Das Buch
Mit dem »Wüstenplanet«-Zyklus hat Frank Herbert eine Zukunftssaga geschaffen, die den größten Teil unserer Galaxis und einen Zeitraum von Tausenden von Jahren umfasst und in ihrer epischen Wucht und ihrem außerordentlichen Detailreichtum nur mit J. R. R. Tolkiens »Herr der Ringe« zu vergleichen ist. Nach dem Tod des Autors Mitte der 80er Jahre schien diese Saga – zum Bedauern von Millionen von Leserinnen und Lesern rund um die Welt – zu einem Abschluss gekommen zu sein. Doch das Abenteuer geht weiter: In Frank Herberts Nachlass wurden zahllose Notizen, literarische Skizzen und Briefe gefunden, die das »Wüstenplanet«-Universum weiter ausbauen und etliche Geheimnisse dieser faszinierenden Welt lüften – darunter auch eine umfangreiche Erzählung, die ein völlig neues Licht auf Herberts Schöpfung wirft: »Der Gewürzplanet«. Gemeinsam mit dem bekannten Science-Fiction-Autor Kevin J. Anderson hat Frank Herberts Sohn Brian Herbert diese verstreuten Texte zusammengetragen und in einem einzigartigen Band versammelt.
Die Autoren
Frank Herbert, 1920 in Tacoma, Washington, geboren, arbeitete als Austerntaucher, TV-Kameramann, Rundfunksprecher und Journalist. 1963 wird der erste Teil seines SF-Romans »Dune«, zu deutsch »Der Wüstenplanet«, veröffentlicht. Der dritte Teil, der 1976 erscheint, landet in den Bestsellerlisten von Publishers Weekly. Nach der Verfilmung durch David Lynch 1984 werden die »Wüstenplanet«-Bände zum Weltbestseller. Frank Herbert starb am 11. Februar 1986.
Brian Herbert, der Sohn von Frank Herbert, hat selbst SF-Romane verfasst, darunter den in Zusammenarbeit mit seinem Vater entstandenen »Mann zweier Welten«.
Kevin J. Anderson ist einer der meistgelesenen SF-Autoren unserer Zeit. Zuletzt ist von ihm die gefeierte »Saga der Sieben Sonnen« erschienen.
Eine Liste aller im Heyne Verlag erschienenen Wüstenplanet-Bücher finden Sie am Ende des Bandes.
Mehr über die Autoren und ihre Romane erfahren Sie auf:
diezukunft.de
FRANK HERBERT
BRIAN HERBERT
KEVIN J. ANDERSON
TRÄUME VOM
WÜSTEN
PLANETEN
Deutsche Erstausgabe
WILHELM HEYNE VERLAG
MÜNCHEN
Titel der amerikanischen Originalausgabe
THE ROAD TO DUNE
Deutsche Übersetzung von Jakob Schmidt
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Deutsche Erstausgabe 10/2009
Redaktion: Bernhard Kempen
Copyright © 2005 by Herbert Properties, LLC
Copyright © 2009 der deutschen Ausgabe und der Übersetzung
by Wilhelm Heyne Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH,
Neumarkter Straße 28, 81673 München
Umschlagillustration: Chris Moore
Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design, München
Satz: Schaber Datentechnik, Austria
ISBN: 978-3-641-25419-3
V002
www.diezukunft.de
Vorwort von Bill Ransom
Vorbemerkung von Brian Herbert und Kevin J. Anderson
DER GEWÜRZPLANET
Einleitung
Der Gewürzplanet, Erster Teil
Der Gewürzplanet, Zweiter Teil
DER WEG ZUM WÜSTENPLANETEN
»Sie haben den Wandersand zum Stillstand gebracht«
Die Briefe des Wüstenplaneten
Unveröffentlichte Szenen und Kapitel
Einleitung
Entfernte Szenen und Kapitel aus Der Wüstenplanet
Paul und die Ehrwürdige Mutter Mohiam
Paul und Thufir Hawat
Paul und Gurney Halleck
Paul und Dr. Yueh
Paul und Herzog Leto Atreides: Die Raumgilde und die große Konvention
Baron Harkonnen und Piter de Vries
Von Caladan nach Arrakis
Augen, blau in blau
Jessica und Dr. Yueh: Das Gewürz
Paul und Jessica
Flucht vor den Harkonnens: Mit Duncan und Liet-Kynes in der Wüstenbasis
Die Flucht von Kynes’ Wüstenbasis
Muad’dib
Entfernte Szenen aus Der Herr des Wüstenplaneten
Ursprüngliche Zusammenfassung zur Einleitung von Der Herr des Wüstenplaneten
Alia und der Ghola von Duncan-Idaho
Der menschliche Distrans
Das Ende der Verschwörung
Der blinde Paul in der Wüste
KURZGESCHICHTEN
Einleitung
Das Flüstern der Meere Caladans
Harkonnen-Hatz
Der Prügel-Mek
Gesichter einer Märtyrerin
Danksagung
Für Beverly Herbert
In der gesamten Geschichte der Literatur gibt es keine anrührendere Würdigung eines Menschen als die drei Seiten, die Frank Herbert in Die Ordensburg des Wüstenplaneten über Beverly Herbert schrieb. Er verfasste diesen Roman auf Hawaii, an ihrem Sterbebett. Über seine liebende Ehefrau und seine engste Freundin in mehr als siebenunddreißig Ehejahren erklärte er dort: »Ist es also ein Wunder, dass ich auf die Jahre unseres Zusammenseins mit einem Glücksgefühl zurückschaue, das alles übersteigt, was sich in Worte fassen lässt? Ist es also ein Wunder, dass ich keinen Augenblick unseres Zusammenlebens vergessen möchte oder zu vergessen brauche? Die meisten anderen haben ihr Leben nur am Rande berührt. Ich habe es in allen Einzelheiten geteilt, und alles, was sie tat, hat mich bestärkt. Es wäre für mich nicht möglich gewesen, das zu tun, was die letzten zehn Jahre ihres Lebens an Notwendigem von mir verlangten, was wiederum ihr Kraft verlieh, hätte sie nicht in den vorangegangenen Jahren gegeben, ohne etwas zurückzuhalten. Ich halte dies für mein allergrößtes Glück und mein wunderbarstes Privileg.«
Seine frühere Widmung in Die Kinder des Wüstenplaneten verwies auf weitere Dimensionen dieser außergewöhnlichen Frau:
Für Bev:
Aus dem wunderbaren Band unserer Liebe heraus,
und um ihre Schönheit und ihre Weisheit
mit anderen zu teilen, denn sie hat dieses Buch
wahrhaftig inspiriert.
