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»Die letzte Epoche der Menschheit umfasst 5000 Jahre. Das ist nur ein Millionstel der Erdgeschichte. Aber diese Epoche unterscheidet sich grundsätzlich von der ganzen vorherigen Zeit: Es ist die Epoche der menschlichen Zivilisation. Die beginnende Metallverarbeitung bringt den Durchbruch zu technischem Denken und Handeln. Die gleichzeitig erfundene Schrift macht menschliche Erfahrung mitteilbar, summierbar und vererbbar, Geschichte wird eindeutig überlieferbar, die schöpferische Leistung des Menschen wird unsterblich. Private Aneignung der Produktionsmittel führt zur Dienstbarmachung des Menschen durch den Mitmenschen, an die Stelle der alten Solidarität zwischen Freien und Gleichen treten Befehl und Gehorsam zwischen Herr und Knecht. Der Staat entsteht als stabilisierender Ordnungsfaktor einer sich feindlich gegenüberstehenden Menschengemeinschaft. Macht und Zwang im Innern führen zu Gewalt und Unterwerfung im Verhältnis der Stämme und Völker untereinander: Der Krieg kommt in die Welt. Militärische Organisation ersetzt das natürliche Wachstum der menschlichen Gesellschaft. Reichtum und Armut steigen gleichzeitig ins Unermessliche. Klassenspaltung bewirkt den Verlust des ganzheitlichen Wesens des Menschen; Käuflichkeit aller Güter und Werte nimmt ihm seine Würde. So wird jeder Sieg auf dem Wege des Fortschritts zu einer Niederlage. Die Epoche der höchsten Schöpfungen des Menschen wird zur Epoche seiner tiefsten Selbsterniedrigung.«

Arno Peters1

 

»Nur die Lüge braucht die Stütze der Staatsgewalt – die Wahrheit steht von alleine aufrecht.«

Thomas Jefferson, 3. Präsident der USA 1801-18092

 

»Wenn gefragt wird, was heute die Menschheit und lebende Wesen auf der Erde am meisten bedroht, nennt man gewöhnlich nukleare, chemische oder biologische Waffen. Aber man vergisst dabei eine weitere wirklich schreckliche Massenvernichtungswaffe, die vor allem auf das menschliche Gehirn abzielt: Information. Propaganda und Agitation. […] Die Sanktionen, die Schaffung eines Gürtels von Militärstützpunkten entlang Russlands Grenzen – das alles ist nur die Fortsetzung der früheren Politik des Westens, es ändern sich nur die Methoden. Nach der Entwicklung von thermonuklearen Waffen durch die Sowjetunion und somit dem Bruch des Monopols der USA in diesem Bereich verwandelte sich das Wettrüsten in eine Form der Kriegsführung. Und das heutige Aufzwingen neuer Spiralen dieses Wettrüstens durch die USA verfolgt ein ganz konkretes Ziel: Russlands Wirtschaft zum Kollaps zu bringen. Und die USA werden diese Idee kaum aufgeben.«

Valentin Falin, Botschafter der UdSSR in der BRD 1971–19783

 

»In der Politik geschieht nichts zufällig. Wenn etwas geschieht, kann man sicher sein, dass es auch auf diese Weise geplant war.«

Franklin D. Roosevelt, US-Präsident 1933–1945

 

»Seit Generationen wird der Krieg als Weg zum Frieden und zur Ehre und zum Stolz des Landes verherrlicht. So darf es nicht mehr weitergehen. Das ist viel zu gefährlich. Wir müssen unsere Denkweise ändern. Das Gericht der letzten Instanz ist das Volk selbst. Es muss gebildet werden. Es muss beraten werden. Es muss erkennen, dass der Krieg ein äußerstes internationales Verbrechen ist. Es gibt keinen Ruhm. Es gibt keinen Grund für Massenmorde an unschuldigen Menschen. Wir müssen internationale Gerichte schaffen, die befugt sind, ihre Urteile gegen diejenigen durchzusetzen, die sich den Gesetzen widersetzen, die für den Frieden und die Sicherheit der Menschheit notwendig sind. Das ist eine Herausforderung.«

