Giuseppe Verdi
Nabucco
Mit seiner dritten Oper Nabucco gelang Verdi der erste große Bühnenerfolg, nachdem er eigentlich das Komponieren aufgeben wollte. Der »Gefangenenchor« Va, pensiero, sull’ali dorate ist wohl jedem Opernliebhaber bekannt und ist eines der ersten Beispiele dafür, daß Verdi die ausdrucksvollsten Melodien einfielen, wenn er Mitleid mit der geknechteten oder erniedrigten Kreatur hatte.
Dieses Buch enthält neben dem italienischen Textbuch und der gebräuchlichen deutschen Übersetzung einführende Kommentare von Kurt Pahlen. Er begleitet das musikalische und das äußere wie innere dramatische Geschehen der Oper mit Hinweisen zu kompositorischer Struktur und Sinnzusammenhang. Eine kurze Inhaltsangabe und ein Abriß der Entstehungsgeschichte stellen das Werk in einen Zusammenhang mit dem Gesamtschaffen des Komponisten und seiner Biographie und bieten eine umfassende, reich illustrierte Einführung.

Kurt Pahlen, geboren 1907 in Wien, Dr. phil. (Musikwissenschaft), war in Buenos Aires Generalmusikdirektor der Filarmönica Metropolitana und Direktor des Teatro Colön sowie an der Universität Montevideo Gründer und Inhaber des Lehrstuhls für Musikgeschichte. Als Gastdirigent bedeutender Konzert- und Opernorchester, Gastprofessor vor allem südamerikanischer Universitäten und Verfasser von über 50 in zahlreiche Sprachen übersetzten Büchern mit breit gefächerter Thematik, erwarb er sich einen internationalen Ruf als Pionier des Musiklebens. Sein besonderes Engagement gilt mit jährlich mehr als 200 Vorträgen der einführenden Verm ittlung des Opernrepertoires an ein breites Publikum. 1994 wurde ihm die Ehrendoktorwürde der Universität Buenos Aires verliehen.
Die Reihe Opern der Welt in der Serie Musik Atlantis · Schott gibt einen umfassenden Überblick über die Standardwerke des Spielplans.
Giuseppe Verdi
Nabucco
Textbuch (Italienisch – Deutsch)
Einführung und Kommentar
von Kurt Pahlen
unter Mitarbeit von Rosmarie König
Atlantis Musikbuch-Verlag
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;
detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Bestellnummer SDP 70
ISBN 978-3-7957-8618-2

Originalausgabe November 1982
© 2014 Schott Music GmbH & Co. KG, Mainz
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Inhalt
7     Zur Aufführung
9     Textbuch (Italienisch – Deutsch)
   mit Erläuterungen zu Musik und Handlung
126     Inhalt
   (mit Kommentaren)
139     »Mit dem Nabucco begann...«
   Zur Geschichte des Werkes
159     Temistocle Solera – der Geliebte einer Königin
164     Nabucco – eine historische Oper?
172     Gedanken zu Nabucco
181     Zeittafel zu Leben und Werk Giuseppe Verdis
Giuseppe Verdi
Stich (1842)
Zur Aufführung
TITEL
Nabucco (Nabucodonosor, Nebukadnezar)
BEZEICHNUNG
Lyrisches Drama (oder: Oper) in vier Teilen (oder: Akten)
von Temistocle Solera
(Original in italienischer Sprache)
MUSIK
Giuseppe Verdi
URAUFFÜHRUNG
9. März 1842, Teatro alla Scala, Mailand
PERSONEN
Nabucco (Nabucodonosor, Nebukadnezar),
König des chaldäischen, assyrisch-
babylonischen Reichs..........................................Bariton
Fenena,
seine Tochter.......................................................Sopran
Abigail (Abigaille),
Tochter von Sklaven, von Nabucco vor
Fenenas Geburt im Palast aufgenommen,
von vielen für eine Tochter Nabuccos
gehalten................................................................dramatischer
Sopran
Ismael (Ismaele),
Neffe des Königs Sedecia von Jerusalem,
nach anderer Version selbst König.....................Tenor
Zacharias (Zaccaria),
Hohepriester der Juden.......................................Baß
Der Oberpriester
des Baal-Kults in Babylon..................................Baß
Abdallo,
alter getreuer Gefolgsmann Nabuccos...............Tenor
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ZUR AUFFÜHRUNG
Rahel,
Schwester des Zacharias (im italienischen
Text Anna).............................................................Sopran
Hebräische und babylonische Soldaten, Tempelbeauftragte in Jerusalem (Leviten), jüdisches und babylonisches Volk, Höflinge, Magier, Würdenträger am babylonischen Hof: gemischte Chöre
ORT
Der erste Teil (Akt) in Jerusalem, die übrigen Teile in Babylon
ZEIT
in biblischer Vergangenheit, im Jahre 587 v. Chr.
