Mit den stärksten Frauen der Weltgeschichte durch alle Lebenslagen
Machen wir uns nichts vor: Das Leben ist voller Herausforderungen, jeden Tag und überall – was richtig und falsch ist, ist schwer zu entscheiden. Höchste Zeit, sich an die größten Powerfrauen aller Zeiten zu wenden und zu fragen: Was würdet ihr uns raten? Denn in den vergangenen Jahrhunderten gab es unfassbar tolle Ladys, mutig, selbstbewusst und eigenwillig, die Unglaubliches bewegt haben!
Egal ob Liebeskummer, Karriere, Geld, Freundschaft oder Mobbing: Am Beispiel von Coco Chanel, Rosa Parks, Katharina von Bora, Sappho, Dorothy Parker, Erika Mann und vielen anderen zeigen Elizabeth Foley und Beth Coates, was wir in jeder Lebenssituation von unseren berühmten Schwestern lernen und wie wir ihre Erfahrungen als moderne Inspiration fürs eigene Leben nutzen können.
Elizabeth Foley & Beth Coates
Was würde
Frida tun?
55 Life Lessons
von den coolsten Frauen der Weltgeschichte
Aus dem Englischen von Katy Albrecht
Mit Illustrationen von Bijou Karman
Die Originalausgabe erschien 2018 unter dem Titel What Would Bouddica Do? Everyday Problems Solved by History’s Most Remarkable Women bei Faber & Faber Limited, Bloomsbury House.
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Die vorliegende Ausgabe wurde um die Frauen Erika Mann, Katharina von Bora, Annemarie Schwarzenbach, Margarete Steiff und Bertha von Suttner erweitert.
Deutsche Erstausgabe 09/2019
All rights reserved
© by Elizabeth Foley und Beth Coates, 2018,
Illustrationen © Bijou Karman, 2018
The right of Elizabeth Foley and Beth Coates to be identified
as authors of this work has been asserted
in accordance with Section 77 of the Copyright,
Designs and Patents Act 1988
© der deutschsprachigen Ausgabe 2019
by Ludwig Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH,
Neumarkter Straße 28, 81673 München
Verwendung der Gedichtszeilen von Akiko Yosano
mit freundlicher Genehmigung des Übersetzers Dr. Ulrich Pauly.
Verwendung der Gedichtszeilen von Emily Dickinson
mit freundlicher Genehmigung des Carl Hanser Verlags.
Emily Dickinson: Sämtliche Gedichte. Hrsg. und übersetzt
von Gunhild Kübler, Carl Hanser Verlag 2015.
Redaktion: Christina Seitz
Umschlaggestaltung: Martina Eisele Grafik-Design, München,
unter Verwendung eines Umschlagmotivs von Bijou Karman
Satz: Leingärtner, Nabburg
e-ISBN: 978-3-641-23787-5
V001
www.Ludwig-Verlag.de
Für Jeanie, Leo, Barney, Lola, Iris und Joseph
Inhalt
Vorwort
Frida Kahlo und der unverwechselbare eigene Stil
Boudicca und die Kunst, den eigenen Standpunkt zu verteidigen
Mary Wollstonecraft und was es bedeutet, Feministin zu sein
Mae West und das Ja zu unserem Körper
Rosa Parks und wie wir uns gegen Tyrannei auflehnen
Erika Mann und warum lebendige Netzwerke so wichtig sind
Mina Wylie und Fanny Durack oder was Freundinnen gemeinsam erreichen können
Akiko Yosano und die Liebe zum eigenen Busen
Chevalier d’Éon und die Kunst, bei Genderrollen ein Auge zuzudrücken
Gráinne Ní Mháille und eine gute Work-Life-Balance
Hypatia und die Gabe, eine glückliche Streberin zu sein
Megan Lloyd George und wie wir aus dem elterlichen Schatten treten
Fe del Mundo und wie Schwestern sich gegenseitig beflügeln
Sappho und die Fähigkeit, sich selbst zu bestätigen
Emmeline Pankhurst und ein leidenschaftlich verfolgtes Ziel
Ada Lovelace und wie man aus einer schwierigen Kindheit das Beste macht
Katharina von Bora und der Weg zur Unternehmerin
Mekatilili wa Menza und lasst uns tanzen
Wang Zhenyi und den Science Slam rocken
Emily Dickinson und entspannter leben ohne FOMO
Phoolan Devi und das Gegenteil von »ladylike«
Kleopatra und die Macht der emotionalen Intelligenz
Dorothy Parker und die hohe Kunst der literarischen Rache
Fanny Cochrane Smith und der ungewöhnliche Klang unserer Stimme
Mary Stopes und warum wir (nicht unbedingt) Kinder haben müssen
Betty Ford und wissen, wann es genug ist
Isabella Beeton und wie wir das Hochstaplersyndrom ignorieren
George Eliot und die wahre Schönheit
Annemarie Schwarzenbach und das unangepasste Leben
Odette Sansom und wie wir auf peinlichen Situationen eine Karriere aufbauen