Benjamin Berell Ferencz, Chefankläger der Nürnberger Prozesse4

1. Arno Peters, Synchronoptische Weltgeschichte, Werk bestehend aus zwei Bänden, Hauptband und Indexband, Frankfurt 2000; Zitat aus der Einführung: »Die wichtigsten Ereignisse der Vorzeit«. Zum Lebenswerk Arno Peters’ siehe: Fritz Fischer, Der letzte Polyhistoriker. Leben und Werk von Arno Peters. Vaduz 1996

2. de.wikipedia.org; zuletzt aufgerufen 28.10.2018

3. Valentin Falin, »Ziel der USA: Russland zum Kollaps zu bringen«, sputnik, 23.02.2018, de.sputniknews.com; zuletzt aufgerufen 28.10.2018

4. Interview–Benjamin Berell Ferencz, 05. Juni 2018, U.S. Chief Prosecutor at Nuremberg Trials: www.americanbar.org; zuletzt aufgerufen 28.10.2018

Vorwort

Der große Erfolg des Buches »Fassadendemokratie und Tiefer Staat«5 hat uns ermuntert, mit dem vorliegenden Werk das Thema zu erweitern. Wir wollen namentlich den Hintergründen und Triebkräften der wirtschaftlich, politisch und moralisch zunehmend aus den Fugen geratenen, sogenannten westlichen Wertegemeinschaft nachspüren und dem daraus resultierenden Paradigmenwechsel entlang der internationalen Konfliktlinien auf den Grund gehen.

Die wichtigsten Schlussfolgerungen aus »Fassadendemokratie und Tiefer Staat« waren u.a., dass der im »alten« Europa sozialstaatlich eingehegte Kapitalismus, in Deutschland bekannt als »Bonner Republik«, mit dem Ende der Ost-West-Systemkonfrontation, also mit dem Zusammenbruch des real existierenden Sozialismus, keinen Grund mehr sah, sich länger unter einem Schafspelz zu verstecken. Mit wölfischer Brutalität fiel der von jeder sozialen Verantwortung enthemmte Kapitalismus nach 1990 zunächst über Osteuropa her. In wenigen Jahren hat er dort das alte Wirtschafts-, Bildungs-, Sozial- und Gesellschaftssystem zerstört.

Im Rahmen der EU-Freizügigkeit strömten schon bald Millionen gut ausgebildete, arbeitslose Fachkräfte für Billiglöhne in den Westen. Andere blieben im Osten und arbeiteten dort zu Hungerlöhnen an den verlängerten Werkbänken der Westkonzerne. Infolgedessen konnten die Arbeiter sowie kleinen Angestellten in der EU erfolgreich diszipliniert werden. Aus Angst um ihren Arbeitsplatz sahen sie seither wie gelähmt zu, wie ihre Reallöhne dahinschmolzen und die sozialen Errungenschaften, für die ihre Väter und Großväter hart gekämpft hatten, Stück für Stück abgebaut wurden.

Unter dem enormen Druck der normativen Macht des Kapitals, vor allem der Finanzkonzerne, veränderte sich auch in ganz Europa die weltanschauliche Positionierung der politischen Führungskräfte. Nach und nach gestalteten sie ihre Parteien zu neoliberalen Erfüllungsgehilfen der zunehmend transnational agierenden Konzerne um. Diese Entwicklung kann man beispielhaft an der SPD verfolgen. Schließlich ist es überall in Europa den selbst ernannten politischen Eliten gelungen, ihre Parteien total auf neoliberalen Kurs zu zwingen und damit de facto in totalitäre Einheitsparteien zu verwandeln. Das Ziel dieser Entwicklung war – nach eigenem Bekenntnis –, die »Demokratie marktkonform« zu machen.

»Demokratie« und »Marktkonformität« sind jedoch ein Widerspruch in sich. Tatsächlich handelt es sich dabei um die Diktatur der Konzerne über die Demokratie. Die Wirtschaft ist schon lange nicht mehr für die Menschen da, sondern der Mensch ist zum Verfügungsfaktor der Wirtschaft geworden, ein Produktionsfaktor mit zwei Ohren. Dieser Zustand, der gern mit dem Begriff »liberale Ordnung« oder auch »liberale Weltordnung« umschrieben wird, hat inzwischen von allen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen sowie zwischenmenschlichen Beziehungen zerstörerischen Besitz ergriffen. Die Eliten in der Wirtschaft und ihre gekauften und bezahlten Helfer in Politik, Medien und im Wissenschaftsapparat bejubeln den Neoliberalismus als die beste aller Welten, eine Welt, zu der es angeblich »keine Alternative« gibt.

