O. Nevart
Jeschua
Eine orientalische Geschichte
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Buch
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Epilog
Wissens-Quellen
Impressum neobooks
Für meine Frau und für unseren Sohn.
Dieser historisch-politische Kriminalroman spielt in den Jahren 3 bis 25 n. Chr. überwiegend in der römischen Klientel-Provinz Galiläa, im Norden des heutigen Staates Israel. Die Bewohner dieser Region sprechen zur Zeit der Erzählungen das westliche Aramäisch. Daher werden sie in der Erzählung Aramäer oder Galiläer genannt.
Es ist eine Geschichte aus einem komplizierten Land, denn in kaum einer anderen Region dieser Welt gibt es so viele verschiedene Kulturen und Religionen auf engstem Raum, wie im Nahen Osten. Das ist heute so, und das ist es zu der Zeit, in der dieser Roman spielt.
Das Buch handelt aber auch von unserer kulturellen DNA. Wir haben sie über die Jahrtausende gemeinsam entwickelt. Das verpflichtet uns zu einem friedlichen Zusammenleben.
Bis auf wenige Passagen habe ich auf ausführliche Erklärungen oder Beschreibungen von Wahrnehmungen, Gedanken, Gefühlen und Handlungen der auftretenden Personen verzichtet. Das ist eine bewusste Übertreibung des mosaischen Bilderverbotes, das für die Aramäer dieser Zeit von zentraler Bedeutung ist. Das Ausfüllen der dadurch entstehenden „Lücken“ überlasse ich der Vorstellungskraft der Lesenden.
Personen und Handlung sind frei erfunden und Ähnlichkeiten mit lebenden Personen rein zufällig. Ähnlichkeiten mit historischen Personen und Handlungen sind dagegen unvermeidlich.
Rom, im Jahr 25 n. Chr.
„Legat Claudius Babillus!“ Claudius erhob sich und er folgte dem Diener.
Der Kaiser saß an seinem Arbeitstisch und las in einem Papyrus in seinen Händen. Als der Diener und Claudius vor ihm stehenblieben hob Tiberius seinen Kopf und er sah Claudius an. „Salve, Claudius,“ sagte er. Claudius grüßte den Kaiser militärisch. „Ave Caesar, mein Kaiser!“
Mit einem Blick und einer kleinen Handbewegung bedeutete Tiberius seinem Diener, dass er sich zurückziehen soll. Der Diener nickte kurz und Claudius sah, wie er den Raum durch einem Vorhang verließ.
„Wie war die Reise, Claudius?“ „Der Wind war uns wohlgesonnen, mein Kaiser.“ Tiberius nickte.
„Ich habe Deine Berichte gelesen, Claudius. Wenn ich Deine Worte richtig verstehe, war Deine Mission erfolgreich. Das war gute Arbeit. Ich gratuliere Dir.“ Tiberius lächelte freundlich. „Danke, mein Kaiser. Ich werde Deine Glückwünsche an meine Mitstreiter übermitteln lassen. Sie haben den Erfolg ermöglicht,“ sagte Claudius. Tiberius nickte. „Legen wir uns zu Tisch, Claudius.“
Der Kaiser blickte in Richtung einer Gruppe mit Liegen und niedrigen Tischen, auf denen Obst und Getränke angerichtet waren. „Ich möchte die Ereignisse aus Deinem Mund hören. Wir haben Zeit.“
Galiläa, am Anfang des ersten Jahrhunderts.
Wenn er seine Augen öffnete, sah Jeschua Palmen, Nussbäume, Pinien, Olivenbäumen und wilde Obstbäume, und er lernte die Worte dafür. Seine Ohren folgten dem Gesang der Zikaden und seine Haut spürte einen warmen Wind, im hellen Licht der Sonne.
Und er verstand die Worte für Gerste, Hirse, Weizen und für die Weinberge. Früh konnte er Nüsse und Olivenkerne zielsicher in Vasen mit engem Hals werfen. Und schon bald darauf konnte er einen mit einer Axt gut geführten Schlag auf Holz, von einem schlechten Schlag unterscheiden, und er erkannte einen gut gebrannten Ziegel von einem schlechten. Wenn er müde wurde, schlief er. Wenn er traurig war, weinte er. Wenn er glücklich war, lachte er. Und seine Mutter, die Maria hieß, freute sich über den Klang seiner Stimme und gleichzeitig ängstigte der Klang sie, ohne dass sie hätte sagen können warum. Er hatte kein Gesicht seines Vaters vor Augen, der Josef genannt wurde, so wie er das Gesicht seiner Mutter, seines Patenonkels oder die Gesichter seiner Geschwister vor seinem inneren Auge sehen konnte, wenn er es wollte. Befragte er seine Mutter oder seinen Patenonkel nach seinem Vater, so sagten sie, er ist im Jenseits. Ein Ort, an dem die Toten einst wiederbelebt und sie wiederaufstehen werden. Eines Tages würden sie selbst und er und seine Geschwister gemeinsam im Jenseits sein. Das verstand er nicht.
Früh sah er die toten Menschen, ihre zuerst schlaffen, später erstarrten Leiber und die Flecken auf ihrer Haut. Sie wurden in ein Tuch gewickelt, balsamiert und in der Erde begraben. Wenn feste Männerschritte näherkamen, oder Männer zu Pferde, liefen er und sein Bruder schnell vom Hauptweg zu der nächstgelegenen Hausecke und trotz ihrer Angst zählten sie mit verschlossenen Augen die Anzahl der Pferde. Manchmal, wenn er mit sich und seinen Gedanken alleine war, wünschte er sich, er wäre wie diese Männer. Er bewunderte ihre Kraft und ihre stolze Erscheinung, die alles besitzen und verstummen lassen konnten. Früh sah er kranke Menschen. Er spürte ihr Fieber und ihre Schmerzen und sein Herz weinte mit ihnen.
Früh spürte er die frische Luft des Wassers vom See. Und er freute sich mit dem Bruder seines Patenonkels, wenn das Netz voll mit Fischen war. Seine Augen glänzten beim Gesang seiner Mutter und seiner Schwestern. Das alles und noch viel mehr nahm er in sich auf, Jeschua, der Sohn von Maria. Zum Frühstück aß er Fladenbrot mit etwas Salz und er trank Ziegenmilch. Vormittags ging er seinem Patenonkel bei den Bauarbeiten zur Hand und sein Magen knurrte bisweilen vor Hunger. Doch sie waren nicht wohlhabend, wie die Menschen im fernen Jerusalem von denen sein Patenonkel manchmal berichtete, oder wie die Menschen in Zippori, wo der Patenonkel manche seiner Holzarbeiten verkaufte. Und bald konnte er seinen Hunger beherrschen. Umso mehr freute er sich auf das Abendessen, für das seine Mutter und seine Schwestern Hirsebrei mit Salz und manchmal mit etwas Gemüse zubereiteten. Wenn der Ertrag seines Patenonkels gut war, reichte seine Mutter zum Abendessen auch geröstetes Fleisch vom Geflügel oder vom Schaf und Obst als Nachtisch.
