Zum Buch
Eine Sammlung der schönsten Briefe zum Thema Katzen. Das Buch basiert auf der sensationell populären Website »Letters of Note«, einer Art Online-Museum des Schriftverkehrs, das bereits von über 70 Millionen Menschen besucht wurde. Mit Briefen von u.a. Jack Lemmon, Anne Frank, Charles Dickens, Elizabeth Taylor, T. S. Eliot, Raymond Chandler, Katherine Mansfield und Florence Nightingale.
Zum Autor
Shaun Usher ist Autor und alleiniger Betreiber der Blogs lettersofnote.com, listsofnote.com und speechesofnote.com. Hierfür durchforstet er die Archive dieser Welt nach faszinierenden Briefen, ungewöhnlichen Listen und inspirierenden Reden. Usher lebt mit seiner Frau Karina und seinen beiden Söhnen in Manchester. »Letters of Note – Briefe, die die Welt bedeuten« war sein erstes Buch, das gleich ein Weltbestseller wurde.
BEMERKENSWERTE BRIEFE
HERAUSGEGEBEN
VON SHAUN USHER
WILHELM HEYNE VERLAG
MÜNCHEN
Die Originalausgabe erschien unter dem Titel Letters of Note – Cats bei Canongate, Edinburgh
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Copyright © 2020 Shaun Usher
Copyright © 2020 der deutschsprachigen Ausgabe
by Wilhelm Heyne Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH,
Neumarkter Str. 28, 81673 München
Lektorat: Kirsten Naegele
Redaktion: Kristof Kurz
Umschlaggestaltung: Eisele Grafik-Design, München,
unter Verwendung von Motiven
von © lesichkadesign/Bigstock,
© Seaquint/Creativemarket
Satz: Leingärtner, Nabburg
e-ISBN: 978-3-641-25214-4
V001
www.heyne-hardcore.de
Für Kala, Dodi, Gavin, Stacey, Silvie, Polo und Chico
Inhalt
EINLEITUNG
Übersetzt von Markus Naegele
IST DIE NATUR EINE GIGANTISCHE KATZE?
Nikola Tesla an Pola Fotić
Übersetzt von Marcus Jensen
MEIN GELIEBTER KLEINER GEFÄHRTE IST TOT
Rachel Carson an Dorothy Freeman
Übersetzt von Thomas Krüger
DIE KATZENRANCH
Jack Lemmon an Walter Matthau
Übersetzt von Thomas Krüger
MEIN BEBENDES HERZ
Persian Snow (Erasmus Darwin) und Miss Po Felina (Anna Seward)
Übersetzt von Thomas Krüger
EINE MENSCHLICHE LIEBKOSUNG VON EINER KATZE
Sylvia Townsend Warner und David Garnett
Übersetzt von Kirsten Borchardt
IHR HABT MEINE KATZE GETÖTET
Guy Davenport an die Autofahrer von Lexington
Übersetzt von Kai-Uwe Keup
LANGE SCHWÄNZE TANZEN IN DER NACHT
Lafcadio Hearn an Basil Hall Chamberlain
Übersetzt von Wulf Dorn
ARME MOUSCHI!
Anne Frank an Kitty
Einleitung übersetzt von Kristof Kurz
LEBEN IM BELAGERUNGSZUSTAND
Charles Dickens an John Forster
Übersetzt von Conny Lösch
AN ALLE POLLICLE-HÜNDCHEN UND JELLICLE-KÄTZCHEN
T. S. Eliot an Thomas Faber
Übersetzt von Thomas Krüger
ICH SEHE DICH, MEIN SCHÖNER
Elizabeth Taylor an ihren verschwundenen Kater
Übersetzt von Kirsten Borchardt
DIE KATZE IST KEINE EINFACHE GLEICHUNG
Henry Harland an The Yellow Book
Übersetzt von Timo Blunck
KATZE GEGEN VOGEL
Adlai E. Stevenson II an den Senat von Illinois
Übersetzt von Thomas Krüger
DIE KATZENORGEL
»Mary Midnight« an die Royal Society
Übersetzt von Claudia Voit
EIN HAUFEN VON 5000 KATZEN UND KÄTZCHEN
Frederick Law Olmsted an seinen Sohn
Übersetzt von Kirsten Naegele
DER ZOMBI
Robert Southey an Grosvenor Bedford
Übersetzt von Wulf Dorn
SEI TAPFER, LIEBLING
Ms. Kerouac an Jack Kerouac
Übersetzt von Gunter Blank
ODE AUF DEN TOD DER GELIEBTEN KATZE IN EINEM GOLDFISCHBECKEN
Thomas Gray an Horace Walpole
Übersetzt von Thomas Krüger
FOSS IST TOT
Edward Lear an Lord Aberdare
Übersetzt von Conny Lösch
CAT FANCY
Ayn Rand an das Cat Fancy Magazine
Übersetzt von Kirsten Naegele
WIE SCHADE, DASS SOLCH SCHÖNE KATZEN TAUB SIND
William Darwin Fox an Charles Darwin
Übersetzt von Markus Naegele
ODER BIN ÜBERHAUPT NICHT ICH ES, DER DIES SCHREIBT?
