Trost und Hoffnung nach
dem Tod der Mutter oder des Vaters
Aus dem Amerikanischen von Manfred Miethe

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Originally published in the USA under the title “Grieving the Loss of a Parent” Copyright © 2004 by Abbey Press, Saint Meinrad, India
Copyright © 2014 der deutschen Ausgabe: Verlag »Die Silberschnur« GmbH
ISBN: 978-3-89845-443-8
eISBN: 978-3-89845-753-8
1. Auflage 2019
Übersetzung: Manfred Miethe
Umschlaggestaltung: XPresentation, Güllesheim; unter Verwendung eines Motivs von © Melpomene, www.fotolia.de
Verlag »Die Silberschnur« GmbH · Steinstr. 1 · 56593 Güllesheim www.silberschnur.de · E-Mail: info@silberschnur.de
Einführung
Kapitel 1Judy Ball: Den Verlust eines Elternteils betrauern
Kapitel 2Herbert Weber: Die ersten Wochen nach dem Begräbnis
Kapitel 3Peggy Heinzmann Ekerdt: Der Verlust der Mutter
Kapitel 4Greg Long: Der Verlust des Vaters
Kapitel 5Carol Luebering: Der Verlust des verbliebenen Elternteils
Kapitel 6Carol Luebering: Gestatten Sie sich zu trauern
Kapitel 7Judith E. Courtney: »Wer bin ich ohne meine Eltern?«
Kapitel 8Cathy O’Connell-Cahill: Mit Kindern über den Tod eines geliebten Menschen sprechen
Die Autoren
Ganz gleich, wie lange unsere Eltern auch leben mögen, wenn sie dann doch irgendwann sterben, denken wir oft, wir hätten gerne mehr Zeit mit ihnen verbracht oder sie wären einfach zu früh gestorben. Der Verlust eines Elternteils oder beider Eltern bedeutet ja, dass wir lernen müssen, ohne die Menschen weiterzuleben, die immer Teil unseres Lebens gewesen sind.
Wie Linus Mundy, ein talentierter Schriftsteller, der viele Menschen auf ihrem Weg durch Trauer und Verlust begleitet hat, einmal schrieb, ist der Verlust eines Elternteils deshalb so besonders schmerzvoll, weil wir dadurch so viele verschiedene Menschen verlieren: die Mutter oder den Vater, die uns als Kleinkinder gefüttert haben; die Mutter oder den Vater, die miterlebt haben, wie wir erwachsen wurden; die Mutter oder den Vater, die möglicherweise im Alter von uns abhängig waren.
Ich hoffe, die acht Essays dieses kleinen Buches werden Ihnen helfen, das Gefühl des Verlustes zu respektieren und Heilung und Hoffnung in dem zu finden, was der Mensch, den Sie verloren haben, Ihnen alles gegeben hat. Auch wenn Ihr Leben nie wieder so sein wird wie vorher, so werden Ihre Erinnerungen es Ihnen doch ermöglichen, die wichtigsten Eigenschaften Ihrer Eltern im Herzen zu bewahren – Eigenschaften, die Teil dessen sind, was sie Ihnen als Erbe hinterlassen haben.
Das Bewahren dieses Erbes stellt eine Möglichkeit dar, Ihrer Mutter oder Ihrem Vater stets im Herzen wie im Geiste nahe zu sein.
Silas Henderson, Benediktinermönch
Meine Mutter lag in einem abgedunkelten Krankenhauszimmer im Sterben. Aber als sie nach meiner Hand griff und mir direkt in die Augen sah, spürte ich, dass sie wusste, ihre jüngste Tochter war bei ihr.
»Judy, regnet es?«, fragte sie. »Nein, Mami, draußen ist schönes Wetter. Aber dort, wo du hingehst, ist es noch schöner«, antwortete ich mit Tränen in den Augen und zitternder Stimme und versuchte, so überzeugend wie möglich zu klingen.
Sie war fast so weit, ihre Heimreise zu Gott anzutreten. »Wirst du meine Partnerin sein?«, fragte sie und hielt meine Hände immer noch fest umklammert.
Und noch bevor ich ihr versichern konnte, dass ich so lange wie möglich bei ihr bleiben würde, war sie tot. Die Frau, die mich geboren hatte, die für mich von der Wiege bis zur Volljährigkeit gesorgt hatte, die mir beigebracht hatte, wie man betet und eine Straße überquert und die mich vor allen Gefahren beschützt hatte, war nicht mehr da.
Hinter mir lagen 14 lange, anstrengende Monate, in denen ich miterlebt hatte, wie meine Mutter zunächst starrsinnig darauf bestanden hatte, dass sie weiterhin allein leben konnte, und wie sie dann allmählich immer mehr Pflege benötigte, nachdem eine Reihe kleinerer Schlaganfälle und schließlich der Krebs ihren Verstand und ihren Körper erschöpft hatten. Meine Familie und ich hatten eine Art Marathon hinter uns. Wir hatten stets versucht, unser Bestes zu geben, hatten aber immer das Gefühl, meiner Mutter nicht gerecht werden zu können.
