Ob die Neuerungen durch den Gesetzgeber wie auch durch die Rechtsprechung immer überzeugen, mag dahingestellt sein. Sie machen es aber notwendig, auch dieses Buch immer wieder auf den neuesten Stand zu bringen, etwa weil das Baugesetzbuch geändert wurde, z. B. dadurch, dass wiederum die neue Ausweisung von Bauland erleichtert wurde mit dem § 13b BauGB, oder weil in die Baunutzungsverordnung ein neues Gebiet, nämlich das urbane Gebiet in § 6a BauNVO aufgenommen wurde, oder eben weil die Rechtsprechung Entscheidungen zu offenen Rechtsfragen bringt. Die vorliegende Auflage berücksichtigt die Änderungen in den Länderbauordnungen ebenso wie die Änderungen im Baugesetzbuch und in der Baunutzungsverordnung. Der Abschnitt, der die Grundlagen und Grundprobleme des Denkmalschutzes darstellt, musste erweitert werden, insbesondere wegen der zunehmenden Problematik bei Veränderungen im Ensemble/Denkmalbereich.
Damit ist das Buch auch in der jetzt erscheinenden 13. Auflage wieder auf dem neuesten Stand der Gesetzgebung und Rechtsprechung und erfüllt damit hoffentlich weiterhin seinen Zweck, in verständlicher Sprache einen Einstieg in das Bauplanungs- und Bauordnungsrecht zu vermitteln.
München, im Januar 2019 |
Michael Hauth |
Dieses Buch wurde von einem Praktiker für die Praxis geschrieben. Der Autor konnte zum einen seine langjährige Erfahrung als Fachanwalt für Verwaltungsrecht einbringen. Deshalb orientiert sich das Buch auch nicht sklavisch an der Reihenfolge des Baugesetzbuchs oder der Bauordnungen. Sein Ansatzpunkt sind vielmehr diejenigen Fragen, die in der Praxis im Vordergrund stehen: Ist ein Grundstück bebaubar und gegebenenfalls wie? Wer ist zuständig für die Erteilung der Baugenehmigung? Inwieweit sind die Nachbarn einzubinden und ihre Interessen und Rechte zu berücksichtigen? In diesem Zusammenhang drängt sich die Frage, wie ein Bebauungsplan entsteht, fast auf, ebenso wie in unserer prozessfreudigen Zeit wenigstens auch ein Blick geworfen werden muss auf die Möglichkeit, Rechtsmittel einzulegen und ggf. die Gerichte anzurufen.
Zum anderen wurde dieses Buch aus dem Skriptum entwickelt, das dem Autor als Grundlage seiner Vorlesungen an der Bauhaus-Universität in Weimar dient. Im Rahmen dieser Tätigkeit haben dem Autor die vielen Gespräche mit den Professoren und Dozenten der verschiedenen Wissenschaftsbereiche geholfen, aber auch die interessanten Anregungen und Verbesserungsvorschläge von Seiten der Studierenden.
Der Autor ist deshalb den Mitgliedern der Hochschule, Lehrenden wie Studierenden, zu besonderem Dank verpflichtet. Er hofft, dass dieses aus dem Lehrbetrieb wie der Praxis gleichermaßen entstandene Buch gerade dem Praktiker als Leitfaden für das Baugenehmigungsverfahren dienen wird, dem Architekten wie dem Bauherrn, aber auch Rechtsanwälten und Behörden, für die das öffentliche Baurecht nur eines der vielen Gebiete ist, mit denen sie sich befassen müssen.
Ein besonderer Dank gilt schließlich Frau Ingeborg Grub und Herrn Roland Holey, ohne deren Hilfe dieses Buch nicht hätte entstehen können.
Michael Hauth
Abs. |
Absatz |
ÄndG |
Änderungsgesetz |
ALR |
Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten vom 1.6.1794 |
a.M. |
andere Meinung |
Anh. |
Anhang |
Anm. |
Anmerkung |
Art. |
Artikel |
Aufl. |
Auflage |
Az. |
Aktenzeichen |
BauGB |
Baugesetzbuch |
BauNVO |
Verordnung über die bauliche Nutzung der Grundstücke – Baunutzungsverordnung |
BauO |
Bauordnungsrecht für die Länder |
BayBO |
Bayerische Bauordnung |
BayVerfGH |
Bayerischer Verfassungsgerichtshof |
BBauG |
Bundesbaugesetz; jetzt ersetzt durch das BauGB |
Bd. |
Band |
Beschl. |
Beschluss |
BGB |
Bürgerliches Gesetzbuch |
BGBl. |
Bundesgesetzblatt |
BGH |
Bundesgerichtshof |
BImSchG |
Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (Bundes-Immissionsschutzgesetz) |
Bln |
Berlin |
BNatSchG |
Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz) |
BRS |
Baurechtssammlung, begründet von Thiel, weitergeführt von Gelzer/Upmeier |
BT-Drs. |
Deutscher Bundestag, Drucksache |
BVerfG |
Bundesverfassungsgericht |
XVIIIBVerwG |
Bundesverwaltungsgericht |
DVO |
Durchführungsverordnung |
EAG Bau |
Europarechtsanpassungsgesetz Bau |
Einl. |
Einleitung |
f./ff. |
folgende/fortfolgende |
FStrG |
Bundesfernstraßengesetz |
gem. |
gemäß |
GFZ |
Geschossflächenzahl |
GG |
Grundgesetz |
GO |
Gemeindeordnung |
GVBl. |
Gesetz- und Verordnungsblatt |
H |
