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IMPRESSUM

Autor:

Hajo Gellhaus

Verlag:

edition federleicht

 

Frankfurt am Main

 

www.edition-federleicht.de

Lektorat:

Dana Polz

Gestaltung & Satz:

Gerhard Mohler

 

1. Auflage 2019

 

© edition federleicht

 

ISBN 978-3-946112-30-3

 

E-Book ISBN 978-3-946112-38-9

HAJO GELLHAUS

Mord im
Taunus Adventure Park

Kriminalroman

Der zweite Fall
von Kommissar Leichtfuß

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Für meine Frau Anja

Inhalt

NACHWORT

Plan der Verfolgungsjagd in Bad Camberg

Die Sonne schien und hatte die Wolken, die in der Nacht noch reichlich vorhanden gewesen waren, abgelöst. Der Platz war hergerichtet, die Tribüne mit den Ehrengästen gefüllt und viele Bewohner der näheren Umgebung zu diesem feierlichen Ereignis erschienen. Gleich sollten die offiziellen Bauarbeiten des Projektes Taunus Adventure Park starten.

Die Baufirmen hatten längst mit den inoffiziellen Arbeiten begonnen. Ein riesiger Schaufelradbagger stand bereit, der nun im großen Stile Erde aus dem Weg räumen sollte.

Innenminister Dr. Bausch durfte das Projekt eröffnen, in dem er die erste Schaufel Abraum mit dem Bagger auf einen LKW lud.

Organisatorisch war alles vorbereitet. In Walsdorf wartete eine Hundertschaft der Bereitschaftspolizei, die im Notfall gegen die Demonstranten eingesetzt werden konnte. Polizeipräsenz sollte hier am Ort der Eröffnung nicht erkennbar sein. Ein neutraler Sicherheitsdienst steuerte die notwendigen Ordnungsaktivitäten. Einige private Personenschützer der Prominenten waren ebenfalls unter den Gästen.

Im Vorfeld des Projektes hatte es einige Demonstrationen gegeben – Bewohner, die ihre Häuser gegen eine Entschädigung dem Park opfern sollten; und besonders starken Protest seitens der Naturschützer.

Man glaubte, dass die Maßnahmen mit Einbindung der Naturschützer – unter anderem die Integration eines Wildparks – einen akzeptablen Kompromiss für alle Beteiligten darstellten und es heute friedlich zugehen würde.

Endlich erschien der Innenminister.

Dr. Maiwald aus der Investorengruppe begrüßte ihn und alle Prominenten, betonte die Wichtigkeit des Projektes für die Region und wünschte sich, dass viele Menschen in ein paar Jahren sagen würden: Da ist ein toller Park entstanden.

Noch ein paar Redner folgten. Letztlich übergab der Bürgermeister von Waldems das Wort an den Innenminister.

Die Demonstranten legten sogleich los und erzeugten einen gewaltigen Lärm.

Geschickt wandte sich der Innenminister an die Demonstranten, forderte sie auf, ihre Schilder gerne medienwirksam zu postieren, bitte aber, den Ablauf dieser feierlichen Eröffnung nicht zu stören. Ein kurzes Raunen ging durch die Gruppe der Demonstranten. Die Parolen wurden lautstark gerufen.

Der Minister besänftigte erneut: »Wir kennen nun alle Argumente. Ich bitte um ein paar Minuten Ruhe. Danke.«

Es wirkte. Viele der Demonstranten waren normale Bürger der Umgebung, die aus ökologischen Gründen demonstrierten und keinen Aufstand proben wollten.

Der Innenminister wiederholte sinngemäß den Inhalt der Reden seiner Vorgänger und meisterte dies in seiner für ihn typischen rhetorisch hervorragenden Art. Er schloss mit der Bemerkung ab, dass er als Kind schon immer Baggerfahrer hatte werden wollen und diesen Traum nun mit der angenehmen Aufgabe, das Projekt zu starten, ein Stück weit wahr werden lassen konnte.

