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Jacqueline F. Eckert

 

Der Fluch der Mondsklaven

Band 2

Verbannung

Inhalt

Der Fluch der Mondsklaven

Verbannung

Impressum

Über das Buch

Über die Autorin

Widmung

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Bonuskapitel: Die Hochzeit meines Bruders

Danksagung

Jacqueline F. Eckert

Der Fluch der Mondsklaven – Verbannung (Band 2 der Trilogie)

ISBN Print: 978-3-946376-52-1

ISBN eBook: 978-3-946376-53-8 (ePub)

 

Bibliografie

Der Fluch der Mondsklaven

Band 1 – Verrat (Veröffentlichung 03/2018)

Band 2 – Verbannung (Veröffentlichung 03/2019)

Band 3 – Vergeltung (geplant: Veröffentlichung 03/2020)

 

© 2019 Lysandra Books Verlag (Inh. Nadine Reuter),

Overbeckstraße 39, 01139 Dresden

www.lysandrabooks.de

 

Coverdesign/Umschlaggestaltung: © Fabian Santner

Stockfotos Cover via http://de.depositphotos.com/ 48638987 (Subbotina), 188122468 (mimadeo), 70298385 (titoOnz), 50773471 (heckmannoleg)

Symbole & Karte Innenteil: © Takezo Design Dirk Schröck, www.takezo-design.de

Lektorat/Layout/Satz: Lysandra Books Verlag

 

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Lysandra Books Verlags ist unzulässig. Dies gilt insbesondere für die mechanische, fotografische, elektronische und sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung - auch auszugsweise – durch Film, Funk, Fernsehen, elektronische Medien und sonstige öffentliche Zugänglichmachung.

Sämtliche Personen in diesem Roman sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

 

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

 

Nach dem Verrat des schwarzen Prinzen wird die Gestaltwandlerin Thyra-Fiah in Russland gefangen gehalten, um einer wahnsinnigen Waldelfe als Waffe und Versuchsobjekt zu dienen. Sie hat sich ihren Widersachern nur ergeben, um ihren Bruder Maykil zu retten, von dem bisher jede Spur fehlt.

Zu ihrem Entsetzen ist sie nicht die einzige Gefangene - auch Prinz Joseph teilt ihr Schicksal an diesem Ort.

Und so kämpft Thyra-Fiah nicht nur mit allen Mitteln gegen den Basilisken in ihr, sondern auch gegen die einnehmende Anziehungskraft des Prinzen, die sich wie blaues Feuer in ihrer Seele eingenistet hat. Dabei hat sie sich geschworen, ihm nie wieder zu vertrauen ...

 

 

Jacqueline F. Eckert, 1993 geboren, stammt aus einer deutsch-kroatischen Familie und unterrichtet in Frankfurt am Main die Fächer Deutsch und Kunst.

Wenn sie nicht gerade versucht, ihren stetig höher werdenden Lesestapel zu bewältigen oder mit Schreibprojekten beschäftigt ist, lebt sie sich auf die verschiedensten Arten künstlerisch aus. Für ihre Inspiration greift sie hierbei immer wieder auf ihr breit gefächertes Repertoire zurück – seien es Animes und Mangas, isländische Musik oder ganz klassische Fantasy-Filme wie „Der Hobbit“.

Für meine Eltern Štefica und Thomas

und meinen Bruder Maximilian

 

 

1

Es ist die Hoffnung,

die den schiffbrüchigen Matrosen

mitten im Meer veranlasst,

mit seinen Armen zu rudern,

obwohl kein Land in Sicht ist.

(Ovid // Publius Ovidius Naso)

 

Das letzte Quäntchen Freiheit, das ich noch besaß, war Hoffnung.

Sowie den Glauben daran, dass ich meine Familie wiedersehen würde.

Allem voran meinen Bruder Maykil.

Ich würde nichts unversucht lassen, um ihn aus den Fängen dieser grausamen Waldelfe Rya zu befreien. Und die einzige Möglichkeit, ihn jemals wiederzusehen, bestand darin, mich ihren Gefolgsleuten zu beugen.

Die Männer und Frauen, die Rya unterstanden, hatten mir die Augen verbunden, sodass ich nicht einmal sehen konnte, wohin sie mich und die anderen brachten – ich wusste nur, dass wir uns noch immer in der Menschenwelt befinden mussten. Seit meinem Streit mit dem schwarzen Prinzen und dem Blutbad im Dschungel waren sowohl Prinz Joseph als auch meine Gefährten William, ein ehemaliger Kellner aus der Menschenwelt, und die Dunkelelfe Maijin nicht mehr ansprechbar.

Es mussten Stunden vergangen sein, während derer wir uns in der Luft befunden hatten; ich war zwar noch nie mit einem Flugzeug oder Hubschrauber geflogen, doch kannte ich das kribbelnde Gefühl im Bauch vom Fliegen mit Maijins Phönix Runa.

Ich wusste nicht einmal, ob Runa noch lebte, und das versetzte mir einen Stich. Nicht daran denken. Nicht jetzt. Nicht hier.

Irgendwann landeten wir. Sie zerrten mich hinaus und forderten mich auf mitzulaufen, während meine Hände und Füße gefesselt waren und ich mehr oder minder vor mich hin strauchelte. Unter meinen Sohlen knirschte und raschelte es, wir mussten uns irgendwo draußen befinden, mit Kieselsteinen und trockenen Blättern unter uns. Es roch nach Wald, feuchter Erde und nassem Gestein. Der eisige Wind, der mir die verknoteten Haare ins Gesicht wehte, ließ mich am ganzen Körper erzittern. Wir mussten irgendwo hoch im Norden sein, denn nirgendwo anders war es im April noch so kalt. Ich klapperte mit den Zähnen.

In meiner Kapitulation hatte die einzige Chance gelegen, meinen Bruder überhaupt noch einmal wiederzusehen. Die einzige Chance, ihn aus Ryas Fängen zu befreien.

Aber dafür musste ich teuer bezahlen.

Und alles nur, weil der Prinz ihn überhaupt erst an die Waldelfe übergeben hatte. Er trug die Schuld an diesem Fiasko. Schwer wog die Erinnerung daran, dass er mich aus Héron in die Menschenwelt verschleppt hatte – geradewegs in sein privates Schloss, das so viel mehr verborgen hatte als es zunächst den Anschein gehabt hatte.

Es schüttelte mich, wenn ich nur an diesen Raum dachte.

An all diese … Bilder.

Trotzdem gibt es nur wegen ihm überhaupt die Chance auf ein Wiedersehen mit Maykil, rügte mich meine innere Stimme. Ohne seinen Einsatz bei der Hinrichtung wäre dein Bruder längst nicht mehr am Leben.

Ich schluckte schwer. Automatisch griff ich an meinen Hals und spürte etwas Metallisches. Es fühlte sich wie eine Art Halsband an. Etwas Ähnliches lag auch um meine Taille – eng schmiegte es sich unter meiner Bluse an mich, bewegte sich jedoch mit jeder meiner Bewegungen mit. Die Stellen, an denen sich die Bänder befanden, fühlten sich warm und wund an, und sie piksten. Ich fragte mich, ob sie wohl Ähnlichkeit mit den Waffen der Menschen hatten – ob sie ebenfalls elektrische Signale aussandten, um lebende Subjekte zu blockieren – aber ich traute mich nicht, es herauszufinden. Ich wollte das Wiedersehen mit meinem Bruder nicht gefährden. Dass ich deshalb meine Schuppen schon seit geraumer Zeit nicht mehr spürte, empfand ich als nützlich. Und weniger als böses Omen.