Raymond Chandler an Charles Morton
Übersetzt von Hans Wollschläger
Einleitung übersetzt von Kristof Kurz
KATZEN, KATZEN, MEINE KATZEN
Ester Krumbachová an ihre Katzen
Übersetzt von Thomas Krüger
EINE FESTE BURG
Katherine Mansfield an Ida Baker
Übersetzt von Marcus Jensen
ER VERZEHRT SIE WIE EIN GENTLEMAN
Florence Nightingale an Mrs. Frost
Übersetzt von Kirsten Borchardt
EINE HORRORGESCHICHTE
Jane Welsh Carlyle an Kate Stanley
Übersetzt von Wulf Dorn
DER KATER NIMMT’S MIR ÜBEL
John Cheever an Josie Herbst
Übersetzt von Marcus Jensen
ÜBERSETZERVITEN
ABDRUCKNACHWEISE
EINLEITUNG
Übersetzt von Marcus Jensen
Seit vielen Tausend Jahren, seit man aus Gründen der Schädlingsbekämpfung beziehungsweise der Jagd damit anfing, Katzen und Hunde zu domestizieren, erhitzte stets eine entscheidende Frage die Gemüter und teilte die Menschheit in zwei gleich große Lager:
Katzen oder Hunde?
Da ich seit meiner Kindheit stolzer Besitzer mehrerer Prachtexemplare beider Spezies war – zugegeben, einige eindrucksvoller als andere –, gibt es auf diese Frage nur eine einzige richtige, logische Antwort: Ja! Zwischen Katzen und Hunden zu wählen ist so, als müsste man sich zwischen Essen und Trinken entscheiden: Sinnlos, es hängt immer von der jeweiligen Tageszeit und Stimmung ab. Doch beschäftigen wir uns heute mit jenen Abermillionen von vierbeinigen Freunden, die elegant um die Knöchel ihrer zweibeinigen Familienmitglieder schleichen, lautstark schnurrend ihr Frühstück einfordern, weiche Polster mit ihrem Milchtritt beglücken und dabei so ekstatisch wirken, dass wir nur allzu gerne für eine Minute die Rollen tauschen möchten, grazil erstaunliche Sprünge vollführen, um den plumpen Annäherungsversuchen aufdringlicher Kinder zu entkommen, dabei mal eben über die Schnauze des aufgeregten und intellektuell unterlegenen Hundes wischen, mit dem sie sich die Küche teilen, auf unerklärliche Weise die Schranktür öffnen, hinter der sich die Leckereien befinden, und mit einer unvorstellbaren Arroganz durch die Wohnung stolzieren, bei der wir uns fragen, wer hier eigentlich wen domestiziert hat, und überhaupt: Wartet mal, könnte es sein, dass sie uns ständig austricksen?
In diesem Band werden Sie erfahren, dass wir einer bestimmten Katze zu ewiger Dankbarkeit verpflichtet sind, weil sie einen der großen Wissenschaftler der Geschichte dazu animierte, unser aller Leben zu verbessern. Sie werden von einem Musikinstrument lesen, in dem die Katzen den Ton angeben, und von einem dubiosen und doch legalen und profitablen Geschäftsplan, der einen stetigen Vorrat an Katzen, Ratten und Schlangen erfordert. Sie werden sagenumwobene zweischwänzige japanische Katzen kennenlernen und von einer Katze lesen, die in finsteren Zeiten ein dringend benötigtes Lächeln auf das Gesicht eines kleinen Mädchens zauberte. Sie werden von einem Gouverneur in Illinois erfahren, der mit großer Verve die Katzenbesitzergemeinde vor einer gewaltigen Peinlichkeit bewahrte, und dürfen sich auf das Gedicht eines großen Poeten zum Gedenken an eine Katze freuen, die in ein Goldfischbecken fiel. Und dann war da noch die Katze, die ein Häufchen in der Taschentücherbox eines bekannten Romanciers hinterließ – eines Romanciers, der unglücklicherweise zu dieser Zeit eine Erkältung hatte und nichts roch.
