Andreas Heiber

Leistungskataloge und Vergütungen
SGB XI 2018

Ein bundesweiter Vergleich – Studie

Andreas Heiber

Leistungskataloge und Vergütungen SGB XI 2018

Ein bundesweiter Vergleich – Studie

Inhalt

Einleitung

TEIL I

Kapitel 1: Besonderheiten der deutschen Pflegeversicherung

Die Teilkaskoversicherung

Pflegegeld für selbst beschaffte Pflegehilfen

Kapitel 2: Pauschalen oder Zeitabrechnung

Pauschalen bzw. Leistungskomplexe

Die Zeitabrechnung

Was ist besser: Zeitabrechnung oder Leistungskomplexe?

TEIL II

Kapitel 3: Die Leistungskataloge und ihre Besonderheiten

Entstehungsgeschichte der Leistungskataloge

Kapitel 4: Die Vertragssituation heute

Die Vergütungsstruktur der Wegezeiten

Kataloggestaltung der körperbezogenen Pflegemaßnahmen

Die Pflegerische Betreuung

Hilfen bei der Haushaltsführung

Beratungsleistungen

Poolen von Leistungen

Kapitel 5: Die Bundesempfehlung 1995

Kapitel 6: Die Kataloge der Länder

Die Bundesempfehlung 1996

Katalog Baden-Württemberg

Katalog Bayern Wohlfahrt

Katalog Bayern Privat

Katalog Berlin

Katalog Brandenburg

Katalog Bremen

Katalog Hamburg

Katalog Hessen Leistungskomplexe

Katalog Hessen Zeitabrechnung

Katalog Mecklenburg-Vorpommern

Katalog Niedersachsen

Katalog Nordrhein-Westfalen

Katalog Rheinland-Pfalz

Katalog Saarland

Katalog Sachsen

Katalog Sachsen-Anhalt

Katalog Schleswig-Holstein

Katalog Thüringen

TEIL III

Kapitel 7: Die Leistungskataloge SGB XI 2018 im Kostenvergleich

Vergleich Erstgespräche und Folgegespräche

Die Beispiele im Preisvergleich

Beispiel 1 Kleine Morgenversorgung

Beispiel 2: Kleine Morgenversorgung mit Toilettengang

Beispiel 3: Baden mit Toilettengang

Beispiel 4: Toilettengang als alleinige Leistung

Stundensätze Körperpflege Zusammenfassung

Die Stundensätze Körperpflege im historischen Vergleich 2003 zu 2018

Stundensätze Körperpflege in Verbindung mit Behandlungspflegeleistungen

Die Vergütung der Pflegerischen Betreuung

Die Vergütung der hauswirtschaftlichen Versorgung

Vergleich der Stundensätze 2018

Kapitel 8: Zusammenfassung

Anhang

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Liste der Downloads für QR

Abkürzungen

Autor

Einleitung

Wer wissen will, was ein Pflegeheimplatz im Ländervergleich kostet, kann einfach auf die aktuelle Bundespflegestatistik zurückgreifen. Wie hoch oder gut die Leistungen in der ambulanten Pflege finanziert werden, ist scheinbar einfach: Jeder Pflegedienst hat eine Preisliste. Aber allein schon, dass es Leistungen der Kranken- und Pflegeversicherung gibt, macht es komplizierter. Und sobald man die Leistungen länderübergreifend vergleichen will, wird es undurchsichtig.

Gerade vor dem Hintergrund der Refinanzierung von angemessenen, insbesondere tariflich bedingten Personalkosten ist auch die Frage zu stellen, ob die Vergütungshöhen in den Bundesländern angemessen sind und damit überhaupt Tariflöhne überall refinanziert werden können.

Seit die Pflegeversicherung mit ihren ambulanten Leistungen zum 01.04.1995 an den Start ging, haben sich in allen Bundesländern zum Teil völlig verschiedene Vergütungssysteme für im Prinzip die identischen Leistungen gebildet. Auf der Basis dieser Kataloge wurden auch die Preise verhandelt, die sich ebenfalls, je nach Bundesland, sowohl in der Struktur als auch in der Höhe völlig unterschiedlich entwickelt haben. Anders als im vollstationären Bereich kann man daher die Preise der Pflegedienste in Deutschland nicht bundeslandübergreifend vergleichen.