Sophia Duleep Singh und das Verlassen der Komfortzone
Althea Gibson und wie wichtig MentorInnen sein können
Elizabeth I. und wie wir mitreißend vor Publikum reden
Agatha Christie und die Fähigkeit, trotz Liebeskummer Erfolge zu feiern
Grace Hopper und wie wir mit Fehlern klarkommen
Sheila Michaels und die passende Anrede
Soraya Tarzi und die Bedeutung partnerschaftlicher Gleichberechtigung
Katharina die Große und das Talent, Intrigen zum eigenen Vorteil zu nutzen
Hedy Lamarr und das Wissen, was wir selbst wert sind
Eleanor von Aquitanien und wie wir mit untreuen Männern umgehen
Margarete Steiff und die Gründung einer Marke
Coco Chanel und das unbezahlbare Glück, im Job glamourös gut zu sein
Nell Gwyn und die Schamlosigkeit
Rosalind Franklin und auch wir dürfen mal schwierig sein
Kaiserinwitwe Cixi und wie wir bereits Erreichtes verteidigen
Caroline Haslett und das Ende der mühseligen Hausarbeit
Amelia Earhart und die Kraft unseres eigenen Namens
Sacagawea und weibliches Stehvermögen
Clara Schumann und die Kunst, das eigene Geld zusammenzuhalten
Bertha von Suttner und wie es ist, erst spät die eigene Berufung zu finden
Masako Katsura und wie man sich in einer Männerdomäne durchsetzt
Enheduanna und kreativer Funkenflug
Josephine Baker und wie es ist, alles zu haben
Königin Victoria und die Gabe, über Verluste hinwegzukommen
Mary Seacole und wie man beim Älterwerden die Freude am Risiko entdeckt
Nachwort
Literaturverzeichnis
Danksagung
Vorwort
Mal angenommen, wir könnten uns aus der Weltgeschichte eine Zeit aussuchen, in der wir gerne leben würden: Wäre es die geheimnisvolle Kultur der alten Ägypter? Die schöpferisch-revolutionäre Renaissance im sechzehnten Jahrhundert? Oder doch lieber die glamourösen Sechziger, wie wir sie aus Mad Men kennen? Bei genauerer Betrachtung wäre der Haken an der Sache vermutlich schnell zu entdecken: Um in irgendeiner anderen als der heutigen Zeit gut leben zu wollen, müssten wir schon viel ziemlich viel Geld haben und vor allem aber eines sein: männlich. Für die meisten Frauen sah es nämlich vor dem zwanzigsten Jahrhundert ziemlich übel aus – sie durften nicht mal die einfachsten Sachen tun: Wählen? Fehlanzeige. Etwas Anspruchsvolleres lernen? Kaum eine Chance. Über das eigene Liebesleben entscheiden? Nicht vorstellbar!
Ist heute aber wirklich alles besser? Dieses Buch ist entstanden, weil wir offensichtlich einer gehörigen Fehleinschätzung aufgesessen sind. Wir tummelten uns fröhlich in unserer kleinen emanzipatorischen Erfolgsblase, im Glauben, dass es für uns Ladys aktuell eigentlich voll gut läuft und wir den Sieg des Feminismus feiern können. Doch dann regneten plötzlich ein paar Nachrichten auf uns herunter, die uns die schöne Party gründlich vermiesten. Seit Harvey Weinstein und Pussygate wurde auf einmal deutlich, dass das Thema Frauenfeindlichkeit längst noch nicht vom Tisch ist – und das war vermutlich nur die Spitze des Eisbergs. Um die Hoffnung nicht aufzugeben, haben wir uns deshalb darangemacht, wieder in vergangenen Jahrhunderten nach Bestätigung und Inspiration zu suchen: nach der Bestätigung dafür, dass unsere Welt doch jeden Tag ein bisschen frauenfreundlicher wird, und nach der Inspiration von großartigen Frauen, die schon damals ihre Ketten gesprengt haben. Zum Glück haben wir beides gefunden.
Das Ergebnis unserer Nachforschungen ist dieser kleine Tourguide quer durch die Weltgeschichte zu unseren heldenhaften Schwestern, die selbst in viel härteren Zeiten ihre Ziele nicht aus den Augen verloren und sich ein selbstbestimmtes Leben erkämpft haben. Und wenn Frauen in Zeiten unverhohlener, sexistischer Unterdrückung Wege gefunden haben, um zu brillieren und erfolgreich zu werden, dann können wir das heute auch schaffen! Wir haben uns zusammengesetzt und uns über einige Frauen unterhalten, die Geschichte gemacht haben – und das, obwohl Geschichtsschreibung früher die Domäne reicher Säcke war. Diese mächtigen Ladys wie Königin Elizabeth I. und Kleopatra haben uns dann zu anderen, weniger bekannten erfolgreichen Frauen früherer Zeiten geführt wie zum Beispiel Annemarie Schwarzenbach, Wang Zhenyi und Sophia Duleep Singh.