Frank Herbert hat die Figur der Lady Jessica Atreides seiner Frau Beverly Herbert nachempfunden, ebenso wie zahlreiche Aspekte der Bene-Gesserit-Schwesternschaft. Beverly Herbert war seine Gefährtin beim Schreiben, und sie war ihm intellektuell ebenbürtig. Sie war Frank Herberts ganze Welt, seine Muse und – mehr als jeder andere Mensch – seine geistige Führerin auf dem Weg zum Wüstenplaneten.
Vorwort
Frank Herbert hatte mehr Spaß am Leben als jeder andere Mensch, den ich je gekannt habe. Er hat mehr gelacht, mehr gescherzt und mehr geschrieben als jeder andere Autor, dem ich je begegnet bin. Aufgewachsen ist er in einfachen Verhältnissen, gar nicht weit vom Ort meiner Geburt, auf der anderen Seite des Puyallup River. Er liebte die freie Natur und beurteilte Menschen nach ihrer Kreativität und danach, ob sie den Härten des Lebens mit Humor oder mit Verbitterung begegneten. Sein Humor half ihm dabei, harte Zeiten durchzustehen und Freude an ihrer Überwindung zu finden. Frank glaubte, dass es die Verlage waren, die den Schriftstellern das Klischee des brotlosen Künstlers in der Dachkammer aufgedrückt hatten, um mit möglichst geringen Vorauszahlungen davonzukommen. Die einzige Währung, die Frank wirklich anerkannte, war die Zeit, in der er sich kreativ betätigen konnte.
»Die Sache ist die, Ransom«, hat er einmal gesagt. »In der ersten Klasse hat man mehr Zeit zum Schreiben.«
Da er nie zur Angeberei neigte, lebte er so komfortabel, wie es ihm gefiel, aber nicht so extravagant, wie er es sich hätte leisten können. Stets bewahrte er sich eine enge Bindung zur freien Natur. In den Jahren n. D. (»nach Dune«) erfreute er sich an neuen schriftstellerischen Abenteuern und daran, anderen zum Erfolg zu verhelfen. Frank bot seinen Mitmenschen Gelegenheiten an, keine Almosen, und erklärte dazu: »Ich helfe einem anderen lieber hoch, als ihm auf die Finger zu treten.« Das erinnert mich an mein Lieblingszitat von Dostojewski: »Gib den Menschen zu essen, bevor du Tugendhaftigkeit von ihnen verlangst.«
Für Frank fiel alles und jeder in eine von zwei groben Kategorien. Es/er/sie verschaffte ihm entweder mehr Zeit zum Schreiben oder störte ihn dabei. Ich hatte immer ungefähr die gleiche Einstellung. Wir kannten uns über unsere Publikationserfolge, doch aufeinander aufmerksam geworden sind wir vor allem deshalb, weil wir beide aus dem Puyallup Valley kamen, weil unsere Väter beide Gesetzeshüter im gleichen Bezirk waren und weil zwei entfernte Verwandte von uns miteinander verheiratet waren. In den frühen Siebzigern zogen wir beide in der gleichen Woche nach Port Townsend, was wir herausfanden, als die Lokalzeitung Artikel über uns veröffentlichte. Ich wollte Frank endlich persönlich kennenlernen, doch gleichzeitig wollte ich ihm nicht die Zeit stehlen, die er zum Schreiben benötigte. Nur ein paar Jahre zuvor hatte Frank unter einem Pseudonym etwas für Helix geschrieben, meine Lieblingsuntergrundzeitschrift aus Seattle. Ich schickte Frank eine Postkarte, die an sein Pseudonym (»H. Bert Frank«) adressiert war und auf der ich erklärte, dass ich immer bis mittags schrieb, mich danach aber gerne mal auf einen Kaffee mit ihm treffen würde. Am nächsten Tag rief er mich um zehn nach zwölf an. »Hallo Ransom. Hier Herbert. Steht unsere Verabredung zum Kaffee?« So war es, und die nächsten fünfzehn Jahre lang trafen wir uns fast jeden Tag zum Kaffeetrinken oder Mittagessen.
Frank war der Meinung, dass Lyrik das ausgezeichnetste Destillat von Sprache ist, ob nun in offener oder geschlossener Form. Gierig verschlang er die zeitgenössischen Gedichte in Literatur- und Kleinstmagazinen, und wenn er sich mit den Problemen seines Lebens und Schreibens auseinandersetzen musste, schrieb er selbst Lyrik. In sehr jungen Jahren hatte er herausgefunden, dass er von seinem Sachliteraturschreibstil, der sehr viel lesbarer war als die meisten journalistischen Texte seiner Zeit, halbwegs leben konnte. Sein guter Prosastil, sein Blick für Details und sein Ohr dafür, wie die Menschen wirklich reden, führten ihn in Verbindung mit der für ihn stets wichtigen Frage »Was wäre wenn?« von ganz allein in den Bereich der Erzählliteratur. Erfolg fand Frank mit seiner Erzählliteratur, aber die Inspiration füllte seine Notizbücher und seine Geschichten mit Dichtung.
Meine erste Gedichtsammlung, Finding True North & Critter*, wurde im selben Jahr für den National Book Award nominiert, während Franks Soul Catcher als bester Roman nominiert wurde. Wenn Frank und ich beide von Anfang an Romanautoren – oder Dichter – gewesen wären, hätte sich unsere Freundschaft vielleicht anders entwickelt. So, wie die Dinge lagen, konnten wir einander mit unseren Werken neue Kraft und Begeisterung verleihen. Wir ermutigten uns gegenseitig, schriftstellerische Risiken einzugehen, unter anderem, indem wir uns in neuen Genres versuchten, zum Beispiel als Drehbuchautoren. Das größte dieser Risiken, sowohl für unsere Freundschaft als auch für unseren Ruf als Autoren, war es, gemeinsam Der Jesus-Zwischenfall zu schreiben und den Roman unter unseren beiden Namen anzubieten. Frank wies darauf hin, dass man uns, sollte das Buch veröffentlicht werden, jeweils unterschiedlich für unsere Zusammenarbeit kritisieren würde. Man würde sagen, dass Frank Herbert die Ideen ausgegangen waren und dass Bill Ransom sich an den Rockzipfel des Meisters gehängt hatte. Als diese Behauptungen dann tatsächlich geäußert wurden, waren wir geistig umso besser dagegen gewappnet, weil wir sie bereits vorausgeahnt hatten. Die Umstände, die zu unserer Zusammenarbeit geführt hatten, waren komplex, aber unsere persönliche Übereinkunft war ganz einfach: Keiner unserer jeweiligen Wünsche sollten zwischen uns und unserer Freundschaft stehen. Also gaben wir uns die Hand darauf. Und nichts trat zwischen uns, nicht einmal der Wunsch unseres Verlegers, das Buch nur unter Franks Namen zu veröffentlichen (das Garantieangebot für diesen Vorschlag lag eine ganze Zehnerstelle über dem, was wir mit unseren beiden Namen auf dem Umschlag erhielten). Diejenigen, die das Sagen hatten, wären auch mit einem Pseudonym zufrieden gewesen, aber sie beharrten steif und fest darauf, dass ein Roman, der offiziell von zwei Autoren stammte, bei der Leserschaft durchfallen würde, und sie beharrten ebenso steif und fest darauf, nur mit Frank zu verhandeln. Des Weiteren gingen sie davon aus, dass meine Bekanntschaft im Bereich der Dichtung nichts zur Vermarktung des Romans beitragen würde, weshalb ich 25 % und Frank 75 % des endgültigen Honorars erhalten sollte. Frank legte buchstäblich den Hörer auf und besorgte sich ein Flugticket nach New York. Als er mit einem Vertrag in der Hand zurückkam, erzählte er mir, dass er während seines Besuchs beim Verlag einfach nur ein einziges Mantra wiederholt hatte: »Wer die Hälfte der Arbeit geleistet hat, hat sich die Hälfte des Ruhms und die Hälfte der Bezahlung verdient.« Frank nahm einen neunzigprozentigen Honorarverlust in Kauf und gab sich mit einem halben Verfassertitel zufrieden, um mit mir zusammenzuarbeiten, und das ist nur eines der Beispiele für seine Charakterstärke und freundschaftliche Treue.