Maßeinheit der Abstandsflächentiefe (Wandhöhe) |
HBO |
Hessische Bauordnung |
Hs. |
Halbsatz |
i. d. F. |
in der Fassung |
InvErlG |
Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetz |
i. S. d. |
im Sinne des/der |
i.V.m. |
in Verbindung mit |
KAG |
Kommunalabgabengesetz |
LBO BW |
Landesbauordnung Baden-Württemberg |
LG |
Landgericht |
MBl. |
Ministerialblatt |
m.w.H. |
mit weiteren Hinweisen |
NF |
Neue Folge |
OLG |
Oberlandesgericht |
OVG |
Oberverwaltungsgericht |
PlanzV |
Verordnung über die Ausarbeitung der Bauleitpläne und die Darstellung des Planinhaltes (Planzeichenverordnung – PlanzV 90) |
RASt 2006 |
Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen |
RG |
Reichsgericht |
Rn. |
Randnummer |
ROG |
Raumordnungsgesetz |
Rspr. |
Rechtsprechung |
RVO |
Rechtsverordnung |
XIXS. |
Satz |
s. a. |
siehe auch |
s. o. |
siehe oben |
SächsBO |
Sächsische Bauordnung |
TA Lärm |
Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm |
u.a.m. |
und andere(s) mehr |
u.H.a. |
unter Hinweis auf |
Urt. |
Urteil |
u. U. |
unter Umständen |
UVPG |
Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung |
v. |
vom |
VG |
Verwaltungsgericht |
VGH |
Verwaltungsgerichtshof |
VO |
Verordnung |
VwGO |
Verwaltungsgerichtsordnung |
VwVfG |
Verwaltungsverfahrensgesetz |
z. B. |
zum Beispiel |
ZPO |
Zivilprozessordnung |
Battis/Krautzberger/ Löhr |
Kommentar zum Baugesetzbuch, 13. Aufl. 2016 |
BauR |
Zeitschrift für das gesamte öffentliche und zivile Baurecht |
BayVBl. |
Bayerische Verwaltungsblätter |
BBauBl. |
Bundesbaublatt |
Berl. K. |
Paetow/Schlichter/Stich, Berliner Kommentar zum Baugesetzbuch, Loseblattausgabe |
BlGBW |
Blätter für Grundstücks-, Bau- und Wohnungsrecht |
BRS |
Baurechtssammlung |
BverwGE |
Entscheidungen des Bundesverwaltungs- gerichts |
DÖV |
Die öffentliche Verwaltung |
Driehaus |
Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 10. Aufl. 2018 |
DVBl. |
Deutsches Verwaltungsblatt |
Ernst/Zinkahn/ Bielenberg/ Krautzberger |
Kommentar zum Baugesetzbuch, Loseblattausgabe |
Fickert/Fieseler |
Baunutzungsverordnung, 13. Aufl. 2018 |
Finkelnburg/ Ortloff/Kment |
Öffentliches Baurecht, Bd. I, 7. Aufl. 2017 |
Finkelnburg/ Ortloff/Otto |
Öffentliches Baurecht, Bd. II, 7. Aufl. 2018 |
GewArch |
Gewerbearchiv |
IBR |
Immobilien- und Baurecht |
Jäde/Dirnberger/ Bauer/Weiß |
Die neue Bayerische Bauordnung, Loseblattausgabe |
König/Roeser/ Stock |
Baunutzungsverordnung, 4. Aufl. 2018 |
XXIIKopp/Ramsauer |
Verwaltungsverfahrensgesetz, 19. Aufl. 2018 |
Kopp/Schenke |
Verwaltungsgerichtsordnung, 24. Aufl. 2018 |
Kuschnerus |
Der standortgerechte Einzelhandel, 1. Aufl. 2007 |
LKV |
Landes- und Kommunalverwaltung |
NJW |
Neue JuristischeWochenschrift |
NJW-RR |
NJW-Rechtsprechungs-Report |
NuR |
Natur und Recht |
NVwZ |
Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht |
NVwZ-RR |
NVwZ-Rechtsprechungs-Report |
Rixner/Bieder- mann/Steger |
Systematischer Praxiskommentar BauGB/BauNVO, 3. Aufl. 2018 |
Schwarzer/König |
Bayerische Bauordnung, 4. Aufl. 2012 |
Simon/Busse/ Kraus |
Kommentar zur Bayerischen Bauordnung, Loseblattausgabe |
VBlBW |
Verwaltungsblätter Baden-Württemberg |
ZfBR |
Zeitschrift für deutsches und internationales Baurecht |
ZMR |
Zeitschrift für Miet- und Raumrecht |
Als Friedrich der Große 1745 sein Schloss Sanssouci in Potsdam errichten ließ, oder Ludwig II. 1869 sein Märchenschloss Neuschwanstein in Bayern, brauchten sie beide keine Baugenehmigung. Und dies lag keineswegs nur an ihrer Stellung. Erst etwa um die Mitte des 19. Jahrhunderts machten die starke Bevölkerungsvermehrung, aber auch die Zunahme der Industrialisierung es zunehmend notwendig, die Bautätigkeit detaillierten gesetzlichen Regelungen zu unterwerfen. Noch das Preußische Allgemeine Landrecht von 1794 bestimmte in seinem § 65: „In der Regel ist jeder Eigentümer seinen Grund und Boden mit Gebäuden zu besetzen oder ein Gebäude zu verändern wohl befugt.“ Die Ursprünge des Baurechts bestanden ausschließlich in der Gefahrenabwehr. Durch Baumaßnahmen sollten weder die Bewohner noch die Allgemeinheit Schaden nehmen. Baurecht war Baupolizeirecht, mit ersten Ansätzen für eine Bauleitplanung durch die Festsetzung von Fluchtlinien, die die Straßen und Plätze von sonstigen Flächen abgrenzen sollten. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts durften die Gemeinden bei der Festsetzung dieser Fluchtlinien mitwirken.