Begünstigt durch den Neoliberalismus sind die sogenannten Eliten für Neuzugänge aus den unteren Schichten immer undurchlässiger geworden. Diese Entwicklung hat mit dazu beigetragen, dass sich das Herrschaftskonglomerat von der Masse der arbeitenden Menschen zunehmend abschottet. Es gibt zwar vor, sich für das Wohl des Volkes einzusetzen, doch in der Realität haben die Eliten keinerlei Gespür mehr für die Sorgen und Bedürfnisse des »gemeinen Volkes«. Wenn deutsche Politiker, wie beispielsweise der Aufsichtsratsvorsitzende von BlackRock Deutschland und gescheiterter Kandidat für den CDU-Vorsitz, Friedrich Merz, als Lösung der Probleme vorschlagen, aus Deutschland eine Gesellschaft von Aktienbesitzern zu machen, dann erinnert das in fataler Weise an Königin Marie Antoinettes Spruch: »Wenn sie kein Brot haben, dann sollen sie doch Kuchen essen.«

Allerdings haben sich an der Basis der Bevölkerung in allen betroffenen Ländern in den vergangenen Jahren unterschiedliche Widerstandsbewegungen gegen die herrschende »liberale Ordnung« gebildet. Da die Eliten diese Entwicklung inzwischen als ernst zu nehmende Bedrohung ihres so gut funktionierenden und höchst profitablen Geschäftsmodells erkannt haben, diffamieren sie jegliche Kritik an der »liberalen Ordnung« als extremistisch, als links- oder rechtspopulistisch, als nationalistisch oder gar als faschistisch. Diese Entwicklung ist in allen Ländern zu beobachten, die der »liberalen Weltordnung« unterworfen wurden.

Die Eliten haben Entscheidungsprozesse auf die supranationale Ebene, z.B. auf die Welthandelsorganisation oder die transnationale Ebene der EU verlegt, wo Entscheidungen marktkonform, entsprechend der Forderungen transnationaler Konzerne getroffen werden. Parallel dazu wurden die Nationalstaaten entdemokratisiert. Damit hat die herrschende Eliten-Kaste ihr neoliberales Projekt zugleich in ein totalitäres verwandelt und in systemischen Kernfragen gegen echte demokratische Veränderungen wasserdicht gemacht.

Tatsächlich kann das System durch demokratische Wahlen nicht mehr abgewählt werden. »Die Griechen können wählen, wie sie wollen, sie müssen den Anordnungen der Troika – EU, Eurogroup und IWF – folgen.« Mit dieser Aussage hatte vor einigen Jahren der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble die »Vogel friss oder stirb«-Mentalität der Eliten auf den Punkt gebracht. Deren langfristige Herrschaftsabsicherung erfolgt wiederum durch den Tiefen Staat. Damit sind nicht demokratisch gewählte Führungsmannschaften in Regierungsämtern, Behörden, Militär- und Sicherheitsapparaten gemeint, die undurchdringlich mit den Eliten und deren profitablem Geschäftsmodell der »liberalen Ordnung« verfilzt sind.

Im vorliegenden Band »Der Tiefe Staat schlägt zu« wechseln wir nun die Perspektive und schauen uns die internationalen Konfliktformationen und Konfrontationslinien an. Renommierte, internationale Autoren mit unterschiedlichen Berufsbildern und Erlebnishorizonten bringen in diesem Buch ihre langjährigen Erfahrungen zusammen.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass alle Beiträge dieses Buches darin konvergieren, die Vereinigten Staaten als zentralen Treiber des neoliberalen Kapitalismus zu sehen, der im Volksmund treffender als Raubtierkapitalismus bezeichnet wird. Die US-Eliten sind ganz offensichtlich immer noch ihrem Weltbeherrschungswahn verhaftet. Und in der Europäischen Union hat – trotz wachsender interner Differenzen und Widersprüche – immer noch jener Teil der Eliten das Sagen, der auf Kosten der eigenen Bevölkerung lieber im Vasallenstatus gegenüber dem imperialen Washington verharrt. Das Motiv dieser Vasallen ist: Lieber im Rudel mit dem Leitwolf jagen. Denn dann fallen bei der neoliberalen Ausweidung der Welt immer ein paar Filetstücke für einen selbst ab. Wer sich gegen das Leittier stellt, wird weggebissen und geht leer aus, oder es kommt noch schlimmer: Jeder Staat, der sich nicht den Hilfsorganisationen der liberalen Ordnung wie NATO, EU-Kommission oder WTO unterwirft, wird terrorisiert, bedroht und sanktioniert. Und wenn die Regierung des störenden Staates dann immer noch nicht klein beigibt, folgt ein »Farben-Regimewechsel« oder das Land wird letztlich mit Krieg überzogen, wie das Schicksal Jugoslawiens zeigt, das nach dem Ende des Kalten Kriegs alle der oben genannten Phasen erleiden musste.