Wir mussten feststellen, dass es verwegene Frauen damals sehr viel schwerer hatten und sie oft auch sehr jung verstorben sind, aber es lässt sich ja nicht leugnen, dass es heute neue und ganz andere Herausforderungen gibt, die wir meistern müssen. Das Leben kann für Mädchen auch heute ganz schön kompliziert sein: Wir paddeln durch die Haifischbecken der sozialen Netzwerke, basteln unermüdlich an unserer Work-Life-Balance und werden immer wieder dazu animiert, uns allzu kritisch im Spiegel zu betrachten, damit wir neue Sportklamotten kaufen. Währenddessen müssen wir noch im Schatten jahrhundertelanger patriarchalischer Unterdrückung leben, mit der ganzen Palette männlichen Herumdominierens, Besserwissens und Sich-Breitmachens (im Sitzen, beim Nicht-ausreden-Lassen, in der Ausdrucksweise und Schlimmerem), auch »mansplaining« genannt. Der feministische Kampf ist ganz bestimmt noch nicht gewonnen, aber im Gegensatz zu vielen Frauen in diesem Buch leben wir in einer Welt, in der es wenigstens dieses Wort gibt.
Wenn es mal ein bisschen schwieriger und düsterer wird, brauchen wir alle Vorbilder, an denen wir uns orientieren können. Unsere Freundinnen, Mütter, Schwestern und Kolleginnen können uns zeigen, wie wir unsere Probleme lösen – und einige von uns haben sich wahrscheinlich auch schon mal gefragt, was Beyoncé an unserer Stelle denn gemacht hätte. Queen Bey ist aber nicht die Einzige, die uns in Alltag und Berufsleben als inspirierendes Beispiel dienen kann. Wir können die angesehensten Frauen der Geschichte, unsere Schwestern, um Rat fragen. Diese Frauen waren in Naturwissenschaften, Politik und den Künsten richtungsweisend, sie haben grandiose Dinge erfunden, ihrer Kreativität freien Lauf gelassen und überhaupt eine Menge in ihrem Leben erreicht.
Welche Weisheit könnten Kleopatra, Enheduanna oder Sappho aus den entlegensten Sphären der Menschheitsgeschichte aber für uns heute bereithalten? Sie haben in Zeiten gelebt, wo es noch nicht mal richtige Unterwäsche gab und – ernsthaft – das Vieh in der Hackordnung noch ein Stückchen weiter oben stand als jede Frau. Keine von ihnen wüsste auch nur irgendetwas mit einem Smartphone anzufangen! Uns ist aber bei der Beschäftigung mit ihren Lebensläufen klar geworden, dass sie ihren Weg unter Bedingungen gegangen sind, die den heutigen gar nicht so unähnlich sind. Geschichte wiederholt sich, und wir haben festgestellt, dass sich Frauen auch in diesen komplett anderen Umständen in ihrer Arbeit verwirklichen wollten und sie ständig unterschätzt wurden, während sie mit völlig unrealistischen Körperidealen klarkommen mussten, mit Hausarbeit überlastet waren, drangsaliert wurden und sich mit Beziehungsstreitereien herumschlagen mussten. Die Liste könnte noch endlos fortgeführt werden. Ganz egal, ob im alten Ägypten oder im russischen Zarenreich, bei den ersten Siedlern in Amerika oder im besetzten Paris, es ist trotzdem seltsam tröstlich, dass alle diese einzigartigen Frauen doch gewisse Erfahrungen gemeinsam hatten.
Faszinierenderweise kamen in ihren Lebensgeschichten immer wieder dieselben Themen auf: Als Kinder wurden sie oft von ihren Eltern »wie Jungs« erzogen (lernten also mehr als Sticken), mussten aber oft ihre Schullaufbahn unterbrechen, um sich um die Familie zu kümmern. Etliche feierten ihre Erfolge unter anderem Namen als dem, den sie bei der Geburt zugewiesen bekommen hatten; viele lebten ihre Sexualität sehr unkonventionell für ihre Zeit, und die meisten waren ziemliche Streberinnen – insofern, als sie hart gearbeitet haben und mit viel Hass und Neid leben mussten, um dahin zu kommen, wo sie hinwollten. Heute ist zwar alles #inspiring, aber je mehr wir über diese Damen geredet haben, umso mehr fühlten wir uns durch ihre Botschaften angeregt und ermutigt.
Wir haben uns in Frauen wie die Wissenschaftlerin und Glücksspielerin Ada Lovelace regelrecht verliebt: Sie wuchs zwar in einer zerrütteten Familie auf, das hinderte sie aber nicht daran, schließlich zur Vorreiterin der modernen Datenverarbeitung zu werden. Wann immer wir in unseren Jobs Präsentationen halten mussten, dachten wir an Elizabeth I. und ihre grandiose Fähigkeit, mitreißende öffentliche Reden zu halten. Wir ließen uns von der wunderbaren Frida Kahlo sagen, wie wichtig es ist, unseren eigenen Stil zu finden, und dass das mit Oberflächlichkeit nichts zu tun hat. Wir haben uns angeschaut, wie all diese Frauen mit Rechthaberei, Scheitern, Katastrophenbeziehungen, Frauenfreundschaften, Trauer, dem Hochstaplersyndrom, Schummeln, der Frage, ob Kinder oder eben nicht, und politischem Engagement umgegangen sind. Und mit den wirklich wichtigen Dingen wie FOMO, der zwanghaften Angst, ständig etwas zu verpassen, und der zentralen Frage, wie diese Frauen ihre Brüste fanden. Ja, wir wurden inspiriert! Und wir haben so viel gelernt. Wussten Sie, dass Frida Kahlo beinahe bei einem Busunfall ums Leben gekommen wäre, sie deshalb ihre Pläne, Ärztin zu werden, aufgeben musste und stattdessen Malerin wurde? Dass Odette Sansom, die französische Hausfrau, die für ihren heldenhaften Einsatz in der nachrichtendienstlichen Spezialeinheit SOE das Georgskreuz erhielt, nur deswegen zur Spionin wurde, weil sie einen Brief an die falsche Adresse geschickt hatte? Oder dass die göttliche Kochbuch-Pionierin Mrs. Beeton eigentlich eine miserable Köchin war, die zu Anfang ihrer Karriere viele ihrer legendären Rezepte einfach von ihren Leserinnen abgekupfert hat?