Wenn du dich da mal nicht täuschst.

Ich ignorierte die Stimme in mir und beschwor stattdessen ein Bild meines Bruders herauf. Es wärmte mich von innen, wenn ich an seine Augen dachte: An das lodernde Feuer in ihnen.

Oder aber an die Warnung, die ihnen innewohnte.

Ich schluckte. Hoffentlich würde ihm das nicht noch zum Verhängnis werden.

Wenn du dich da mal nicht täuschst, wiederholte die finstere Stimme in mir.

Ich atmete tief ein und aus, streckte meine Finger und ballte die Fäuste. Unter den Bändern juckte meine Haut, als wären sie mit unzähligen, winzigen Nadeln bespickt.

Ich hatte kaum bemerkt, dass die Schritte zahlreicher Personen widerhallten und wir uns nicht mehr draußen befanden, als eine Stimme bellte: „Los, rein da!“ Dann stieß mich jemand.

Ich stürzte auf kalten, glatten Boden. Meine rechte Schulter und meine Hüfte, die den Sturz abgefangen hatten, brannten wie Feuer. Aber ich empfand den Schmerz als tröstlich – er bedeutete, dass ich wieder etwas spürte, nach der Wirkung der Kristallmondserums-Spritze.

Es schüttelte mich, wenn ich daran zurückdachte. An den Verrat des Prinzen: Er hatte mich gezwungen, mich zu verwandeln. Hatte mich gezwungen, zu dem zu werden, das ich noch mehr verabscheute als ihn. Hinter meinen Lidern brannte es und der Geruch von Desinfektionsmittel ließ mich würgen.

Ich wollte aufstehen, doch gelang es mir lediglich, mich auf den Bauch zu drehen. Flach atmend kauerte ich auf dem Boden; er fühlte sich eiskalt an meinen erhitzten Wangen an, während ich mich weder bewegen noch etwas sehen konnte.

Und trotzdem lachten sie über mich.

Die anderen – Ryas Personal.

„Jetzt fühlst du dich wohl nicht so mehr stark, was?“, ertönte wieder die Stimme von vorhin. Sie musste dem Älteren aus der Gruppe gehören – demjenigen, der mich am liebsten hatte erschießen anstatt verschleppen wollen.

Ich entgegnete nichts.

„Hast wohl verlernt zu sprechen“, machte er weiter – gefolgt von erneutem Gelächter –, während ich hörte, wie seine Schuhe unmittelbar neben meinem Gesicht zum Stehen kamen. Mit der Spitze drückte er in meine Wange. Beinahe schmeckte ich das Desinfektionsmittel auf meinen Lippen.

Ich sog scharf die Luft ein.

„Komm schon, lass mich dein Knurren hören.“ Er lachte. Es klang rau und hart, als hätte er zu viel geraucht. Wenn mich nicht alles täuschte, lispelte er sogar ein wenig. Ich war geneigt, ihm damit einen Dämpfer zu verpassen. Ihn ins Lächerliche zu ziehen.

Aber das würde mich nicht wieder mit meinem Bruder vereinen.

Ruhig bleiben!, ermahnte ich mich. Allerdings stimmte mein allmählich erwachender Basilisk dem nicht zu und leistete mit einem heftigen Magenknurren Widerstand. Die Bestie in mir wollte sich nicht beugen. Auch wenn kein Vollmond war.

Der Alte schnaubte. „Falsches Organ.“ Es klang wie eine Warnung. Seine Schuhspitze drückte stärker in meine Wange. Er verlagerte sein Gewicht, sodass ich das Gefühl hatte, mein Kopf würde jeden Moment aufplatzen wie ein schlecht gewordenes Ei.

Halt dich gefälligst zurück!, hielt ich dagegen.

Der Druck auf meinen Kopf erhöhte sich. Ein Stöhnen entfuhr mir. Ich spürte, wie mir die Hitze zu Kopf stieg. Schlimmer war nur das Jucken unter den Bändern, das sich zunehmend verstärkte.

Die Bestie in mir knurrte lauter. Aggressiver.

„Lass es gut sein!“, erklang plötzlich eine mir bekannte Stimme. Sie musste dem Mann mit den heterochromen Augen gehören – sein Akzent war unverkennbar. „Rya befahl uns, sie hierherzubringen. Nicht, um mit ihnen zu spielen.“ Ich erinnerte mich noch genau an seine Worte, als sie uns gefangen nahmen – er war derjenige, der mir von Maykils Aufenthalt erzählt hatte. Es war wie ein Versprechen gewesen.

Der Schuh ließ zwar nicht von mir ab, doch das Gewicht auf meinen Wangenknochen verringerte sich. Ich war geneigt, aufzuatmen.

„Ach, wirklich?“ Der Mann über mir schnalzte mit der Zunge. „Vielleicht interessiert es Rya ja, dass du dich ein wenig zu sehr für unsere Ware einsetzt.“

Eine gefährlich aufgeladene Stille folgte.

Ware. Das Wort hallte in meinem Kopf nach. Was haben sie mit uns vor? Werden sie uns gegen andere Waren eintauschen? Oder … einsetzen?

Allein bei der Vorstellung graute mir. Ich wollte nicht noch mehr Blut an mir kleben sehen, nicht noch mehr Leben auf meiner imaginären Todesliste unterbringen. Meine Nervosität steigerte sich. Das Jucken unter den Bändern wandelte sich in stechenden Schmerz. Das Herz klopfte mir derart stark in der Brust, dass ich glaubte, es würde gleich herausspringen.

Ein amüsiertes Lachen ertönte. Allerdings klang es nicht heiter, sondern vielmehr herablassend. „Nur zu. Dann berichte ich ihr ebenfalls davon, dass dir ein siebzehnjähriges Mädchen die Waffe abnehmen konnte.“

Der Schuh entfernte sich von meinem Gesicht. Ich atmete so heftig ein, dass ich husten musste.

„Siebzehnjähriges Mädchen?“, führte der Ältere die Diskussion fort. „Dass ich nicht lache! Bist du blind? Hast du etwa nicht ihre Augen gesehen?“

„Und ihr Mal!“, stimmte eine weibliche Stimme zu.

„Ja!“, erklang es von einem anderen Mann.

Wie als Beweis wurde mir die Augenbinde abgenommen und das Haar gewaltsam zur Seite gezerrt. Ich blinzelte mehrmals gegen das viel zu grelle Licht an, bevor es mir gelang, den Raum und die sich darin befindlichen Personen zu erkennen. Mein Gehör hatte mich nicht getäuscht: Vor mir standen tatsächlich zwei Männer. Der ältere, beleibte Mann – den ich bei meinem Angriff mit seiner eigenen Waffe getroffen hatte und der daraufhin, durch die elektrischen Stöße, wie ein Fisch an Land gezappelt hatte – und der Mann mit den heterochromen Augen. Aus meiner Position heraus konnte ich jedoch nicht den gesamten Raum ausmachen, lediglich schneeweiße Bodenfliesen und kalte, graue Betonwände.

