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Stefan Zweig an Joseph Roth (undatierter Brief, vermutlich Sommer 1938), in: Stefan Zweig, Briefe an Freunde, hrsg. von Richard Friedenthal, Frankfurt a. M. 1984, S. 291–292, hier S. 291.
So etwa Reiner Poppe, Stefan Zweig: Schachnovelle. Interpretationen und Unterrichtsmaterialien, Hollfeld 1988, S. 45, 60.
Goethe am »Donnerstagabend den 25. Januar 1827«, in: Johann Peter Eckermann, Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens, hrsg. von Otto Schönberger, Stuttgart 1994, S. 231–236, hier S. 234.
Über Hotels in Stefan Zweigs Novellen siehe Gabriella Rovagnati, »Umwege auf dem Wege zu mir selbst«. Zu Leben und Werk Stefan Zweigs, Bonn 1998, S. 128–144.
Winfried Freund, Novelle, Stuttgart 1998, S. 273.
Stefan Zweig, Die Welt von Gestern. Erinnerungen eines Europäers, in: Gesammelte Werke in Einzelbänden, hrsg. von Knut Beck, Frankfurt a. M. 1982, S. 77.
Die Beschaffung dieser Partie verdanke ich (M. N., Autor des Lektüreschlüssels) Herrn Mag. Andreas Kwech, dessen freundschaftlicher und kompetenter Rat auch in anderen Sachfragen zum Thema Schach äußerst hilfreich war.
Stefan Zweig, Triumph und Tragik des Erasmus von Rotterdam, Frankfurt a. M. 1992, S. 17.
Zweig, (s. Anm. 6), S. 442.
Zweig (s. Anm. 6), S. 461.
Hanspeter Brode, »Mirko Czentovic – ein Hitlerporträt? Zur zeithistorischen Substanz von Stefan Zweigs Schachnovelle«, in: Die letzte Partie. Stefan Zweigs Leben und Werk in Brasilien (1932–1942), hrsg. von Ingrid Schwamborn, Bielefeld 1999, S. 223–227.
Zweig (s. Anm. 6), S. 83.
Manfred Koch-Hillebrecht, Homo Hitler. Psychogramm des deutschen Diktators, München 1999.
Siehe zum Beispiel Achim Küpper, »Der Sturz ins Leere: Die Dämonie von Verlassenheit und Fremde in den Erzählungen Stefan Zweigs«, in: Stefan Zweig und das Dämonische, hrsg. von Matjaž Birk und Thomas Eicher, Würzburg 2008, S. 215–235.
Günter Eich, »Inventur«, in G. E., Gesammelte Werke in vier Bänden, Bd. I: Die Gedichte. Die Maulwürfe. – © Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 1991. Alle Rechte bei und vorbehalten durch Suhrkamp Verlag Berlin..
Zweig (s. Anm. 6), S. 199.
Brode (s. Anm. 11), S. 227.
Zweig (s. Anm. 6), S. 54.
Zweig (s. Anm. 6), S. 330.
Karl Kraus, Die Fackel XXXIII (1931) H. 864–867, S. 62.
Stefan Zweig an Friderike Zweig (18. Februar 1942), in: Zweig (s. Anm. 1), S. 350. (Aus dem Englischen übertragen.)
Eintragung vom 2. März 1942, in: Thomas Mann, Tagebücher. 1940–1943, hrsg. von Peter de Mendelssohn, Frankfurt a. M. 1982, S. 400.
Friedrich Torberg, »Zum Selbstmord von Stefan Zweig«, in: F. T., Voreingenommen wie ich bin. Von Dichtern, Denkern und Autoren, hrsg. von David Axmann und Marietta Torberg, München 1991, S. 204–205, hier S. 204.
Stefan Zweig an Klaus Mann (18. September 1933), in: Klaus Mann, Briefe und Antworten. 1922–1949, hrsg. von Martin Gregor-Dellin, München 1987, S. 136–138, hier S. 136.