und den darauffolgenden Jahren
SINFONISCHES ORCHESTER
2 Flöten (II. auch Piccolo), 2 Oboen (II. auch Englisch Horn), 2 Klarinetten, 2 Fagotte; 4 Hörner, 2 Trompeten, 3 Posaunen, Baßtuba; Schlagzeug (2 Pauken, Große und Kleine Trommel, Becken, Triangel), 2 Harfen; Violine I und II, Viola, Violoncello, Kontrabaß
BÜHNENMUSIK
2 Klarinetten, 3 Hörner, 3 Trompeten, 3 Posaunen, 2 Baßtuben, verschiedene Trommeln, Glockenspiel, evtl. Bässe
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Textbuch (Italienisch – Deutsch)
mit Erläuterungen zu
Musik und Handlung
MUSIKALISCHE ERLÄUTERUNGEN
Die Ouvertüre beginnt wie Hunderte von anderen ihrer Zeit und der (italienischen) Umwelt, der sie entstammt: mit einer feierlichen Bläsereinleitung von vier Phrasen (8 Takten) :
Dann bricht das volle Orchester in einen gewaltigen Aufschrei aus: Die wilden Leidenschaften, die das Drama kennzeichnen, werden angekündigt. Sie reißen unvermittelt ab, und die letzten vier Takte des Themas Nr. 1 erklingen nochmals, still und hoheitsvoll. Doch jetzt mischt sich ein dunkler Kontrapunkt ins Spiel, in schleichender Chromatik steigt eine Fagottmelodie langsam aufwärts und deutet schon Abigails unheilvolle Intrigen
an:
(Fortsetzung des Notenbeispiels S. 12)
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SINFONIA
SINFONIA / OUVERTÜRE
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OUVERTÜRE
MUSIKALISCHE ERLÄUTERUNGEN
Auch dies bleibt nur Episode, ein neuer Teil beginnt und wird weiter ausgebreitet. Er entwickelt sich, als wenn feindliche Heere aus der Ferne heranstürmten, unerbittlich, drohend, in
ehernem, Rhythmus:
Das Allegro wird abermals vom ruhigen Andante des Beginns unterbrochen, das die letzten vier Takte des Themas Nr. 1 (in anderer Tonart) wiederholt, ohne abzuschließen. Was folgt, ist überraschend: Verdi nimmt nun das berühmte Chor-Thema
voraus,
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SINFONIA / OUVERTÜRE
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MUSIKALISCHE ERLÄUTERUNGEN
läßt es rein orchestral ertönen, aber verleiht ihm eine ganz
andere rhythmische Gliederung:
Es klingt wie Variationen über das so ungeheuer volkstümlich gewordene »Va pensiero...«. Sehnsucht wechselt mit Verzweiflungsausbrüchen, Verdi setzt Pianissimo-Stellen hart
neben Fortissimo-Ausbrüche.