Keine der Frauen, die in diesem Buch beschrieben werden, war fehlerlos, aber jede einzelne von ihnen war schlichtweg großartig. Wir können auch nicht behaupten, dass sie alle ein perfektes Leben geführt hätten, aber allesamt waren sie in ihrer Kompromisslosigkeit absolut der Hammer.
Und jetzt geht sie los, unsere Tour zu den Superfrauen der Weltgeschichte, die unzählige Stereotype über den Haufen geworfen haben. Ihre außergewöhnlichen Geschichten werden uns zeigen, wie wir auch in der heutigen Zeit alle Herausforderungen, die das Leben an uns stellt, bewältigen können.
Frida Kahlo (1907–1954)
Frida Kahlo
und der unverwechselbare eigene Stil
Die gefeierte Künstlerin und Fashionikone Frida Kahlo hatte mehr als das übliche Quäntchen Pech in ihrem Leben. Sie wurde in der Nähe von Mexiko City geboren und erkrankte mit sechs Jahren an Kinderlähmung, weswegen sie seither hinkte. Als Teenager überlebte sie nur knapp einen schrecklichen Busunfall, bei dem sie einen Becken- und Wirbelbruch erlitt, als sich ein Metallgeländer in ihren Unterleib bohrte. Ihr Leben lang musste sie immer wieder strapaziöse Operationen über sich ergehen lassen. Dennoch verwandelte sie ihr Unglück und ihren Schmerz zu gewaltigen Kunstwerken, die noch heute ihre Wirkung entfalten und uns tief berühren.
Frida hatte das Glück, einen Vater zu haben, der sie respektierte und dazu brachte, über den Tellerrand typisch weiblicher Tugenden hinauszuschauen. Er setzte sich für ihre Bildung ein und ermunterte sie sogar, Ringen zu trainieren, um ihre körperliche Genesung zu unterstützen. Als sie ans Bett gefesselt war, begann sie zu malen und fing an, die auffallend bunte Farbpalette ihrer Kunstwerke auch auf ihre Kleidung zu übertragen. Ihr trendbewusster Kleidungsstil hob sie ab von den nüchternen und eleganten Silhouetten, die in den 1930er-Jahren in Europa und Amerika modern waren. Stattdessen liebte sie die traditionellen mexikanischen bestickten Blusen, Korsetts, dazu weite, gerüschte Röcke in vielen knalligen Farben. Sie legte Wert darauf, Kleidung zu tragen, wie sie in der matriarchalischen Gesellschaft in Tehuantepec im Süden Mexikos üblich war, wo Frauen wirtschaftliche Macht hatten und sich nichts sagen ließen. Die weiten Röcke, die Frida für sich entwarf, bedeckten ihre verletzten Beine, und die Korsetts ersetzten die Gipsverbände, die sie nach den Operationen tragen musste (und die sie ebenfalls bemalte und reich verzierte, eins davon übrigens ganz frech mit Hammer und Sichel).
Ihre Selbstporträts zeigen ihre umwerfende Kleidung und ihre berühmte Gesichtsbehaarung – ein paar Leute haben behauptet, sie habe ihre zusammengewachsenen Augenbrauen und ihren Oberlippenbart absichtlich nachgedunkelt. Auch das zelebrierte sie als Auflehnung gegen das Ideal unbehaarter femininer Schönheit. Wie man sieht, war Frida in jeder Hinsicht ihres Daseins ebenso unkonventionell wie politisch – und dazu noch märchenhaft glamourös und stylisch. Sie war ein engagiertes Mitglied der kommunistischen Partei Mexikos (so engagiert, dass sie mit Trotzki ins Bett ging, als er in Mexiko lebte). Man könnte meinen, dass Mode nun das am wenigsten tiefgründige Element ihrer Karriere war, doch war ihr Aussehen eng mit all ihren anderen Anliegen verbunden: ihrem Mitgefühl unterdrückten Volksgruppen gegenüber, ihrem festen Glauben an die Verbundenheit aller Menschen und ihren Anstrengungen, die Weiblichkeit in all ihrer tiefen emotionalen Herrlichkeit zu zelebrieren. Und die Mode ist Teil ihrer Hinterlassenschaft. Sie lebte ihre Kunst.