Diese Vergleichsstudie geht daher den Weg über konkrete Versorgungsbeispiele, die dann mit den jeweiligen Katalogen umgesetzt wurden. Dabei wurde im Wesentlichen auf die Struktur der Beispiele aus der im Prinzip identischen Studie von Andreas Heiber und Gerd Nett aus dem Jahr 2003 zurück gegriffen1. Die dortigen ersten vier Beispiele der Körperpflege sowie die zwei Beispiele der Hauswirtschaft wurden auch 2018 als Basis angenommen. Somit ist auch ein historischer Vergleich der Ergebnisse von 2003 und 2018 möglich. Dazu kommt in 2018 ein Beispiel der pflegerischen Betreuung, eine Leistung, die es 2003 noch nicht gab.

Die aktuelle Studie wird erweitert um zwei ergänzende Leistungen der Behandlungspflege, um zu prüfen, wie weit und aus welcher Richtung mögliche Querfinanzierungen vorliegen können.

Als Basis der Vergleiche dienen die Preise von kirchlichen Sozialstationen jeweils aus den Landeshauptstädten der Bundesländer (die Ende Mai 2018 ermittelt wurden), weil diese erfahrungsgemäß meist die höchsten Vergütungen verhandelt haben. Dabei ist weder ausgeschlossen, dass es zeitgleich noch höhere Vergütungen gab, noch dass es aktuell andere Vergütungen gibt. Auch steht fest, dass die höchsten Vergütungen nicht den Durchschnitt im Bundesland abbilden, also für die durchschnittliche Einrichtung die ausgewiesenen Preise nicht gelten und die ermittelten Stundensätze auch zum Teil deutlich geringer sein können. Ziel der Studie war nicht, die Preisvarianz in den Bundesländern dazustellen, sondern die Kataloge bundesweit zu vergleichen.

IM ERSTEN TEIL der Studie (Kap. 1) werden die Besonderheiten der deutschen Pflegeversicherung herausgearbeitet: die Systematik einer Teilversorgung sowie gleichzeitig das System des Pflegegeldes, das durch den Bezug von Sachleistungen gekürzt wird. Die damit verbundenen Effekte auf die Vertragsgespräche zwischen Pflegebedürftigen und Pflegediensten werden ebenfalls berücksichtigt.

Im zweiten Kapitel werden der systematische Unterschied zwischen Pauschalleistungen wie Leistungskomplexen einerseits und der Zeitabrechnung andererseits erläutert und die Stärken und Schwächen der beiden Systeme diskutiert.

IM ZWEITEN TEIL der Studie wird die Entstehungsgeschichte der Leistungskataloge (Kap. 3) und der Punktwertsystematik zu Beginn der Pflegeversicherung dargestellt.

Im fünften Kapitel erfolgt eine erste strukturierte Übersicht über die Systematik der vorhandenen Kataloge: von der Vergütungssystematik (Punktbewertung, Einzelpreise, Berufsgruppenpreise) über die Wegefinanzierung, die Art der Zeitzuschläge sowie allgemeine Besonderheiten bei der Kataloggestaltung der verschiedenen Bereiche Körperbezogene Pflegemaßnahmen, Pflegerische Betreuungsleistungen und Hilfen bei der Haushaltsführung. Weiterhin werden noch einleitend die Beratungsleistungen (Erstgespräch und Beratungsbesuche) sowie das Poolen von Leistungen erläutert.

Im Kapitel 5 wird exemplarisch die erste Bundesempfehlung von 1995 abgedruckt und systematisch erläutert, da diese Empfehlung bei vielen Katalogen als Vorbild diente.

Anschließend werden im Kapitel 6, zusätzlich zur zweiten Bundesempfehlung von 1996, alle 18 aktuellen Kataloge nach dem identischen Raster dargestellt und diskutiert. Auf den Abdruck der Kataloge in diesem Buch mussten wir verzichten, weil es sonst mit sicherlich über 500 Seiten den technischen und finanziellen Rahmen gesprengt hätte. Sie sind über den für die Studie eingerichteten Downloadbereich als Gesamtdatei oder als Einzeldateien abrufbar (entsprechende QR-Codes zum schnellen Erreichen im Internet findet sich bei der jeweiligen Darstellung).