Die Expansion von NATO und EU in die einst sozialistischen Länder Osteuropas und sogar in einige ehemalige Sowjetrepubliken war die logische und zwingende Folge des herrschenden Systems der »liberalen Ordnung«. Mit Hilfe gekaufter und bezahlter Eliten in diesen osteuropäischen Ländern und den blumigen Versprechen der EU glaubte eine total desorientierte, lokale Bevölkerung an ein Leben auf der Sonnenseite des Westens und fügte sich. So konnte die Osterweiterung relativ schnell und reibungslos vonstattengehen. Aber das eigentliche Ziel, der große Preis dieses NATO- und EU-Drangs nach Osten, war Russland mit seinen unermesslichen Bodenschätzen. Der Zugriff der westlichen Eliten und ihrer Konzerne auf diese Schätze war während der Regierungszeit von Präsident Boris Jelzin in den 1990er-Jahren zum Greifen nahe. Denn auch in Russland hatten sich dem Westen willfährige, korrupte Eliten an die Spitze der Macht geboxt.

Je mehr diese Schocktherapien die russische Wirtschaft und Gesellschaft chaotisierten, umso stärker formierte sich im Inneren des Landes der Widerstand gegen den vom Westen aufgezwungenen Neoliberalismus. Als Wladimir Putin an die Macht kam, wurde der Einfluss des Westens und dessen im Land bereits eroberten Machtpositionen Schritt für Schritt wieder abgebaut. Mit Putin hat Russland heute seine volle Souveränität zurückerobert.

Heute trifft Moskau wieder Entscheidungen, die im Interesse des russischen Volkes und nicht in dem der NATO sind, nicht in dem der EU und erst recht nicht im Sinne der toxischen US-Spinne in ihrem imperialen Netz. Und genau das ist der wahre Grund, weshalb der russische Präsident und seine Regierungsmannschaft die meist gehassten Leute der neoliberalen Welteroberer in den USA, in der NATO und der EU sind.

Russland ist seit den 2000er-Jahren zu einem ernst zu nehmenden Gegengewicht der hegemonialen »liberalen Weltordnung« der westlichen Herrschaftskasten geworden. Russland und inzwischen auch China zeigen der Welt, dass es auch anders geht, und zu diesem Zweck entwickeln sie seit einigen Jahren politische, ökonomische und militärische Instrumente, die eine realistische Alternative zum neoliberalen westlichen Modell sein können.

Vor allem die wirtschaftliche Kraft und Dynamik Chinas im Zusammenspiel mit russischen Rohstoffen und fortgeschrittener Militärtechnologie haben zunehmend die Überheblichkeit der neoliberalen Eliten ins Wanken gebracht. Diese Unsicherheit wird durch chinesische Großprojekte wie die Neuauflage der Seidenstraße verstärkt, die das Potenzial hat, Chinas Einfluss im Mittleren Osten und in Osteuropa enorm zu stärken.

Allein durch die Existenz eines gut funktionierenden Chinas oder Russlands sieht der Westen sein lukratives Geschäftsmodell der neoliberalen Globalisierung gefährdet. Infolgedessen ist das Problem, mit dem sich die westlichen Eliten konfrontiert sehen, mit dem der Mafia und anderer Schutzgelderpresserbanden zu vergleichen: Was tun Schutzgeldgangster, wenn ein »Kunde« nicht länger zahlen will? In der Vergangenheit haben Washington und die NATO genau wie die Mafia reagiert. Zuerst wird der »Kunde« malträtiert, und wenn er dann immer noch nicht gefügig ist, schickt man die uniformierten US- und NATO-Killertrupps, mit denen u.a. Jugoslawien, Irak, Libyen und Syrien die schlimmsten Erfahrungen gemacht haben.