Aber mit ihrem Tod verschwanden plötzlich all die Monate der Erschöpfung, der Angst, des Selbstzweifels, der Spekulation und auch des Jammerns: »Wann wird das endlich ein Ende haben?« Ich hatte schon vorher den Tod lieber Angehöriger miterlebt, aber der Schmerz war noch nie so groß gewesen wie jetzt. Ich war beinahe 44 Jahre alt, aber ich fühlte mich nun wie eine Vollwaise.
Ironischerweise hat unsere Gesellschaft sehr wenig Verständnis für den einzigartigen Schmerz, den man erleidet, wenn man die Mutter oder den Vater verliert – obwohl fast zwölf Millionen Amerikaner jedes Jahr einen Elternteil zu Grabe tragen. Wie sehr wir uns doch unterstützen könnten, wenn wir nur organisiert wären!
Vielleicht können die folgenden Hinweise Ihnen helfen, besser mit dem Tod eines Elternteils umzugehen.
Machen Sie sich immer wieder bewusst, dass Sie jeden Grund zum Trauern haben
Der Tod eines Elternteils löst bei erwachsenen Kindern häufig das Gefühl aus, verlassen worden zu sein. Wenn sie dann in Panik geraten, überrascht sie das selbst am meisten. Aber warum überrascht es uns so, wenn der Tod der Mami oder des Papis, deren Namen wir als Kleinkinder nur so mühevoll aussprechen konnten, uns deprimiert, zur Schlaflosigkeit verdammt und völlig aus der Bahn wirft?
Wir haben vermutlich lange genug gelebt, um selbst als erwachsen zu gelten, aber im Verhältnis zu unseren Eltern werden wir immer Kinder bleiben. Selbst wenn wir unsere Eltern vor ihrem Tod »beeltert« haben, so begraben wir doch die Eltern unserer Kindheit und Jugend. Und wie es R. Scott Sullender in seinem Buch Losses in Later Life ausdrückt: »Die Welt verändert sich mit dem Tod unserer Eltern.«
»Der Verlust eines Elternteils ist die am weitesten verbreitete Form eines schmerzlichen Verlustes in diesem Land. Und doch ist es eine unausgesprochene Tatsache, dass der Tod eines Elternteils im mittleren oder höheren Alter als geringerer Verlust gilt als andere Verluste. Es herrscht die Ansicht, dass die Trauer um den toten Elternteil irgendwie unangemessen ist.«
Edward Myers: When Parents Die.
A Guide for Adults
Nur selten sind wir als Erwachsene auf den Tod der Eltern vorbereitet. Wir haben genug damit zu tun, unsere beruflichen Ziele zu verfolgen oder eine eigene Familie zu gründen; wir verbringen unsere Freizeit damit, zu reisen oder nach einem Ort zu suchen, an dem wir uns niederlassen können; wir leben in der Nähe unserer Eltern oder am anderen Ende eines Kontinents. Aber ungeachtet der Umstände ist es praktisch unmöglich, sich emotional auf einen solchen Verlust vorzubereiten.
Wohlmeinende Freunde und Bekannte versuchen, uns zu trösten, indem sie sagen: »Deine Mutter hat doch ein erfülltes Leben gehabt.« Oder: »Dein Vater hat so gelitten, da ist es für ihn doch eine Erlösung.« Aber solche Worte haben einen schalen Beigeschmack, wenn im Sarg unsere geliebte Mutter oder unser lieber Vater liegen. Selbst wenn wir ein tiefes Gefühl der Erleichterung neben unserem Kummer verspüren, so ist die Trauer doch tief und sehr real.
Weinen Sie und sprechen Sie darüber
Ergreifen Sie die Möglichkeit, mit anderen über Ihre Trauer zu sprechen, solange Sie das Bedürfnis danach verspüren. Mit größter Wahrscheinlichkeit wird es vielen Familienmitgliedern nichts ausmachen, wenn Sie über Ihre verstorbenen Eltern sprechen.
Freunde, besonders jene, die noch nicht selbst den Tod eines Elternteils erlebt haben, werden zum Beispiel eher fragen, wie Ihr Vater mit dem Tod Ihrer Mutter umgeht, als zu fragen, wie Sie damit umgehen. Aber eine solche Frage können Sie als Einstieg nutzen, um Ihre Gefühle auszudrücken.
Und sollten Freunde überhaupt nicht auf das Thema zu sprechen kommen, können Sie es selbst anschneiden. Gute Freunde wollen ja nicht unsensibel sein, vielleicht brauchen sie nur eine kleine Erinnerung, dass Sie noch darüber reden möchten und müssen. Wenn Ihre Augen dabei feucht werden, dann sei es drum; wenn Ihnen Tränen über die Wangen kullern, dann ist dies ein sicheres Zeichen dafür, dass sie geweint werden müssen.