IM DRITTEN TEIL (Kap. 7) beginnt der eigentliche Kostenvergleich mit der Darstellung der allgemeinen Kosten wie Punktwerte und Wegekosten. Es werden dann zunächst die Preise für die Erstgespräche und Folgebesuche verglichen, bevor die einzelnen Beispiele des Vergleichs dargestellt und ausgewertet werden. Die Ergebnisse der Körperpflegeleistungen werden im Gesamtvergleich sowie im historischen Vergleich dargestellt und um die zwei Beispiele mit Behandlungspflegeleistungen erweitert und ausgewertet. Es folgen die Vergleiche der Betreuungsleistung sowie der Hauswirtschaft. Abschließend werden noch die drei rechnerischen Stundensätze der körperbezogenen Pflegemaßnahmen, Betreuung und Hauswirtschaft verglichen.

In der Zusammenfassung in Kapitel 8 werden erste Schlussfolgerungen der Ergebnisse gezogen, ohne hier eine vollständige Bewertung vornehmen zu wollen.

Um von Anfang an nicht missverstanden zu werden: Auch die hier dargestellten höchsten Preise in der Studie erwecken nicht den Anschein, sie wären nicht leistungsgerecht im Sinne des Gesetzgebers. Vielmehr muss man ernsthaft die Frage stellen, wie viele Pflegedienste angesichts der in ihrem Bundesland sehr niedrigen Vergütung die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angemessen bezahlen sollen.

Die Studie basiert auf den Strukturen der Vorstudie aus dem Jahr 2003, die gemeinsam mit meinem Kollegen Gerd Nett erstellt wurde, der auch an dieser Studie mitgewirkt hat.

Zu danken ist auch vielen Kollegen, Kunden und Kontakten, die bei der Beschaffung der verschiedenen Kataloge insbesondere der Häuslichen Krankenpflege mitgewirkt haben. Denn anders als in der Pflegeversicherung gibt es im Bereich der Häuslichen Krankenpflege sehr viel weniger veröffentlichte Verträge und Preislisten und damit auch viel weniger Transparenz. Zum Schluss sei noch Fabian Stürmer-Heiber für manchen Auswertungstipp und den Lektoren Bettina Schäfer und Klaus Mencke für die Umsetzung gedankt.

Bielefeld, Januar 2019

Andreas Heiber

Heiber/Nett (2003), verfügbar über Downloadbereich der Studie

Kapitel 1: Besonderheiten der deutschen Pflegeversicherung

Die deutsche Pflegeversicherung hat zwei Besonderheiten, die maßgeblichen Einfluss auf den Umgang mit den verfügbaren Leistungen haben: die Tatsache, dass nicht die notwendige Versorgung voll finanziert wird, sowie die ‚Konkurrenz‘ zum Pflegegeld.

Die Teilkaskoversicherung

Die Pflegeversicherung ist ausdrücklich nur als Teilversorgung konzipiert worden, was vornehmlich aus dem Finanzierungssystem resultiert: „Der Gesetzgeber setzt den Beitragssatz fest. Die Leistungen werden im Rahmen der Entwicklung der Beitragseinnahmen angepasst.“ So haben es die Koalitionsparteien 1993 in der Koalitionsvereinbarung zur Pflegeversicherung am 27.05.1993 formuliert und im Gesetz umgesetzt2. Das heißt einerseits, dass die Pflegeversicherung jederzeit die Beträge stabil halten kann, weil dann die Leistungen zu kürzen sind, andererseits die Leistungen nicht ausreichen können und sollen für eine umfassende Versorgung.

In § 1, Abs. 4 „Sozialgesetzbuch – Elftes Buch – Soziale Pflegeversicherung“ (SGB XI) sind die Aufgaben der Pflegeversicherung formuliert (und gelten seit Inkrafttreten der Pflegeversicherung so unverändert): „Die Pflegeversicherung hat die Aufgabe, Pflegebedürftigen Hilfe zu leisten, die wegen der Schwere der Pflegebedürftigkeit auf solidarische Unterstützung angewiesen sind.“ In der Gesetzesbegründung wird weiter ausgeführt: „Abs. 4 legt den Aufgabenbereich der Pflegeversicherung fest. Sie soll den Pflegebedürftigen Hilfen zur Verfügung stellen, die aufgrund des Ausmaßes ihrer Pflegebedürftigkeit in einer Weise belastet sind, daß ein Eintreten der Solidargemeinschaft notwendig wird, um eine Überforderung der Leistungskraft des Pflegebedürftigen und seiner Familie zu verhindern.“3