Stefan Zweig an Friderike Zweig (4. Februar 1942), in: Zweig (s. Anm. 1), S. 347–348, hier S. 348. (Aus dem Englischen übertragen.)
Egbert Meissenburg, Stefan Zweig, »Schachnovelle«. Bibliographie ihrer Übersetzungen (Erstausgaben) in nicht deutsche Sprachen, Seevetal 2002.
Li Yang, Zur Konkretisierungsproblematik in der internationalen Literaturrezeption am Beispiel Stefan Zweigs in China, Wien 1987.
Max von der Grün, »Nachwort«, in: Das Stefan-Zweig-Buch, hrsg. von Knut Beck, Frankfurt a. M. 1981, S. 397.
Klaus Zelewitz, »persona non grata. Stefan Zweig in Österreich nach 1945«, in: Eine schwierige Heimkehr. Österreichische Literatur im Exil 1938–1945, hrsg. von Johann Holzner, Sigurd Paul Scheichl und Wolfgang Wiesmüller, Innsbruck 1991, S. 385–392.
Karl Schumann in der Süddeutschen Zeitung, zit. nach: Robert Fischer / Joe Hembus, Der Neue Deutsche Film 1960–1980, München 1981, S. 244.
Laurent Seksik / Guillaume Sorel, Les derniers jours de Stefan Zweig, Tournai 2012, S. 43.
Ruth Klüger, »Selbstverhängte Einzelhaft. Die Schachnovelle und ihre Vorgänger«, in: Exilerfahrungen und Konstruktionen von Identität 1933 bis 1945, hrsg. von Hans Otto Horch, Hanni Mittelmann und Karin Neuburger, Berlin/Boston 2013, S. 193–206.
Volker Klotz, Erzählen. Von Homer zu Boccaccio, von Cervantes zu Faulkner, München 2006, S. 121.
1941 schrieb Stefan Zweig seine Schachnovelle, 1942 wurde sie veröffentlicht. Die Pläne dazu reichen freilich länger zurück. In einem Brief, wahrscheinlich vom Sommer 1938, berichtet Stefan Zweig seinem Schriftstellerkollegen Joseph Roth, dass er Material zu einer »Art symbolischer Novelle«1 gesammelt und daran schon zu arbeiten begonnen habe. Wie dieses Symbol beschaffen sein soll, verrät schon der Titel Titel des Werks, auf das sich diese Briefstelle aller Wahrscheinlichkeit nach bezieht: Es geht um das Schachspiel. Im zweiten Teil des Titels versteckt sich die Gattungsbezeichnung: »Novelle«, ein Wort romanischen Ursprungs, bezeichnet eine Neuigkeit, weist auf den Umstand hin, dass von etwas Besonderem, etwas Ausgefallenem die Rede sein soll.
Schachnovelle: In seiner Zusammensetzung aus zwei Nomen haftet dem Titel etwas Beispielhaftes an. In der Tat handelt es sich nicht um eine Novelle zum Thema Schach, sondern – wie auch die internationale Wirkungsgeschichte gezeigt hat – um die Novelle, um das Schach-Kultbuch Kultbuch für die Freunde des königlichen Spiels. Und dies, obwohl das Schachspiel darin nicht nur gefeiert, die ihm innewohnende Logik nicht nur bewundert wird – vielmehr wird auch seine ›dunkle‹, dämonische Seite darin zur Sprache gebracht. Oder ist gerade diese Sichtweise, die die Ambivalenz, die Widersprüchlichkeiten des Schachspiels akzentuiert, vielleicht der eigentliche Grund für die lang anhaltende Popularität der Erzählung?