Wer heute auch nur seinen Keller zu Wohnraum ausbauen, geschweige denn ein unbebautes Grundstück erstmals bebauen will, braucht hierfür eine Baugenehmigung:
„Die Errichtung, Änderung und Nutzungsänderung von Anlagen bedürfen der Baugenehmigung“ (…)
heißt es in allen Länderbauordnungen, z. B. in Art. 55 I BayBO.
2„Die Baugenehmigung ist zu erteilen, wenn dem genehmigungspflichtigen Vorhaben keine von der Baurechtsbehörde zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen“ (…)
heißt es, wiederum gleich lautend, in allen Länderbauordnungen, z. B. § 58 I LBO BW.
Zu erteilen ist die Baugenehmigung also, wenn dem Vorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen (vgl. z. B. Art. 68 BayBO). Diese öffentlich-rechtlichen Vorschriften unterteilen sich in
Das Bauordnungsrecht fällt in die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder. Dies geht zurück auf ein Gutachten des Bundesverfassungsgerichts vom 16.6.1954 (BVerfGE 3, 407). Dementsprechend gibt es in der BRD sechszehn Landesbauordnungen. Allerdings gehen alle diese Bauordnungen auf eine Musterbauordnung zurück, die eine Sachverständigenkommission des Bundes und der Länder ausgearbeitet hat. Auch diese verschiedenen Länderbauordnungen weisen deshalb im Wesentlichen übereinstimmende Vorschriften auf. Sie sind lediglich in einigen Details unterschiedlich, etwa in der Benennung der Paragraphen, in Bayern Artikel genannt. Um dieser Schwierigkeit Herr zu werden, wird das Bauordnungsrecht anhand der Bauordnungen Bayerns, Baden-Württembergs und Sachsens dargestellt. Am Ende des Buches findet sich eine Synopse, anhand derer mit einem Blick festgestellt werden kann, wie die zitierte Vorschrift in dem einen oder anderen Bundesland bezeichnet ist.
Neben im Wesentlichen technischen Vorgaben enthalten die Landesbauordnungen die Verfahrensvorschriften. Sie beantworten die Frage, an wen sich der Bauherr oder Architekt wenden muss, wenn er wissen will, ob bzw. für welches Vorhaben eine Baugenehmigung überhaupt notwendig ist, ob und wie sein Grundstück zu bebauen 3ist, oder wie er sein bestehendes Haus umbauen oder beispielsweise seine Wohnnutzung in Büronutzung ändern darf.
Dabei werden unter der Überschrift der Vereinfachung und Beschleunigung der Verfahren die Behörden zunehmend von ihrer historischen Aufgabe präventiver Bauüberwachung befreit und dieser Teil mehr und mehr dem Verantwortungsbereich des Architekten übertragen. So haben inzwischen alle Bundesländer vereinfachte Genehmigungsverfahren und sogar Genehmigungs-Freistellungsverfahren bzw. Anzeigeverfahren an die Stelle der bisher üblichen umfassenden Baugenehmigungsverfahren gesetzt (vgl. dazu im Einzelnen die Ausführungen im 2. Kapitel).
Das Bauordnungsrecht der Länder enthält neben den Verfahrensvorschriften eine Vielzahl sog. materieller Bauvorschriften, insbesondere solche, die sich mit dem Wie der Bebauung befassen: Wie groß darf das Bauvorhaben werden, wie muss die Zufahrt gestaltet sein, wie groß müssen die Räume und die notwendige Belichtung sein, wie groß die Abstände zum Grundstücksnachbarn, u. a.m.
Das Bauplanungsrecht enthält die wesentlichen Bestimmungen darüber, ob ein Grundstück überhaupt bebaut werden kann. Leider befassen sich viele Bauherren viel zu früh und viel zu sehr mit der Frage, wie ihr Wunschhaus im Detail aussehen soll, anstatt sich die Frage zu stellen, ob ihr Grundstück, am Ortsrand und mit freiem See- oder Bergblick, überhaupt bebaubar ist. Sie gehen den zweiten Schritt vor dem ersten und befassen sich mit dem Bauordnungsrecht vor dem Bauplanungsrecht. Am Anfang einer jeden Planung aber steht das Ob und damit das Bauplanungsrecht. Nach dem Bauplanungsrecht entscheidet sich, ob ein Grundstück überhaupt bebaut werden darf. Es bestimmt die zulässige Art der Bodennutzung. Dieses Bauplanungsrecht ist Bundesrecht. Die maßgeblichen Vorschriften finden sich zunächst einmal im Baugesetzbuch (i. d. F. der Bekanntmachung vom 27.8.1997, BGBl. I, S. 2141 mit späteren Änderungen, siehe Anhang). Dieses Baugesetzbuch enthält nicht nur die planungsrechtlichen Bestimmungen und damit die Antworten auf die Frage, ob ein Grundstück bebaubar ist und was darauf gebaut werden darf. Das Baugesetzbuch (BauGB) enthält darüber hinaus Ermächtigungsvorschriften für den Erlass weiterer bauplanungsrechtlicher 4Bestimmungen, insbesondere der Baunutzungsverordnung (Verordnung über die bauliche Nutzung der Grundstücke – BauNVO). Diese Verordnung, die aufgrund der Ermächtigung in § 9a BauGB erlassen wurde, enthält wichtige Vorschriften über die Festsetzungen und die Darstellungen in den Bauleitplänen, über die dort, aber auch im unbeplanten Innenbereich (gemäß § 34 II BauGB) zulässigen baulichen und sonstigen Anlagen (Bekanntmachung der Neufassung der BauNVO vom 23.1.1990, BGBl. I, S. 132 mit späteren Änderungen, siehe Anhang).