Am Abend vor dem Sabbat gingen er und sein Bruder mit seinem Patenonkel und mit den Söhnen des Patenonkels in das Haus der Gebete und sie begrüßten den Sabbat als Braut. Seine Mutter zündete die Sabbatlichter an und die Familie versammelte sich um den Tisch. Am Sabbat standen sie später auf als gewöhnlich und die Arbeit ruhte. Sie wuschen sich gründlich und seine Mutter sah ihren ältesten Sohn jeden Sabbat etwas größer und kräftiger geworden. Und manchmal wurde sie bei seinem Anblick auch traurig, denn eines Tages würde er sie verlassen und den Klang seiner Stimme vermisste sie bereits in diesen kurzen Momenten der Traurigkeit. Nach dem gemeinsamen Besuch des Gebetshauses reichte Maria ihnen ein zweites Frühstück und bis zum Mittagsschlaf gingen sie zusammen mit der Familie ihres Bruders in den umliegenden Hügeln und Wäldern spazieren. Nachdem Jeschua seinen vierten Winter erlebt hatte und sein fünfter Frühling begann, bestimmte sein Patenonkel, dass Jeschua von nun an bis zur Mannwerdung über die Schriften und die Sprachen unterrichtet werden müsse.
Von den Lehrern hörte Jeschua die Worte der Gottheit und die Bücher der Propheten. Bald las er die alten Schriften und seine Lehrer waren voll des Lobes über seine klare Stimme. Seine Augen leuchteten, wenn er die alten Schriften las, so, wie wenn er seiner Mutter beim Gesang zuhörte. Sein Herz bebte, wenn er die alten Schriften las und jedes Wort in ihm erklang in einer anderen Farbe. Früh hörte er den Lehrern bei der Auslegung der Schriften zu, und früh konnte Jeschua vom Allgemeinen auf das Besondere, vom Leichteren auf das Schwerere oder auf eine Sache aus dem Zusammenhang schließen. Und seine Lehrer waren voll des Lobes über die Vollkommenheit seiner Rede. So sehr Jeschua die Unterrichtung von den Lehrern liebte, so sehr freute er sich auch auf die Nachmittage, in denen er dem Patenonkel bei den Bauarbeiten weiterhin zur Hand ging. Allen Menschen bereitete Jeschua Freude, alle Menschen liebten ihn.
Mit Beginn seines dreizehnten Frühlings wurde Jeschua von der Gemeinde feierlich zum Mann geweiht, zum Mann, der für seine Taten verantwortlich ist. Und die Augen seiner Mutter, die seines Patenonkels, die seines Bruders und seiner Schwestern, die der Söhne und Töchter des Patenonkels glänzten vor Freude. Und seine Lehrer waren voller Stolz auf Jeschua, als er vor der Gemeinde zum ersten Mal aus den Büchern der Propheten vorlas. Die Luft und die Tiere verstummten und seine Stimme berührte alle Herzen und Seelen. Wenn Jeschua mit seiner Hand sein Gesicht berührte, fühlte er die ersten Barthaare über seiner Oberlippe und an den Wangen. Seine Stimme wurde dunkler, behielt aber ihre Klarheit. Die Stoffe über den Busen seiner Schwestern hoben sich zusehends. In den Haaren seiner Mutter und denen seines Patenonkels zeigten sich kleine graue Streifen.
Und so geschah es, dass seine Lehrer mit den Weisen über Jeschua sprachen. Nachdem die Weisen von den Lehrern das Zeugnis über Jeschua vernommen hatten, wünschten sie, Jeschua solle zu ihnen kommen. Und Jeschua tat, wie von ihm gewünscht und er ging in Begleitung seines Patenonkels zu den Weisen. Und die Weisen sahen und hörten, was Jeschuas Lehrer über ihn berichtet hatten mit ihren Augen und Ohren und sie befanden ihn würdig von ihnen unterrichtet zu werden. Nach der Mannwerdung erhielt Jeschua für seine Arbeit von seinem Patenonkel den ersten Lohn, denn die Weisen wünschten, dass ein künftiger Schriftgelehrter ein Handwerk beherrscht und seinen Lebensunterhalt selbst bestreitet. Von den Weisen lernte er, die Worte wiederzufinden, die schon immer in ihm waren, die Farben in seiner Seele. Er lernte, wie er sie befragen konnte und er fühlte den Sinn darin.
Und die Weisen nickten wohlgefällig über Jeschuas Worte. So kam es, dass die Menschen der Gemeinde zu ihm kamen, wenn sie Rat brauchten. Eines Tages kam ein Winzer und Jeschua hörte ihm zu. „Schriftgelehrter, in meinem Weingarten steht ein Apfelbaum, der schon meinem Vater und dem Vater meines Vaters gehörte. Sein Stamm ist kräftig, seine Blätter sind saftig. Seit drei Jahren komme ich und sehe, dass der Baum keine Früchte trägt. Wenn ich den Baum fälle, fürchte ich, die Ehre meines Vaters und die seines Vaters zu verletzen. Was soll ich tun?“ (Lukas 13,6-9 EU: angelehnt an das Gleichnis vom Feigenbaum ohne Früchte.)
Jeschua ließ die Worte des Mannes in sich verklingen und dann sprach er: „Gelobt seist Du, dass Du Deine Väter ehrst. Denn so steht es geschrieben. Und gelobt sei Deine Familie, dass sie den Baum aus dem Paradies über Generationen hinweg vortrefflich gepflegt hat, denn es ist auch Gutes in ihm.“ Die Augen des Mannes leuchteten über die Klarheit von Jeschuas Stimme. „Angenommen, einer Deiner Söhne, käme einer Bitte von Dir drei Mal in Folge nicht ganz zu Deiner Zufriedenheit nach. Was sagt Dein Herz Dir dazu?“ Für einen Moment sah der Mann Jeschua verwundert an, doch dann sagte er: „Nun, ich würde zu ihm gehen und ihn fragen, was ihn bedrückt, dass er meiner Bitte nicht ganz nachkommen könne. Aber leider kann ich den Apfelbaum nicht befragen.“ Jeschua lächelte: „Gelobt seist Du für die Geduld, die Du für Deinen Sohn aufbringen würdest. Könnest Du versuchen Dich in den Apfelbaum hineinzuversetzen, der Deiner Familie so zur Ehre gereicht?“ Der Mann nickte etwas zögernd. „Du könntest Dich fragen, ob ihm nicht vielleicht etwas Wichtiges fehlt, damit er wieder Früchte tragen kann.“ Der Mann freute sich sehr über die Worte des Schriftgelehrten und er beschloss den Boden um den Baum herum aufzugraben und ihn zu düngen. Vielleicht, dachte er, trägt er ja doch noch Früchte. Und Jeschua spürte die Gedanken des Winzers. „Ich sehe, Du hast einen Entschluss gefasst. Die Gottheit ist auch geduldig mit den Gebrechlichen.“ „Friede sei mit Dir, Schriftgelehrter“, sagte der Mann und beglückt ging er nach Hause. Tief in seinem Herzen und in seiner Seele, dort, wo noch keine Farben waren, bemerkte Jeschua mit den vergehenden Jahreszeiten eine Veränderung. Am Tag, da ihn Schriftauslegungen, Gespräche mit Ratsuchenden und Bauarbeiten bei seinem Onkel einnahmen, nahm er sie nicht bewusst wahr. Wenn er sich nach dem Abendessen zum Schlafen hinlegte, dagegen schon, obwohl er sie noch nicht hätte beschreiben können. Und die Müdigkeit verdrängte sie.
