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Zum Buch

Eine Sammlung der ergreifendsten Briefe zum Thema Krieg und Frieden – im Geschenkbuchformat und in wunderschöner Ausstattung. Das Buch basiert auf der sensationell populären Website »Letters of Note«, einer Art Online-Museum des Schriftverkehrs, das bereits von über 70 Millionen Menschen besucht wurde. Mit Briefen von u.a. Lord Nelson, Evelyn Waugh, Gandhi, Kurt Vonnegut, Mark Twain und Blanca Brisac Vázquez.

Zum Autor

Shaun Usher ist Autor und alleiniger Betreiber der Blogs lettersofnote.com, listsofnote.com und speechesofnote.com. Hierfür durchforstet er die Archive dieser Welt nach faszinierenden Briefen, ungewöhnlichen Listen und inspirierenden Reden. Usher lebt mit seiner Frau Karina und seinen beiden Söhnen in Manchester. »Letters of Note – Briefe, die die Welt bedeuten« war sein erstes Buch, das gleich ein Weltbestseller wurde.

BEMERKENSWERTE BRIEFE

HERAUSGEGEBEN

VON SHAUN USHER

WILHELM HEYNE VERLAG

MÜNCHEN

Die Originalausgabe erschien unter dem Titel Letters of Note – War

bei Canongate, Edinburgh.

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Copyright © 2020 Shaun Usher

Copyright © 2020 der deutschsprachigen Ausgabe

by Wilhelm Heyne Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Lektorat: Kirsten Naegele

Redaktion: Kristof Kurz

Umschlaggestaltung: Eisele Grafik-Design, München,

unter Verwendung von Motiven

von © lesichkadesign/Bigstock,

© VKA/Shutterstock

Satz: Leingärtner, Nabburg

e-ISBN: 978-3-641-25217-5
V001

www.heyne-hardcore.de

Für den Frieden

Inhalt

EINLEITUNG

Übersetzt von Kristof Kurz

IM KRIEG LIEGT KEINERLEI HOFFNUNG

Kurt Vonnegut an die Einberufungsbehörde

Übersetzt von Nikolaus Hansen

ICH WERDE ERHOBENEN HAUPTES STERBEN

Blanca Brisac Vázquez an ihren Sohn Enrique

Übersetzt von Gunter Blank

DIE GESCHICHTE EINER SCHLACHT

Der Herzog von Wellington an John Croker

Übersetzt von Oskar Rauch

SIE ALLE MÜSSEN FREI SEIN

Rabbi Morris Frank an seinen Sohn

Übersetzt von Berni Mayer

ICH WERDE SIE VERGIFTEN

König Béhanzin an Alfred-Amédée Dodds

Übersetzt von Timur Vermes

FLOTTEN & ARMEEN WÄREN HILFLOS

Mark Twain an Nikola Tesla

Übersetzt von Katja Scholtz

MEINE SOLDATEN HABEN KEIN BIER

Schnappschüsse aus dem 1. und 2. Jahrhundert nach Christus

Übersetzt von Robert Brack

ES TUT SO WEH, DIES ZU SCHREIBEN

Eleanor Wimbish an William R. Stocks

Übersetzt von Andrea Kunstmann

WIR SIND BEI EUCH ALS SCHWESTERN IM SCHMERZ

Die Frauen von England an die Frauen von Deutschland und Österreich

Übersetzt von Nina Lieke

HEIL DIR, EUROPA!

Gajan Singh an Sirdar Harbans Singh

Übersetzt von Daniel Müller

DIESER ATOMBOMBENREGEN WIRD AN HEFTIGKEIT NOCH UM EIN VIELFACHES ZUNEHMEN

Luis Alvarez an Ryokichi Sagane

Übersetzt von Willi Winkler

DU BABYLONISCHER KÜCHENJUNGE

Mehmed IV. an die Saporoger Kosaken

Übersetzt von Andrea Kunstmann

MÜSSEN WIR SIE WIRKLICH HASSEN?

Canute Frankson an eine Freundin

Übersetzt von Ruth Keen

DER KRIEG IST GRAUSAM UND KANN NICHT ANDERS SEIN

William T. Sherman an James M. Calhoun, E.E. Rawson und S.C. Wells

Übersetzt von Daniel Müller

DER GOTT DER SCHLACHTEN

Lord Horatio Nelson an Lady Emma Hamilton

Übersetzt von Berni Mayer

TODMÜDE, ABER ÜBERGLÜCKLICH

June Wandrey an ihre Schwester Betty

Übersetzt von Isabella Bruckmaier

HALTE AUCH DU SIE IMMER IN EHREN

Tom O’Sullivan an Conor O’Sullivan

Übersetzt von Julian Haefs

BITTE VERSCHONEN SIE UNSER PONY

Poppy, Lionel und Freda Hewlett an Lord Kitchener

Übersetzt von Conny Lösch

EIN HÖCHST AUSSERGEWÖHNLICHER VORFALL

Captain Reginald John Armes an seine Frau

Übersetzt von Alexander Wagner

Morgen gehören Cornwallis und seine Armee uns

Alexander Hamilton an Elizabeth Hamilton

Übersetzt von Oskar Rauch

Weshalb bekommen wir keinen Soldatensold?