Auch Fridas Liebesleben war wunderbar bunt. Sie heiratete den berühmten Maler Diego Rivera, als sie zweiundzwanzig war und er dreiundvierzig. Sie unterstützten sich gegenseitig künstlerisch, lebten aber in getrennten Häusern; Frida bezeichnete ihn als »den anderen Unfall«. Als sich ihr Werk weiterentwickelte, erforschte sie die intimsten und schwierigsten Erlebnisse ihres Lebens in ihren Bildern, von ihren Operationen bis zu ihren Abtreibungen und Fehlgeburten. Die engen Verbindungen von ihrem körperlichen, ihrem emotionalen und ihrem künstlerischen Leben drückte sie auch in ihrer äußerlichen Erscheinung aus: Als nämlich Diego eine Affäre mit ihrer Schwester begann, schnitt sie ihr langes Haar, das sie oftmals mit Blumen geschmückt in Zöpfen trug, in ihrer Bestürzung einfach ab (ein klassischer Trennungs-Haarschnitt also). Das Paar ließ sich scheiden, heiratete aber bereits 1940 erneut, zwei Jahre nach Fridas erster großer Soloausstellung in New York. Sie war dann auch die erste lateinamerikanische Frau, deren Werk im Louvre ausgestellt wurde. André Breton sagte, ihre Kunst sei wie »ein buntes Band, das man um eine Bombe gelegt hat« – übrigens ein Querverweis auf ihren Stil.
Kaum hatte 1953 ihre erste Einzelausstellung in Mexiko stattgefunden (während sie im Bett liegen musste), wurde ihr das rechte Beim amputiert. Sie entwarf sich eine schicke Prothese, indem sie einen roten Plateaustiefel mit einer Glocke verzierte – und wieder wandelte sie ihre Verletzung um in Material für ihre künstlerische Arbeit. An Tagen, an denen sie Schmerzen hatte, brauchte sie ihre Kleidung, um sich selbst stärker zu fühlen. Und um ihren Anteil am Kunst-Popstar-Paar der damaligen Zeit zu manifestieren. Der schlechte Gesundheitszustand gewann im Jahr 1954 schließlich die Oberhand über das Leben der sagenhaften Frida Kahlo, und sie starb viel zu früh im Alter von nur siebenundvierzig Jahren. Nach ihrem Tod schloss ihr Mann Diego ihren Kleiderschrank ab und verfügte, dass der Inhalt fünfzig Jahre verborgen bleiben sollte, was einmal mehr beweist, welche Bedeutung die Kleider für Frida Kahlos Leben hatten. Als 2004 Fotos im Frida-Kahlo-Museum in Mexico City ausgestellt wurden, war darauf auch der Inhalt des Kleiderschranks zu sehen.
Frida ist ein großartiges Beispiel für eine Frau, die ihre eigene Rolle mithilfe der Mode schrieb, wobei sowohl Leben wie auch Kleidung ebenso politisch wie zweckmäßig waren. Durch ihre Kleidung stellte sie Überschwänglichkeit und Scharfsinn dar, ihre Verbundenheit mit der Arbeiterklasse ihres Landes und seinen Traditionen. Außerdem war ihre Kleidung Ausdruck ihres besonderen Verständnisses von Schönheit. Wir müssen uns nicht über die hypersexualisierten Schönheitsstandards von Promis definieren lassen, die unerbittlich auf uns herabregnen. Wir können selbst entscheiden, wie und warum wir uns verzieren: Um unseren eigenen Stil zu finden, um unsere einzigartige Persönlichkeit auszudrücken, um uns eine Rüstung zuzulegen und uns zu vermarkten oder einfach, weil es Spaß macht, sich stylish anzuziehen.
Boudicca (gest. 61 vor Chr.)
Boudicca
und die Kunst, den eigenen Standpunkt zu verteidigen
Wie wir es leid sind, wenn in Meetings über unseren Kopf hinweggeredet wird! Oder wenn unser gönnerhafter Chef mal wieder ganz locker unsere Ideen vereinnahmt und als seine eigenen präsentiert! Wir Frauen müssen uns mit solchem Mist schon seit Jahrhunderten herumschlagen und wehren uns seitdem dagegen. Norfolks Königin mit den flammend roten Haaren hätte auf so eine Kränkung wahrscheinlich geantwortet: »Legt ihn in Schutt und Asche!«
Königin Boudicca war die sagenhafte Heerführerin der Icener, eines keltischen Stammes, die vor 2 000 Jahren im Gebiet des heutigen East Anglia lebten. Nachdem die Römer auf Geheiß von Kaiser Claudius anno ’43 nach Christus in Britannien einmarschiert waren, hatten sie Boudiccas Ehemann, dem König, gnädigerweise gestattet, dass er sein Volk weiterhin regieren durfte. Als er dann aber starb, stellte sich heraus, dass dieses Gentlemen’s Agreement offenbar nicht für Frauen galt. Der Geschichtsschreiber Tacitus berichtet, dass die Römer Boudiccas Königreich einnahmen, ihre Töchter vergewaltigten und sie selbst auspeitschten. Boudicca aber ließ sich von diesen abscheulichen Gewalttaten nicht einschüchtern und nahm die sexuelle Gewalt nicht hin, der Frauen in Kriegsgebieten so oft ausgesetzt sind. Sie holte zum großen Gegenschlag aus. Im Jahr 60 oder 61 führte sie einen Rachefeldzug an: Sie brannte gnadenlos die wichtigsten Siedlungen in Colchester, St. Albans und London bis auf die Grundmauern nieder und schlachtete deren Einwohner ab, Römer wie Briten gleichermaßen. Die Neunte Legion der Römer wurde damit personell empfindlich reduziert. Die blutrünstige Königin hat im verbrannten roten Sedimentgestein der von ihr ausgelöschten Städte im wahrsten Sinne des Wortes bleibende Spuren hinterlassen – man muss nur tief genug graben, um sie heute noch zu finden.