Morgens, auf dem Weg von den Häusern seiner Mutter und seines Patenonkels zu den Weisen atmete er die kühle Luft. Im Frühling erfreute er sich am frischen Grün der Pflanzen und an den schwungvollen Gesten der Bauern bei der Aussaat, im Sommer am hellen Gold der Getreidefelder. Im Spätsommer blieb er manchmal stehen und er beobachtete die Bauern bei der Erntearbeit. Manche Bauern machten keine Nachlese, sodass die ärmeren Menschen noch etwas finden konnten. Im Winter trug er einen festen Mantel, der ihn wärmte. Wenn er sich dem Dorfplatz näherte, dort, wo auch der Markt stattfand, sah er die Armen, die von den reicheren Passanten milde Gaben erbettelten und sein Herz weinte mit ihnen, so wie mit den Kranken, denn die reicheren Menschen drängten die Armen zur Seite. Und Jeschua teilte mit den Armen, was er teilen konnte, so wie wenige andere Menschen auch. Stand nicht geschrieben: Denn ich kenne eure Freveltaten, die so viel sind, und eure Sünden, die so groß sind, wie ihr die Gerechten bedrängt und Bestechungsgeld nehmt und die Armen im Tor unterdrückt. (Amos 5, 10-15) Hatte das Volk Israel nicht in Ägypten und auf der Wüstenwanderung große Armut erlitten? Hatte die Gottheit seinem Volk nicht das Land als reiches Land geschenkt, in dem es keine Armut geben müsse? Waren es nicht die gleichen Menschen, die die Armen bedrängten und die am Sabbat im Gebetshaus gelobten die Armen gerecht zu behandeln? Wenn er bei den Weisen angekommen war oder wenn er seinem Patenonkel zur Hand ging zerstreuten sich seine Eindrücke und Fragen in ihm, und manchmal fragte er sich: Wer bin ich schon, dies zu beklagen? Doch Bruchstücke davon verblieben in ihm, dort, wo noch keine Farben waren.
Was die Weisen ihm vermittelten nahm er in sich auf. Am meisten aber interessierten ihn die Menschen in der Gemeinde, mit ihren Handlungen, Worten und Gedanken. Da waren die Händler, die ihre Waren verkauften. Die Verschuldeten, die weitere Schulden machten, die Bittsteller, die ihm ihre Geschichten erzählten, und manche von ihnen waren nicht annähernd so mittellos wie er. (Angelehnt an: Hermann Hesse, Siddhartha, Eine indische Dichtung.) Die Kaufleute aus der Fremde, und selbst die Soldaten Roms und die Zöllner, begrüßte er nicht anders als den, der seine Haare und seinen Bart pflegte, oder den Wirtshausbesitzer. Er nahm sich Zeit für die Kranken und Gebrechlichen, sprach ihnen Mut zu. Viel Zeit verbrachte Jeschua mit den Ärzten, denn ihre und seine Wege zu den Menschen trafen sich oft bei Geburten, Kranken und Sterbenden. Er bemerkte die Handlungen der Ärzte und ihre Wirkung auf die Menschen genau und er schrieb seine Beobachtungen für sich auf.
Wenn Gemeindemitglieder mit ihm über ihre Sorgen sprachen, so hörte er ihnen zu. Manchmal wunderte er sich über sie, manchmal konnte er ihre Handlungen nicht verstehen. Und es kamen viele Menschen zu ihm. Jeschua beriet sie, er sprach mit ihnen, er schenkte ihnen seine Aufmerksamkeit, und diese Leidenschaft, mit der alle Menschen sich immerfort untereinander beschäftigten, strengte ihn sehr an. Und obwohl ihn die Menschen liebten, sah er sich selbst nicht als ein Teil von ihnen. Ihr Herz und ihre Seelen waren mehr bei ihren Sorgen und Hoffnungen, als dort, wo er sein Herz und seine Seele wusste, bei der Gottheit. „Viele Menschen, oh Weiser,“ sagte er eines Tages zu seinem Lehrer „sind sie nicht wie Staubkörner, die vom Wind ziellos umhergetragen werden?“ Der Weise sah Jeschua an. „Was meinst Du?“ „Wenige leben nach der Schrift, die wie die Sonne ist.“ Jeschuas Mitschüler nickten eifrig. Und der Weise fragte: „Gibt es an diesem Ort einen, der jede Handlung, jeden Gedanken und jedes Wort getreu der Schrift zu jeder Stunde erfüllt?“ Und seine Hände deuteten auf alle Schüler um ihn. Und alle bis auf Jeschua schlugen die Augen nieder. Und der Weise sah in Jeschuas Augen und er wusste, dass dieser eine nach der Schrift lebte und es erfreute ihn sehr. „Warum schlagt ihr die Augen nieder?“ Fragte der Weise seine anderen Schüler. „Hat Euch jemand angeklagt?“ (Angelehnt an: Johannes 8,1–11, Jesus und die Ehebrecherin.) Und sie sahen den Weisen erstaunt an. „Geht nun an Eure Studien und an Eure Arbeit und lebt von nun an getreu der Schrift!“ Und sie gingen zu ihren Studien und an ihre Arbeit.