Schach, das intellektuellste aller Spiele, bewahrt in Zweigs Erzählung einen Menschen vor dem psychischen Zusammenbruch – und zerstört im weiteren Verlauf der Novelle dessen Geist. Es bewirkt Ambivalenz des Schachspiels sowohl Rettung als auch Verderben. Wie so etwas Außergewöhnliches, ja Sinnwidriges geschehen kann, wird anhand einer psychologischen Fallstudie gezeigt, in deren Mittelpunkt ein Mensch steht, der die Schrecken der Isolationsfolter erdulden muss, den ein Buch über das Schachspiel vor der geistigen Austrocknung bewahrt, von dem aber in der Folge das Spiel als fixe Idee Besitz ergreift. Diesem Menschen wird ein Charakter als Kontrahent gegenübergestellt, wie er gegensätzlicher nicht sein kann – einzig die Besessenheit, mit der jeder auf seine Weise das Schachspiel ausübt, verbindet die beiden.
Man braucht vom Schachspiel nicht unbedingt eine Ahnung zu haben, aber um sich ganz in die Schachnovelle hineindenken zu können, sollte man die Umstände der Werksentstehung Umstände kennen, unter denen sie entstanden ist – denn sie ist nicht nur eine psychologische Erzählung, sondern auch ein Spiegel ihrer Zeit. Im März 1938 war Hitlers Wehrmacht in Österreich einmarschiert und hatte somit erstmals die Grenzen eines souveränen Staates überschritten. Viele Österreicher begrüßten die Tatsache, dass ihr Land ein Teil des Deutschen Reichs wurde; für viele Österreicher bedeutete dies jedoch Bespitzelung, Verfolgung, Folter und gewaltsamen Tod. Stefan Zweig, jüdischer Herkunft, war zu diesem Zeitpunkt bereits ins Ausland übersiedelt. Für ihn war klar, dass er mit Hitlers Einmarsch seine Heimat endgültig verloren hatte. In diesem Bewusstsein verfasste er die Schachnovelle, verarbeitete darin die Erfahrungen von Verlust und Einsamkeit, von Bedrohung und Niederlage, indem er einen aussichtslosen Kampf mit einem übermächtigen Gegner schilderte.
Die Schachnovelle ist Zweigs letzte Erzählung, gleichsam sein episches Zweigs episches Vermächtnis Vermächtnis, das erst nach seinem Tod veröffentlicht wurde. Wahrscheinlich hätte es den Schriftsteller gewundert, wenn er den Erfolg der Novelle miterlebt hätte – er hielt sie für zu elitär, für zu anspruchsvoll. Diese Skepsis war unangebracht, denn im Laufe der Jahre hat das Buch eine weltumspannende Leserschaft gewonnen: die Grenzen überschreitend, wie sich der Kosmopolit und international angesehene Autor Zweig gefühlt hat, so weltumspannend aber auch wie das Schachspiel selbst.
An Deck eines Ausgangssituation Dampfers, der seine Passagiere von New York nach Südamerika bringen soll, unterhält sich der Ich-Erzähler gerade mit einem Bekannten, als der Schachweltmeister Mirko Czentovic an Bord des Schiffes geht, um eine Turnierreise anzutreten, und dabei für beträchtlichen Presserummel sorgt.
Czentovic hat eine erstaunliche Czentovics Karriere Karriere hinter sich: Als Waisenkind, das aus einfachsten Verhältnissen stammt, ist er in einem abgelegenen Balkandorf von einem Pfarrer erzogen worden, der an dem Jungen auch dessen außergewöhnliche Schachbegabung entdeckt hat. Innerhalb kürzester Zeit gelingt Czentovic der steile Aufstieg zu einer internationalen Schachgröße; bereits mit zwanzig ist er Weltmeister. Der Erfolg und das schnelle Geld haben ihn selbstgefällig und habgierig gemacht, dabei ist seine Fähigkeit völlig einseitig: Im Grunde genommen ist er ein stumpfsinniger, unkultivierter Provinzler geblieben, ungebildet, kaum fähig, sich mündlich – und schon gar nicht schriftlich – zu artikulieren.