Das Risiko zahlte sich aus. Wir erfuhren, dass die New York Times Book Review etwas über unser Buch schreiben würde, und ich war nervös. »Ganz ruhig, Ransom«, sagte Frank. »Selbst ein völliger Verriss in der New York Times sorgt für zehntausend verkaufte Hardcover-Exemplare am Folgetag.« John Leonard schrieb eine wunderbare Rezension, und wir waren im Geschäft. Jetzt nahm unser Verlag die beiden nächsten Bücher der Reihe, Der Lazarus-Effekt und Der Himmelfahrts-Faktor, ohne weitere Diskussionen über die Autorennamen auf dem Umschlag an. Für zwei Dorfjungen aus Puyallup Valley, die sich ihr Handwerk selbst beigebracht hatten und dabei ständig bemüht waren, irgendwo einen Fuß in die Tür zu kriegen, haben wir uns ganz gut geschlagen, weil wir uns nämlich immer auf die Geschichte konzentriert haben. Unsere Egos machten uns keine Probleme beim gemeinsamen Schreiben, vor allem, weil Frank als »Autor« kein besonders großes Ego hatte. Von ihm habe ich gelernt, dass es Autoren nur um der Geschichten willen gibt und nicht andersherum und dass eine gute Geschichte zwei Dinge leisten muss: Sie muss lehrreich sein und unterhalten. Der lehrreiche Teil muss unterhaltsam genug sein, damit Leser in die Geschichte eintauchen können und nicht das Gefühl haben, sich eine Predigt anzuhören. Und Unterhaltung ohne irgendeinen lehrreichen Gehalt zu schreiben, ohne jede Einsicht in die Frage, was es bedeutet, ein Mensch zu sein, ist reine Papierverschwendung.
Frank vertrat die Meinung, dass die Dichtung der Höhepunkt der menschlichen Sprache sei. Er vertrat außerdem die Meinung, dass die Science Fiction das einzige Genre sei, in dem der Versuch einer Definition unternommen wird, was es bedeutet, ein Mensch zu sein. Wir benutzen den Kontakt mit fremden Lebensformen oder fremden Umweltbedingungen als Anstoß oder Hintergrund für zwischenmenschliche Handlungen. Die Figuren der Science Fiction lösen ihre Probleme selbst – weder Zaubersprüche noch Götter kommen ihnen zu Hilfe –, und manchmal müssen sie erstaunliche technische Vorrichtungen erfinden, um ihre Haut zu retten. Menschen schauen in Büchern nach, wie andere Menschen vor ihnen menschliche Probleme gelöst haben. Frank bewunderte die menschliche Entschlossenheit und Erfindungsgabe und sang ihr Loblied in seinem Leben und in seinen Werken. Diese Einstellung hatte auch eine pragmatische Seite: »Denk dran, Ransom«, sagte er, »Außerirdische kaufen keine Bücher. Menschen kaufen Bücher.«
Frank hielt sich Hühner, und sogar dabei machte er keine halben Sachen. Er hatte ein zweistöckiges, sonnengeheiztes Hühnerhaus mit einer automatischen Fütterungsanlage, das direkt an den Garten angrenzte und den Kompost anreicherte. Neben dem Hühneranwesen, doch gnädigerweise außer Sichtweite der Hühner, befand sich eine Weiterverarbeitungsanlage einschließlich Holzofen, Dampfkochtopf und automatischer Rupfmaschine. Jede Alltagshandlung war mögliches Ziel von Franks Einfallsreichtum und Lebensfreude. Er bewunderte hochintellektuelle Autoren wie Pound, doch vor allem hatte er eine Schwäche für Schriftsteller aus einfachen Verhältnissen wie Hemingway und Faulkner, die sich ihr Handwerk zur Erforschung der menschlichen Natur selbst beigebracht hatten.
William Faulkners Werk hat Frank in vielerlei Hinsicht beeinflusst, nicht zuletzt durch die Art und Weise, in der er ein glaubwürdiges fiktives Universum auf der Grundlage komplizierter Verwandtschaftsverhältnisse schuf. Frank sah die Science Fiction als einmalige Gelegenheit, mit »den großen Fragen« ein sehr breites Publikum zu erreichen. Er war tief bewegt von der Rede, mit der Faulkner 1950 den Nobelpreis entgegennahm, und er beherzigte sie bei allem, was er schrieb: »… der junge Schriftsteller und die junge Schriftstellerin von heute haben die Probleme des menschlichen Herzens vergessen, das im Widerstreit mit sich selbst liegt und das als Einziges fähig ist, gutes Schreiben hervorzubringen, weil es sonst nichts gibt, was des Schreibens wert wäre, was all die Todesqualen und den Schweiß wert wäre … die alten Weisheiten und Wahrheiten des Herzens, die alten, universellen Wahrheiten, ohne die jede Geschichte flüchtig und zum Scheitern verurteilt ist – Liebe und Ehre und Bedauern und Stolz und Mitgefühl und Opfermut.« Geschichten bilden das Fundament jeder menschlichen Zivilisation, und Geschichtenerzähler müssen diese Verantwortung annehmen.
Frank hatte einen Schutzengel, der ihn und die Zeit, die ihm zum Schreiben zur Verfügung stand, fast vier Jahrzehnte lang um jeden Preis verteidigte. Beverly Stuart Herbert verbrachte ihre Flitterwochen mit Frank auf einem Feuerwehr-Aussichtsposten, lud die Kinder ins Auto, um mit ihnen in ein mexikanisches Dorf zu fahren, während er schrieb, und ermutigte ihn dazu, aussichtslose Jobs zu kündigen, um stattdessen das zu schreiben, was ihm am Herzen lag, komme, was wolle. Sie hatte ein geradezu unheimliches Gespür dafür, Volltrottel, Trittbrettfahrer, Betrüger und andere Idioten frühzeitig zu erkennen, und Frank war auch recht gut darin. Nicht viele sind an Bev vorbeigekommen, um Frank auf die Probe zu stellen. Aber Bev war diplomatisch und großmütig genug, nicht nur Frank zu schützen, sondern auch die Würde derjenigen, die versuchten, sich ihm aufzudrängen. Später erst, bei Kaffee und hausgemachtem Kuchen, kamen die Witze.