Einen Moment lang starrten die beiden mich an. Ich spürte auch die Blicke der anderen Angestellten hinter mir, die sich unnachgiebig in meinen Nacken fraßen.

Der Mann mit dem ungewöhnlichen Akzent sah mich noch immer an, als er entgegnete: „Ich bin nicht blind.“ In seiner Stimme schwang ein kühler Unterton mit. Dann verlagerte sich seine Aufmerksamkeit auf die Person neben ihm. „Aber du vergisst anscheinend, was uns Rya beigebracht hat. Unmittelbar nach der Verwandlung sind Mondsklaven am schwächsten. Und sie konnte dir trotzdem deine Waffe abnehmen.“ Ich konnte sein Grinsen förmlich heraushören.

„Verdammtes Schoßhündchen von Rya!“, zischte der Ältere mit den raspelkurzen Haaren und ließ mich los, aber nur, um mit seinem wulstigen Finger auf sein Gegenüber zu zeigen. Warnend, gar drohend ergänzte er: „Pass lieber auf, auf welche Seite du dich stellst, Ivan!“

Er ließ seine Worte einen Moment im Raum stehen, bevor er sich in Bewegung setzte. „Steht hier nicht so dämlich herum!“ Seine Stimme klang so scharf wie Messerklingen. „Wir müssen noch den Rest der Ware reinbringen.“

Mehrere Füße setzten sich in Bewegung, Schritte hallten von den Wänden wider. Dann drehte sich der Alte wieder in unsere Richtung. „Bist du endlich fertig?“, fragte er den Jüngeren. „Oder soll ich dich mit ihr einschließen?“

Ich habe die Schlüssel“, antwortete dieser kühl. „Schon vergessen?“

Blitzschnell stand der Ältere wieder zwischen uns, ganz nah bei Ivan. „Treib es nicht zu weit!“ Ich hörte förmlich, wie es in ihm brodelte.

Doch Ivan ließ sich davon nicht aus der Ruhe bringen und schlenderte fast schon gelassen zu mir. Er umfasste meine Fuß- und Handgelenke, befreite mich in aller Ruhe von den Fesseln und gab mir damit zu verstehen, dass ich mich jetzt wieder frei bewegen konnte. Allerdings traute ich mich nicht, mich aufzurichten, geschweige denn aufzustehen.

Die beiden Männer machten Anstalten zu gehen, und ich verfolgte ihren Weg mit meinen Augen. Dabei registrierte ich, dass ich in einer Gefängniszelle lag: Dicke Serpiumstäbe – das einzige Material aus Héron, das einem Basilisken, einem gefallenen Drachen wie mir standhalten konnte – ersetzten eine ganze Wand und schimmerten in einem violetten Schwarz. Und die Fliesen, die mich umgaben, schimmerten in derselben Farbe. Fenster gab es hier keine; nackte Glühbirnen baumelten von der Decke. Wahrscheinlich befanden wir uns unter der Erde.

Ivan schloss die Zelle ab. Dann verschwanden die Männer aus meinem Blickfeld, während zwei bewaffnete Frauen in Anzügen sich links und rechts der Gitterstäbe positionierten.

Ich setzte mich nur sehr langsam auf; jede meiner Bewegungen schmerzte. Mein Blick wanderte ein weiteres Mal durch den Raum: Unweit von mir entfernt lag eine neuwertige Matratze mit einer dünnen Decke und einem merkwürdig vertraut wirkenden schwarz-weißen Stoffbündel; zudem gab es einen Wasserhahn, eine vergitterte Öffnung und eine kleine, in den Raum hineinragende Wand, hinter der ich – wie ich vermutete – mein Geschäft verrichten konnte.

Ich begab mich auf alle Viere und drückte mich nach oben. Brach jedoch kurz darauf wieder zusammen. Lautlose Schreie stahlen sich aus meinem Rachen, während ich zusammengekrümmt und mit tränennassen Wangen wieder auf den eiskalten Fliesenboden sank. Irgendetwas stimmte nicht. Warum hatte mein Heilprozess nicht längst eingesetzt? Trugen diese Bänder daran Schuld?

Ich kämpfte mich auf die Beine, auch wenn mir die Haare an meinen Schläfen klebten und ich für einen viel zu langen Moment nur schwarze und weiße Lichtpunkte vor meinen Augen tanzen sah. Mühevoll blinzelte ich sie weg. Ich krempelte meine Bluse hoch und sah an mir herab. Das Band an meiner Taille besaß eine glatte, silberne Oberfläche, die durchbrochen war von haarfeinen Rissen. Meine Schuppen zeigten sich noch immer nicht.

Inzwischen hatte ich einen Fuß vor den anderen gesetzt und mich unmittelbar hinter die Gitterstäbe gestellt, sodass ich eigentlich mühelos meine Hände durchstecken konnte.

Um sie zu erwürgen.

Der Gedanke erschreckte mich so sehr, dass ich zusammenzuckte. Ich schüttelte meinen Kopf, wie um meinen Verstand zu klären. In meinem Inneren rumorte es; es begann, unter den Bändern unerträglich zu jucken.

Als ich mit einem Mal seine Stimme hörte, setzte mein Herz aus. Der jüngste Königssohn befand sich in meiner unmittelbaren Nähe.

„Nehmt eure dreckigen Hände von mir, ihr unwürdigen Kreaturen!“ Diese Stimme verursachte mir eine Gänsehaut, so tief und durchdringend, dass es mich am ganzen Körper erschaudern ließ.

Dann sah ich ihn: Prinz Joseph.

Auch er war in Handschellen gelegt worden. Auch er trug diese metallischen Bänder – allerdings nicht um seinen Hals, sondern um seinen Bauch und um seine beiden Handgelenke. Das ansonsten so ordentliche, rabenschwarze Haar stand in alle Richtungen ab, die Augenbinde war ihm bis zum Hals verrutscht und seine Kleidung hing ihm in Fetzen vom Körper. Jeder hatte nun vollkommen freie Sicht auf seine langen, sehnigen Muskeln und auf die schwarzen Zeichen und Schriftzüge auf seinem Oberkörper, die durch die Blässe seiner Haut umso stärker hervorstachen. Und auf die unzähligen Schnittwunden und Schrammen, die einfach nicht aufhören wollten zu bluten. Warum wollten sie nicht aufhören zu bluten, warum nicht?

Das Knurren in meinem Inneren wandelte sich in ein Wimmern.

Doch niemand sonst schien es zu vernehmen. Nicht einmal Prinz Joseph, der die Menschen übel beschimpfte, während ein halbes Dutzend von ihnen damit zu kämpfen hatte, ihn in seine Zelle zu verbannen. Sie zogen und zerrten an ihm und schoben ihn mit größter Anstrengung – ich erkannte es an ihren zusammengebissenen Zähnen, an den hervortretenden Adern und den glitzernden Schweißperlen auf ihren Stirnen und an ihren Schläfen.

Mit geweiteten Augen und starren Gliedmaßen versuchte ich einzuordnen, was ich sah und hörte. Denn so kannte ich den schwarzen Prinzen nicht. Ganz und gar nicht. Für gewöhnlich fluchte er nicht, wurde nur minder emotional oder überhaupt vor Wut aufbrausend.

Und mit einem Mal war sie wieder da.

Diese Angst.