„Jeschua“. Der Angesprochene drehte sich um. „Bleibe noch einen Moment“. „Natürlich, mein Meister,“ entgegnete Jeschua ehrfürchtig. „Du lebst wahrlich getreu der Schrift. Ich konnte es in Deiner Seele sehen.“ Jetzt schlug Jeschua die Augen nieder. „Deine Beobachtung der Handlungen, Gedanken und Worte der Menschen ist wohl beobachtet und formuliert.“ Und Jeschua sah dem Weisen wieder in die Augen. „Doch ich frage Dich: Stellst Du mir mit Deiner Klage eine Frage?“ Und Jeschua antwortete: „Ja, Meister. Ich frage Dich, wie wir die Menschen auf den gerechten Weg bringen können. So wie Du, mein Meister, höre ich ihnen zu, spreche mit Ihnen und ich lege ihre Probleme getreu der Schriften aus. Sie nicken verständnisvoll, sie bedanken sich und gehen ihrer Wege. Doch wie es mir scheint nur, um am nächsten Tag mit einem anderen Problem und manchmal sogar mit dem gleichen Problem wiederzukommen.“ Und der Weise lächelte: „Was ist Deiner Meinung nach der Schlüssel, damit die Menschen unserer Gemeinde die Tür zum Weg der Gerechten öffnen können?“ Und Jeschua wusste keine Antwort drauf. „Nun, Jeschua,“ sagte der Weise und es war das erste Mal, dass ihn der Weise so ansprach „ich bin sicher, eines Tages wirst Du die Antwort auf diese Frage finden. Nun gehe auch Du an Deine Arbeit.“
An einem anderen Tag heiratete seine älteste Schwester, die Rachel gerufen wurde, Jakob, den Sohn von Jakobus, dem Dorfschmied. Und Jeschua, der nun auch von den Weisen Schriftgelehrter gerufen wurde, leitete die Hochzeitszeremonie mit großer Freude, denn er liebte Rachel, seine älteste Schwester sehr. Und als er die sieben Segenssprüche sprach, weinte seine Mutter vor Glück. Und wie von unsichtbaren Fäden gezogen erinnerten sie sich zur gleichen Zeit an Momente ihres gemeinsamen Lebens. Maria sah das erste strahlende Lachen von Rachel, ihrer Tochter, Jeschua hörte den ersten Gesang von Rachel, seiner Schwester. Rachel dachte an die erste Lesung ihres Bruders, die die Luft und die Tiere verstummen ließ und die ihre Herzen und Seelen berührte. Und die Hochzeit von Rachel und Jakob wurde ausgelassen gefeiert. Für kurze Augenblicke sah Maria in die Augen von Jeschua, ihres erstgeborenen Sohnes und sie glaubte, darin eine Melancholie zu erkennen. „Jeschua, mein über alles geliebter Sohn,“ sprach sie ihn an. „Du bist zu einem Mann geworden. Deine Familie liebt Dich, Dein Patenonkel liebt Dich und schätzt Deine Arbeit und die Gemeinde liebt Dich und Deine Worte. Mit welcher Frau wirst Du Dich vermählen?“ Jeschua sah diese Frage seiner Mutter vorher. „Ich sehe viele kluge und schöne Frauen, Mama. Doch noch hat keine mein Herz berührt.“ Und Maria hatte seine Antwort erwartet und sie lächelte verständnisvoll. „Warte nicht zu lange, mein Sohn. Das Leben im Diesseits ist nicht von ewiger Dauer.“ „Ich weiß, Mama,“ antwortete er. Und sie feierten die Hochzeit von Rachel und Jakob bis spät in dieser Nacht. Am nächsten Vollmond kam ein Bote aus dem nächstgelegenen Dorf, das von den Menschen NaÏn genannt wurde, zum Ortsvorsteher von Nazaret.
Beim ersten Tageslicht berief der Dorfvorsteher die Versammlung der Dorfältesten, des Richters, des Arztes, des Weisens und des Schriftgelehrten ein. Der Weise, der Jeschua und die anderen jungen Schriftgelehrten nach ihrer Prüfung noch eine Weile begleitete, befragte sie: „Wer aus Eurem Kreis wird mich zur Dorfversammlung begleiten?“ Einer musste einen neugekauften Acker besehen, ein anderer ein neugekauftes Joch Ochsen und ein Dritter hatte gerade eben erst geheiratet. (Lk 14,15–24 EU: angelehnt an das Gleichnis vom großen Abendmahl.) Und so fiel die Wahl auf Jeschua.
Und der Weise, der nach den vielen Jahren des Unterrichtens in die Herzen und Seelen seiner Schüler hineinschaute, fragte sie: „Kennt einer von Euch einen guten Grund, weshalb Jeschua mich nicht zur Dorfversammlung begleiten wird? Falls ja, so möge er jetzt sprechen oder für immer schweigen.“ Die jungen Schriftgelehrten schüttelten die Köpfe. Doch der Weise sah auch Zaghaftigkeit und Missgunst in den Herzen. So gingen der Weise und Jeschua zur Versammlung.
Auf dem Dorfplatz waren bereits einige Dorfbewohner versammelt, denn die Kunde des nächtlichen Boten hatte sich schnell unter ihnen verbreitet. „Wer Ohren hat zu hören, der höre!“ Der Ortsvorsteher unterbrach das Gemurmel unter den Männern mit lauter Stimme und er deutete auf den Boten aus NaÏn. „Edler Dorfvorsteher, edle Älteste und edler Weiser aus Nazaret.“ Und die Männer aus Nazaret nickten über dessen Eröffnung. „Mein Name ist Tobias, ich überbringe Euch traurige Kunde von meinem Vater Elias, dem Ortsvorsteher von NaÏn. Vor zwei Tagen fanden wir Simon, den Schriftgelehrten unseres Dorfes, auf mysteriöse Art gestorben auf seinem Weinberg vor.“ „Möge er in Frieden ruhn,“ murmelten die Männer, doch der Ortsvorsteher befahl ihnen erneut Einhalt. „Wie Ihr wisst, war Simon der Schriftgelehrte, möge er in Frieden ruhn, ein kluger und starker Mann, denn er bestellte seinen Weinberg gut und er war ein wachsamer Hirte unserer Gemeinde.“ Und wieder nickten die Männer. „Doch der Arzt befand nach eingehender Untersuchung, dass er von fremder Hand erschlagen wurde.“ Und der Bote senkte seinen Kopf zum Zeichen seiner Bestürzung und Trauer. Diesmal schwiegen die Männer, denn sie waren entsetzt. Einen Schriftgelehrten zu erschlagen, war eine schreckliche Sünde und alle fürchteten den Zorn der Gottheit. „Und so bitten wir aus NaÏn, Euch, edle Nazarener, um Eure Hilfe, indem einer Eurer Schriftgelehrten das Amt übergangsweise übernehmen möge, bis wir einen würdigen Nachfolger gefunden haben. Es soll ihm an nichts mangeln.“ Die Männer sahen sich untereinander an und laute Gespräche unter ihnen begannen. „Seid still!“ Befahl der Ortsvorsteher und die Männer schwiegen wieder.
„Habt Ihr den ergriffen, der Simon, den Schriftgelehrten, erschlug?“ Fragte er den Boten und Tobias aus NaÏn schüttelte seinen Kopf. „Doch mein Vater und die Männer des Dorfes untersuchen den Vorfall.“ Obwohl es für Jeschua die erste Dorfversammlung war, an der er teilnahm, erstaunten ihn die Reaktionen der Versammlung nicht. Hatte er in den zurückliegenden Jahren doch mit allen Männern gesprochen. Und er konnte die Ängstlichen von den Wütenden unterscheiden, die Nachdenklichen von den Lauten, ohne sie anzusehen. Leevi, den Ortsvorsteher von Nazaret, kannte er in seiner offiziellen Rolle bisher nicht und dessen Rede und Auftreten überraschte Jeschua, und er verstand jetzt, weshalb er dieses Amt innehatte. Und Leevi erhob sich, befahl erneut Ruhe und er wandte sich an die Ältesten unter ihnen: „Ezra, Isaak, Nathan, was sagt Ihr?“ Die Ältesten besprachen sich kurz und Isaak erhob sich: „Tobias, Sohn des Ortsvorstehers von NaÏn, auch wenn es traurige Kunde ist, die Du uns bringst, so danken wir Dir für Dein Kommen und für Euer Vertrauen in uns und wir grüßen Elias, Deinen Vater.“ Die Männer nickten. „Und so wie es der Väter Sitte ist, werden wir heute noch Rat halten. Geh zu Lea der Gastwirtin, sie wird Dir Essen und Getränke geben. Und danach werden wir Dir unseren Entschluss mitteilen. Ist das für Dich akzeptabel?“ Tobias dankte ihnen und er verließ die Versammlung.