Bev war es, die vorgeschlagen hatte, dass wir gemeinsam einen Roman schreiben sollten. Sie war Franks erste Leserin und Kritikerin, und er maß ihrer Meinung hohes Gewicht bei. Bei unseren täglichen Kaffeetreffen hatten wir angefangen, einander aus Spaß die Bälle zuzuspielen und uns im Zuge dessen eine neue Geschichte auszudenken. »Ihr solltet es einfach hinter euch bringen und die Geschichte schreiben«, sagte sie. Wir beide widmeten uns dem Projekt aus sehr unterschiedlichen Gründen. Ich wollte lernen, wie man eine Geschichte von Romanlänge in Gang hält, und Frank wollte das gemeinsame Schreiben üben, weil er Drehbücher verfassen wollte, ein Medium, das für die Notwendigkeit von Teamarbeit berüchtigt ist. So bekamen wir beide, was wir wollten, und der stets geistreiche Frank bezeichnete unseren gemeinsamen Schreibprozess als »einen einvernehmlichen privaten Akt der Zusammenarbeit zwischen zwei erwachsenen Menschen«.
Nicht all unsere gemeinsamen Erfahrungen waren erfreulich. Meine schriftstellerische Arbeit mit Frank wird für uns beide von traurigen Erinnerungen eingerahmt. Wir begannen mit unserem ersten gemeinsamen Buch, als Bevs Krebs diagnostiziert wurde und ich gerade eine Scheidung durchmachte. Als wir an Der Lazarus-Effekt schrieben, focht Bev ihre zweite Schlacht gegen den Krebs aus (zur selben Zeit schrieb Frank Die weiße Pest), und das Buch erschien kurz vor ihrem Tod. Unsere Zusammenarbeit an Der Himmelfahrts-Faktor endete mit Franks Tod.
Ein unerwarteter und erfreulicher Nebeneffekt unserer gemeinsamen Betätigung war Franks Zusammenarbeit mit seinem Sohn Brian. Frank erwähnte, dass er immer gehofft hatte, dass eins seiner Kinder eines Tages in seine Fußstapfen als Schriftsteller treten würde, und Brian fing mit einigen Versuchen im Bereich humorvoller Science Fiction an. Die gemeinsame Arbeit von Vater und Sohn an Mann zweier Welten markierte nach Bevs langem letztem Leidensweg einen Durchbruch für Frank. Brian lernte an Franks Seite die hohe Kunst schriftstellerischer Zusammenarbeit, und Frank wäre stolz darauf, dass das zwiefache Erbe des Dune-Universums und des Herbert’schen Schriftstellergens ihn überlebt hat. Brian und Kevin J. Anderson haben die Art von Freude am Schreiben, die auch Frank und ich empfunden haben. Sie haben dem Panorama, vor dem Dune entstanden ist, eine neue, greifbare Tiefe verliehen und es um zahlreiche gesellschaftspolitische Details bereichert.
Ich war etwa zur Hälfte mit dem ersten Entwurf von Der Himmelfahrts-Faktor fertig, als die Morgennachrichten im Radio verkündeten, dass Frank Herbert von uns gegangen war. Ganz, wie man es von ihm erwartet hätte, war er davon ausgegangen, dass er auch diese Herausforderung, wie so viele davor, meistern würde. Ebenso keineswegs unerwartet war er gerade dabei gewesen, eine neue Kurzgeschichte zu schreiben, als er starb, eine Geschichte, aus der sich seinen Worten zufolge möglicherweise ein weiterer Nicht-Genre-Roman wie Soul Catcher entwickeln würde. Bei den hektischen Versuchen, Franks Leben zu retten, ist sein Laptop und mit ihm seine letzte Geschichte abhanden gekommen, ähnlich wie Einsteins letzte Worte verlorengingen, weil die Krankenschwester an seiner Seite kein Deutsch sprach.
Jedes Mal, wenn ich eine Tastatur berühre, denke ich an Frank und hoffe, dass mein Schreiben seinen hohen Maßstäben genügt. Auf Altenglisch war »Poet« ein Wort für einen »Gestalter« oder »Schöpfer«. Frank Herbert war ein Schöpfer im großen Maßstab, der treueste Freund, den man sich nur wünschen kann – und ein lustiger, verdammt schlauer, erstklassiger Kerl. Er wird noch immer schmerzlich vermisst.
Bill Ransom
* Anmerkung des Übersetzers: Das Buch wurde nicht ins Deutsche übertragen. Im Folgenden werden, sofern deutschsprachige Fassungen von Büchern oder Filmen vorliegen, deren Titel angegeben, andernfalls der englischsprachige Originaltitel.
Vorbemerkung
Die größte Sorgfalt zu Beginn eines jeden Unternehmens sollte man auf die gleichmäßige Verteilung der Kräfte legen.
Aus Frank Herbert, Der Wüstenplanet
Es war, als würde man einen vergrabenen Schatz finden.
Genau genommen handelte es sich um Pappkartons voller Ordner, Manuskripte, Briefe, Zeichnungen und loser Blätter. Einige der Kisten waren an den Kanten eingeknickt, unter dem Gewicht ihres Inhalts in sich zusammengesackt oder teilweise zerdrückt, weil sie unter Stapeln von schweren Gegenständen vor sich hin vegetierten.
Wie Brian in seiner für den Hugo Award nominierten Biographie The Dreamer of Dune schrieb, war Frank Herberts Ehefrau Beverly in den letzten Jahren ihres Lebens sehr krank und nicht mehr in der Lage, mit der Flut von Papier Schritt zu halten. Davor hatte sie das Werk ihres produktiven Ehemannes lange Zeit bestens organisiert. Sie verwendete ein ausgeklügeltes Ablagesystem, um den Überblick über alte Manuskripte, Verträge, Erfolgsbeteiligungshonorare, Briefe, Rezensionen und Werbematerial zu behalten.
In den Kartons fanden wir neben alten Manuskripten von Frank Herberts zahlreichen Romanen auch unveröffentlichte oder unvollendete Romane und Kurzgeschichten sowie einen faszinierenden Ordner voller unverwendeter Ideen für Geschichten. Wir fanden alte Drehbücher, Reisetagebücher und Geschäftsunterlagen bezüglich Frank Herberts Mitarbeit an verschiedenen Filmen, darunter Die Hellstrom-Chronik, Threshold: The Blue Angels Experience, The Tillers, David Lynchs Der Wüstenplanet und sogar Dino de Laurentiis Flash Gordon, an dem Frank in London als Drehbuchberater mitgewirkt hatte. Wir fanden auch Verträge und Drehbücher für zahlreiche unvollendete Filmprojekte, darunter Soul Catcher, The Santaroga Barrier und The Green Brain.