Bei den »großen« italienischen Ouvertüren des 19. Jahrhunderts ist stets Vorsicht am Platze, wenn man an ihre Deutung gehen will: Viele sind nichts anderes als Potpourris der hervorstechendsten Melodien des Werks, das den Hörer erwartet; ein solcher Vorgeschmack erfreute sich beim Publikum begreiflicherweise großer Beliebtheit und steigerte die Erwartung auf das Folgende beträchtlich. Dabei behalten die einzelnen zitierten Melodien natürlich ihre »Stimmung« ; der kundige Hörer identifiziert sie mit den Szenen, denen sie in der
Oper zugrunde liegen.
Es gibt auch den völlig entgegengesetzten Typus der sinfonia oder Ouvertüre: sie kann ein Musikstück sein, das keinerlei thematische Beziehung zur folgenden Oper enthält, vielleicht eine Art stimmungsmäßiger Einführung darstellt oder aber – wie mehrfach bei Rossini – durch reinen Zufall vom Komponisten zu dieser Aufgabe erwählt wurde. Das Vorspiel zu »Nabucco« gehört zum ersten Typus: Eine Vorschau auf mehrere der Hauptmelodien wird geboten. Nach der wichtigen (und ausgedehnten) Episode des Gefangenenchors folgt noch einmal
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SINFONIA / OUVERTÜRE
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MUSIKALISCHE ERLÄUTERUNGEN
der vorangegangene Allegro-Teil, der aber dieses Mal auf einen
strahlenden Höhepunkt geführt wird:
Ein äußerst schwungvolles Marschtempo ist nun erreicht, das bis zum Ende nicht mehr nachlassen wird und immer neue
melodische Bildungen begünstigt, darunter diese:
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SINFONIA / OUVERTÜRE
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MUSIKALISCHE ERLÄUTERUNGEN
Nach echt italienischer Manier beschleunigt sich das Tempo gegen den Schluß in mitreißender Weise: es ist die Stretta, wie der Fachausdruck lautet; er hat mit der Idee der Verengung, Zusammendrängung und so veranlaßten Drucksteigerung zu tun, woraus schließlich eine Beschleunigung wird. So rast die sinfonia des »Nabucco« ihrem Ende entgegen, in durchaus traditionellem, aber sehr wirkungsvollem Geleise. Verdi steckt zwar voller musikalischer, vor allem melodischer Einfälle, aber um zu eigenen Formen, zu Neuerungen in der Oper vorzustoßen, ist er noch zu jung, zu unerfahren. Er kann noch nicht viel mehr tun, als sich mit starken Einfällen auf der Bahn seiner Vorgänger, vor allem Donizettis, zu bewegen. Doch das eigenständige Genie wird sich an mehr als einer Stelle des
Werkes ankündigen.
Beim Aufgehen des Vorhangs sind Priester und Volk der Juden eng zusammengedrängt im Großen Tempel von Jerusalem versammelt; hier erwarten sie eine kaum noch denkbare, wundervolle Errettung ihrer Hauptstadt Jerusalem vor dem siegreichen Vordringen ihrer babylonischen Todfeinde unter deren mächtigem König Nabucodonosor (Nabucco), zu deutsch Nebukadnezar. Klagegesänge erfüllen den weiten Raum: siebenstimmige Chöre (die trotz ihrer äußerlichen Polyphonie wuchtig, geballt, rein harmonisch wirken) drücken die Angst aus.
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1. TEIL / INTRODUKTION
 PARTE PRIMA
Gerusalemme
Interno del Tempio di Salomone
Introduzione
Coro (Ebrei, Leviti e Vergini
Ebree):
Gli arredi festivi giù cadano
infranti,
Il popol di Giuda di lutto
s’ammanti!
Ministro dell’ira del Nume
sdegnato
Il rege d’Assiria su noi già
piombò!
Di barbare schiere l’atroce
ululato
Nel santo delùbro del Nume
tuonò!
 ERSTER TEIL
Jerusalem
Das Innere des Salomonischen
Tempels
Introduktion
Chor (Hebräer, Leviten und
hebräische Jungfrauen):
Verhüllt euch in Trauer,
Hebräer, Leviten,
Vorbei sind die Feste der
Israeliten!