Die Männer wogen alle Argumente für und gegen die Unterstützung NaÏns durch Nazaret sorgfältig ab. Und weil Jeschua der jüngste unter ihnen war, wurde er vom Ortsvorsteher nach seiner Meinung befragt, als alle anderen bereits gesprochen hatten. „Gründlich habt Ihr das Pro und Kontra der Bitte des Tobias und der armen Menschen von NaÏn abgewogen. Und ja, es ist ein Risiko, solange der Mörder des Simon auf freiem Fuß ist und wir die Motive des Mörders nicht kennen. Doch steht nicht auch geschrieben? Denn der Arme wird nicht aufhören inmitten des Landes; darum gebiete ich dir und spreche: Du sollst deinem Bruder, deinem Dürftigen und deinem Armen in deinem Land, deine Hand weit auftun. (Jesaja 58.7) Könnt Ihr Euch vorstellen in einem Dorf ohne einen Schriftgelehrten zu leben?“ Die Männer vernahmen seine Worte und sie schüttelten die Köpfe. „Doch bedenket,“ fuhr er fort. „Es steht auch geschrieben, dass wenn ein Mensch ein Gelübde tut oder einen Eid schwört, ein Bündnis auf seine Seele zu nehmen, so soll er sein Wort nicht brechen: Nach allem, was aus seinem Mund hervorgegangen ist, soll er tun.“ (3. Mose 27.2) Und wieder nickten die Männer.
In diesem Moment kannte Jeschua seine Stimme nicht wieder. „Wenn es Euer Wunsch ist, gehe ich nach NaÏn, damit die armen Menschen dort nicht ohne die Worte der Gottheit sind, bis sie einen würdigen Nachfolger für den armen Simon gewählt haben, möge er in Frieden ruhn. Ich fürchte den Tod nicht, Vorfahren und Nachkommen trifft es, wie Dich!“ Und die Männer sahen ihn an und sie bewunderten seine klare Stimme. Und so riefen sie den Tobias und sie teilten ihm ihren Entschluss mit. Und die Augen des Tobias leuchteten über die Barmherzigkeit der Nazarener. Als die Versammlung beendet war, sprach Jeschua den Weisen an. „Meister?“ Der Weise sah ihn an. „Hättest Du an meiner Stelle anders gesprochen und gehandelt?“ Und der Weise sagte: „Du hast wohl gesprochen und gehandelt. Denn in diesem Sinne haben wir Dich gelehrt.“ „Und doch spüre ich, dass Du nicht vollständig mit mir zufrieden bist. Irren mich meine Sinne?“ „Du hast viel dazugelernt, Jeschua. Erlaube mir zu fragen, bestand nicht auch die Möglichkeit zu einem kurzen Gespräch unter unseren vier Augen, damit wir Dein Angebot hätten besprechen können, bevor Du es gemacht hast?“ Doch Jeschua sagte: “Hätte das Gespräch unter unseren vier Augen etwas an dem Entschluss geändert?“ „Vermutlich nicht, Jeschua, denn der Entschluss ist gerecht. Doch ist es nicht noch wirkungsvoller, wenn ein Entschluss gemeinsam geboren wird und alle an ihm teilhaben?“ Und Jeschua stimmte ihm von Herzen zu, denn er verstand das Argument. „Es wird mir eine Lehre sein,“ sagte er. Und der Weise befand Jeschua für gut, denn er konnte dessen Aufrichtigkeit in seiner Seele und in seinem Herzen lesen.
Seine Mutter und seine Geschwister weinten, als Jeschua ihnen den Beschluss überbrachte und sie waren auch voller Stolz auf ihn, so wie sein Patenonkel. So geschah es, dass Jeschua aus Nazaret, der Sohn von Maria, seine wichtigsten Habseligkeiten packte und er sich auf den Weg nach NaÏn begab.
Reisende konnten auf zwei Wegen von Nazaret nach NaÏn gelangen. Entweder verließ man Nazaret nach Nordosten in Richtung des galiläischen Meeres, um dann nach wenigen Meilen am Berg Tabor vorbei nach Südwesten zu gehen. Oder man ging durch das südliche Stadttor, und ging für einige Meilen nach Süden. So erreichte man NaÏn nach den letzten drei bis vier Meilen östlich von dieser Route. Der Weg nach Nordosten war etwas länger als der nach Süden und war etwas anstrengender, da man zu Beginn für ein paar Meilen bergauf gehen musste, aber es gab mehr bewaldete Wegstrecken, die Schatten spendeten. Ein geübter Mann konnte die Strecke gut in vier Stunden ohne Rast bewältigen. Inklusive Pausen, die aufgrund des Reisegepäcks, der Hitze der Mittagszeit und wegen menschlicher Bedürfnisse nötig waren, war es aber ein Marsch, der einen größeren Zeitraum des Tageslichtes andauerte, vorausgesetzt es gab keine unerwarteten Zwischenfälle.
Zur Sicherheit befahl Leevi, der Ortsvorsteher von Nazaret daher, dass Jeschua und Tobias von zwei besonders kräftigen und mit Waffen vertrauten Männern des Dorfes begleitet werden. Reisende wurden auf diesen Wegen normalerweise nicht von Räubern bedroht, doch Leevi bedachte auch, dass sie als Schutz bei Jeschua bleiben sollten, bis sich die Lage in NaÏn als ungefährlich für einen Schriftgelehrten erweisen sollte. Einer der Begleiter war Johannes, Sohn des Zebedäus. Der andere war Kenan, Sohn des Kaufmanns Isaak. Und als sie nach einiger Zeit den Weltenberg sahen, der sich wie eine archaische Gestalt aus der Ebene erhob, erinnerte Jeschua sich an die uralten Geschichten, die er vor einiger Zeit von den Weisen gehört hatte. Die Geschichten, die aus dem Fernen Osten zu ihnen gekommen waren, viele Meilen weiter entfernt im Osten als Babylon, und die die Menschen um den großen Griechen mitgebracht hatten. Über die, deren oberstes Lebensziel es war Erleuchtung zu erlangen. „Ist nicht unser Streben nach Weisheit und gerechtem Leben vor der Gottheit dieser Erleuchtung vergleichbar und sind wir dadurch nicht verwandt mit den Menschen im Fernen Osten?“ Hatte Jeschua die Weisen gefragt. Die Weisen hatten ihm zugestimmt. Ist es nicht verwunderlich, wie die Menschen untereinander verbunden sind? Dachte Jeschua.
Nachdem sie den Berg Tabor hinter sich gelassen hatten, bat Tobias um eine Rast. Es war noch vor der Mittagsstunde und sie suchten einen schattigen Platz unter den Pinien am Wegesrand. „Tobias, Sohn des Elias. Erzähle uns von NaÏn. Ich war noch nie bei Euch,“ sagte Jeschua nach einer Weile. Und auch Johannes und Kenan sahen Tobias an. „Unser Dorf ist nicht so groß wie Nazaret. Vielleicht einhundertfünfzig Menschen leben bei uns.“ Und er erzählte ihnen, so gut er es konnte, dass die Häuser so wie die in Nazaret gebaut waren, gemauert aus Steinen, mit Holz verstärkt. Die Dächer waren mit Ziegeln bedeckt. Die Häuser waren entlang des Hauptweges gebaut und es gab auch Häuser abseits des Hauptweges, die man über schmalere Wege erreichen konnte. In der Mitte war der Dorfplatz, an dem der Markt und Versammlungen stattfanden. Dort stand auch ein alter Eichenbaum. Das Gebetshaus stand gegenüber dem Haus des Dorfvorstehers, dem Vater von Tobias. Wie die Menschen in Nazaret lebten sie in NaÏn von der Landwirtschaft. Die Weinbauern hatten ihre Häuser außerhalb des Dorfes in den Weinbergen, so auch Simon, der Schriftgelehrte, der von fremder Hand erschlagen wurde. „Wir Menschen in NaÏn sind nicht wohlhabend, so wie die Menschen in Zippori oder die im neu erbauten Tiberias. Doch es fehlt uns an nichts,“ sagte er mit etwas Stolz.