Vor ihm und seinen eintausend Persönlichkeiten.

Allerdings wunderte mich eines noch mehr als die Tatsache, dass er mit Beleidigungen um sich schmiss, die ich noch nie in meinem Leben gehört hatte – es war der Schmerz in seinem Gesicht und das merkwürdige Knistern. Wieder und wieder zuckte er zusammen. Und trotzdem leistete er vehement Widerstand.

„Ihr werdet noch bereuen, dass ihr mich hier gefangen haltet!“ Es war keine Drohung, sondern ein Versprechen.

„Mach nur so weiter“, warnte ihn jemand, „und du brichst zusammen!“

„Ja, willst du das?“, stimmte ein anderer zu. „Junge, diese Bänder sind kein Modeaccessoire – sie blockieren deine Magie!“

Und damit seine Energie, ergänzte ich in Gedanken. Das tun also die Bänder. Sie … sie … blockieren uns. Ich riss die Augen auf.

Jählings ging der Schattenelf in die Knie.

Direkt vor meiner Zelle.

Mit weit aufgerissenen Augen und stummen Schreien sank sein Kopf in Richtung Boden. Die Metallbänder gaben derart starke, elektrische Impulse ab, dass ich es hören konnte. Der Prinz kniff die Augen zusammen, atmete flach und schnell, während sein Kopf schwankte, hin und her kreiste.

Auch über ihn lachten die anderen.

Doch das ignorierte er.

Denn als sich sein Kopf in meine Richtung drehte und er just in diesem Moment die Augen öffnete, war es, als würde bei ihm ein Schalter umgelegt: Er erstarrte für den Bruchteil einer Sekunde; versuchte womöglich zu begreifen, dass ich tatsächlich hier war.

Dann sprang er auf. „Was macht Thyra-Fiah hier?“, brüllte er wie von Sinnen. „Sie hat nichts damit zu tun!“ Sein Gesicht war inzwischen hochrot angelaufen und der Schweiß rann ihm nur so von den Schläfen, während er begann, wie ein Besessener um sich zu treten. Er traf die Schienbeine, Oberschenkel und Bäuche der anderen. Er verteilte sogar Stöße mit seinem Kopf, die so heftig waren, dass ihr dumpfes Geräusch an den Wänden nachhallte.

Doch es brauchte nur einen weiteren Schlag. Einen einzigen, gezielten Schlag auf seinen Hinterkopf, und er sackte ohnmächtig zusammen.

Irgendetwas schrie in mir.

Ich wollte handeln, den anderen Schmerzen zufügen, Gerechtigkeit einfordern. Doch stand ich nur da und rührte mich nicht. Meine Gliedmaßen fühlten sich starr an.

Kopfschüttelnd und murmelnd schleiften sie den Prinzen fort.

Fort aus meinem Sichtfeld.

Nach endlos langen Minuten sank ich auf dem Boden nieder. Der gleißende Schmerz in meinen Muskeln und das Wimmern in meinem Inneren zwangen mich dazu. Ich sog scharf die Luft ein, als ich die Beine an mich zog und sie umarmte. Dann vergrub ich das Gesicht in meinen Händen und versuchte, mich zu konzentrieren, versuchte, mich zu beruhigen.

„Lasst mich hier raus, ihr Säcke!“, hörte ich Maijin plötzlich brüllen und mein Kopf schoss hoch. „Was soll der Mist?“ Es gab einen Knall, dann einen weiteren und einen weiteren. Die Dunkelelfe hatte anscheinend wieder genug Kraft, um zu randalieren, und auch sie warf mit Beschimpfungen nur so um sich.

Doch ihr anschließendes gequältes Keuchen ließ mich wissen: Jeder von uns musste mit diesen Bändern eingekleidet worden sein, an genau den Stellen, aus denen wir unsere Kraft bezogen.

„Ich bin ein Mensch!“, versuchte es William auf eine andere Art und Weise. „Ich bin unschuldig! Und ich habe Rechte!“ Er schien direkt rechts neben mir eingesperrt worden zu sein. Doch sein Widerstand versiegte schnell, und dieses Mal war ich mir sicher, dass das Wimmern und Flehen nicht aus meinem Inneren kam.

Und während sich der Wahnsinn stärker in meinen Verstand einnistete und ihn vernebelte, ich mich vor und zurück wiegte, vor und zurück wiegte, vor und zurück, vor und zurück … konnte ich bloß an eines denken: Wo ist Maykil? Warum spüre ich seine Präsenz nicht?

Weil er nicht hier ist.

2

Das durfte nicht wahr sein.

Das konnte nicht wahr sein!

Ich hatte Maykil doch durch die Kristallkugel gesehen! Der Prinz hatte ihn mir gezeigt, ich hatte sogar mit ihm gesprochen! Er musste hier sein, es konnte gar nicht anders sein. Vielleicht war er auch nur in ein anderes Stockwerk quartiert worden. Ja, vielleicht war er nur irgendwo anders in diesem Gebäude, verschlossen zwischen Wänden, sodass ich ihn weder riechen noch spüren konnte.

Das bezweifle ich.

Nein, nein, nein!

Wie konnte ich nur so dumm sein? So einfältig? Wie konnte ich tatsächlich glauben, dass ich ihn wiedersehen würde? Warum nur hatte ich überhaupt in Erwägung gezogen, Rya zu vertrauen? Prinz Joseph zu vertrauen?

Die Stimmen in meinem Inneren verurteilten mich und führten mir in einer endlosen Schleife vor Augen, welche Fehler ich begangen hatte. Welche meiner Handlungen fehlerhaft waren. Dabei brauchten sie das gar nicht. Ich wusste es selbst bereits zur Genüge.

Ich bin ein Fehler.

Meine Hände ballten sich zu Fäusten.

Ich bin schuld.

Mein Kopf schwankte zwischen meinen angewinkelten Beinen hin und her.

Ich bin schuld daran.

Hin und her. Hin und her. Hin und her.

Ich bin schuld daran, dass Maykil sterben musste.

Blitzschnell wurde mein Kopf hochgerissen – wie von einem unsichtbaren Marionettenspieler, als würde er an einem dünnen Faden hängen. Einen Moment ließ er ihn noch in dieser Position.

Dann schlug er ihn mit voller Wucht gegen die geflieste Wand dahinter …

Finsternis.

Aber es war nicht Nacht. Denn diese Finsternis war nicht natürlich. Nein, das war sie ganz und gar nicht.

Sie wurde durch schwarze Magie ausgelöst.

Gequälte Schreie erfüllten die Luft, in der kein Platz für ebendiese war. Der dunkle Rauch wanderte durch sämtliche Gänge des Schlosses, zwängte sich durch die Ritzen der Wände, Fenster und Türen hinaus in die Freiheit – ungeachtet der Tatsache, was er damit anrichtete.

Eine Gestalt mit spitzen Ohren kauerte auf dem Boden. Er wiegte sich vor und zurück, vor und zurück, vor und zurück. Sein Körper zitterte. In immer kürzeren Abständen waberte die schwarze Magie aus ihm heraus.

Er konnte es nicht kontrollieren.

Genauso wenig wie den Willen, der ihm aufgezwungen wurde.

Durch die schicksalhafte Bindung an eine Bestie.