Die zürnende Gottheit kein
Bitten versöhnte,
Durch Nebukadnezar entstand
unser Leid!
Barbarischer Horden Geschrei
wüst ertönte.
Der heilige Tempel erscheint
uns entweiht!
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MUSIKALISCHE ERLÄUTERUNGEN
Eindringlich mahnen die Leviten (jener Stamm der Juden, die als Priester und deren Helfer im Tempel als besonders religiöse
Eiferer gelten):

Der Chor der Mädchen und Frauen antwortet, wie beinahe immer bei Verdi dreistimmig geführt (Sopran, Mezzosopran,
Alt).
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1. TEIL / INTRODUKTION
Leviti:
I candidi veli, fanciulle,
squarciate,
Le supplici braccia gridando
levate;
D’un labbro innocente la viva
preghiera
È grato profumo che sale al
Signor.
Pregate, fanciulle!... Per voi
della fiera
Nemica falange sia nullo il
furor!
(tutti si prostrano a terra)
Vergini:
Gran Nume, che voli sull’ale
dei venti,
Che il folgor sprigionei dai
nembi frementi,
Disperdi, distruggi d’Assiria le
schiere,
Di David la figlia ritorna al
gioir!
Peccammo!... Ma in cielo le
nostre preghiere
Ottengan pietade, perdono al
fallir!...
Leviten:
Zerreißt eure Schleier, ihr
Mädchen, in Wehmut.
Erhebt eure Hände zum
Himmel in Demut.
Laßt steigen Gebete von
kindlichen Lippen
Zum ewigen Gott, der hoch
über euch thront.
Drum betet, o Mädchen! Vom
schrecklichen Toben
Der feindlichen Scharen bleibt
ihr dann verschont.
(Alle werfen sich auf die Erde)
Jungfrauen:
Allmächtiger Vater in himmli-
schen Höhen,
Ach, laß deine Kinder
vergebens nicht flehen.
Zerstöre, vernichte die
feindlichen Scharen
Und gib Davids Töchtern den
Frieden zurück!
Errette uns gnädig aus allen
Gefahren,
O schenk uns, Allgütiger,
Freude und Glück!
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MUSIKALISCHE ERLÄUTERUNGEN
Dann schwillt der Gesang mit den Männerstimmen erneut auf gewaltige Höhepunkte an. Hier wird schon fühlbar, daß Verdi in seinem Wesen dem Chor um nichts weniger nahestehen wird als dem Orchester. Im übrigen folgt er aber hier durchaus dem Schema der italienischen Oper jener Zeit, die – besonders bei ernsten Werken – nahezu immer mit einem Chor eröffnet wird.
Aus der Klangfülle der versammelten Menge löst sich – auch dies eine Grundregel der »romantischen« Oper im allgemeinen und der italienischen im besonderen – eine machtvolle Einzelstimme im eindrucksvollen Kontrast: der Hohepriester Zacharias. Er weist auf Fenena, die Tochter Nabuccos, die aus Liebe zum Hebräer Ismael ihr Land verließ und nun in Jerusalem lebt: hat hier nicht Gott ein Zeichen gesetzt, kann Fenena als Geisel nicht die Wut und den Zerstörungswillen ihres Vaters in Milde verwandeln? Das Rezitativ des Zacharias im Widerspiel mit dem Chor geht in die große Kavatine (Arie) des Hohepriesters über, einem Gesangsstück von majestätischer
Größe:


    (Notenbeispiel S. 24 )
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1. TEIL / REZITATIV UND KAVATINE
Tutti:
Deh! l’empio non gridi, con
baldo blasfèma,
Il Dio d’Israello si cela per
tema?
Non far che i tuoi figli
divengano preda
D’un folle che sprezza l’eterno
poter!
Non far che sul trono davidico
sieda
Fra gl’idoli stolti l’assiro
stranier!