„Danke für Deine Worte, Tobias. Und wie ist es möglich, dass in einem Dorf, das so ist, wie Du es beschrieben hast, ein Mann, zumal ein Schriftgelehrter, ohne Zeugen erschlagen werden kann?“ Fragte Jeschua ihn. Und Tobias sagte: „Am Abend an dem Simon tot aufgefunden wurde, fand im Dorf ein großes Fest zur Feier des Geburtstages unseres Dorfältesten statt. Es wurde fröhlich und lange gefeiert, so, wie es Tradition ist. Simon und seine Frau verabschiedeten sich jedoch früher als seine Weingärtner und die Mägde, weil Simon früh am nächsten Morgen zu seinen Kunden reisen wollte. Als schließlich auch die Mägde in Begleitung der Weingärtner auf das Weingut zurückkamen, fanden sie eine große Unordnung vor und weder Simon noch seine Frau waren im Haus und es herrschte großes Entsetzen unter ihnen.“ Jeschua bemerkte, wie Tobias Stimme anfing zu beben, daher unterließ er weitere Fragen zu den Umständen von Simons Tod. Stattdessen fragte er: „Und was bist Du von Beruf?“ „Mein Vater ist Kaufmann, und wie es die Sitte will, bin auch ich Kaufmann geworden.“ „Hast Du Geschwister?“ „Ja, Schriftgelehrter, einen Bruder und eine Schwester.“ Und Tobias stellte dem Schriftgelehrten auch eine Frage: „Womit verdienst Du Deinen Lebensunterhalt?“
„Nun, Tobias, ich arbeite bei meinem Patenonkel, der Bauhandwerker ist.“ Tobias nickte wohlgefällig. „Wir wollen weitergehen,“ sagte Tobias, „es ist ja noch ein gutes Stück Weg.“ Nach einer weiteren Rast zur Mittagsstunde sahen sie am Nachmittag das Dorf NaÏn vor ihnen liegen. Es sah so aus, wie Tobias es gesagt hatte. Jeschua sah auch die Felder und die Weinberge, die Tobias beschrieben hatte. Das Dorf hatte kein festes Stadttor, so wie Nazaret. Die Häuser und Zäune waren zu einer Art Stadtmauer angeordnet. Ein steinerner Rundbogen über dem Hauptweg, an dem zwei Wachmänner standen, deutete jedoch unmissverständlich an, dass hier das Dorf NaÏn begann und jeder Fremde, der in das Dorf wollte, musste sich den Wachmännern erklären. Tobias blieb kurz stehen, und so blieben auch die anderen stehen, und seine Hand deutete auf ein Haus in den Weinbergen östlich der Stadtbegrenzung und ihre Blicke folgten ihm. „Dies ist das Haus von Simon.“ Und sie nickten und sie sagten leise, dass er in Frieden ruhen möge. Die Wachmänner ließen Tobias und die Fremden passieren, als ihnen der Grund für das Erscheinen erklärt war. „Und wo sind die Kinder von Simon?“ Fragte Jeschua. „Nun, Schriftgelehrter. Simon und seine Frau waren kinderlos, was ein großes Unglück für sie war.“
„Wo sind die Mägde und die Weingärtner des Simon jetzt?“ „Die Mägde sind bei meiner Mutter, denn sie wollten aus Angst nicht wieder zurück in das Haus des Simon gehen. Die Weingärtner sind jetzt bei ihren Familien und warten auf Anweisungen.“ Jeschua, Johannes und Kenan nickten. Und Jeschua fragte sich, war es möglich, dass Simon von seiner eigenen Frau erschlagen wurde? Tobias bat sie in das Haus seines Vaters und dort wurden sie von Elias und der Familie begrüßt. „Friede sei mit Euch. Bitte, legt Euch nieder, Ihr müsst erschöpft sein. Mein Haus soll Euer Haus sein. Trinkt, denn mein Getränk soll auch Euer Getränk sein. Doch verzeiht mir. Jetzt möchte ich kurz mit meinem Sohn sprechen und hören, was er zu berichten hat. Wir sind in Kürze wieder bei Euch.“
Und die Dienerinnen des Ortsvorstehers brachten ihnen Brot und Salz und frisches Wasser und etwas Obst. Und dann betraten Elias und Tobias wieder den Raum und sie legten sich nieder. „Wohlan, Schriftgelehrter Jeschua, Danke, dass Ihr Nazarener,“ er sah Johannes und Kenan an „und Du, dass Ihr uns in diesen dunklen Stunden zur Seite steht.“ Und Jeschua sagte: „Es war der Wille der Gottheit, denn es steht geschrieben, dass sich Menschen in der Not gegenseitig helfen.“ Die Männer und Frauen im Raum nickten. Und Jeschua fragte: „Wie können wir Euch helfen? Welches Vorgehen bestimmst Du?“ Elias sagte, dass er in dem Durcheinander der vergangenen Tage noch nicht viel Zeit hatte darüber nachzudenken. Die Gemeinde zu beruhigen und die Untersuchungen zu Simons Tod hatten ihn sehr beansprucht und da waren ja auch noch seine Geschäfte, die nicht ruhen konnten.
„Ehrlich gesagt hatte ich gehofft, dass Du mir hierbei zur Seite stehen könntest. Was würdest Du tun, wenn Du in meinen Schuhen stehen würdest?“ Und Jeschua dachte kurz nach, indem er sich seinerseits in die Schuhe der Weisen begab und sich fragte, was sie tun würden. Doch er hatte von den Worten des Weisen gelernt und so bat er um ein kurzes Gespräch mit Johannes und Kenan unter ihren sechs Augen. Es wurde ihm gewährt. Dann sagte er: „Nun, Elias, Ortsvorsteher von NaÏn, nach Deinen Erklärungen erscheint es uns, dass die Gemeinde recht beunruhigt ist und dass sie wieder Ruhe finden muss, soweit es jetzt möglich ist.“ Und Elias nickte.