Plötzlich erstarrten die zitternden Gliedmaßen, der Kopf ruckte hoch. Zwei glühende, blaue Augen sprachen das Versprechen des Geistes der Unterwelt aus: Der Schattenelf würde den Basilisken finden. Und er würde ihm Schmerzen bereiten. Er würde seinem Drang nach Blut und Chaos nachgeben.

Dann … nahm er die Fährte auf. Es würde nicht schwer sein, sie zu finden. Das war die beeindruckende Macht von Angst – sie machte selbst einen gefallenen Drachen wieder zu einem siebzehnjährigen Mädchen, das sich vor seinem eigenen Schatten fürchtete.

So konnte er sie nicht nur riechen.

Er spürte sie auch.

Langsam, als hätte er alle Zeit der Welt, stand er auf. Setzte einen Fuß vor den anderen. Die schwarze Magie umhüllte ihn wie einen Mantel, vergrößerte sich und tauchte die Umgebung in tiefste Finsternis.

In eine Nacht ohne Sterne.

Fäulnis erfüllte die Luft. Die Tapete löste sich von den Wänden, während seine Fußspuren dunkle, ausgefranste Löcher im Teppich hinterließen. Er näherte sich ihr – er konnte hören, wie sie die massive Eingangstür durchbrach und in den angrenzenden Dschungel floh.

Nein, sie war kein gefallener Drache. Auch wenn ihr Äußeres eine andere Wahrheit flüsterte – ihr Inneres wurde von einem menschlichen Wesen beherrscht. Die Seele des Basilisken hingegen hatte sich in einen anderen Verstand eingenistet.

In einen Verstand, der von weit mehr Selbstzweifeln erfüllt war.

Ein Geist, der keinen Widerstand leistete.

Hier war es ein Leichtes gewesen, eine Lücke zu finden. Der einzige Genträger der schwarzen Magie, dieser Schattenelf, stellte die perfekte Hülle dar. Durch ihn gelang es der Bestie, ihre Schattenseiten auszuleben.

Und alles um sie herum zu vernichten.

Als er sie fand – inmitten eines toten Dschungels – fühlte er nichts. Er spürte nur ihre Schwäche. Sie war so … schwach.

Ich fühlte die Nässe an meinen Wangen und meine erhöhte Körpertemperatur. Spürte die elektrischen Stöße, bevor ich sie überhaupt zuordnen konnte: Wie unzählige rostige Nadeln stachen sie ohne Unterlass in meinen Hals, meine Taille, meine menschliche Haut.

Der Traum

Aber das war kein Traum gewesen, sondern eine Erinnerung. Mein Basilisk versuchte mir eine Wahrheit mitzuteilen, die zu begreifen ich nicht imstande war.

Doch was ich verstand: Er wollte raus!

Mein Körper bäumte sich auf.

Schreiend riss ich die Augen auf und schnellte hoch. Aber das machte es nur schlimmer – ich hatte das Gefühl, die Nadeln würden größer und bekämen Widerhaken. Meine Hände schossen zu meinem Hals. Ich bekam keine Luft mehr, konnte nicht mehr atmen, ich konnte nicht atmen, nicht atmen, nicht atmen!

Meine Finger bekamen das Metallband zu greifen, zogen und zerrten daran. Doch es gab nicht nach. Und der Schmerz war so unerträglich, dass mir die Hitze zu Kopf stieg. Mich überkam das Gefühl, dass mir gleich eine Arterie platzen musste. Stöhnen und Knurren schlüpften aus meiner Kehle, ließen automatisch die Aufmerksamkeit meiner Bewacher zu mir wandern.

Aber in diesem Moment war mir das egal. Mir war es sogar gleichgültig, dass ich den Prinzen stöhnen hörte und William wimmern. Nicht einmal die Auswirkungen des Fluches – ihre beider Abhängigkeit von mir – würden mich davon abbringen, diese beißenden und stechenden Metallbänder von meinem Körper reißen zu wollen.

Doch das Aufheulen meiner Bestie ließ mich erstarren. Mit einem Mal sah ich das Bild der blutigen Lache, die sich nach dem Kampf mit dem schwarzen Prinzen direkt unter mir befunden und den Sand rötlich gefärbt hatte. Keine Fliesen waren mehr zu sehen, nur Sand. Überall dieser Sand und das rosafarbene Meer und die Lache, die bei mir endete und …

Mein Basilisk, stellte ich atemlos fest. Er ist verletzt!

Ich musste mich verwandeln! Wenigstens in meine Halbverwandlung, wenigstens nur ein einziges Mal meine Schuppen sehen, wie sie mit jedem Aus- und Einatmen auftauchten und wieder verschwanden. Ich ahnte – nein, ich wusste – dass sie es versuchten. Aber sie waren zu schwach, um gegen die elektrischen Impulse anzukämpfen. Weil sie genau dort ansetzten, wo es wehtat; dort, wo meine Energie und meine Kräfte lagen. Wo sich mein Basilisk befand.

Dieses Mal schlossen sich meine Finger um das Metall an meiner Taille. Sie verkrampften sich. Mit aller Gewalt versuchte ich, es von mir zu reißen.

Jäh zog es mich nach vorne, ich krümmte mich zusammen – als hätte man mir mit voller Wucht gegen den Bauch getreten. Ich spuckte Speichel und Galle. Hustete. Würgte. Und stürzte schließlich auf alle Viere. Meine Arme und Beine zitterten; meine Sicht verschwamm. Das Blut rauschte in meinen Ohren, während ich angestrengt versuchte, bei Bewusstsein zu bleiben. Das Haar klebte schweißnass an meinen Schläfen; einzelne Tropfen verirrten sich zu den spiegelglatten, steril-weißen Fliesen.

Meine Arme knickten weg. Ich stürzte zur Seite und erneut zu Boden. Wartete regungslos darauf, dass das Stechen der rostigen Nägel aufhörte, während ich gleichzeitig nichts gegen das Wimmern und Heulen in meinem Inneren unternehmen konnte.

Es tut mir leid.

Eine einzelne Träne stahl sich aus meinem Augenwinkel und folgte den anderen. Die Fliesen fühlten sich viel zu kalt an meinen erhitzten Wangen an, während das Herz in meiner Brust derart gewaltsam schlug, als wollte es aus diesem Gefängnis von einem Körper fliehen.

Das Stechen verminderte sich kaum. Es drohte, mir die Sinne zu rauben. Schon wieder roch ich das Desinfektionsmittel – es brachte mich zum Würgen. Selbst die nackten Glühbirnen, die im Flur von der Decke baumelten, brannten viel zu hell.

Ich kniff die Augen zusammen.

Eins, zwei, drei.

Ich musste mich ablenken.

Eins, zwei, drei.

Atmen.

Eins, zwei, drei.

Durchhalten.

Eins … zwei … drei …

Ich wusste nicht, wie viel Zeit verstrichen war, bevor ich zögernd meine Augen öffnete, blinzelte, und mich langsam aufstützte. Mein Hals und der Bereich um die Taille fühlten sich wund und warm an. Zwar hatte mein Basilisk aufgehört, sich zu wehren, jedoch fühlten sich die unterdrückten Gefühlsregungen so an, als würden sie sich gegen das Innere meines Körpers stemmen. Meine Schuppen wollten nach außen dringen. So sehr. Und doch konnte ich nichts dagegen unternehmen, außer mich zusammenzureißen. Ruhe bewahren. Ausharren. Meinen Kopf hinhalten. Gehorsam leisten. Befehlen folgen. Meine Gefühle ausschalten …

Wie im Palast.