Der Vollständigkeit halber muss darauf hingewiesen werden, dass das BauGB noch eine Reihe weiterer Ermächtigungsvorschriften enthält: So räumt z. B. § 203 III BauGB den Landesregierungen die Möglichkeit ein, die Zuständigkeiten anders festzulegen. In Bayern beispielsweise ist für die Genehmigung oder das Anzeigeverfahren von Bauleitplänen nicht mehr die höhere Verwaltungsbehörde, also die Regierung, zuständig, sondern die untere Bauaufsichtsbehörde, also das Landratsamt oder die kreisfreie Stadt (Zuständigkeitsverordnung im Bauwesen vom 5.7.1994, GVBl. 1994, S. 573).
Bauplanungsrechtliche Vorschriften neben dem Baugesetzbuch und der Baunutzungsverordnung enthält vor allem auch die Planzeichenverordnung vom 18.12.1990, BGBl. I, S. 58, die für die Ausarbeitung der Bebauungspläne und die Darstellung des Planinhalts von größter Wichtigkeit ist.
Bauplanungsrechtliche Vorschriften sind schließlich auch die Bebauungspläne der Gemeinden, die nach § 10 BauGB in Form der Satzung, also als Ortsgesetz erlassen werden.
Öffentlich-rechtliche Vorschriften, die dem Vorhaben nicht entgegenstehen dürfen, sind aber nicht nur in den Bauordnungen der Länder und dem Baugesetzbuch des Bundes niedergelegt, sondern auch in einzelnen Bestimmungen anderer Gesetze, sog. baurechtlichen Nebengesetzen. So finden sich baurechtliche Regelungen etwa im Bundesnaturschutzgesetz, im Bundesfernstraßengesetz, im Wasserhaushaltsgesetz, in den Denkmalschutz- und Wassergesetzen der Länder, in den Zweckentfremdungsverordnungen der Länder (auf der Rechtsgrundlage des Art. 6 § 1 Mietrechtsverbesserungsgesetz), im Gaststättenrecht, in der Arbeitsstättenverordnung, im 5Raumordnungsgesetz des Bundes und den Landesplanungsgesetzen u. a. m. Als Beispiel sei hier § 9 I des Bundesfernstraßengesetzes genannt. Danach dürfen Hochbauten jeder Art in einer Entfernung bis zu 40 m bei Bundesautobahnen und bis zu 20 m bei Bundesstraßen außerhalb von Ortschaften nicht errichtet werden. Baudenkmäler dürfen nach den Denkmalschutzgesetzen der Länder nur in Ausnahmefällen beseitigt und nur mit besonderer Erlaubnis verändert werden. Hotels und Gaststätten, Warenhäuser und emittierende (störende) Gewerbebetriebe müssen die besonderen Bestimmungen z. B. der Arbeitsstättenverordnung, der Warenhausverordnung, der Immissionsschutzgesetze des Bundes und der Länder sowie einer großen Zahl anderer baurechtlicher Nebengesetze beachten, wollen sie eine Baugenehmigung erhalten.
Angesichts dieser Unzahl baurechtlicher Vorschriften fragt sich, wie viel von der vielbeschworenen Baufreiheit noch übrig geblieben ist. Dabei ist die Baufreiheit Bestandteil unseres grundgesetzlich geschützten Eigentums nach Art. 14 GG (BVerfGE 35, 263; 2, 172). Das Recht, bauliche Anlagen zu errichten und zu ändern, gehört nach den Grundsätzen dieser obersten deutschen Gerichte zum Inhalt des Eigentums. Allerdings bestimmt Art. 14 unseres Grundgesetzes auch, dass Inhalt und Schranken dieses Grundrechtes durch die Gesetze bestimmt werden (Art. 14 I 2 GG). Solche Gesetze sind die eben dargestellten bauplanungs- und bauordnungsrechtlichen Vorschriften des Bundes und der Länder. Sie geben die Antwort auf die großen vier W-Fragen:
Damit ist gleichzeitig die Gliederung dieses Buches vorgegeben: Im 1. Kapitel erläutern wir, welche Voraussetzungen ein Grundstück erfüllen muss, damit es überhaupt bebaut werden kann, und befassen uns mit der Frage, was dort gebaut werden darf. Im 2. Kapitel wird die Frage beantwortet, wer die Genehmigung erteilt, auf die der Grundstückseigentümer so sehnlichst wartet, und nach welchen 6Vorschriften. Wir widmen uns im 3. Kapitel Detailfragen des formellen und materiellen Bauordnungsrechtes, also der Gestaltung des Baukörpers, der Zufahrt, des Abstandsrechtes etc. Von besonderer Bedeutung ist dann die Stellung der Gemeinde und der Bürger; der Nachbarschutz wird deshalb in einem eigenen Kapitel dargestellt. Im 4. Kapitel beschäftigen uns weitere Hürden und Hindernisse auf dem Weg zur Baugenehmigung, aber auch die maßgeblichen Probleme des Denkmalschutzes. Im 5. Kapitel schließlich kommen wir an der Frage nicht vorbei, wie sich der Rechtsschutz gestaltet, wenn eine Baugenehmigung nicht erteilt wird oder wenn die erteilte Baugenehmigung den Nachbarn in seinen Rechten beeinträchtigt.