Eingestreut zwischen den verschiedenen Kartons mit Material für Der Herr des Wüstenplaneten und Der Gottkaiser des Wüstenplaneten (das den Arbeitstitel Sandworm of Dune trug) fanden wir weitere Juwelen: Kapitelentwürfe, Überlegungen zu ökologischen Themen, handschriftliche Gedichtfragmente und poetische Beschreibungen der Wüste und der Fremen. Einiges davon war auf lose Blätter, Notizblöcke oder in kleine Notizbücher, wie Zeitungsreporter sie benutzen, gekritzelt. Neben seitenweise Epigraphen, die Frank in seinen sechs Dune-Romanen nie verwendet hatte, fanden wir historische Übersichten und faszinierende Beschreibungen von Figuren und Schauplätzen. Als wir erst einmal angefangen hatten, uns durch diese Tausende von Seiten zu arbeiten, fühlten wir uns wie Archäologen, die eine authentische Karte entdeckt hatten, auf der die Lage des heiligen Grals verzeichnet war.
Und das war nur das, was wir in der Dachkammer von Brian Herberts Garage fanden.
Hinzu kam noch der Inhalt der beiden Schließfächer, die mehr als zehn Jahre nach Franks Tod entdeckt wurden, wie wir bereits in unserem Nachwort zu unserem ersten Dune-Prequel, Das Haus Atreides, schrieben. Darüber hinaus hatte Frank Dutzende von Kartons mit Entwürfen und Notizen einem Universitätsarchiv vermacht, zu dem die Universität uns freundlicherweise Zugang gewährte. Nach einiger Zeit in stillen akademischen Hinterzimmern förderten wir neue Beute zutage. Später kehrte Kevin noch einmal dorthin zurück, um weitere Tage mit dem Fotokopieren und Abgleichen von Textmaterial zu verbringen, während Brian sich anderen Dune-Projekten widmete.
Der Reichtum neuentdeckten Materials war wie ein Traum für jeden Dune-Fan. Und eins können Sie uns glauben: Wir sind Dune-Fans. Wir haben über wahren Schätzen von wundersamen und faszinierenden Informationen gebrütet, die nicht nur aufgrund ihrer historischen Bedeutung von Wert sind, sondern auch wegen ihres reinen Unterhaltungswerts. Das schließt einen Handlungsabriss (einschließlich Notizen zu einzelnen Szenen und Figuren) für Der Gewürzplanet ein, eine völlig andere Version des Wüstenplaneten, die noch nie zuvor das Licht der Öffentlichkeit erblickt hat. Wir haben auch bislang unveröffentlichte Kapitel und Szenen aus Der Wüstenplanet und Der Herr des Wüstenplaneten entdeckt, sowie Briefwechsel, die entscheidende Entwicklungen im Dune-Universum erhellen – und sogar eine abgerissene Seite aus einem Notizbuch, auf die Frank Herbert mit Bleistift geschrieben hatte: »Vergesst das Gewürz. Rettet die Männer!« Diese Worte, die das entscheidende Element in der Charakterisierung von Herzog Leto Atreides darstellen, hat Frank Herbert vielleicht noch schnell im Licht seiner Nachttischlampe aufgeschrieben, kurz bevor er einschlief.
Träume vom Wüstenplaneten enthält die größten Juwelen aus dieser Science-Fiction-Schatztruhe, darunter auch Der Gewürzplanet, eine Geschichte, die wir auf der Grundlage von Frank Herberts Handlungsabriss verfasst haben. Darüber hinaus haben wir vier unserer eigenen Geschichten aufgenommen: »Das Flüstern der Meere Caladans« (die während der Ereignisse von Der Wüstenplanet spielt) und drei »Verbindungskapitel«, die die Romane aus unserer Saga um Butlers Djihad verknüpfen: »Harkonnen-Hatz«, »Der Prügel-Mek« und »Gesichter einer Märtyrerin«.
Hätte Frank Herbert länger gelebt, hätte er der Welt zahlreiche weitere Geschichten aus seinem phantastischen, einmaligen Universum präsentiert. Heute, fast zwei Jahrzehnte nach seinem viel zu frühen Tod, ist es uns eine Ehre, dieses klassische Erbe mit den Millionen von Frank-Herbert-Fans auf der Welt zu teilen.
Das Gewürz muss fließen!
Brian Herbert und Kevin J. Anderson
Der andere Dune-Roman
Von Brian Herbert
und Kevin J. Anderson
Nach einem Originalentwurf
von Frank Herbert
Einen solchen Reichtum an Notizen zu finden war nur einer von vielen Schritten, doch das neue Textmaterial, die neuen Ideen, Hinweise und Erklärungen ließen plötzlich viele Aspekte der Chronologie des Dune-Epos klarer hervortreten. Dieses Ereignis fachte in uns erneut eine Art Flitterwochen-Begeisterung für Frank Herberts Universum an.
Wir haben kistenweise Textmaterial fotokopiert und es anschließend sortiert, gekennzeichnet und organisiert. Die größte Herausforderung dabei war, sich einen Reim auf das zu machen, was wir da vor uns hatten. Ein Teil unserer Vorbereitungen für das erste Dune-Prequel hatte darin bestanden, eine detaillierte Konkordanz zusammenzustellen sowie den gesamten Text der ersten sechs Romane einzuscannen, damit wir das Ausgangsmaterial besser durchsuchen konnten. Jetzt strichen wir mit Textmarkern wichtige Informationen in den Zettelstapeln an und hoben unbenutzte Textpassagen und Beschreibungen hervor, die wir möglicherweise in unsere Romane aufnehmen würden – Figurenhintergründe und Ideen für Geschichten.
Über mehrere Kartons verteilt entdeckten wir einige mit Buchstaben markierte Blätter – Kapitel B, Kapitel N und so weiter –, auf die wir uns im ersten Moment keinen Reim machen konnten. Diese Seiten enthielten kurze Beschreibungen von dramatischen Szenen, in denen es um Sandwürmer, Stürme und neuartige Gewürzförderungstechniken ging. Ein Teil der Handlung spielte sich an bekannten, aber seltsam verzerrten Schauplätzen ab, als würde man sie durch eine gesprungene Linse betrachten: Die Rede war vom »Dune Planet« oder der »Dune World« statt von »Dune«, von Catalan statt Caladan, von Carthage statt Carthag und dergleichen. Anders als in Der Wüstenplanet gehen die Figuren in Der Gewürzplanet nicht unrhythmisch durch den Wüstensand, damit die Sandwürmer sie nicht hören und angreifen. Offenbar handelte es sich um eine Idee, auf die Frank zu diesem Zeitpunkt in der Entstehungsphase des Wüstenplaneten noch nicht gekommen war.