All dies und noch mehr werden Sie in Form jener Zeitkapsel, die sich Brief nennt, erfahren; jener kostbarsten und schönsten, aber auch vom Aussterben bedrohten Form der Kommunikation, die leider Gottes fast in Vergessenheit geraten ist angesichts der vielen digitalen, uncharmanten, flüchtigen Alternativen, die uns heute zur Verfügung stehen und unsere zwischenmenschlichen Beziehungen zu etwas Profanem machen. Von diesem Buch erhoffe ich mir zweierlei: zum einen die Intensivierung Ihrer Liebe zu diesen wunderbaren Tieren, sofern das überhaupt möglich ist. Zum anderen möchte ich Sie daran erinnern, dass all diese Geschichten ohne die zugehörigen Briefe schlicht in Vergessenheit geraten würden und wir es uns und den zukünftigen Generationen und nicht zuletzt den Katzen einfach schuldig sind, viel mehr solcher Briefe zu verfassen.
Bitte tun Sie das. Nehmen Sie sich jeden Tag zehn Minuten Zeit. Greifen Sie nach einem Stück Papier, schnappen Sie den Katzen den letzten verbliebenen Stift weg und schreiben Sie einen Brief an jemanden, und wenn auch nur, um dieser Person zu zeigen, dass Sie an sie gedacht haben. Denken Sie immer daran: Es ist zwar unwahrscheinlich, aber Sie könnten eine Antwort erhalten.
Shaun Usher
2019
PS: Bitte schicken Sie mir eine Abschrift des Briefes.
IST DIE NATUR EINE GIGANTISCHE KATZE?
Nikola Tesla an Pola Fotić
23. Juli 1939
Übersetzt von Marcus Jensen
Der Einfluss des Erfinders Nikola Tesla, geboren 1856 in Smiljan im heutigen Kroatien, auf die moderne Welt ist kaum zu ermessen. Während seiner 86 Lebensjahre gelangen ihm zahlreiche Durchbrüche auf dem Gebiet der Elektrotechnik, vor allem in Bezug auf den von ihm entwickelten Wechselstrom-Induktionsmotor. Zum Zeitpunkt seines Todes hielt »der Vater der Elektrizität« fast dreihundert Patente. 1939 lernte Tesla in Washington Pola Fotić kennen, die Tochter des jugoslawischen Botschafters. Sie entdeckten eine große Gemeinsamkeit: ihre Liebe zu Katzen. Als Tesla kurz darauf wieder zu Hause in New York City war, schrieb er an seine neue Freundin und eröffnete ihr den Grund für seine lebenslange Faszination gegenüber der Elektrizität.
New York, 23. Juli 1939
Meine liebe Miss Fotić,
anbei der »jugoslawische Kalender« von 1939, darin finden Sie die Gemeinde und das Haus, mit dem ich viele traurige und fröhliche Abenteuer verbinde und wo ich zufällig auch geboren wurde. Wie Sie auf dem Foto des altmodischen Gebäudes auf dem Blatt für den Juni sehen können, befindet es sich am Fuße eines bewaldeten Hügels namens Bogdanic. Daneben steht eine Kirche, und dahinter, ein Stückchen weiter die Anhöhe hinauf, erstreckt sich ein Friedhof. Unsere nächsten Nachbarn wohnten zwei Meilen entfernt. Im Winter, wenn sich der Schnee bis über zwei Meter hoch türmte, waren wir komplett von der Außenwelt abgeschnitten.