Dieser widersprüchliche Charakter erweckt das psychologische Interesse des Erzählers, doch wird er von seinem Freund gewarnt: Czentovic meide die Gesellschaft. Und tatsächlich: In den ersten Tagen der Reise bietet sich zum Ärger des Erzählers keine Gelegenheit, mit dem Weltmeister ins Gespräch zu kommen. Um sein Der Plan des Ich-Erzählers Ziel schließlich doch zu erreichen, wirft der Erzähler einen Köder aus: Im Rauchsalon des Schiffes beginnt er mit seiner Frau Schach zu spielen und lockt damit eine Handvoll Schaulustiger an, von denen einer, ein reicher schottischer Tiefbauingenieur namens McConnor, bald sein neuer Gegner wird. McConnors Ehrgeiz verträgt keine Niederlage; immer wieder sucht er Revanche, und so reiht sich schließlich Partie an Partie.
Am dritten Tag würdigt Czentovic die beiden Amateure kurz eines Blickes. Als McConnors Herausforderung McConnor erfährt, dass sich ein Schachweltmeister an Bord befindet, ist er ganz versessen darauf, gegen ihn eine Partie auszutragen. Czentovic erklärt sich nur dazu bereit, wenn der Schotte ihm einen hohen Dollarbetrag dafür zahlt.
Tags darauf tritt der Weltmeister gegen eine Gruppe Interessierter an. Das erste Spiel gewinnt er mühelos, legt dabei aber arrogante Gleichgültigkeit an den Tag. Gegen Geld lässt er sich auf eine Revanchepartie ein. Auch dieses Spiel hat Czentovic souverän in der Hand, stellt seinen Gegnern eine verlockende Falle – bis ein Unbekannter den Amateuren plötzlich zu Hilfe kommt und durch seine überzeugende Analyse der Figurenstellung und sein energisches Eingreifen dem – nunmehr nicht mehr so gleichgültig agierenden – Schachmeister ein Eine Niederlage und ein Remis Remis abringt. Czentovic bietet eine dritte Partie an. McConnor will, dass der unbekannte Retter allein antritt, doch der lehnt verwirrt ab und zieht sich mit den Worten zurück, er habe schon seit 25 Jahren vor keinem Schachbrett mehr gesessen.
Man bittet den Erzähler, er möge versuchen, den Unbekannten umzustimmen – vielleicht habe er Erfolg, immerhin seien beide ja Österreicher. Tatsächlich zeigt sich Der Erzähler und Dr. B.Dr. B. – so der Name des Retters – sehr offen; den seltsamen Umstand, dass seine erstaunlichen Schachkenntnisse nicht Resultat spielerischer Praxis sind, erklärt er, indem er über sein Schicksal berichtet.
Dr. B. stammt aus einer traditionsreichen österreichischen Familie. Als Anwalt hatte er Kontakte zur Kirche und zu den höchsten Kreisen des Adels und arbeitete für sie als Vermögensverwalter. Das stieß auf das Interesse der Nationalsozialisten. Ein Verbindungsmann aus der Kanzlei informierte diese über die verschiedenen Geschäfte, und so wurde Dr. B. einen Tag vor Hitlers Einmarsch in Wien von der SS Verhaftung und Isolationsfolter verhaftet, konnte aber zuvor die für die Nazis interessanten Belege in Sicherheit bringen. Um wichtige Informationen aus ihm herauszupressen, sperrte man ihn im Hotel Metropole, dem Hauptquartier der Gestapo, in ein Einzelzimmer. Monatelang wurde er in absoluter Isolation gehalten, ohne Möglichkeit zum Gespräch oder zu irgendeiner geistigen Betätigung.
Schon fast bereit, nach viermonatiger Einzelhaft die geforderten Informationen preiszugeben, gelang es ihm vor einem Verhör, sich heimlich in Besitz eines Buches zu bringen. Seine Hoffnung auf anspruchsvolle literarische Genüsse wurde aber in jenem Moment zerschlagen, als er dieses auf seinem Zimmer hervorholte: Das Buch enthielt eine Das Schachbuch Sammlung von