James Henry Gooding an Abraham Lincoln

Übersetzt von Julian Haefs

DIE REINE WAHRHEIT

Evelyn Waugh an Laura Waugh

Übersetzt von Ruth Keen

PLÖTZLICH WAREN DIE ZULU ÜBER UNS

Leutnant Henry Curling an seine Mutter

Übersetzt von Gunter Blank

FÜR MICH SIND DIESE DINGE NICHT UNERHEBLICH

Captain Rodney R. Chastant an seine Eltern

Übersetzt von Willi Winkler

GELIEBTE FAMILIE, BITTE VERGEBT MIR

Alaa Abd al-Akeedi an seine Familie

Übersetzt von Markus Naegele

UM DER MENSCHHEIT WILLEN

Mohandas Gandhi an Adolf Hitler

Übersetzt von Markus Naegele und Alexander Wagner

DIE SÖHNE DES HAM

M. W. Saddler an die Zeitung Freeman

Übersetzt von Julian Haefs

ALLES FÄHRT ZUR HÖLLE

Martha Gellhorn an Eleanor Roosevelt

Übersetzt von Conny Lösch

ICH HAB MEINE PFLICHT GETAN

John Duesbery an seine Mutter

Übersetzt von Berni Mayer

Schlaf gut, Geliebter

Brian Keith an Dave

Übersetzt von Kirsten Borchardt

ÜBERSETZERVITEN

ABDRUCKNACHWEISE

EINLEITUNG

Übersetzt von Kristof Kurz

Im Krieg zeigen sich die extremsten Seiten des menschlichen Wesens: Gewalt, Massaker und Zerstörung bringen unsere schlimmsten Abgründe zum Vorschein, während mutige, loyale und selbstlose Taten dagegen das Gute in uns offenbaren. Für den Soldaten, jenes winzige Schräubchen im Getriebe der gewaltigen Kriegsmaschinerie, oft viele Meilen von zu Hause entfernt und umgeben von ihm unbekannten Menschen, die – genau wie er selbst – zum Töten ausgebildet wurden, kann jeder Tag, jeder Augenblick der letzte sein. Die Familienmitglieder, Freunde und geliebten Menschen hingegen, für die er sein Leben im Kampf riskiert, werden von Ungewissheit und Angst gequält.

Ein Brief ist eine Brücke zwischen dem Soldaten und den Angehörigen zu Hause. Dem Soldaten, der aus seiner gewohnten Umgebung gerissen wurde, ist ein Brief sozusagen eine schriftliche Umarmung aus einer weit entfernten Welt, eine Erinnerung an ein friedliches Leben ohne Blutvergießen. Bereits der Anblick einiger in vertrauter Hand geschriebener Zeilen oder einer Heimatadresse können Wärme und Licht in die Finsternis tragen.

Ein Brief von der Front dagegen ist zwar weniger hoffnungsvoll, stellt jedoch für die Daheimgebliebenen ein wichtiges Lebenszeichen dar. Er überbrückt Länder und Kontinente – wenn auch nur für ein paar kurze Augenblicke.

Einfach gesagt: Einem Brief wohnt eine gewaltige Macht inne. Er kann für kurze Zeit von den Kämpfen und dem Blutvergießen ablenken, dem die Soldaten täglich ausgesetzt sind. Und er hebt die Moral in Zeiten, in denen allein die Hoffnung das Überleben sichert.

Aus diesem Grund setzte die britische Post bereits im Ersten Weltkrieg Himmel und Hölle in Bewegung, um insgesamt zwei Milliarden Briefe zwischen Westfront und Heimat hin und her zu transportieren. Den Verantwortlichen war klar, dass die positive psychologische Wirkung dieses Kommunikationsmittels – und oft genug war ein Brief die einzige Möglichkeit der Kommunikation – über Sieg und Niederlage entscheiden konnte. Dies wusste auch Postmaster General Montgomery Blair, der während des Amerikanischen Bürgerkriegs den Briefverkehr zwischen den konföderierten Soldaten und ihren Angehörigen praktisch unmöglich machte, indem er die Postwertzeichen der Südstaaten für ungültig erklärte und jeden Brief, der an die Feldlager der Konföderierten adressiert war, postwendend an den Absender zurückschicken ließ – eine grausame, aber effektive Taktik, den Gegner zu demoralisieren.