Meine Mutter arbeitete unermüdlich, von vier Uhr früh bis elf Uhr abends. Bis zur Frühstückszeit um sechs, während die anderen noch tief schlummerten, lag ich einfach mit offenen Augen da und beobachtete zu gerne meine Mutter, wie sie – manchmal im Laufschritt – ihren selbst auferlegten Pflichten nachging. Sie wies die Dienerschaft an, sich um unsere Tiere zu kümmern, sie molk die Kühe, sie erledigte alle möglichen Tätigkeiten ohne fremde Hilfe, deckte den Tisch, bereitete das Frühstück für den ganzen Haushalt vor. Erst als es fertig war, stand der Rest der Familie auf. Und nach dem Frühstück folgte jeder dem leuchtenden Beispiel meiner Mutter, wir gingen fleißig an die Arbeit, mit großer Zufriedenheit.
Und ich war der Fröhlichste von allen, wegen des tollsten Katers der Welt – Máčak. Könnte ich Ihnen doch nur ungefähr vermitteln, wie eng unser Verhältnis war. Wir lebten füreinander. Wo ich auch hinging, folgte Máčak mir, weil wir uns so gernhatten und weil er mich beschützen wollte. Wenn ihm etwas gefährlich erschien, buckelte er sich zu doppelter Größe auf, sein Schweif stand wie eine Metallstange in die Höhe, seine Schnurrbarthaare wurden zu Stahldrähten, und seine Wut entlud sich in explosionsartigem Fauchen: Ffffcht! Ffffcht! Ein furchterregender Anblick, und wer immer ihm quergekommen war, ob Mensch oder Tier, nahm Reißaus.
Jeden Abend liefen wir aus dem Haus und an der Kirchenmauer entlang, er jagte hinter mir her und schnappte nach meiner Hose. Ich sollte glauben, dass er mich beißen wollte, aber sobald sich seine nadelspitzen Schneidezähne in den Stoff bohrten, ließ der Druck sofort nach, und sie berührten meine Haut so leicht und zart wie ein Schmetterling eine Blüte. Besonders liebte er es, sich mit mir im Gras zu wälzen, dabei krallte und biss und schnurrte er in wilder Begeisterung um sich. Das sprang auf mich über, ich tat dasselbe: krallen, beißen, schnurren. Wir hörten einfach nicht auf, rollten und tollten umher, geradezu verrückt vor Freude. Wir gönnten uns diesen wundervollen Sport jeden Tag, außer wenn es regnete.
Wasser konnte Máčak nicht leiden, er sprang lieber zwei Meter weit, als sich die Pfoten nass zu machen. Sobald es regnete, gingen wir ins Haus und suchten uns ein gemütliches Plätzchen zum Spielen. Máčak hielt sich peinlich sauber, hatte nie Flöhe oder Zecken, haarte nicht und legte überhaupt keine schlechten Angewohnheiten an den Tag. Höchst taktvoll machte er sich bemerkbar, wenn er nachts rauswollte, und bei seiner Rückkehr kratzte er sachte an der Tür.
Jetzt muss ich Ihnen von einer merkwürdigen und unvergesslichen Erfahrung mit ihm berichten, die mich nie mehr losgelassen hat. Wir wohnten etwa 550 Meter über dem Meeresspiegel, und so hatten wir meist trockene Winter. Nur manchmal kamen warme Winde von der Adria bis zu uns herauf, hielten eine Weile an und ließen den Schnee schmelzen, sodass das Land überschwemmt wurde und viele Menschen ihren Besitz und sogar das Leben verloren. Wir wurden Zeugen des grauenhaften Spektakels eines wahren brodelnden Stroms, der Trümmer mit sich trug und alles, was in seinem Weg nicht niet- und nagelfest war, hinfort riss. Die Bilder meiner Jugend drängen sich mir immer wieder auf, und wenn ich an diese Begebenheit zurückdenke, höre ich das Rauschen des Wassers deutlich und sehe, als wär’s gestern gewesen, die wirbelnde Flut und den irren Tanz der mitgeführten Trümmer obenauf. Aber zum Glück überwiegt die Erinnerung an die trockenen kalten Winter und den reinen weißen Schnee.
Eines Tages war die Kälte trockener als je zuvor. Wer durch den Schnee stapfte, zog leuchtende Spuren hinter sich her, und warf man einen Schneeball gegen etwas, blitzte es hell, wie wenn man einen Zuckerhut mit einem Messer schneidet. In der Abenddämmerung streichelte ich Máčak, und jetzt geschah ein Wunder, das mich sprachlos machte: Sein Rückenfell verwandelte sich in eine Decke aus Licht, und meine Hand erzeugte Funkenschauer, die so laut knisterten, dass man es im ganzen Haus hören konnte.