Die Kapitel aus Der Gewürzplanet waren von uns unbekannten Figuren bevölkert: Jesse Linkam, Valdemar Hoskanner, Ulla Bauers, William English, Esmar Tuek und eine Konkubine namens Dorothy Mapes. Diese Fremden trafen auf wohlbekannte Figuren wie Gurney Halleck, Dr. Yueh (der hier Cullington statt Wellington Yueh hieß), Wanna Yueh und einen irgendwie vertraut klingenden Planetenökologen namens Dr. Bryce Haynes. Obwohl in der letztlich veröffentlichten Fassung von Der Wüstenplanet eine Nebenfigur (genaugenommen ein Gewürzschmuggler) den Namen Esmar Tuek trägt, handelte es sich in den neu entdeckten Aufzeichnungen um eine ganz andere Person, einen bedeutenden Mann, der eindeutig die ursprüngliche Version einer weiteren bekannten und beliebten Figur war: des Krieger-Mentaten Thufir Hawat. Dorothy Mapes füllte eine Rolle aus, die der von Lady Jessica ähnelte. Der Edelmann Jesse Linkam war dagegen offensichtlich die Grundlage für Herzog Leto Atreides und Valdemar Hoskanner die embryonale Form von Baron Vladimir Harkonnen.
Als wir die Kapitel in die richtige Reihenfolge gebracht und diesen beachtlichen Handlungsabriss gelesen hatten, stellten wir fest, dass es sich bei Der Gewürzplanet um eine ganz eigene Geschichte handelte, die es wert war, erzählt zu werden, und nicht nur um einen Vorläufer des Wüstenplaneten. Obwohl die lebensfeindliche Wüste deutlich an diejenige erinnert, die Millionen von Fans bekannt ist, hat die Geschichte selbst ein anderes Thema und konzentriert sich auf Dekadenz und Drogenabhängigkeit statt auf Ökologie, begrenzte Ressourcen, Freiheit und religiösen Fanatismus. In einer längeren Sequenz des Kurzromans muss die Hauptfigur, Jesse Linkam, gemeinsam mit seinem Sohn Barri (einer achtjährigen Version von Paul Atreides, wenn auch ohne besondere Kräfte) in der Wüste überleben. Diese Szene erinnert an die Flucht Lady Jessicas und ihres Sohns Paul, wie wir sie aus Der Wüstenplanet kennen. Genau wie Der Wüstenplanet ist auch Der Gewürzplanet randvoll mit politischen Intrigen und zeigt uns eine herrschende Klasse selbstgefälliger Adliger – es gibt also zahlreiche Parallelen. Vor allem aber gewährt uns dieses frühere Konzept einen Einblick in den komplexen Verstand von Frank Herbert.
Irgendwann hat der Autor seine Arbeit an Der Gewürzplanet abgebrochen und den detaillierten Handlungsabriss beiseitegelegt. Er fing ganz von vorn an, wobei ihm der legendäre Herausgeber John W. Campbell jr. mit Rat zur Seite stand, und entwickelte einen viel weiter greifenden und bedeutenderen Roman aus seinem ursprünglichen Konzept, allerdings auch einen, der fast unmöglich an den Mann zu bringen war. Der Wüstenplanet wurde von mehr als zwanzig Verlagen abgelehnt, bevor ihn schließlich Chilton Book Co. ins Programm aufnahm, ein Verleger, der vor allem dafür bekannt war, Autoreparaturhandbücher zu publizieren.
Es ist eine Ironie des Schicksals: Hätte Frank Herbert Der Gewürzplanet so geschrieben wie ursprünglich geplant – als Science-Fiction-Abenteuerroman, der etwa so lang gewesen wäre wie die meisten damals erscheinenden Taschenbücher –, wäre es ihm vielleicht sehr viel einfacher gefallen, einen Herausgeber und einen Verlag zu finden.
Auf der Grundlage von Franks Handlungsabriss haben wir den Roman Der Gewürzplanet so geschrieben, wie er ursprünglich angelegt war, um den Blick auf einen Wüstenplaneten zu ermöglichen, den es nie gab, den es aber hätte geben können.
Die Dünenwelt ist wie das Imperium und das Leben selbst: Ganz gleich, wie ihre Oberfläche aussieht, ein kluger Forscher kann immer wieder tiefere, komplexere Ebenen freilegen.
Dr. Bryce Haynes, mit der Erforschung der Dünenwelt beauftragter Planetenökologe
Als das kaiserliche Schiff am Hauptraumhafen von Catalan eintraf, verrieten bereits der hohe Stand und die Bekanntheit des an Bord befindlichen Passagiers Jesse Linkam, dass es wichtige Neuigkeiten gab. Der Abgesandte des Kaisers richtete seine Übertragung an das »Protokollbüro« des Hauses Linkam und verlangte, ohne Verzögerung und mit allen gebührenden Ehren empfangen zu werden.
Jesse antwortete höflich und erwähnte dabei nicht, wer er war und dass sein Haushalt keine Verwendung für ein offizielles Protokollbüro hatte. Er zog es vor, kein großes Aufhebens um seinen Stand zu machen, und verbrachte seine Freizeit gerne mit Angehörigen der Arbeiterschicht. Tatsächlich hatte er eben diesen Nachmittag auf den weiten und fruchtbaren Meeren von Catalan zugebracht. Ein letztes Mal hatte er die Netze nach Glimmerfischen ausgeworfen, bevor der aufziehende Sturm die Küste heimsuchte. Als die Nachricht ihn erreicht hatte, war er gerade dabei gewesen, die mit Fischen gefüllten sonischen Netze an Bord zu ziehen, und hatte gemeinsam mit den derben Seeleuten gelacht, die sich alle Mühe gaben, ihre Ehrfurcht vor dem Edelmann zu überwinden und ihn als einen der ihren zu akzeptieren.
Obwohl er der wichtigste Adlige auf Catalan war, hatte Jesse Linkam nichts dagegen, sich die Finger schmutzig zu machen. Er war hochgewachsen, in mittlerem Alter und ein stiller Mensch mit verborgenen Stärken. Seine grauen Augen maßen, wogen und zählten alles um ihn herum. Seine klassischen Züge hatten dank einer einst gebrochenen Nase etwas Wildes. Sein Gesicht ließ an ein Metronom denken, das gegen den Takt schlug.
