer und konkreter Form interessiert sind.
Es soll grundlegendes Wissen in den folgenden Bereichen vermittelt werden:
• Grundlagen, Praxis und Forschung zum IPG-Modell,
• Bedeutung von Spiel und Sozialisation für die Entwicklung und Teilhabe an der Gemeinschaft,
• Eigenschaften und Herausforderungen an Spiel und Sozialisation bei Personen mit Autismus,
• Gestaltung eines unterstützenden Spielumfelds,
• Anleitung autistischer Kinder bei Spiel und Sozialisation mit Gleichaltrigen,
• Qualitätseigenschaften von inklusiven Spielprogrammen.
Zunächst wird das IPG-Modell vorgestellt sowie seine Herkunft, Berechtigung und die Schlüsseleigenschaften ( Kap. 1). Desweiteren werden Forschung, Fortbildung, Weiterentwicklung und Grundprinzipien des IPG-Modells erläutert. Das zweite Kapitel konzentriert sich auf IPG-Erfassungsmethoden und die Ziele für soziales und symbolisches Spiel, soziale Kommunikation und die Spielvielfalt ( Kap. 2). Daran anschließend wird die Planung von IPG-Programmen und die Gestaltung der Spielumgebung praxisorientiert erläutert ( Kap. 3). Auch die Methoden einer IPG-Intervention sowie die Erweiterung des Modells für Jugendliche werden beschrieben ( Kap. 4Kap. 5