Noch einmal zurück zur Baufreiheit: Ob in der anwaltlichen Praxis oder bei meiner Lehrtätigkeit an der Hochschule: Immer wieder muss ich feststellen, dass der gesamte Bereich des öffentlichen Baurechts in zwei Richtungen missverstanden wird. Eine, zugegebenermaßen geringe, Zahl von Grundstückseigentümern und Bauwerbern versteht den Begriff der Baufreiheit, wie ihn Friedrich der Große und Ludwig II. verstanden haben. Sie wollen überall dort bauen, wo sie es gerade am schönsten finden, und in einem Umfang und einer Art, die allein ihre eigenen Bedürfnisse befriedigt. Ein anderer, erheblich größerer Teil versteht die Erteilung einer Baugenehmigung als eine Art Gnadenakt: Nur wer das Glück hat, auf einen gut gelaunten und wohlwollenden Beamten zu stoßen, bekommt die Baugenehmigung, die er sich wünscht. Die Baufreiheit als Bestandteil des verfassungsrechtlich garantierten Eigentumsbegriffes gewährleistet aber das subjektive Recht, ein Grundstück zu bebauen, zu nutzen und zu verwerten. Das Baurecht wird dem Grundstückseigentümer nicht quasi verliehen oder zugeteilt. Vielmehr hat der Bauherr einen Rechtsanspruch auf Genehmigung, wenn sein Vorhaben den öffentlich-rechtlichen Vorschriften insbesondere des BauGB, der BauNVO und der jeweiligen Landesbauordnung entspricht. Dies haben unsere wichtigsten obersten Bundesgerichte deutlich ausgesprochen, so das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 50, 290; 68, 193), das Bundesverwaltungsgericht (NJW 1975, 841) und der Bundesgerichtshof (NJW 1973, 616).
7Es darf zwar nicht jeder überall das bauen, was ihm gerade beliebt. Auf der anderen Seite aber können auch die Baubehörden nicht nach Belieben entscheiden, ob und was gebaut werden darf. Vor allem steht jedem Bauherrn der Weg zu den Verwaltungsgerichten offen, wenn er meint, durch eine Behörde falsch behandelt worden zu sein, insbesondere wenn ihm eine Baugenehmigung nicht erteilt wird, auf die er einen Anspruch hat.
Am Anfang steht, von der Systematik dieser Darstellung her ebenso wie aus der Sicht des Grundstückseigentümers, des Bauherrn und des Architekten die Frage nach der planungsrechtlichen Zulässigkeit des beabsichtigten Vorhabens, also die Frage, welche Eigenschaften ein Grundstück aufweisen muss, damit es überhaupt bebaut werden darf. Antworten auf diese Frage gibt in erster Linie das Baugesetzbuch, und zwar in seinen §§ 30 ff. Welche immensen wirtschaftlichen Folgen aus der unrichtigen Beurteilung der Bebaubarkeit eines Grundstücks folgen, zeigt der
FALL 1: Die Zusage des freundlichen Bürgermeisters. Herr F. erwirbt für 200.000 EUR ein 700 m2 großes Grundstück südlich von M., um es mit einem Einfamilienhaus zu bebauen. Dieses Grundstück ist auf allen vier Seiten von Bebauung umgeben, weshalb der freundliche Bürgermeister Herrn F. bedenkenlos die Erteilung einer Baugenehmigung zusagt. Dieser reicht einen entsprechenden Bauantrag ein und fällt aus allen Wolken, als er erfährt, dass für dieses Grundstück gar kein Baurecht besteht.
Die umliegenden Gebäude sind nämlich aufgrund eines Bebauungsplans erstellt worden, der für jedes einzelne dieser Grundstücke genau festlegt, ob, wo und welche Gebäude dort errichtet werden dürfen. Für das Grundstück des Herrn F., das von dem ursprünglich größeren Grundstück abgeteilt worden war, sah der Bebauungsplan gar keine Bebauungsmöglichkeit (aufgrund festgesetzter Baugrenzen oder Baulinien) vor.
Die Verzweiflung unseres Herrn F. kann man sich leicht ausmalen. Und wehe dem Architekten, der zum Ankauf dieses Grundstücks geraten hat, allein aufgrund der Tatsache, dass das Grundstück von Bebauung umgeben ist, bzw. weil der Bürgermeister die „Zusage“ gegeben hat.
8
Abb. 1 : Baugebiete
9Um die Frage beantworten zu können, ob ein Grundstück überhaupt bebaut werden darf, müssen wir uns mit den Zulässigkeitsvorschriften der §§ 30 ff. BauGB befassen.