Er war nicht verweichlicht und verbrachte seine Zeit auch nicht mit Albernheiten, wie es auf anderen Welten die meisten Edlen seines Standes taten, für die das Führen von Menschen kaum mehr als ein Kostümfest war. Hier in den »unzivilisierten« Randbereichen des Imperiums gab es zu viel echte Arbeit zu erledigen, um sich mit Modeerscheinungen und höfischen Intrigen zu beschäftigen. Jesse liebte die frische, salzige Luft und hielt schweißverklebte Kleidung für ein würdigeres Ehrenabzeichen als die feinste Flüsterspitze von der kaiserlichen Hauptwelt Renaissance. Wie sollte man richtig über ein Volk herrschen, wenn man die täglichen Mühen, die Freuden und Sorgen der Menschen nicht kannte?
Dennoch war Jesse aufgrund seines hohen Standes gesetzlich dazu verpflichtet, dem Abgesandten des Hochkaisers auf den leisesten Wink hin zur Verfügung zu stehen. Nachdem er in sein Anwesen zurückgekehrt war, wechselte der Edelmann die Kleidung und schrubbte sich den Fischgeruch von den Händen, während ein Diener ihm dienstbeflissen parfümierte Wundsalbe auf die aufgesprungenen Fingerknöchel strich. Zu guter Letzt heftete Jesse sich seine Amtszeichen an den Wappenrock. Um sich mehr herauszuputzen, fehlte ihm die Zeit. Hofrat Bauers würde so, wie er war, mit ihm vorliebnehmen müssen.
Vor dem Haus erwartete ihn ein hastig zusammengestellter Konvoi von Bodenfahrzeugen, bereit, zum Raumhafen aufzubrechen. »Ich hoffe, es ist wichtig«, brummte Jesse an seinen Sicherheitschef gewandt.
»Wichtig für Sie? Oder für den Hochkaiser?« Esmar Tuek saß neben ihm im ersten Fahrzeug. Die motorisierte Eskorte setzte sich in herrschaftlicher Eile in Richtung des gelandeten Schiffs in Bewegung. »Wie oft bemerkt Kaiser Wuda, dass es unser kleines Catalan überhaupt gibt?« Da sie unter sich waren, gestattete Jesse dem alten Veteranen, so vertraulich mit ihm zu sprechen.
Es war eine gute Frage, und Jesse hoffte, dass er schon bald eine Antwort darauf erhalten würde. Mit flatternden Bannern näherten sich die Bodenfahrzeuge dem prunkvollen kaiserlichen Raumschiff. Die Landerampe war bereits ausgefahren, aber noch niemand war herausgetreten. Offenbar wartete man auf einen offiziellen Empfang.
Jesse verließ den vordersten Wagen. Sein dunkles Haar flatterte im Wind wie Seetang in einer Strömung. Er rückte seine förmliche Jacke zurecht und wartete, während die Ehrenwachen auf ihre Positionen hasteten.
Das improvisierte Gefolge würde die Besucher zweifellos in ihrem Vorurteil bestätigen, dass es sich bei Catalan um eine raue, rückständige Welt handelte. Auf anderen Welten drillten die Edelleute ihre Soldaten mit endlosen Paraden und Heerschauen. Im Gegensatz dazu würden Jesses Freiwillige zwar mit aller Kraft kämpfen, um ihre Heimat zu verteidigen, brachten aber nur wenig Interesse dafür auf, mit Stöcken herumzuwirbeln und im Gleichschritt zu marschieren.
Auf der Rampe des kaiserlichen Raumschiffs erschien Hofrat Ulla Bauers. Er rümpfte die Nase, als er die feuchte Meeresluft roch, und seine Stirn legte sich in Falten. Der Abgesandte des Hochkaisers, ein zimperlicher, wieseliger Mann mit affektiertem, inkompetentem Gebaren, trug eine voluminöse Robe mit hohem Kragen und geckenhaften Verzierungen, die seinen Kopf seltsam klein erscheinen ließen.
Doch Jesse wusste, dass man diesen Mann nicht unterschätzen durfte. Das übergroße Gewicht, das der Abgesandte auf Kleidung und Statussymbole legte, war vielleicht nur Tarnung. Gerüchten zufolge war Bauers ein flinker und ausgesprochen zuverlässiger Meuchelmörder. Dass er hierher gekommen war, verhieß nichts Gutes.
Jesse legte die Finger an die Augenbraue, das traditionelle Zeichen der Kaisertreue. »Hofrat Bauers, ich heiße Sie auf meiner bescheidenen Welt Catalan willkommen. Möchten Sie uns nicht begleiten?«
Der kaiserliche Berater kam so geschmeidig, als hätte er Räder unter den Füßen, die Rampe herunter und hielt auf halbem Weg inne. Sein stechender Blick wanderte über die Anlegestellen, die Fischerboote, die wettergezeichneten Bretterbuden, die Lagerhäuser und Geschäfte, die den Hafen einrahmten. Er saugte Informationströpfchen auf wie ein trockener Schwamm. »Hmm, ja … in der Tat bescheiden, Edelmann Linkam.«
Die catalanischen Wachen versteiften sich. Jesse hörte ein ungehaltenes Brummen und eine schneidend geflüsterte Zurechtweisung von Seiten General Tueks, doch er selbst lächelte nur. »Wir stellen Ihnen mit Freuden unsere komfortabelsten Gemächer zur Verfügung, Hofrat, und laden Sie zum abendlichen Bankett ein. Meine Konkubine ist in der Verwaltung unserer Küchen ebenso geschickt wie in der meiner Geschäfte.«
»Ich habe meinen eigenen Koch an Bord dieses Diplomatenschiffs.« Bauer holte ein reich mit Einlegearbeiten verziertes Metallröhrchen aus einem bauschigen Ärmel und hielt Jesse den Briefstat wie ein Zepter entgegen. »Was den heutigen Abend betrifft, sollten Sie ihn lieber mit Packen verbringen. Ich kehre morgen früh nach Renaissance zurück, und der Kaiser möchte, dass Sie mich begleiten. Alle weiteren Einzelheiten sind in dieser Nachricht enthalten.«
Mit einem Gefühl eisigen Schreckens nahm Jesse das Röhrchen entgegen. Er deutete eine Verbeugung an und zwang sich zu erwidern: »Danke sehr, Hofrat. Ich werde sie aufmerksam lesen.«
»Seien Sie bei Anbruch des Morgens hier, Edelmann.« Bauer wandte sich mit wehenden Gewändern um und marschierte die Rampe hinauf. Der Würdenträger hatte nicht einmal einen Fuß auf Catalans Boden gesetzt, als fürchtete er, sich die Schuhe zu beschmutzen.
Kalter Regen dauerte bis in die dunkelsten Stunden der Nacht an, und Wolken verbargen die Sterne. Von einem offenen Balkon über dem Meer aus sah Jesse zu, wie die Regentropfen zischend auf den elektrostatischen Wetterschirm trafen, der ihn umgab. Die Fünkchen waren wie Wandelsterne, die über seinem Kopf flüchtige Sternbilder entstehen ließen.