Ich erstarrte. Nur ganz langsam atmete ich ein und aus, während ich versuchte, meine Gedanken zu ordnen. Wenn es einen Weg aus dem Palast gegeben hatte, dann gab es auch ganz sicher hier einen. Ich würde ihnen nicht die Genugtuung geben, mich für irgendwelche abscheulichen Experimente benutzen oder mich als tödliche Waffe einsetzen zu lassen. Ich würde hier drinnen nicht vor mich hinvegetieren. Selbst wenn mein Bruder Maykil-

Er lebt!, unterbrach ich mich selbst. Du darfst an nichts Anderes denken! Er ist stark und kann sich zur Wehr setzen.

Aber wenn sie selbst den einzigen Genträger der schwarzen Magie, Prinz Joseph, unter Kontrolle halten können, giftete eine andere Stimme in mir, was hat dann schon ein gewöhnlicher Magier dagegenzuhalten?

Hör auf! Ich sprach mir selbst Mut zu. Maykil lebt! Ich spüre es in meinem Herzen. Genauso wie meine Eltern. Und ich werde sie finden. Sie alle!

Die niederschmetternde Stimme strafte mich mit einem ungläubigen Lachen. Wie willst du hier überhaupt herauskommen?

Ich finde schon einen Weg nach draußen.

Ich konnte jetzt nicht aufgeben. Denn dann wäre alles umsonst gewesen. Die Rebellion der vielen später ermordeten Friedensphönixe und Mondsklaven, und die vielen manipulierten Menschen. König Askeelans Herrschaft musste endlich ein Ende haben! Er hatte die Mondsklaven unterdrückt, mir mein Heim geraubt, mich zu einer Flüchtigen gemacht, meiner Familie entrissen und wollte meinen Bruder hinrichten lassen … ich würde nicht eher ruhen, bis ich ihn vom Thron stieß und ihn tot vor mir liegen sah. Er sollte für all das bezahlen, was er mir und allen anderen angetan hatte!

Doch zuerst musste ich einen Weg hier raus finden. Zuerst musste ich von hier fliehen. Wenn ich nur wüsste, wie …

Mein Blick fiel auf die männlichen Wachen – sie mussten wohl einen Schichtwechsel gehabt haben – und ich erhob mich ächzend. Sie kehrten mir den Rücken zu, sodass ich die beiden weder an ihrem Kurzhaarschnitt noch an der strengen Haltung unterscheiden konnte. Nein, sondern vielmehr an ihrer unterschiedlichen Körperfülle.

Ich kämpfte mich nach oben. Eine ganze Weile stand ich mitten im Raum, wobei ich mich gerade noch aufrecht halten konnte. Mein Magen fühlte sich wie ein harter Klumpen an, der mit jeder Bewegung an dem Schmerzzentrum in meinem Gehirn zu ziehen schien. Aber ich nahm all meine Kraft zusammen. Die Hände zu Fäusten geballt schritt ich zu den schwarz-violetten Gitterstäben. Ich starrte die beiden Männer abwechselnd an.

Es dauerte nur Sekunden, bis der Dünne begann, sich unter meinem Blick zu winden. Ich roch seinen Schweiß und hörte sein Herz unruhig in seiner Brust flattern. Automatisch blähten sich meine Nasenflügel auf; ein Knurren wartete in meiner Kehle. Ich unterdrückte es, weil meine Haut unter den Bändern wieder zu jucken anfing.

Plötzlich drehte er sich um. Sein Blick huschte nur für einen kurzen Moment zu mir. Doch dieser reichte aus, damit ihm förmlich die Haare zu Berge standen. Mir gelang es nicht, mein triumphierendes Lächeln zu verstecken.

Jetzt schien auch der Dicke von beiden zu bemerken, dass etwas nicht stimmte: Ich stand viel zu nah vor den Serpiumstäben. Mit befreiten Händen, die sich mühelos durch die Lücken schieben und die Männer packen konnten. Um sie auszuschalten.

Und dieses Mal erschreckte mich der Gedanke nicht.

Narren. Sie sind nichts als Narren.

Jählings sprangen die Wachmänner auf und richteten ihre Pistolen auf mich.

„Was wird das, Mädchen?“, bellte der Dicke.

Ich lächelte noch immer, als ich mit übertriebener Freundlichkeit fragte: „Wann bekomme ich etwas zu essen? Er hat Hunger.“

Der Dünne hob verwundert eine Augenbraue. „Wer ist er?“

Mein Lächeln wandelte sich zu einem Grinsen, das genau zwischen zwei Gitterstäben Platz fand. „Mein … Basilisk.“ Bei diesem Wort konnte ich förmlich sehen, wie ein Schauer über die Männer fegte.

Und ich genoss diese Gefühlsregung.

Es machte mir nichts aus, dass meine Bestie immer stärker in den Vordergrund rückte. Dass sie allmählich meinen Verstand besetzte. Ich spürte die Anwesenheit meines Bruders nicht – es gab keinen Grund mehr für mich, ruhig zu bleiben, mich zusammenzureißen.

Die beiden Wachmänner machten ihre Gewehre schussbereit. „Du bekommst zu essen, wenn Rya es für richtig hält!“ Sie versuchten, mit ihrer lauten Stimme einschüchternd zu wirken. Doch das Zittern darin konnten sie nicht verbergen.

Rya. Das Wort hallte in meinem Kopf nach und ließ meine Wut höhere Wellen schlagen. Das Jucken unter den Metallbändern verstärkte sich. Meine Lunge vibrierte, als ich einatmete.

„Schert euch weg von ihr!“, hörte ich jäh die herrische Stimme des Prinzen zu uns herüberschallen – sie fühlte sich wie eine Ohrfeige an.

„Klappe halten!“, ertönte eine fremde Stimme, deren dazugehörige Person ich nicht sah. „Oder wir bringen dich wieder zum Schweigen.“

Prinz Joseph dachte jedoch nicht daran, nachzugeben. „Ihr werdet euch noch wünschen, ihr wäret mir niemals begegnet!“ Jedes einzelne seiner Worte war rasiermesserscharf.

Seit wann handelte oder sprach der Prinz derart unüberlegt? Er war gefangen und konnte ohne seine Magie nur wenig ausrichten. Mit seiner Art würde er niemandem helfen. Vor allem nicht sich selbst.

Vielleicht will er bloß ihre Aufmerksamkeit auf sich verlagern.

Ich riss die Augen auf.

Weg von dir.

Nein. Das glaubte ich nicht. Ich wollte es nicht glauben. Ich wollte nicht glauben, dass er jemals an jemand anderen dachte außer an sich selbst. Nicht nach allem, was vorgefallen war.

Mit einem Mal stöhnte er auf.

Dann schwieg er.

Es war still. Viel zu still. Ich konnte die beiden Männer vor mir atmen hören. Die Emotionen des Prinzen mussten derart Überhand genommen haben, dass er damit die elektrischen Impulse ausgelöst hatte. Sie hatten ihn regelrecht ausgeschaltet.

Ich ignorierte das Stechen in meiner Brust.