In Kriegszeiten haben Briefe nicht nur die Aufgabe, Mut zu machen. Sie stellen auch eine Dokumentation über Kampfhandlungen dar, über die womöglich sonst nicht berichtet worden wäre. Sie legen für die Nachwelt Zeugnis von Ereignissen ab, die Geschichte gemacht und das Leben der nachfolgenden Generationen tief greifend verändert haben. Dank der Anstrengungen der vielen Museen und Archive der Welt, diese Dokumente zu bewahren, können die Historiker trotz der kriegsbedingt schlechten Quellenlage vergangene Ereignisse nachvollziehen. Diese Briefe sind eine wertvolle Hilfe, um unsere Vorfahren – und damit letztendlich auch uns selbst – besser zu verstehen.

In diesem Band sind mehrere solcher Briefe versammelt – Berichte über die Kämpfe, die unsere Welt vom 1. Jahrhundert nach Christus bis zur Gegenwart geformt haben. Auf Ihrer Reise über die Schlachtfelder der Geschichte werden Sie Briefe von Generälen, einfachen Soldaten an der Front, Krankenschwestern, Angehörigen und Journalisten lesen. Die letzte Nachricht eines sterbenden Soldaten an seine Mutter; eine Botschaft, die nur wenige Minuten, bevor die Atombombe Nagasaki zerstörte, über Japan abgeworfen wurde; die herzerwärmende Korrespondenz zwischen dem jungen Besitzer eines Ponys und einem Verteidigungsminister; und schließlich mehrere Briefe von der von den Römern besetzten Insel Britannien, nach dessen Lektüre Sie zu dem überraschenden Schluss kommen werden, dass sich seit damals in mancher Hinsicht nicht allzu viel geändert hat.

Diese Sammlung ist nur ein kleiner Ausschnitt aus den vielen Milliarden von Briefen, von denen die meisten wohl auf den Dachböden der Welt verstauben und von niemandem mehr gelesen werden. Haben auch Sie solche Briefe auf Ihrem Speicher? Dann nehmen Sie sie aus ihrer Schachtel und holen Sie sie ans Licht. Wer weiß, was sie Ihnen alles zu erzählen haben.

Shaun Usher

2020

IM KRIEG LIEGT KEINERLEI HOFFNUNG

Kurt Vonnegut an die Einberufungsbehörde

28. November 1967

Übersetzt von Nikolaus Hansen

Seit es Kriege gibt, hat es immer auch Verweigerer aus Gewissensgründen gegeben – Menschen, die es prinzipiell ablehnen, Dienst an der Waffe zu leisten. Der erste uns bekannte Fall geht auf das Jahr 295 zurück, als Maximilianus von Numidien den Dienst im römischen Heer verweigerte. Er wurde schnurstracks enthauptet. In den Jahren 1965 bis 1970 versuchten etwa 160 000 Personen, sich unter Berufung auf den Vietnamkrieg dem Militärdienst zu entziehen, darunter auch 1967 Mark Vonnegut, Sohn des berühmten Schriftstellers Kurt Vonnegut jr. Während Mark sich dem vorgeschriebenen Verfahren unterwarf, um den Dienst zu verweigern, schrieb sein Vater an die Einberufungsbehörde, um die Erfolgsaussichten seines Sohnes zu verbessern.

28. November 1967

An die Einberufungsbehörde #1

Abteilung Wehrpflicht

Hyannis, Mass.

Gentlemen,

mein Sohn Mark Vonnegut ist bei Ihnen erfasst. Derzeit läuft sein Verfahren zur Anerkennung als Verweigerer aus Gewissensgründen. Ich unterstütze sein Vorgehen mit aller Entschiedenheit. Es entspricht den Grundsätzen, nach denen ich ihn erzogen habe. Sein Leben lang habe ich ihm den Hass auf jede Art des Tötens gepredigt.

Ich war als Freiwilliger im Zweiten Weltkrieg. Ich war bei der Infanterieaufklärung, habe am Kampfgeschehen unmittelbar teilgenommen, wurde schließlich gefangen genommen und musste etwa sechs Monate in deutscher Kriegsgefangenschaft verbringen. Ich bin Träger des Purple Heart. Ich wurde ehrenhaft aus dem Dienst entlassen. Ich denke, es steht mir zu, meine Meinung über das Töten an meinen Sohn weiterzugeben. Ich gehe nicht einmal mehr jagen oder fischen. Die paar längst verrosteten Waffen in meinem Besitz habe ich geerbt.