(si alzano)
Recitativo e Cavatina
(Zaccaria tenendo per mano
Fenena, Anna e detti.)
Zaccaria:
Sperate, o figli! Iddio
Del suo poter die’ segno;
Ei trasse in poter mio
Un prezioso pegno;
Del re nemico proie,
(additando Fenena)
Pace apportar ci può.
Coro:
Di lieto giorno un sole
Forse per noi spuntò!
Alle:
Der Ruchlose möge nicht
lästern und höhnen:
Warum hilft Gott Jehova denn
nicht seinen Söhnen?
Allmächtiger Vater in
himmlischen Höhen,
Reich uns deine gütige und
rettende Hand!
Den Feinden, die feige sich
brüstend uns schmähen,
Verwehre den Thron König
Davids im heiligen Land!
(Sie stehen auf)
Rezitativ und Kavatine
(Zacharias hält Fenena an der
Hand, Rahel und die übrigen)
Zacharias:
Habt Mut, Kinder Judas!
Gott zeigt sich gnädig unserm
Lande,
Er gab des Gegners Tochter
uns zum Unterpfande.
Den Frieden möge bringen
(auf Fenena weisend)
Nebukadnezars Kind.
Chor:
Schenk, Herr, dem Plan
Gelingen, eh’ wir vernichtet
sind!
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MUSIKALISCHE ERLÄUTERUNGEN

Nach dem Ende der Arienmelodie verlängert Verdi die eindrucksvolle Szene durch einen mächtigen Zwiegesang des Priesters mit dem Volk, wobei das thematische Material noch weiter gesteigert wird: Verdi »kann« schon alles, was um 1840 Oper bedeutet, er weiß Szenen zu bauen, die an Wucht und Größe die besten seiner Vorgänger und Zeitgenossen erreichen.

Wesentlich konventioneller geht es beim ersten Auftritt Ismaels zu, wie diese Rolle (Neffe eines »Königs von Jerusalem« oder, in einigen Versionen, selbst »König«) überhaupt nicht zu Verdis besten Tenor-Rollen gehört, trotz der hohen Ansprüche, die sie stimmlich stellt. Im Verlauf der Oper wird klar werden, daß
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1. TEIL / REZITATIV UND KAVATINE
Zaccaria:
Freno al timor! v’affidi
D’Iddio l’eterna aita.
D’Egittolà sui lidi
Egli a Mosè die’vita;
Di Gedeone i cento
Invitti ei rese un dì...
Chi nell’estremo evento
Fidando in Lui perì?
Coro:
Di lieto giorno un sole
Forse per noi spuntò!
Zaccaria:
Freno al timor! v’affidi
D’Iddio l’eterna aita.
Coro:
Qual rumore!
Ismaele:
Furibondo
Dell’Assiria il re s’avanza;
Par ch’ei sfidi intero il mondo
Nella fiera sua baldanza!
Zacharias:
Habt keine Furcht, vertraut auf
Gott,
Denn seine Hilfe ist euch nah’!
In schweren Leidenstagen
Sandte er Moses als Retter.
Siegreich die Feinde schlagen
Half er Gideons kleiner Schar.
Niemals wird Leid euch
geschehen,
Baut ihr auf den Herrn in Not
und Gefahr.
Chor:
Glückliche Friedenstage
werden wir Wiedersehen!
Zacharias:
Habt keine Furcht!
Vertraut dem Ew’gen und
seiner Güte.
Chor:
Welch ein Lärmen?
Ismael:
Ach, es nahet wutentbrannt
Assyriens König Judas Toren!
Rache heischend, Unheil
kündend dringt der Lärm zu
unsem Ohren.
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MUSIKALISCHE ERLÄUTERUNGEN
Verdis ganze Anteilnahme Nabucco, Abigail, auch Zacharias gehört, wie vor allem dem in Gefangenschaft schmachtenden Volk. Teilweise auch noch Fenena, obwohl auch deren Rolle, stimmlich keineswegs einfach, sehr passiv und ziemlich blaß
bleibt.