Daraus resultieren die gesetzlichen Festlegungen in § 4 Abs. 2: „Bei häuslicher und teilstationärer Pflege ergänzen die Leistungen der Pflegeversicherung die familiäre, nachbarschaftliche oder sonstige ehrenamtliche Pflege und Betreuung“, die der Gesetzgeber folgendermaßen erläutert hat: „Mit den Leistungen der Pflegeversicherung wird eine Vollversorgung der Pflegebedürftigen weder angestrebt noch erreicht. Die Pflegeversicherung stellt eine soziale Grundsicherung in Form von unterstützenden Hilfeleistungen dar, die Eigenleistungen der Versicherten nicht entbehrlich machen. Im Ambulanten Bereich obliegt es den Versicherten, einen durch die Leistungen der Pflegeversicherung nicht gedeckten Pflege- und Betreuungsbedarf selbst sicherzustellen.“4

Damit unterscheidet sich die Pflegeversicherung in Deutschland von den meisten Versorgungskonzepten anderer Länder. Diese haben oftmals eine staatlich finanzierte Vollversorgung eingeführt (wie in den skandinavischen Ländern), greifen dann aber auch bei der Auswahl der Leistungen lenkend ein.

Bei der Teilkaskoversicherung steht die Auswahl der Leistungen sowie ihrer Definition, die mit dem verfügbaren Budget zu finanzieren sind, deshalb immer auch unter dem Gesichtspunkt, wie weit das Budget reicht und was ansonsten über Eigenanteile zu finanzieren ist.

Pflegegeld für selbst beschaffte Pflegehilfen

Das Pflegegeld, als Alternative zur Sachleistung, wurde schon im Rahmen der Leistungen zur Schwerpflegebedürftigkeit §§ 53 bis 57 „Sozialgesetzbuch – Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung“ (SGB V) in der Fassung 1988 eingeführt. Es sollte dann ausgezahlt werden, wenn der Schwerpflegebedürftige damit seine Pflege selbst sicherstellt. „Die familiäre oder fremde Pflegekraft muß in der Lage sein, die benötigte Pflege zu leisten und in einem auch zeitlich ausreichenden Umfang zur Verfügung zu stehen. Die Krankenkasse hat das Vorliegen dieser Voraussetzung in geeigneter Weise zu prüfen. Die Pflegekraft muss die gesamte Pflege übernehmen und nicht nur eine im Umfang der häuslichen Pflegehilfe anfallende Leistung.“ Weiterhin war im Gesetz, § 56, Abs. 2 alter Fassung SGB V, geregelt, dass die Pflegekraft nur dann die Geldleistung beziehen konnte, wenn sie nicht mehr als 50 % beruflich tätig war, um Mitnahmeeffekte zu vermeiden: die Pflegekraft sollte daher ausreichend Zeit haben.5 Auch gab es keine Leistungsverknüpfung zwischen Pflegegeld und Sachleistungen, wie die Pflegeversicherung sie heute mit der Kombinationsleistung kennt: Es gab nur die Wahl der einen oder der anderen Versorgungsvariante.

Vor Inkrafttreten der Pflegeversicherung 1995 waren die Rahmenbedingungen des Pflegegeldes also deutlich konkreter und einschränkender definiert, als das in der Pflegeversicherung heute der Fall ist: Im § 37 SGB XI ist nur noch geregelt, dass der Pflegebedürftige selbst dafür sorgt, dass seine Pflege sichergestellt ist6. Lt. Gesetzesbegründung ist das Pflegegeld kein Entgelt für erbrachte Pflegeleistungen: „Es setzt vielmehr den Pflegebedürftigen in den Stand, Angehörigen und sonstigen Pflegepersonen eine materielle Anerkennung für die mit großem Einsatz und Opferbereitschaft im häuslichen Bereich sichergestellte Pflege zukommen zu lassen. Das Pflegegeld bietet somit einen Anreiz zur Erhaltung der Pflegebereitschaft der Angehörigen, Freunde oder Nachbarn. Die Geldleistung stellt ein Sachleistungssurrogat dar.“7

Das Pflegegeld wird über die Kombinationsleistung § 38 SGB XI anteilig dann ausgezahlt, wenn die Sachleistungen nach § 36 SGB XI nicht vollständig ausgeschöpft werden.