Diese Vorschriften unterscheiden zwischen fünf Gruppen von Bauvorhaben. Dementsprechend gibt es folgende sechs Normen, die die Zulässigkeit eines Bauvorhabens bestimmen:
Um sich eine erste Vorstellung über die Abgrenzung dieser Gebiete zu machen, haben wir vorstehend in Abb. 1 eine kartografische Darstellung abgedruckt. In diesem Plan sind vier Bereiche erkennbar:
Zum einen der schwarz unterlegte Geltungsbereich eines Bebauungsplans, abgegrenzt durch eine dicke, schwarze, gestrichelte Linie. Zum Zweiten der weiß unterlegte Bereich außerhalb dieses Bebauungsplangebiets, in dem eine Bebauung vorhanden ist, der aber auch mit unbebauten Grundstücken durchsetzt ist, der sog. unbeplante Innenbereich. Zum Dritten der gestrichelt gekennzeichnete Bereich des vorhabenbezogenen Bebauungsplans (Vorhaben- und Erschließungsplan gem. § 12 BauGB). Schließlich der außen um diese Gebiete herumliegende, grundsätzlich nicht bebaubare, hier grau gehaltene Außenbereich.
§ 30 BauGB:
„(1) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der allein oder gemeinsam mit sonstigen baurechtlichen Vorschriften mindestens Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsflächen enthält, ist ein Vorhaben zulässig, wenn es diesen Festsetzungen nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.
(2) Im Geltungsbereich eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans nach § 12 ist ein Vorhaben zulässig, wenn es dem Bebauungsplan nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.
(3) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der die Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht erfüllt (einfacher Bebauungsplan), richtet sich die Zulässigkeit von Vorhaben im Übrigen nach § 34 oder § 35.“
Bebauungspläne werden nach den Vorschriften der §§ 1 ff. des Baugesetzbuches von den Städten und Gemeinden in eigener Verantwortung aufgestellt. Dieses Planungsrecht folgt aus der im Grundgesetz garantierten Planungshoheit der Kommunen, Art. 28 II GG.
Sinn und Zweck dieser Bauleitplanung ist es, die städtebauliche Entwicklung in Stadt und Land zu ordnen, wie § 1 BauGB dies definiert.
Der Gesetzgeber hatte die Vorstellung, dass die Kommunen für ihr gesamtes Gebiet Bauleitpläne aufstellen und damit festlegen, ob, wo und was gebaut werden darf.
Die Wirklichkeit sieht allerdings so aus, dass jeweils nur geringe Teile des Gemeindegebietes mit Bebauungsplänen überzogen sind.
Deshalb müssen die Vorschriften der §§ 34 und 35 BauGB Regelungen für die Zulässigkeit von Bauvorhaben außerhalb solcher Bebauungsplangebiete treffen.
Im Geltungsbereich eines sog. qualifizierten Bebauungsplans nach § 30 I BauGB ist, wie der Gesetzestext eindeutig festschreibt, ein 11Vorhaben zulässig, wenn dieses den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht widerspricht.
Dies festzustellen, ist für jeden Bauherrn und Architekten nicht allzu schwer, vorausgesetzt, er kommt auf die wichtige Idee, bei der Gemeinde nachzufragen, ob für dieses Gebiet ein Bebauungsplan existiert.
Einen solchen Bebauungsplan haben wir in Abb. 2 nachstehend abgedruckt, bestehend aus den (textlichen) und den (zeichnerischen) Festsetzungen sowie den (sonstigen) Hinweisen.
Bebauungsplan Nr. 5 „Am Waldrand“ a) Festsetzungen
Das Baugebiet wird als reines Wohngebiet gemäß § 3 BauNVO festgesetzt.
Dieses Baurecht wird durch Baulinien , Baugrenzen oder Bebauungstiefen bestimmt (§ 23 BauNVO; BVerwGE 29, 49). Baulinien werden nach der Planzeichenverordnung im Bebauungsplan rot, Baugrenzen blau dargestellt. Diese Begrenzungslinien bilden das sog. Baufenster, über das ein geplantes Gebäude nicht hinausragen darf. Ist eine rote Baulinie eingezeichnet, muss das Gebäude zwingend an diese Linie gerückt werden. Der Rest des Grundstücks, der außerhalb dieses durch Baulinien und/oder Baugrenzen festgelegten „Baufensters“ liegt, darf grundsätzlich nicht überbaut werden, von untergeordneten Bauteilen und Nebenanlagen abgesehen (§ 23 V BauNVO). Dies gilt auch für Stellplätze und Garagen, wenn der Bebauungsplan hierfür Flächen ausdrücklich festsetzt (VG München, Urt. vom 14.2. 2012 – Az. M 1 K 11.4154).
Ein qualifizierter Bebauungsplan legt aber nicht nur die überbaubaren Grundstücksflächen fest. Gemäß § 30 I BauGB trifft dieser Plan darüber hinaus auch noch Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung und über die örtlichen Verkehrsflächen.
Im Geltungsbereich derartiger Bebauungspläne beantwortet sich also die Frage, ob gebaut werden darf, aber auch was gebaut werden kann, ausschließlich nach den Planfestsetzungen: Der Bebauungsplan enthält, wie § 8 I BauGB bestimmt, die rechtsverbindlichen Festsetzungen für die städtebauliche Ordnung.