„Was sagst Du dazu eine Dorfversammlung einzuberufen, damit die Menschen erfahren, weshalb Fremde unter ihnen sind. Und Du ihnen über den Stand Deiner Untersuchungen berichtest, damit sie sich nicht weiter fürchten?“ „Ehrlich gesagt, wissen wir heute nicht mehr, als wir vor zwei Tagen wussten: Simon wurde erschlagen und seine Frau ist verschwunden. Das wissen die Menschen bereits. Sie erwarten viel von ihrem Ortsvorsteher.“ Jeschua sah, dass Elias auch um sein Ansehen fürchtete und er konnte ihn verstehen. „Steht nicht geschrieben, dass der Vater den Kindern die Wahrheit sagt und Du die Wahrheit nicht verkaufen sollst?“ Und Elias verstand, was der Schriftgelehrte ihm damit sagte. „Gut hast Du gesprochen. Ich habe noch ein Problem. Was sage ich den Menschen über die Nachfolge des Simon?“
Und Jeschua sagte: „Kein Mann und keine Frau werden in dieser Situation erwarten, dass jetzt ein Schriftgelehrter und ein Winzer vom Himmel fallen, die dauerhaft unter Euch sein werden. Meine Anwesenheit mögen sie als Zeichen dafür nehmen, dass Du Dich der Nachfolgefrage bereits angenommen hast und dass die Nazarener und Ihr aus NaÏn gemeinsam an einer Lösung arbeiten. Denn auch das ist die Wahrheit.“ „So soll es geschehen!“ Sprach Elias. Und sein Sohn Tobias ging zu den Häusern und kündigte die morgige Dorfversammlung an. Jeder erwachsene Mann und jede erwachsene Frau war dazu eingeladen. Die Frau des Elias reichte ihnen das Abendessen und sie durften in den Gästezimmern schlafen.
Am nächsten Morgen gingen die Menschen zum Dorfplatz und Elias sprach die Wahrheit zu ihnen, so, wie sie es am Tag zuvor besprochen hatten. Und die Menschen hörten, was er sagte und ihre Herzen beruhigten sich. Und ein Mann fragte: „Elias, unser Dorfvorsteher. Was wird mit den Weinbergen des Simon geschehen?“ Elias, der seine Mitbürger gut kannte, hatte diese Frage erwartet. „Wie Du weißt, hatten wir in der Geschichte unseres Dorfes noch keinen vergleichbaren Vorfall, an dem wir uns orientieren könnten. Also werde ich morgen nach Tiberias gehen und die Rechtsgelehrten befragen. Sie werden einen gerechten Rat wissen. Und bis dahin wäre es gut, wenn Ihr wie gewohnt an Eure Arbeit geht. Simon hätte das gewollt.“
Und da der Ortsvorsteher bestimmte, dass der Schriftgelehrte und seine aufrechten Begleiter bis zur Nachfolge des Simon in dessen Haus wohnen sollten, fürchteten sie sich nicht mehr so sehr und sie gingen wieder an ihre Arbeit. Und Elias Augen leuchteten über seine Mitbürger und er sagte zu Jeschua: „Dein Beispiel soll mir ein Beispiel sein. Ich werde es mir mein Leben lang bewahren.“ „Danke nicht mir, Elias. Danke der Wahrheit. Sie ist es, die Dich geleitet hat und leiten wird, wenn Du es willst.“ Und so wie der Weise es ihn gelehrt hatte, nahm Jeschua Elias zur Seite und er fragte: „Wäre es nicht schön gewesen, wir hätten Deinen Entschluss, dass Johannes, Kenan und ich das Haus des Simon bis zur Nachfolge gemeinsam bewohnen sollen, vorab besprochen?“ Und Elias fragte: „Hätte das etwas geändert?“
„Nein, Elias. Aber wäre es nicht schöner gewesen, wenn der Entschluss gemeinsam geboren worden wäre?“ Und Elias sagte: „Du bist wahrlich ein Schriftgelehrter und es soll mir eine Lehre sein.“ Wenig später kamen Johannes und Kenan zu Jeschua und sie sprachen: „Schriftgelehrter! Heute haben wir mit unseren eigenen Augen gesehen und mit unseren eigenen Ohren gehört, wie mächtig das Wort ist, aus den Mündern der Gerechten.“ Doch Jeschua sagte: „Ich freue mich sehr über Euch. Und ist es nicht auch so, dass Worte, die von Schwertern begleitet werden, nur halb so mächtig sind?“ Und er sah die Waffen an ihren Gürteln und sie sagten: „Ja, Schriftgelehrter. Aber heute sind sie nicht schädlich.“ Und Jeschua nickte nachdenklich.
Als sie vor Simons Haus ankamen, fanden sie eine große Unordnung vor. Kenan zählte drei Hunde, die, noch an langen Ketten, tot vor ihren Hütten lagen. Ihre Leiber begannen sich zu wölben. „Jemand hat ihnen Gift gegeben, Schriftgelehrter,“ sagte Kenan. Im Haus sahen sie zerbrochene Krüge auf dem Boden, ihr Inhalt daneben, die Regale im Küchenbereich waren leer. Die Asche in den Feuerstellen war grau und kalt. Sie gingen auch in das obere Stockwerk mit den Schlafräumen. Kleidung lag auf den Schlafplätzen und auf dem Boden, die Kommoden und Truhen waren geöffnet, ihr Inhalt herausgeräumt. „Schriftgelehrter,“ sagte Kenan. „Diebe waren hier.“
„Möglich,“ sagte Jeschua. Auch ihm schien es, dass jemand nach etwas gesucht hatte. „Andererseits, lieber Kenan, sieh in die Fächer in den Kommoden und unter die Dielen. Sie sind unberührt,“ und Jeschua sah in diese Richtung. „Nach welchem Gut haben die Diebe also gesucht, wenn es welche waren?“ Fragte Jeschua. „Selbst der Schmuck von Simons Frau ist noch an seinem Platz,“ bemerkte Johannes. „Lasst uns das, was wir hier sehen, in uns bewahren, vielleicht müssen wir es noch bezeugen,“ sagte Kenan. „Du hast Recht, Kenan,“ sagte Jeschua. „Zuerst wollen wir die armen Tiere begraben. Dann müssen wir Ordnung schaffen, denn wir werden hier für einige Zeit zu Hause sein.“
Und nach dem Mittag kamen die Mägde des Simon zurück zum Haus. „Wie ist Euer Name?“ Fragte Jeschua sie freundlich. „Rebecca und Esther,“ antworteten sie mit gesenkten Köpfen. „Bitte, erhebt Eure Köpfe. Ihr ward in diesem Haus lange, bevor wir kamen.“ Und auch die Weingärtner des Simon, die Daniel, Aaron und Nataneel hießen, erschienen zur gleichen Stunde. Und sie gingen mit ihnen zu den Weinbergen und sie befanden, sie waren so, wie es Tobias bei der Dorfversammlung in Nazaret beschrieben hatte: Sie waren gut bestellt. Doch der Wein im Lagerhaus war ungenießbar gemacht worden. Die Täter hatten Ratten in die Fässer geworfen, in denen der Wein gelagert wurde. Die Bäuche der Tiere waren aufgeschnitten, jetzt schwammen sie leblos auf dem Wein. Und Jeschua wandte sich wieder an Kenan und Johannes: „Hier ist etwas Beispielloses geschehen.“ Und die Männer nickten.