Betrachtet man sich die Entwicklung der Leistungshöhen des Pflegegeldes, stellt sich schon die Frage, ob es sich hier weiterhin nur um eine materielle Anerkennung handelt, wie der Gesetzgeber es 1993 formuliert hat, oder von der Höhe her um eine echte Finanzierung. Insbesondere bei Pflegegrad 4 und 5 erreicht das Pflegegeld Größen, die höher sein können als beispielsweise (siehe Abb. 1: Leistungsansprüche ambulant von 1995 bis 2017 pro Monat, Seite 14)

Leistungsansprüche der Grundsicherung oder der Hilfen zum Lebensunterhalt nach dem „Sozialgesetzbuch – Zwölftes Buch – Sozialhilfe“ (SGB XII).

Da die Leistungen ‚sozialversicherungsfrei‘ sind, stellt sich in den höheren Pflegegraden schon die Frage, ob die Leistungshöhe noch als Dankeschön zu betrachten ist oder als Vergütung einer Dienstleistung. Zumal auch noch mögliche Rentenversicherungsleistungen und die Absicherung über die gesetzliche Unfallversicherung dazu kommen.8

In der Praxis wird das vollständige und zumindest anteilige Pflegegeld als selbstverständliche und/oder notwendige Vergütung der eigentlich „ehrenamtlichen“ Pflege wahrgenommen. Das heißt aber auch, dass es bei Vertragsgesprächen über Leistungen des Pflegedienstes für den Pflegebedürftigen oftmals weniger um die Frage der optimalen Versorgung geht, sondern eher darum, dass ein bestimmter Teil des Pflegegeldes übrigbleiben muss.

Ein Indiz dafür dürfte auch die Entwicklung des Leistungsbezugs des Pflegegeldes nach der Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffes sein.

Im Rahmen der Umstellung der Pflegegrade wurden die Leistungsansprüche auch im Pflegegeld (siehe Abb. 2: Überleitung der Leistungen 2016/2017, Seite 14) deutlich erhöht. Durch den sogenannten doppelten Stufensprung erhielten ca. 1/3 aller ambulant eingestuften Pflegebedürftigen9 nun noch deutlich höhere Leistungen10.

Abb. 3

Betrachtet man den Leistungsbezug in den Jahren von 2012 bis 2017, so fällt auf, dass in den Jahren vor der Umstellung das Pflegegeld sowie die Sachleistungen in kleinen Schritten, mutmaßlich analog zu den Zunahmen der Pflegebedürftigen gestiegen ist. In 2017, also nach dem Systemwechsel erhöht sich der Pflegegeldbezug um 1/3 (oder 46 %) auf aktuell 9,99 Mill. Euro, während die Sachleistungen nur (siehe Abb. 3: Entwicklung der Leistungsausgaben GKV für Pflegegeld/Sachleistungen 2012-2017) (weiterhin) moderat gestiegen sind. Der Anstieg ist nicht mit der Zunahme von Pflegebedürftigen durch die erweiterte Einstufungssystematik zu erklären, da die Anzahl der Pflegebedürftigen nur insgesamt um 11,4 % gestiegen ist11.

Das Mehr an ambulanten Leistungen durch die Umstellung führt zwar zu einem massiven Anstieg des Pflegegeldbezugs, aber nicht zu einer höheren Entlastung, beispielsweise durch die stärkere Nutzung von Pflegediensten. Der finanzielle Vorteil für den Pflegebedürftigen bzw. die Pflegepersonen bei auch anteiliger Auszahlung des Pflegegeldes ist ein realer und oftmals limitierender Faktor bei der Auswahl der gewünschten Leistungen, unabhängig von der Frage, was tatsächlich fachlich notwendig ist. Die Ausgestaltung der Leistungskataloge spielt hier keine primäre Rolle.

BR-Drs. 505/93, S. 79

a.a.O., S. 89

a.a.O. S. 90

BT-Drs. 11/2237, S. 185

§ 37 Abs. 1, Satz 2

BR-Drs. 505/93, S. 112/113

zu den Leistungsansprüchen und der Umsetzung: Heiber (2018), S. 63 ff.

Heiber (2018), S. 21 auf Basis Bundespflegestatistik 2015

10 siehe auch Heiber (2016), S. 186 ff.

11 Heiber (2018a), auf Basis Zahlen GKV-Spitzenverband 2018