12 Abb. 2 : Bebauungsplan (übernommen aus: „ Starthilfe für Bauherren “ des Bayerischen Staatsministeriums des Innern)
13Nach § 10 BauGB wird der Bebauungsplan von der Gemeinde als Satzung beschlossen. Der Bebauungsplan ist damit eine Rechtsnorm vergleichbar einem Gesetz und mit allen sich hieraus ergebenden Folgerungen. So muss der Bebauungsplan als Rechtsnorm inhaltlich klar und aus sich heraus eindeutig und verständlich sein (BVerwG, NVwZ-RR 1997, 515). Außerdem ist ein Bebauungsplan unwirksam, wenn seiner Verwirklichung rechtliche oder tatsächliche – auch wirtschaftliche – Hindernisse entgegenstehen (z. B. BVerwG, NVwZ 2000, 1045; VGH München, NVwZ-RR 2007, 324). Der Bebauungsplan muss auch wie jede Rechtsnorm vom Behördenleiter, also z. B. dem Bürgermeister, unterschrieben und ausgefertigt werden, um Rechtswirksamkeit zu erlangen (VGH München, ZfBR 2004, 65). Des Weiteren ist der Bebauungsplan als Rechtssatz gerichtlich überprüfbar, § 47 VwGO.
Welchen Inhalt ein qualifizierter Bebauungsplan gemäß § 30 I BauGB haben muss, ist dort festgelegt: Festsetzungen über Art und Maß der baulichen Nutzung, über die überbaubaren Grundstücksflächen und über die örtlichen Verkehrsflächen.
Welchen Inhalt ein qualifizierter Bebauungsplan haben darf, ist in § 9 BauGB im Wesentlichen abschließend geregelt (nur der Vollständigkeit halber sei noch auf § 22 II 1 und § 172 I BauGB verwiesen).
Außerdem ermächtigt § 9 IV BauGB den Landesgesetzgeber, Ermächtigungsnormen für örtliche Bauvorschriften zu erlassen, die ebenfalls Inhalt eines Bebauungsplans sein können. Von dieser Möglichkeit wurde in den Bauordnungen Gebrauch gemacht, so z. B. in Art. 81 BayBO.
Wenig problematisch ist die Festsetzung der örtlichen Verkehrsflächen, also vor allem der Straßen und Stellplätze (vgl. § 9 I Nr. 11 BauGB).
Die überbaubaren Grundstücksflächen werden durch Baulinien und/oder Baugrenzen festgesetzt, § 9 I Nr. 2 BauGB i. V. m. § 23 I BauNVO. Während die Baugrenzen die maximale Größe des Bauraums festlegen, das geplante Vorhaben also auch dahinter zurückbleiben kann, bedeutet die Einzeichnung einer (roten) Baulinie, dass an diese gebaut werden muss. Dabei ist es unschädlich, wenn die ebenfalls festgesetzte Grundflächenzahl (GRZ) nicht erreicht werden kann (BVerwG, BauR 1999, 1435).
Schließlich verlangt der qualifizierte Bebauungsplan des § 30 I BauGB noch die Festsetzung der Art und des Maßes der baulichen Nutzung, § 9 I Nr. 1 BauGB.
Art und Maß der baulichen Nutzung sind die rechtlich bedeutsamsten, wirtschaftlich weitreichendsten Bestimmungen eines Bebauungsplans. Deshalb sah sich der Gesetzgeber genötigt, die Ermächtigung für eine eigene Verordnung zu schaffen, die Art und Maß der baulichen Nutzung näher ausgestaltet. Die Ermächtigung findet sich in § 9a BauGB; bei der Verordnung handelt es sich um die Baunutzungsverordnung.
Die Baunutzungsverordnung trifft nicht nur nähere Regelungen insbesondere über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die ein Bebauungsplan vorgibt. Darüber hinaus werden die Vorschriften der §§ 2–13 BauNVO auch Bestandteil dieses Bebauungsplans, wenn dieser eines der in der Baunutzungsverordnung bezeichneten Baugebiete festsetzt.
Bebauungsplan und Baunutzungsverordnung sind also immer im Kontext zu lesen und greifen ineinander.
Dabei wird oft übersehen, dass immer nur die Bestimmungen derjenigen Fassung der oft geänderten Baunutzungsverordnung gelten, die zum Zeitpunkt der Aufstellung oder Änderung des Bebauungsplans galt.
Die BauNVO 1990 bestimmt, dass die Geschossfläche nur mehr nach den Außenmaßen der Gebäude in den Vollgeschossen zu ermitteln 15ist. Damit hat die Schaffung von Wohnräumen im Dachgeschoss, wenn es z. B. nach § 2 VI LBO BW kein Vollgeschoss ist, keinen Einfluss mehr auf die Geschossfläche des Gebäudes und kann nicht mehr unter Hinweis auf entsprechende Festsetzungen im Bebauungsplan abgelehnt werden. Diese Regelung gilt aber eben nur für Bebauungspläne auf der Grundlage der BauNVO 1990. Für frühere Bebauungspläne hätte diese Regelung einen Eingriff in die Planungshoheit der Gemeinde bedeutet, weil mit dieser Regelung von der Gemeinde erlassene Vorschriften rückwirkend geändert worden wären. Prompt hat das BVerwG diesen Eingriff in bestehende Bebauungspläne für nichtig erklärt (BVerwG, BauR 1992, 336): Für solche unmittelbaren Veränderungen des Bebauungsplans durch die Baunutzungsverordnung fehle die Ermächtigungsgrundlage. Das Gesetz räume dem Verordnungsgeber keinen unmittelbar sachlichen Einfluss auf die Zulässigkeit baulicher oder sonstiger Anlagen ein. Vor allem stelle dies einen verfassungswidrigen Eingriff in die Planungshoheit der Gemeinde dar.