„Was will Rya von mir?“, fragte ich die Wachmänner. „Von uns?“

Doch sie antworteten nicht.

„Wo ist der Magier?“, fragte ich nun direkter. Die Dunkelheit in meiner Stimme beherrschte mich. Sie entsprang nicht mehr meinen menschlichen Stimmbändern – und darauf reagierte das Band an meinem Hals.

Aber das war mir egal.

Ich wollte Informationen.

„Wo habt ihr Maykil einquartiert?“, fragte ich nun lauter, aggressiver. Wie von selbst rutschte mein rechter Fuß nach vorne; beinahe berührten meine Lippen die Gitterstäbe.

Die beiden Wachmänner reagierten blitzschnell. Die Läufe ihrer Gewehre drückten sich gegen meine Stirn. Aber ich hatte keine Angst. Sie brauchten mich, sonst hätten sie mich längst getötet.

Also brüllte ich: „Wo ist mein Bruder?“

Regungsloses Schweigen.

Dann … eine bekannte Stimme: „Was ist das hier für ein Aufstand?“ Kurz darauf schob sich eine Person in mein Blickfeld, deren heterochrome Iriden sich unweigerlich in meinen Verstand eingenistet hatten – ebenso wie der einprägsame Akzent. Und diese beiden Aspekte lösten etwas in meinem Inneren aus, das bitter auf meiner Zunge schmeckte, wenn ich es wagte, es auszusprechen.

Lügner.

Ivans Anzug saß tadellos; er war gepflegt, genauso wie seine dunklen Locken und der Drei-Tage-Bart. Mit der einen Hand balancierte er ein Tablett, auf dem eine Flasche Wasser stand und ein Teller mit einer undefinierbaren Masse. An seinem Gürtel baumelte eine Pistole.

Die Wachmänner versuchten, sich zu erklären und berichteten von meiner Provokation ihnen gegenüber. Doch Ivan verdrehte bloß die Augen und wies sie dazu an, ihre Gewehre wieder zu sichern und sich auf ihre Positionen zurückzuziehen – im Namen von Rya.

Sie murrten zwar und murmelten etwas Unverständliches, zogen sich aber zurück.

Irgendjemand keuchte.

Links von mir.

Ein weiterer Stich durchfuhr mein Herz, doch ich drehte nicht einmal meinen Kopf in seine Richtung. Das einzige, was mich jetzt mit dem Prinzen verband, war Verachtung. Er hatte mich und meinen Bruder verraten. Ich werde ihm das nie verzeihen!

Ivan trat an die Gitterstäbe meiner Zelle heran, fischte einen Schlüsselbund aus seiner Hosentasche und steckte ihn in das Schloss. Meine Augen vergrößerten sich: Ist er lebensmüde?

Ja, das schien er tatsächlich zu sein. Denn ohne auch nur mit der Wimper zu zucken, trat er in meine Zelle. Sie war nur einen Moment lang offen – so schnell konnte ich gar nicht reagieren. Allerdings wäre ein übereiltes Hinausstürmen ohnehin unklug gewesen. Hier wimmelte es sicher vor Wachen und verschlossenen Türen. Zuerst brauche ich einen Plan …

Meine Augen wanderten zu Ivan, der fast schon gemächlich zu mir lief. Er lächelte zwar nicht, aber sein Gesichtsausdruck war offen und weich.

Fühlte man sich etwa so, wenn man jemanden verraten hatte? Meine Nägel bohrten sich in meine Handballen. Ich unterdrückte den Impuls, mich hier und jetzt auf ihn zu werfen, um ihm für alle Zeiten das Atmen zu blockieren.

Zuerst brauchen wir Informationen, säuselte die Stimme in meinem Inneren.

Mein Herz stockte bei dem Wörtchen „wir“. Seit wann dachte ich in der Mehrzahl von mir selbst?

Ich schüttelte den Kopf, damit ich mich wieder auf den Lügner vor mir konzentrieren konnte. Mit verengten Augen starrte ich den Menschen an, der waghalsig genug war, kaum einen Fußbreit von mir entfernt zu stehen. Und obwohl er so nah bei mir war, gelang es mir nicht, seinen Geruch einzuordnen – denn er roch nach gar nichts. Er war genauso klinisch rein wie diese Zelle und vermutlich alles Weitere in diesem Gebäude auch.

Kein Wunder, dass ich ihm von Anfang an nicht getraut habe.

Ohne mein Zutun stahl sich meine Zunge nach draußen und wippte auf und ab, bevor sie wieder in meinem Mund verschwand. Das Zischen hallte von den nackten Wänden wieder.

Immer noch nichts.

„Ich habe hier Essen für dich“, versuchte Ivan es nun vorsichtiger. Er legte das Tablett ab und fixierte mich mit seinen bläulich-braunen Augen, während er sich behutsam wieder aufrichtete. Seine freie Hand ruhte über seiner Waffe, jederzeit zum Angriff bereit.

Meine Brauen schnellten nach oben. Ich ließ meine Zunge ein weiteres Mal herausgleiten. Das Zischen wurde lauter.

Zu meiner Verwunderung machte er ein Schritt auf mich zu.

Ich reagierte mit einem Knurren, woraufhin er stehenblieb. Wenn er am Leben bleiben will, erklang die säuselnde Stimme wieder, darf er sich uns nicht nähern. Ich verspürte ein Gefühl von Macht.

Ivan betrachtete mich abwartend und legte seinen Kopf schief. „Ich habe den Auftrag bekommen, dich zu untersuchen. Gestern hast du das Bewusstsein verloren und bist für viele Stunden nicht aufgewacht. Außerdem muss ich nachsehen, ob du von unseren Bändern verletzt wurdest.“

Ich setzte mich stärker zur Wehr. Das Knurren wurde intensiver.

Lauter.

Durchdringender.

Kurz darauf zuckte ich jedoch zusammen – schon wieder war es, als kratzten rostige Nägel an meiner Hautoberfläche, so als wollten sie mich davor warnen, eine Dummheit zu begehen.

„Sie haben mir gesagt, dass ich meinen Bruder wiedersehen werde“, brachte ich krächzend hervor – erst jetzt fiel mir auf, dass ich schon seit geraumer Zeit nichts mehr getrunken hatte, und der ständige Wechsel zwischen meiner menschlichen Stimme und den Gebärden meines Basilisken überstrapazierte meine Kehle.

Mein Blick glitt nach unten. Sofort stürzte ich zur Wasserflasche, drehte den Deckel auf und zerdrückte die Flasche, während ich den Liter in einem Zug austrank. Eilig wischte ich mir mit dem Ärmel über den Mund, wobei mir auffiel, dass ich noch immer dasselbe trug wie vor ein paar Tagen – die himmelblaue Bluse und die königsblaue Hose, die aus dem begehbaren Kleiderschrank stammten, den der Prinz für mich bereitgestellt hatte.

Ein weiteres Messer fügte sich meinem Herzen hinzu. Ich darf nicht hinsehen. Nicht zu ihm.

Atemlos starrte ich den Mann mit den heterochromen Augen an. Ich rechnete nicht mit einer Antwort auf meine zuvor gestellte Frage. Noch weniger rechnete ich aber damit, was er mir nun zu verstehen gab: Vorsichtig legte er seinen Zeigefinger an den Mund, nickte in Richtung der Wachen und wies dann auf sein Ohr.