Wie unter allen Landwirten, Handwerkern und Kaufleuten war auch unter den Winzern die Konkurrenz groß. Jeschua kannte die Auseinandersetzungen zwischen ihnen Meist ging es um niedrige Preise oder Panscherei, die ein Winzer dem anderen vorwarf. Doch von tödlicher Gewalt unter ihnen hatte er noch nicht gehört. Und das Verschwinden von Simons Frau erschien ihm noch mysteriöser als vorher. Elias erschien mit zweien seiner Mägde und sie brachten ihnen Speisen und Getränke aus ihren Vorräten. „Schriftgelehrter,“ sagte Elias. „Morgen früh gehe ich nach Tiberias, um die Rechtsgelehrten zu befragen. Es ist ein Viertagesmarsch hin und zurück, ich werde also eine Weile fort sein. Wendet Euch bitte in dieser Zeit mit all Euren Anliegen an Tobias. Er hat mein uneingeschränktes Vertrauen.“
Woher manche seiner Worte kamen, konnte Jeschua nicht sagen. Sie waren einfach da und wieder erschrak er darüber in sich, denn vor dem Abendessen sagte er: „Lasst uns das Abendessen gemeinsam einnehmen, wir wollen miteinander sprechen, denn wir werden für eine Weile zusammen leben.“ Üblich war, dass Mägde und Diener das Essen getrennt von der Familie des Hausherrn einnahmen. Und so legten sie sich etwas zögernd zum Abendessen nieder, die Weingärtner, die Mägde, Johannes, Kenan und Jeschua.
„Schriftgelehrter,“ begann Johannes das Gespräch, nachdem sie den ersten Hunger besänftigt hatte. „Wie soll es jetzt mit uns weitergehen, was sind Deine Pläne?“ Für Jeschua war es wichtig, dass sie sich jetzt als eine Gemeinschaft verstanden, die durch den Willen der Gottheit entstanden war. „Ein jeder von Euch soll das zu unserer Gemeinschaft beitragen, was sie oder er am besten kann. Und jeder von Euch soll über seinen Verantwortungsbereich verfügen. Doch wichtige Entscheidungen, wie zum Beispiel größere Ausgaben, sollen von uns gemeinsam besprochen werden.“ Und so besprachen sie die fürs Erste wichtigsten Bereiche des täglichen Lebens. Das Anwesen und die Kleider mussten reinlich gehalten werden, ausreichend Essen und Wasser musste vorrätig sein. Der vergiftete Wein musste entsorgt und neue Weinfässer mussten bestellt werden. Jeder Mann und jede Frau übernahm eigene Verantwortungsbereiche.
Und Nataneel frage: „Schriftgelehrter, mit welchem Geld bezahlen wir das alles? Und, Simon schuldete uns noch Lohn.“ „Gut gesprochen, Nataneel,“ sagte Jeschua. „Wir werden die Bücher des Simon durchsehen und den Lohn von dem vergüten, was wir jetzt von dem vorhandenen Geld verwenden können oder von den Sachen, die wir jetzt guten Gewissens zu Geld machen können.“ Soweit er es verstand, hatten Simon und seine Frau hier ohne familiäre Verpflichtungen gelebt. Niemand konnte sagen, wo ihre Eltern oder ihre Familien lebten, ob sie überhaupt lebten. Vor vielen Jahren waren sie hier, wie aus dem Nichts, erschienen und Simon bot damals dem Dorf seine Dienste als Schriftgelehrter und Winzer an. Der Dorfrat hatte seinem Wunsch zugestimmt und so hatten sie Simon und seine Frau in ihre Gemeinschaft aufgenommen. Und sie waren sehr zufrieden mit ihnen. Dies hatte er am Vormittag von Elias erfahren.
Als Schriftgelehrter war Jeschua nicht nur in religiösen Angelegenheiten geschult, sondern auch in den weltlichen Fragen und in Rechtsangelegenheiten, soweit sie von kleinen Dorfgemeinschaften verantwortet werden konnten. Denn für die Gesellschaft, in der sie lebten, war eine Trennung zwischen den irdischen Fragen und der Worte der Gottheit undenkbar. Schwerwiegende Ereignisse, und diese Situation war ein solches, mussten jedoch grundsätzlich mit den Würdenträgern in Tiberias besprochen werden. Daher tat Elias gut daran, dort hinzugehen. Und vier Tage Verspätung konnte er problemlos rechtfertigen, zumal Jeschua von den Weisen gehört hatte, dass ein Antragsteller für ein Gespräch mit einem Würdenträger in Tiberias durchaus ein paar Tage warten musste, da viele Menschen ihre Entscheidungen oder Ratschläge benötigten. Jeschua kannte die Schriften gut und er wusste, dass es eines der Rechtsprinzipien war, dass wo kein Kläger auch kein Richter war.
Jeschua hatte von den Weisen und von den römischen Soldaten gehört, dass es im fernen Rom und in einigen größeren Städten Italiens besondere Soldaten gab, die dort in den Städten für Ruhe und Ordnung sorgten oder die für den Schutz vor Feuern zuständig waren. Diese Soldaten übernahmen in bestimmten Fällen auch die Suche nach Tätern von schweren Straftaten, was ansonsten von den Familien der Opfer getan werden musste. Doch hier in Galiläa gab es eine solche Institution nicht. Simon und seine Frau hatten keine Familie, die berechtigterweise hätte Klage erheben können, wenn der Mörder gefasst worden wäre, oder die das Erbe hätten antreten können. Elias selbst und viele Männer aus NaÏn hatten ungefähr zwei Tage nach dem Mörder und der Ehefrau Simons gesucht, zwar erfolglos, doch das war nach den allgemein üblichen Maßstäben und unter diesen Bedingungen ausreichend. Niemand hätte es ihnen vorgeworfen, wenn sie nicht gesucht hätten. Sie taten es, weil sie Simon und dessen Frau sehr geschätzt hatten und, weil sie erhofften, so den unausweichlichen Zorn der Gottheit zu besänftigen.
Alle Bewohner NaÏns glaubten zwar, der Täter käme nicht aus ihren Reihen, aber ganz so sicher waren sich viele von ihnen nicht. So setzten sie kleine Stücke aus ihren Erinnerungen über Simon und dessen Frau zu wilden Geschichten zusammen. Im Kern der Geschichten vermuteten die meisten Dorfbewohner, dass Simon von einem Schuldner umgebracht worden war, der sich damit seiner Verantwortung entziehen wollte. Elias ging nach Tiberias, um vor allem auf die Frage, wie mit dem Besitz des Simon zu verfahren sei, eine Antwort der Gelehrten zu erhalten.
Und am nächsten Morgen gingen sie alle an ihre Arbeiten, so wie sie es besprochen hatten. Jeschua war der Meinung, dass alles für das Anwesen des Simon momentan Nötige geregelt sei, deshalb hatte er mit ihnen besprochen, er würde in das Gebetshaus gehen, da er ja auch deshalb gerufen worden und gekommen sei. Die Dorfbewohner, die bereits zu früher Stunde auf dem Weg zu ihren Geschäften oder Angelegenheiten waren, grüßten ihn und er grüßte sie. Bevor er das Gebetshaus betrat, ging er zu Tobias und er kündigte seine Anwesenheit an, weil es sich aus Respekt so geziemte und weil Tobias ja nun auch ein von ihm betreutes Gemeindemitglied war. Und jetzt erschien ihm Tobias in seiner Geschäftigkeit so, wie viele der Kaufleute, die er aus Nazaret kannte. Das erfreute Jeschua, denn die Last der vergangenen Tage schien etwas von ihm abgefallen.