Die Baunutzungsverordnung sieht vor, dass der Bebauungsplan zunächst einmal verschiedene Plangebiete festsetzt, und zwar als
Die Gemeinde muss sich dieser Baugebietstypen bedienen, kann also keine eigenen Baugebietstypen entwickeln (z. B. VGH Mannheim, BRS 39 Nr. 49: Unzulässig ist die Festsetzung eines „Dorfmischgebietes“). Durch die Festsetzung eines dieser zehn Baugebiete des § 1 I 2 BauNVO werden dann, sozusagen automatisch, die entsprechenden Bestimmungen der §§ 3–14 BauNVO zum Bestandteil des Bebauungsplans (§ 1 III BauNVO).
Der oben abgedruckte Bebauungsplan setzt als Art der baulichen Nutzung ein reines Wohngebiet fest. Die Folge davon ist, dass in diesem Plangebiet die in § 3 BauNVO genannten baulichen und sonstigen Anlagen zulässig sind. Demgegenüber ist der Umfang der baulichen Anlagen in einem allgemeinen Wohngebiet (§ 4 BauNVO) etwas größer.
FALL 2: SB-Markt im allgemeinen Wohngebiet. Die Stadt B. hat einen kleinen Teil ihres Stadtgebietes als allgemeines Wohngebiet nach § 4 BauNVO ausgewiesen. Dort möchte der Eigentümer eines unbebauten Grundstücks jetzt einen kleinen Supermarkt errichten. Die Mehrheit im Stadtrat, darunter einige Einzelhändler, die die Konkurrenz fürchten, verweigert deshalb das gemeindliche Einvernehmen. Das Landratsamt als Genehmigungsbehörde weist die Stadt darauf hin, dass nach § 4 II Nr. 2 BauNVO der geplante SB-Markt mit knapp 500 m2 Verkaufsfläche auch in einem solchen allgemeinen Wohngebiet zulässig ist. Es handele sich dabei um einen Laden im Sinne des § 4 II Nr. 2 BauNVO, der der Versorgung des Gebiets dient. Die beantragte Baugenehmigung müsse deshalb auch gegen den Widerstand der Stadt erteilt werden.
Ebenso zu beurteilen ist:
FALL 3: Die Errichtung einer Spielhalle im Kerngebiet. Die Stadt M. stellt für das Gebiet südlich des Hauptbahnhofes einen Bebauungsplan auf, und weist dieses Gebiet als sog. Kerngebiet aus. Einer der dortigen Grundstückseigentümer reicht daraufhin bei der Stadt einen Antrag ein, mit dem er die Genehmigung zur Umwandlung eines Ladengeschäftes in eine Spielhalle begehrt. Wie viele Städte wehrt sich auch die Stadt M. 17gegen einen solchen Betrieb. Der beauftragte Architekt führt daraufhin ein Gespräch mit dem zuständigen Juristen der Bauverwaltung und weist ihn auf § 7 II Nr. 2 BauNVO hin: Danach sind in einem Kerngebiet auch Vergnügungsstätten zulässig. Zu diesen zählen auch Spielhallen. Trotz dieser eindeutigen Rechtslage lehnt die Stadt M. die beantragte Genehmigung ab. Der Bauherr zieht daraufhin vor das Verwaltungsgericht. Dieses gibt ihm Recht und verpflichtet die Stadt M., die beantragte Genehmigung für die Spielhalle zu erteilen (VG München, Urt. vom 9.7.1990 – Az. M 8 K 89 4221).
Schließlich als weiteres Beispiel:
FALL 4: Die Transportbetonanlage im Industriegebiet. Auch hier ist Ausgangspunkt ein Bebauungsplan, den die Stadt E. vor vielen Jahren aufstellte und mit dem sie im Norden ihres Gemeindegebietes ein Industriegebiet ausgewiesen hat. In diesem Industriegebiet siedelten sich im Laufe der Jahre u. a. eine große Brauerei, eine kleine Fabrik zur Herstellung und zum Verkauf von Reifen und einige Kraftfahrzeugbetriebe an. Eines der unbebauten Grundstücke erwarb eine Baufirma, die dort eine Transportbetonanlage erstellen wollte. Transportbetonanlagen gehören zu den Gewerbebetrieben, die wegen ihrer Größe und ihrer Lärmemissionen nur in Industriegebieten zulässig sind (BVerwG, BRS 35 Nr. 67 unter Bezugnahme auf § 9 I und II Nr. 1 BauNVO). Die Stadt E. hätte an dieser Stelle lieber einen einheimischen Handwerksbetrieb angesiedelt. Sie versuchte deshalb, die Genehmigung für eine solche Anlage zu verhindern. Auch hier erteilte das Landratsamt aber im Hinblick auf die eindeutige Vorschrift des § 9 II Nr. 1 BauNVO die Genehmigung auf der Grundlage des seinerzeit von der Stadt E. aufgestellten Bebauungsplans.
Die Aufzählung solcher Beispiele ließe sich beliebig erweitern. Insbesondere gibt es bestimmte Arten von baulichen Nutzungen, die typischerweise unbeliebt sind und Ärger bei der Gemeinde oder den Nachbarn verursachen. Dazu zählen landwirtschaftliche Betriebe mit ihren entsprechenden Geruchsemissionen im Dorfgebiet, SB-Märkte im allgemeinen Wohngebiet, im Mischgebiet und im Dorfgebiet, Spielhallen im Kerngebiet, aber auch Wohnheime für Asylbewerber im allgemeinen Wohngebiet etc. Ein Blick in den Zulässigkeitskatalog der Benutzungsverordnung genügt jedoch, um festzustellen, dass 18