Natürlich hat man Boudicca sehr viel Ernsteres und Unverzeihlicheres angetan, als unsere Arbeit im Büro oder sonst wo nicht angemessen zu würdigen, aber an ihrer eindrücklichen Reaktion sollten wir uns dennoch ein Beispiel nehmen (es muss ja nicht gleich mit Abschlachten und Brandstiftung enden). Wenn uns das nächste Mal jemand in den Schatten stellen will und uns die Strahlkraft stielt, die uns zusteht, sollten wir uns klarmachen, was unser Verdienst ist, und Respektlosigkeiten nicht einfach so stehen lassen. Boudicca hat zwar den Anspruch, keine Gefangenen zu machen, ein bisschen zu wörtlich genommen, aber sie kann für viele von uns zu einer Quelle der Ermutigung werden: Wenn wir uns gegen anmaßendes Verhalten auflehnen und gegen den sozialen Druck ankämpfen wollen, dass Frauen immer nett und liebenswürdig auftreten sollten. Diese erdbeerblonde Kämpferin hat sich in grauer Vorzeit kein bisschen darum geschert, ob sie sich vielleicht Feinde schafft oder ob sie jemandem eine Szene macht, und ihre selbstbewusste Autorität hat dazu geführt, dass sich ihr Volk (und noch einige andere mehr) um sie und ihre Angelegenheiten geschart haben.
Wir möchten gar nicht behaupten, dass es mit Boudicca selbst ein gutes Ende genommen hat, denn ihr verwegener Aufstand wurde in der Schlacht an der Watling Street bei St. Albans vernichtend niedergeschlagen. Die lästigen Römer waren leider im Kampf und in militärischer Taktik haushoch überlegen (sie kämpften genauso gut, wie sie Straßen und Aquädukte bauen und Rechtssysteme und Fußbodenheizungen entwerfen konnten) und nutzten das Gelände klug aus, so standen sie am Ende als Sieger da. Man sagt, Boudicca habe sich selbst das Leben genommen, um sich der Schmach einer Gefangennahme zu entziehen – und um genauso zu sterben, wie sie gelebt hat: selbstbestimmt und nach ihren eigenen Wertvorstellungen. Und um alles noch schlimmer zu machen, hat man sie außer ihrem Unglück noch mit Schande überhäuft, indem man ihren Namen dann jahrhundertelang falsch geschrieben und ausgesprochen hat: Boadicea. Alles nur, weil der Römer Tacitus sich verschrieben hatte.
Egal in welcher Schreibweise, der Name Boudicca kommt vom keltischen Wort für Sieg und entspricht dem etwas weniger aufregenden lateinischen Victoria. In ihrem netten kleinen Superköniginnen-Fanclub haben Königin Victoria (siehe [>>]) und vor ihr schon Königin Elizabeth I. (siehe [>>]) in neuerer Zeit Boudiccas Andenken hochgehalten, um sie für persönliche Werbezwecke in ihrer Amtszeit zu nutzen. Liz trug ein von Boudicca inspiriertes Kostüm, als sie ihre Flotte der spanischen Armada entgegenschickte, und Vic taufte ein Kriegsschiff auf ihren Namen. Ohne die beiden wären Boudiccas Heldentaten wahrscheinlich im Nebel der Zeiten untergegangen und in Vergessenheit geraten. Ihr Ansehen lebt jedoch weiter, weil sie sich kategorisch weigerte, sich von den mächtigen Streitkräften, die von allen Seiten auf sie einstürmten, einfach kampflos beiseite fegen zu lassen. Es fühlt sich immer noch oft so an, als lebten wir in einer reinen Männerwelt, aber wenn sich mehr von uns trauen, unseren Stringtanga wie eine Rüstung zu tragen, den Mund aufzumachen und sich öfter mal aus dem Fenster zu lehnen, dann kommt vielleicht der Tag, an dem das Patriarchat nicht mehr automatisch Vorfahrt hat.