Was aber sollen die westlichen Eliten tun, wenn ihre ausgemachten Erzrivalen wie Russland und China von Jahr zu Jahr stärker werden, während zugleich die eigenen Länder an Macht verlieren? Was tun, wenn die westlichen Führungskader weltweit längst nicht mehr so schalten und walten können, siehe Syrien, wie sie es noch vor knapp zehn Jahren getan haben? Bei der Beantwortung dieser Fragen geht ein Riss quer durch die westlichen Eliten. Speziell im sogenannten sicherheitspolitischen Establishment der USA, aber auch in Großbritannien und in geringerem Maße in Deutschland und Frankreich, behält die Denkschule der neokonservativen Falken die Oberhand. Diese Falken gehen davon aus, dass sie jetzt alles riskieren müssen, solange ihre Feinde Russland und China noch nicht übermächtig sind.

Die andere Denkschule, deren prominentester Vertreter Donald Trump ist, hat auch die Zeichen der Zeit erkannt, kommt aber zu gegenteiligen Schlussfolgerungen. Diese Denkschule will retten, was noch zu retten ist, d.h. das US-Imperium abwickeln, raus aus der NATO und dem Mittleren Osten und die bisher dort vergeudeten Ressourcen dazu benutzen, um die USA, die in vielen Regionen zum Entwicklungsland geworden sind, wieder aufzubauen.

Wie wir gesehen haben, steht das hysterisch aufgebrachte, global orientierte, außen- und sicherheitspolitische US-Establishment beider Parteien fast einmütig gegen Präsident Trump und vereitelt seine Pläne, wo immer möglich. Die Linie dieser US-Kriegstreiber wird von ihren europäischen Kollegen nach Kräften unterstützt. Diese Kriegsfalken sind deshalb so hoch gefährlich, weil sie bereit sind, mit ihren politischen und militärischen Provokationen und ökonomischen Sanktionen ihre Gegner in die Konfrontation zu treiben, bis an den Rand des Abgrunds eines großen Krieges. Als Beispiel seien die ständigen und in ihrer Gefährlichkeit wachsenden US-/NATO-Manöver direkt an der russischen Grenze angeführt, ebenso wie die US-Provokationen in der Straße von Taiwan und im Südchinesischen Meer. Dabei wollen die USA eine Situation provozieren, in der sie die Oberhand haben und dadurch die andere Seite zum Nachgeben zwingen können. Der Kalte Krieg 2.0 lässt grüßen.

Die absichtliche Zuspitzung einer Konfliktsituation ist an sich schon problematisch genug. Geradezu fatal ist, dass vor allem die US-Kriegstreiber glauben, in einer solchen Krise alles unter Kontrolle zu haben. Dabei kann – wie der Autor dieser Zeilen aus eigener Erfahrung weiß6 – durch Fehlinterpretationen der Absicht des Gegners, durch Missverständnisse in den eigenen Reihen, durch technische Fehler und durch vieles mehr schnell eine Situation entstehen, deren Eigendynamik unaufhaltsam in den nuklearen Abgrund führt. Vor diesem Hintergrund ist die Haltung der NATO hochgradig kriminell. In der sich zuspitzenden Konfrontation mit Russland hat die NATO die diplomatischen Kontakte zu Moskau gekappt, statt sie zu intensivieren, und damit die Gefahr eines heißen Krieges massiv erhöht. Da alle westeuropäischen Mitgliedstaaten der NATO diese Politik mittragen, richtet sich dieser Vorwurf auch an die deutsche Bundesregierung und die sie in dieser Frage unterstützenden Oppositionsparteien FDP und Die Grünen. Sie alle spielen leichtfertig mit einem realen Krieg. Statt sich über die globale Erwärmung zu ereifern, sollten sie sich besser Sorgen um die aktuell weitaus größere Gefahr der »nuklearen Erwärmung« der Erde machen.

Rainer Rupp,
im Januar 2019

5. Ullrich Mies/Jens Wernicke (Hg.), Fassadendemokratie und Tiefer Staat. Auf dem Weg in ein autoritäres Zeitalter. Wien 2017

6. Rainer Rupp war ab 1969 bis zur Wende als Topagent der Hauptverwaltung Aufklärung des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR viele Jahre im NATO-Hauptquartier in Brüssel tätig. 1994 wurde er dafür in der Bundesrepublik zu zwölf Jahren Haft verurteilt, wovon er sechs Jahre absaß.