Seit fast einer Stunde war er tief in Gedanken versunken. Er nahm den Briefstat, der auf dem Balkongeländer lag. Als er an beiden Enden des Zylinders zog, kamen Spiegel und Linsen zum Vorschein, und eine Nachricht mit der Stimme von Hochkaiser Wuda wurde abgespielt. »Seine kaiserliche Hoheit ersucht Edelmann Jesse Linkam, sich unverzüglich in den Hauptpalast zu begeben, um Unsere Entscheidung bezüglich des Gewürzproduktionsstreits um die Dünenwelt im Arrakis-System zu vernehmen. Als Beschwerdeführer und als rechtmäßig gewählter Repräsentant des Adelsrats wird Ihnen hiermit erklärt, dass der Verteidiger, Edelmann Hoskanner, einen Kompromiss vorgeschlagen hat. Falls Sie sich weigern zu erscheinen, werden Wir Ihre Klage abweisen und keine weiteren Streitigkeiten zulassen.«
Jesse ließ den Zylinder zuschnappen, bevor die Stimme des Hochkaisers seine endlose verbale Unterschrift abspulen konnte, die die traditionelle Aufzählung seiner Titel und Würden umfasste.
Dorothy Mapes, seine geliebte Konkubine und Geschäftsführerin, trat hinter ihn und berührte ihn am Arm. Nach elf Jahren, die sie an seiner Seite gedient hatte, wusste sie seine Gemütslagen zu deuten. »Die meisten Edelmänner wären geehrt, eine persönliche Einladung vom Hochkaiser zu erhalten. Solltest du nicht zumindest die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass er nur dein Bestes will?«
Jesse wandte sich zu ihr um und runzelte kurz die Stirn. »Diese Nachricht ist in bester Diplomatensprache abgefasst, aber ich fürchte, sie könnte unser Ende bedeuten, Liebling. Ein Angebot von Valdemar Hoskanner hat mit Sicherheit nicht einfach nur einen Haken. Eine Schlinge ist wahrscheinlicher.«
»Dann sei wachsam. Aber trotzdem weißt du, dass du wegen Valdemar etwas unternehmen musst. Du bist in diesen Streit hineingezogen worden, und jetzt zählen die anderen Edlen auf dich.«
Er schenkte ihr ein erschöpftes, liebevolles Lächeln. Sie hatte kurzes dunkles Haar, das mit helleren pfefferfarbenen Strähnen gesprenkelt war. Die großen braunen Augen im hübschen ovalen Gesicht hatten die Farbe von glattem Myrtenholz, wie man es an der Küste fand. Einen Moment lang betrachtete er den ungewöhnlichen Ring mit den beiden Edelsteinen, den sie an der rechten Hand trug – Zeichen seiner Liebe zu ihr als Edelmann. Obwohl sie dem gemeinen Volk entstammte, war Dorothy alles andere als gewöhnlich.
»Viele Jahre lang warst du meine Inspiration, mein Leitstern und meine engste Beraterin. Du hast die finanzielle Lage meiner Familie zum Besseren gewendet und den größten Teil des Schadens wiedergutgemacht, den mein Vater und mein Bruder vor ihrem Tod angerichtet haben. Aber ich bin mir nicht so sicher, was die Dünenwelt angeht …« Er schüttelte den Kopf.
Die kleine Frau blickte zu ihm auf. »Dann sag mir, ob das hier dir mehr Klarheit verschafft.« Sie strich ihm eine Prise der Gewürz-Melange auf die Lippen. »Von der Dünenwelt. Darum geht es bei allem.«
Er genoss den Zimtgeschmack und spürte das angenehme Aufwallen der Drogenwirkung. Heutzutage schien jeder das Gewürz zu nehmen. Kurz nach der Entdeckung der Substanz auf jener unwirtlichen Welt hatten die Inspektionstruppen des Kaisers Außenposten errichtet und die Wüste kartografiert, um die nötigen Grundbedingungen für den Gewürzabbau zu schaffen. Seitdem war die Melange eine ausgesprochen beliebte Handelsware.
In einem kommerziellen Coup, der in den Augen vieler Bestechung oder Erpressung vermuten ließ, hatte das Haus Hoskanner sich ein Monopol auf alle Dünenwelt-Unternehmungen gesichert. Seitdem ernteten die Arbeitstruppen der Hoskanners in den lebensfeindlichen Dünenmeeren Gewürz und verkauften es mit hohem Gewinn, an dem der Kaiser einen beträchtlichen Anteil erhielt. Auf kaiserlichen Strafplaneten standen ganze Armeen von Sklaven als Sandarbeiter zur Verfügung.
»Die Edelleute haben mich nicht wegen meiner Fähigkeiten ausgewählt, Dor, sondern weil sie nostalgischen Erinnerungen an meinen närrischen Vater und an Hugo, meinen unfähigen Bruder, nachhängen.« Er starrte finster auf den Briefstat-Zylinder und war in ernsthafter Versuchung, ihn vom Balkon in die aufgewühlten Fluten tief unten zu werfen.
Er runzelte die Stirn. »Indem sie die höfischen Spiele auf Renaissance mitgemacht haben.«
»Diese Sache wird uns kaum Gewinn einbringen.«
Nachdem er sich mit dem Adelsrat getroffen hatte, erkannte Jesse bald, dass nur wenige der modernen Edlen, die ihre Güter geerbt hatten, gute Anführer oder kompetente Geschäftsleute waren. Viele Familien, die einst unermesslich reich und mächtig gewesen waren, glitten in die Dekadenz ab und taumelten unaufhaltsam dem Bankrott entgegen, größtenteils, ohne es überhaupt zu bemerken.
Er blickte in die regengepeitschte Nacht hinaus und seufzte resigniert. »Immer regnet es hier. Unser Haus ist immer feucht, ganz egal, wie viele Schilde und Heizungen wir einbauen. Dieses Jahr sind die Seetangerträge zurückgegangen, und die Fischer haben nicht genug gefangen, um exportieren zu können.« Er hielt inne. »Aber trotzdem ist diese Welt meine Heimat und die Heimat meiner Ahnen. Ich habe kein Interesse an anderen Planeten, nicht einmal an der Dünenwelt.«
»Nicht dieses Mal. Es ist zu gefährlich.« Jesse liebte ihren achtjährigen Jungen von ganzem Herzen. Es machte ihn stolz, wie Barri unter der behutsamen Anleitung seiner Mutter und des alten Hausarztes Cullington Yueh gereift war. Barri lernte, ein guter Geschäftsmann und auch ein guter Anführer zu sein – Eigenschaften, die ihm in dieser Ära der verblassenden kaiserlichen Größe gute Dienste erweisen würden. Alles, was Jesse tat, tat er um der Zukunft willen, für Barri und zum Wohle des Hauses Linkam. Selbst die Liebe zu seiner Konkubine musste dahinter zurückstehen.