Es geht übrigens die Sage, dass Boudicca ungefähr da begraben liegt, wo heute links und rechts Gleis 9 und 10 vom Bahnhof King’s Cross liegen – man mag sich gar nicht vorstellen, wie sie das findet, wenn ihr der Hogwarts Express immer wieder die Gebeine durchrüttelt. Wie dem auch sei, wenn wir ihr unsere Ehre erweisen möchten und über ihren resoluten und entschlossenen Scharfsinn meditieren wollen, wäre die Boudicca-Statue von Thomas Thornycroft der beste Ort, um mit ihrem hitzigen Geist in Kontakt zu treten. Mitten in London, der Stadt, die sie einst in Schutt und Asche gelegt hat, steht sie mit ihren Töchtern an der Westminster Bridge, die Peitsche schwingend in einem Streitwagen, der ebenso gefährlich erscheint, wie er historisch falsch ist.
Obwohl er zum gegnerischen Team der Römer gehörte, hat Tacitus immerhin Boudiccas mitreißender Redekunst Anerkennung gezollt, indem er sie bei der Schlacht an der Watling Street zitierte: »An dieser Stelle müssen wir entweder den Gegner bezwingen oder ruhmreich untergehen. Es gibt keinen anderen Weg. Ich bin eine Frau, und doch steht mein Entschluss fest: Wenn sie es so wollen, mögen die Männer in Schande überleben und in Fesseln ihr Dasein fristen.« Boudicca ist unsterblich geworden, und zwar sowohl als Symbol des Widerstands wie auch als Ikone des Feminismus, die männlicher Aggression zu einer Zeit mit Gewalt entgegengetreten ist, in der das einer Frau ganz und gar nicht zustand.
Mary Wollstonecraft (1759–1797)
Mary Wollstonecraft
und was es bedeutet, Feministin zu sein
Feministinnen. Sind das nicht diese humorlosen, schrillen Aktivistinnen, die nicht wollen, dass wir Bikinis tragen, Babys abküssen, Kuchen backen, Hochzeiten planen oder unsere Sachen mit süßen Einhörnern verzieren? Nein, nein. Keine Panik, Leute, alles gut. Es ist nämlich so, dass es da ein größeres Missverständnis gibt, denn Feminismus bedeutet eigentlich nur: gleiches Recht für alle Geschlechter. Feministinnen möchten nicht, dass Frauen in demokratischen Strukturen ausgegrenzt werden, weniger Geld für denselben Job kriegen als Männer oder dass sich Frauen anhören müssen, sie wären doch selbst schuld, wenn sie vergewaltigt werden. So weit können wir da doch alle zustimmen.
Nur gibt es leider noch kein gleiches Recht für alle: Fast jede zweite Frau in Deutschland musste schon einen sexuellen Übergriff erleben, und für die gleiche Arbeit verdient eine Frau in der Stunde durchschnittlich 16,20 Euro, wo ein Mann 20,70 Euro bekommt. Weltweit wird sich die geschlechtsspezifische Lohnlücke erst im Jahr 2186 schließen, für Kleidung müssen wir Frauen viel, viel mehr bezahlen als Männer, auch gibt es nach wie vor Fälle von weiblicher Genitalverstümmelung. Wir könnten noch viel mehr auflisten … Auch wenn der Begriff Feminismus, verglichen mit den Zeiten, in denen Frauen anfingen, für ihre Rechte einzutreten, uns heute ziemlich problematisch und überfrachtet erscheint, ist es doch so, dass der Kampf noch nicht ausgefochten ist. Wir haben viel Verständnis für diejenigen, die sich vom Menstruationstassen-Trend oder vom männerhassenden Spektrum distanzieren möchten. Zum Teil ist es einfach eine Frage der Wortwahl (manche Frauen bezeichnen sich lieber als Verfechterinnen des Egalitarismus), aber es ist schon wichtig, dass man bei diesem stets umstrittenen Begriff den Bezug zur Vergangenheit nicht verliert. Wenn wir ermessen wollen, was heute Frauen wie Beyoncé, Sheryl Sandberg, Chimamanda Ngozi Adichie, Caitlin Moran, Malala und Emma Watson leisten, müssen wir uns ihre Vorgängerinnen ansehen: Emmeline Pankhurst (siehe [>>]), Akiko Yosano (siehe [>>]) Sheila Michaels (siehe [>>]) – und nicht zu vergessen die Mutter der Idee, Mary Wollstonecraft.
Mary wurde in London geboren, ihr Vater war ein trinkfreudiger Mann, dem gerne mal die Hand ausrutschte und der das Wirtschaftsgeld verprasste. Ihre Mutter zog den ältesten Bruder immer vor (er durfte als Einziger von sieben Geschwistern regelmäßig die Schule besuchen). Mit neunzehn verließ Mary ihr Elternhaus und zog nach Bath, um dort zu arbeiten. Einige Jahre später eröffnete sie mit ihrer Schwester und ihrer besten Freundin Fanny eine sehr fortschrittliche Mädchenschule. Als die Schule aber pleite war, arbeitete sie in Irland als Gouvernante verzogener Adelskinder, doch dort wurde sie bald wieder entlassen. Zurück in London, wurde sie vom Verleger Joseph Johnson als Redaktionsassistentin, Autorin und Übersetzerin angestellt. Johnson hatte ziemlich radikale Ansichten und eine Menge cooler, aufklärerischer Freunde wie Thomas Paine, William Blake, William Wordsworth und William Godwin. 1787 erschien dann Marys Buch »Thoughts on the Education of Daughters« (Gedanken zur Erziehung unserer Töchter), das sie aus ihrer Erfahrung als Lehrerin geschrieben hatte. Es war der Beginn einer erfolgreichen, aber viel zu kurzen Karriere als Schriftstellerin.