Den Charakter starker Dramatik erhält die Szene erst wieder beim Eingreifen des Zacharias, der sich noch einmal zu einem
wuchtigen Appell an die Juden aufrafft:



(Fortsetzung des Notenbeispiels S. 28)
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1. TEIL / REZITATIV UND KAVATINE
Coro:
Pria la vita...
Zaccaria:
Forse fine
Porrà il cielo all’empio ardire:
Di Sion sulle rovine
Lo stranier non poserà
Questa prima fra le Assire
A te fido!
(consegnando Fenena ad
Ismaele)
Coro:
Oh Dio, pietà!
Zaccaria:
Come notte a sol fulgente,
Come polve in preda al vento,
Sparirai nel gran cimento,
Dio di Belo menzogner.
Tu d’Abramo Iddio possente,
A pugnar con noi discendi,
Chor:
Hilfe! Rettung!
Zacharias:
Retten wird uns aus Not
und Leiden des Herren Güte!
Niemals dulden Zions Helden
jenes Fremdlings frechen
Spott!
Dieses Mädchen sorgsam hüte,
dir vertrau ich’s.
(Übergibt Fenena Ismael)
Chor:
Erbarmen, o Gott!
Zacharias:
Sei uns gnädig, Gott der Väter,
Hilf vertreiben uns den
Verräter,
Der dich höhnet mit frecher
Stirne
Und verehrt Baal, den
Lügengott.
Wie dereinst am Roten Meere
Du vernichtestest Ägyptens
Heere,
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MUSIKALISCHE ERLÄUTERUNGEN

(Daß die – mehrmals vorkommenden – Kopfnoten dieses Motivs mit jenen des Gefangenenchors übereinstimmen, läßt aufhorchen; ob es Zufall ist, kann unmöglich festgestellt werden). Der Schluß dieser Szene ist von äußerster dramatischer Wucht; die chorgestützte, möglichst voluminöse und wohlklingende Baßstimme muß hier das ganze Schreckensbild eines vor der Invasion des Feindes bebenden Volkes bieten, aber auch das nie versiegende Gottvertrauen einer fest von ihrer Sendung überzeugten kleinen Gruppe inmitten einer feindlichen
Umwelt.
Auf die dramatischen Akzente folgen, gemäß altem Opernbrauch, lyrische Momente: hier die (kurze) Liebesszene zwischen Ismael und Fenena. Sie beginnt mit einer Kantilene des Tenors, die sich dann aber nicht zur (eigentlich erwarteten) Arie
ausweitet:


(Notenbeispiel S. 30)
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1. TEIL / REZITATIV UND TERZETT
Zaccaria e Coro:
Ne’ tuoi servi un soffio accendi
Che dia morte allo stranier.
Coro:
Come notte a sol fulgente,
come polve...
Recitativo e Terzettino
Ismaele:
Fenena!!... O mia diletta!
Fenena:
Nel dì della vendetta
Chi mai d’amor parlò?
Zacharias und Chor.
Hilf uns heute erfolgreich
streiten,
Ja, bestrafe der Feinde Spott!
Chor:
Sei uns gnädig, Gott der Väter
hilf vertreiben...
Rezitativ und Terzett
Ismael:
Fenena! O Heißgeliebte!
Fenena:
An diesem Tag der Rache
sprichst du zu mir von Liebe!
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MUSIKALISCHE ERLÄUTERUNGEN
(Wahrscheinlich drängt das Drama – der Text – zu sehr, um hier eine Arie anzubringen. Für den Hörer muß die Vorgeschichte geklärt werden, und dies kann nur in gedrängtem Rezitativ erfolgen.) Doch ist dieses Rezitativ – besonders von der Seite Ismaels – durchaus melodisch und ausdrucksvoll, ja es führt
sogar auf Spitzentöne.
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