Meine Haltung zum Töten ist eine Angelegenheit zwischen meinem Gott und mir. Am öffentlichen religiösen Leben nehme ich kaum teil. Ich habe viel in der Bibel gelesen. Ich predige, mehr schlecht als recht. Ich schreibe Bücher, in denen ich meine Abscheu vor Menschen zum Ausdruck bringe, die das Töten für eine einfache und vernünftige Sache halten.

Wir sprechen reihum das Tischgebet. Alle Familienmitglieder waren oft dazu aufgefordert, dem Herrgott für die Segnungen zu danken, die uns zuteilgeworden sind. Was Mark derzeit tut, tut er im Dienste Gottes, dessen Sohn ausgesprochen unkriegerisch war.

Das Ganze hat rein gar nichts mit Feigheit zu tun. Mark ist ein kräftiger, beherzter junger Mann. Was er tut, verlangt mehr Mut, als ich ihn je hatte – und mehr Anstand.

Meine Familie lebt seit fünf Generationen in diesem Land. Meine Vorfahren sind hierhergekommen, um dem militaristischen Wahn und der Tyrannei zu entfliehen, die in Europa herrschten. Sie wollten die Freiheit, ihrem Gewissen zu folgen. Sie und ihre Nachkommen waren gute Bürger und stolz darauf, Amerikaner zu sein. Mark ist stolz darauf, Amerikaner zu sein, und in den Augen seines Vaters ist er nunmehr ein in jeder Hinsicht erstklassiger Bürger.

Er wird nicht hassen.

Er wird nicht töten.

Denn in alledem liegt keinerlei Hoffnung. Im Krieg liegt keinerlei Hoffnung.

Mit vorzüglicher Hochachtung

Kurt Vonnegut jr.

ICH WERDE ERHOBENEN HAUPTES STERBEN

Blanca Brisac Vázquez an ihren Sohn Enrique

5. August 1939

Übersetzt von Gunter Blank

Der im Juli 1936 von Francisco Franco begonnene Spanische Bürgerkrieg dauerte zwei Jahre und acht Monate und kostete 500 000 Menschenleben. Er führte zur Absetzung der demokratisch gewählten Regierung und zur Auflösung der Zweiten Spanischen Republik, an deren Stelle die von Franco geführte Militärdiktatur trat, die über seinen Tod 1975 hinaus bis 1978 andauerte. Massenhinrichtungen waren zu Beginn des Konflikts an der Tagesordnung und hielten auch nach Ende des Krieges noch einige Zeit an, weil Francos Streitkräfte auf diese Weise ihr Regime stabilisierten und potenzielle politische Bedrohungen ausschalteten. Während dieser Säuberungsperiode wurden drei Monate nach Kriegsende dreizehn junge Frauen verhaftet, zum Tode verurteilt und am Morgen des 5. August 1939 von einem Exekutionskommando erschossen. Alle bis auf eine waren Mitglieder der Juventudes Socialistas Unificadas, der Vereinigten Sozialistischen Jugend, und wurden später unter dem Namen Las Trece Rosas (Die Dreizehn Rosen) bekannt. Lediglich die neunundzwanzigjährige Pianistin Blanca Brisac Vázquez gehörte keiner politischen Organisation an. Sie war eine tief gläubige Katholikin und entstammte einer rechtsgerichteten Unternehmerfamilie. Allerdings war sie mit einem kommunistischen Musiker verheiratet, den sie zwölf Jahre zuvor kennengelernt hatte, als sie gemeinsam Stummfilme begleiteten. Wenige Stunden bevor sie ihr Leben aushauchte, schrieb Blanca Brisac Vázquez an ihren elfjährigen Sohn Enrique.

Heute 5.8.1939 Tag der Jungfrau Maria des Schnees

Mein geliebter, mein heiß geliebter Sohn meiner Seele

In diesen letzten Augenblicken denkt Deine Mutter an Dich. Ich denke nur an Dich, mein Herzensbübchen, der Du ein Mann bist, ein kleiner Mann, und erfahren wirst, wie aufrecht Deine Eltern waren. Verzeih mir, mein Sohn, wenn ich einmal ungerecht zu Dir war. Denk nicht mehr daran, mein Sohn, behalte mich nicht so in Erinnerung, Du weißt doch, wie sehr mich das bedrückt.

Ich werde erhobenen Hauptes sterben. Sei vor allem gut: Das weißt Du von allen am besten, mein Quique.