Im Jahr 1789 zog die Französische Revolution alle in ihren Bann, und Mary trat mit ihrem Werk »The Vindication of the Rights of Men« (Zur Verteidigung der Menschenrechte) für bürgerliche Freiheiten ein, was die politische Debatte zusätzlich anheizte. Im Jahr 1792 veröffentlichte sie schließlich mit »A Vindication of the Rights of Women« (Zur Verteidigung der Frauenrechte) ihre bekannteste und einflussreichste Schrift. Sie argumentierte darin wegweisend zugunsten einer Bildung für Frauen, damit diese ebenso viel zum Wohle der Gesellschaft beitragen könnten wie Männer. Sie schrieb: »Ich betrachte Frauen hauptsächlich im großen Lichte der menschlichen Schöpfung, wo deren Aufgabe, ebenso wie die der Männer, darin besteht, ihre Fähigkeiten zu entfalten.« Das waren damals revolutionäre Forderungen und ein großer Schritt vorwärts in Richtung einer ernsthaften Debatte über Frauenrechte. (Nur um noch einmal darin zu erinnern: Wir reden hier über eine Zeit, in der Frauen weder Grundbesitz haben noch an Universitäten studieren durften – und nicht einmal das Sorgerecht für ihre eigenen Kinder bekamen.) Marys Argumente wurden kontrovers aufgenommen, und im Vorgriff auf all die Beleidigungen, die Feministinnen später noch aushalten mussten, bezeichnete sie der Schriftsteller Horace Walpole als »Hyäne mit Unterröcken«.
Um aus erster Hand über die Revolution zu berichten, zog Mary 1792 nach Frankreich, kurz bevor es dort blutig wurde und jede Menge Köpfe rollten. Sie verliebte sich in Gilbert Imlay, einen Bad Boy, mit dem sie eine Tochter hatte, die 1794 geborene Fanny. Als der feige Imlay sie sitzenließ, zog Mary zurück nach London und versuchte, sich das Leben zu nehmen. Ein Jahr später unternahm sie eine abenteuerliche und gefährliche Reise nach Skandinavien. Sie hatte nur ihr Dienstmädchen und das Baby an Bord und wollte versuchen, ein bisschen geschmuggeltes Silber, das Imlay gehörte, zurückzubekommen. Sie schrieb ein großartiges Buch über diese Unternehmung, aber nicht einmal das half, um mit Imlay ins Reine zu kommen. Mary sah sich noch einmal gezwungen, ihrem Leben ein Ende zu setzen, und stürzte sich (vergeblich) von der Putney Bridge.
1796 war sie endlich über Imlay hinweg und datete den Philosophen William Godwin. Als die beiden feststellten, dass Mary schwanger war, heirateten sie, obwohl beide nicht viel von der Ehe hielten. Sie lebten getrennt, führten aber im Großen und Ganzen eine glückliche und unaufgeregte Beziehung. Bis zu dem Tag, an dem ihre Tochter geboren wurde. Dieser Tag schenkte der Welt das kleine Mädchen, das später als hochbegabte Autorin von Frankenstein bekannt wurde, raubte der Mutter aber aufgrund von Geburtskomplikationen das Leben. Unbeabsichtigt erwies sich Marys trauernder Ehemann als wenig hilfreich, als er 1798 eine Denkschrift über seine verstorbene Frau veröffentlichte, in der er die Illegitimität ihres ersten Kindes ebenso publik machte wie ihre Selbstmordversuche. Der anschließende Skandal um ihr persönliches Leben lenkte die Aufmerksamkeit von ihrem bahnbrechenden Werk ab, das erst viele Jahre später gewürdigt wurde.
Es war nicht immer leicht, Mary Wollstonecraft zu sein, aber sie hatte Persönlichkeit: Sie war eine sensible, leidenschaftliche Natur, die eine Menge durchgemacht hatte, aber immer sagte, was sie dachte, und dazu den Mut hatte, die Welt verändern zu wollen. »Mein Herz verachtet alle Verstellung, und mein Antlitz verbirgt nichts.« Selbst noch nach ihrem Tod hörte das wenig schwesterliche hinterhältige Klatschen und Tratschen darüber nicht auf, wie wohl ihre Moralvorstellungen und ihr facettenreiches Privatleben zusammengepasst haben mochten. Einige behaupteten auch, die Schicksale ihrer Töchter (Fanny beging Selbstmord, und Mary junior brannte mit dem Dichter Percy Bysshe Shelley durch) seien kein Wunder, angesichts dieser Mutter. Es gibt immer Leute, die einen hassen, aber davor muss man keine Angst haben. Die Idee des Feminismus war noch nicht geboren, als Mary ein feministisches Leben lebte, aber wir sind uns doch einig, dass wir es ihr schuldig sind, uns zusammenzutun und ihre Ideen zu vertreten, oder?
Mae West (1893–1980)