Verwirrt sah ich ihn an, entkrampfte allerdings meine Hände, weil ich bereits eine warme Feuchte an meinen Innenflächen fühlte. Ich sog scharf die Luft ein, während ich die Möglichkeit abwog, ob Ivan bloß einen Vorwand haben wollte, damit er sich mir unversehrt nähern konnte.

Aber ich nickte und riss mich zusammen, während er näher an mich herantrat. So nah, dass ich für den Bruchteil einer Sekunde ein schwaches Glitzern auf seiner Schulter zu bemerken glaubte. Und den Geruch von … Lilien.

Nein, das konnte nicht sein. Hier waren ganz bestimmt keine Feen und Ivan besaß keinen Duft. Das bildete ich mir bloß ein. Oder?

„Ich stehe unter Beobachtung“, durchwanderte die akzentreiche Stimme meinen Gehörgang. „Sobald Rya dir Freigang erlaubt, kann ich mich erklären.“

Seine Stimme machte etwas mit mir, das ich nicht einzuordnen vermochte. Mir war nicht klar, ob ich ihm tatsächlich vertrauen konnte oder nicht. Ich wollte ihm unzählige Fragen stellen, aber ich traute mich nicht. Nicht, wenn mich genauso viele Ohren und Augen dabei verfolgten.

Ivan sah mich mit einem merkwürdigen Gesichtsausdruck an, als er sich wieder aufrichtete. Er schien mein Schweigen missverstanden zu haben, da er ergänzte: „Wir sind in Russland.“ Im gleichen Atemzug griff er nach meinem Arm und drückte mir eine kleine Papierschachtel in die Hand. „Nicht mehr als zwei Stück am Tag nehmen – ich weiß noch nicht, wie du auf unsere Schmerzmittel reagierst."

Verwundert blinzelte ich ihn an und sah ihm hinterher, als er die Zelle wieder verließ. Aus dem Augenwinkel erkannte ich eine rötlich-weiße Verpackung, die zwischen meinen blutverschmierten Fingern hervorlugte, und den Aufdruck einer Tablette. Was bei allen Naturgeistern geht hier vor?

Wir dürfen ihm nicht vertrauen. Die Stimmen in meinem Kopf hallten zu Hunderten in meinem Verstand nach. Er hat uns belogen! Uns verraten! Wir müssen ihn töten!

Ich versuchte, die Stimmen zu ignorieren und hielt die Schachtel gegen das Licht. Sie war klein, rechteckig und undurchlässig. Vorsichtig öffnete ich sie.

Wir dürfen das nicht tun!, schrie es in meinem Inneren, sodass ich zusammenzuckte. Die Schachtel fiel mir aus der Hand, neben ihr landeten ein Schriftstück und die in Plastik eingeschweißten Tabletten.

Sie sind Gift! Wir kennen sie nicht. Er will uns vergiften!

Die Stimmen wurden nicht weniger – ganz im Gegenteil. Stattdessen gesellte sich wieder das Wimmern hinzu, das mir verzweifelt zu verstehen geben wollte, dass ich mich von diesen Bändern befreien musste.

Ich wusste nicht, wie lange ich die Blutstropfen auf den reinweißen Fliesen angestarrt hatte. Sie waren schon lange getrocknet. Aber ich konnte mich nicht bewegen, nicht sprechen, nicht klar denken. Überall waren diese Stimmen, die Einlass verlangten.

In meinen Verstand.

Mit einem gewaltigen Aufschrei schossen meine Hände zu meinem Hals. Ich zog wie eine Besessene daran, drohte beinahe, mich zu erwürgen. Die Stimmen wandelten sich in einen einzigen schrillen Ton. Ich schrie und schrie und schrie mir die Seele aus dem Leib. Meine Handflächen brannten wie Feuer. Schmerz war gar kein Ausdruck dafür, was ich an meinem Hals fühlte!

Als mit einem Mal rechts und links von mir Schreie ertönten.

„Beende es, Thyra-Fiah!“, brüllte der Prinz.

Und William flehte: „Thyra, hör auf …“

Ich ließ sofort das Band los. Und starrte auf meine Hände, die wie verbrannt aussahen, während ich verzweifelt versuchte, meine Atmung zu normalisieren.

Doch ein Applaudieren brachte mein Herz ins Stolpern.

„Äußerst interessant.“ Bei dieser Stimme stellten sich mir unweigerlich die Nackenhaare auf. „Interessant, interessant.“ Der Applaus verebbte und eine Person trat in mein Blickfeld.

Rya.

3

Zwei glühende, grüne Augen musterten mich aus einem mit auffallend vielen Sommersprossen übersäten Gesicht. Die spitzen Ohren waren nicht zu übersehen – vor allem, da die goldenen Locken nur noch bis zu ihren Schultern reichten. Als ich sie das letzte Mal gesehen hatte, waren ihre Haare länger gewesen. Auch hob sie sich durch ihre Kleidung von den anderen Personen ab: Sie trug ein weißes T-Shirt, darüber einen schwarzen Blouson und eine helle Jeans mit kurzen, schwarzen Stiefeln.

Rya schwieg und starrte mich unverhohlen an. Ihre Hände waren hinter dem Rücken verschränkt; das Lächeln auf ihren Lippen sollte mich wahrscheinlich provozieren. Aber darauf konnte sie lange warten! Auch wenn die Wut über das Verschwinden meines Bruders immer noch in meinem Inneren brodelte, zwang ich mich, mir nichts anmerken zu lassen. Diesen Triumph, diese Genugtuung, wollte ich ihr nicht gönnen!

Ich verzog keine Miene, sondern starrte sie lediglich an. Ich würde mich durch ihr Beobachten, Mustern und Starren nicht aus der Ruhe bringen lassen – kannte ich das doch vom Prinzen zur Genüge.

„Wir gehören wohl einem stummen Volk an“, stellte sie fest. Ihre Stimme klang melodisch und mit Bedacht gewählt, beinahe so, als würden die Worte erst durch ihr Aussprechen an Eleganz gewinnen.

Ich ballte die Fäuste. Aber ich antwortete nicht.

„Ich nehme an“, machte sie weiter, „deine Bestie würde mit Freuden zu Wort kommen wollen.“ Sie legte den Kopf schief und grinste. „Aber du heißt sie nicht in deinem Verstand willkommen, habe ich Recht?“ Es klang zweifellos wie eine Feststellung, nicht wie eine Frage.

Mein Kiefer mahlte. „Was wollen Sie von mir?“

„Oh, sieh an!“, rief sie aus. „Das Basilisken-Mädchen verfügt also doch über die Fähigkeit, zu sprechen.“

Unweigerlich fragte ich mich, warum sie aus Héron geflohen war, wenn sie doch offensichtlich eine hohe Erziehung genossen hatte. Warum wählte sie lieber die Verbannung als unter der Herrschaft eines wahnsinnigen Königs zu leben? Was war vorgefallen?

Ich verschränkte die Arme und wiederholte: „Was wollen Sie von mir? Von uns?“

Die Waldelfe grinste noch immer. „Das wirst du noch schnell genug erfahren, das verspreche ich dir.“

Schon wieder fegte ein Schauer über mich. Ich hatte Mühe, mich auf unser Gespräch zu konzentrieren, da alles in mir Prinz Josephansahgrüne FlammenZu