Danach schritt er voran zu dem riesigen Schaufelradbagger, wie man ihn vom Braunkohletagebau kannte – eine kleinere Version, trotz allem gigantisch. Dr. Bausch musste ein Podest hochklettern. Obwohl er, sportlich für sein Alter, noch fit war, schnaufte er, als er das Cockpit erreicht hatte. Der Baggerführer wartete bereits auf dem Nebensitz. Dr. Bausch hielt einen Augenblick inne bis die Pressefotografen, die auf einem Leiterwagen standen, ihm signalisierten: Fotos geschossen. Er setzte den Hörschutz auf. Der Bagger war bereits per GPS justiert, ein Probelauf durchgeführt und anschließend alles wieder zugeschüttet worden.

Dr. Bausch drückte, wie ihm zuvor erklärt worden war, den On-Button. Der Bagger erzeugte einen phänomenalen Sound und setzte sich nach dem Drücken weiterer Funktionstasten in Bewegung.

Die erste Schaufel hatte im Nu Erde aufgenommen, die zweite füllte sich langsam und – was war das? Und sofort schrie er: »Stopp!« Griff nach links und drückte auf die Notstopptaste. Die Schaufeln schwangen kurz hin und her. Ein Teil der Ladung schwappte über. Erde fiel hinunter auf den Boden.

»Ein Körper!«, schrie der Baggerführer, stürmte aus dem Cockpit.

»Eine Leiche!«, schrie er.

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Auf der Polizeiwache Idstein klingelte das Telefon Sturm. Polizeihauptkommissar Dieter Schierkel spürte sofort, dass die Meldungen überregionalen Charakter besaßen und meldete den Fall an seinen Freund Richard Leichtfuß. Kriminalhauptkommissar Leichtfuß informierte seinen Chef Oberstaatsanwalt Laimer. Dieser beschloss augenblicklich, nach der Info von Leichtfuß, eine Sonderkommission unter der Leitung von Richard Leichtfuß und seinem bewährten Team aus den Kriminalkommissariaten zu bilden.

Richard handelte sofort und rief seinen Freund Dieter Schierkel in Idstein zurück. »Schick alle verfügbaren Streifenwagen, die du hast zum Fundort! Sperr alles ab – Präsenz am Fundort beweisen, wir verstehen uns! Schalt in Esch Blaulicht und Sirene ein – und macht eine riesige Absperrung ohne Ausnahmen! Wir kommen gleich!«

»Richard, du kennst mich so lange, was denkst du, was ich gemacht hab?«

Vor Ort leistete der hessische Innenminister hervorragende Arbeit. Er gab dem Chef des Sicherheitsdienstes umgehend den Auftrag, für eine Absperrung zu sorgen und dabei keine Spuren zu verwischen.

Der Eventmanager und der polizeiliche Leiter der Veranstaltung informierten den Minister unmittelbar nach dem Totenfund darüber, dass es in der Nähe, in Walsdorf, eine Bereitschaftseinheit gab. Der Innenminister winkte ab und meinte, man könne später noch darauf zurückgreifen.

Er hatte sich das Mikro genommen und war etliche Meter vom Fundort entfernt in Position gegangen, schrie fast: »Meine Damen und Herren von der örtlichen und der überregionalen Presse, liebe Prominente, liebe Zuschauer und liebe Mitarbeiter aller beteiligten Firmen. Hier ist etwas Fürchterliches geschehen, bitte machen Sie Platz, damit die Polizei ihre Arbeit aufnehmen kann. Dieser Fall, so erschütternd er ist, muss schnellstmöglich geklärt werden. Ich genehmige hiermit den Einsatz aller erforderlichen Mittel, um diesen Fall zu lösen.«

Der Chef des Sicherheitsdienstes hatte mit seinem Team die Absperrung errichtet und die wenigen flinken Reporter und Fotografen, die zum Fundort vorgedrungen waren, hinter die Absperrung zurückbegleitet. Gott sei Dank befanden sich die meisten Presseleute noch auf dem Leiterwagen. Dr. Bausch fuhr fort: »Helfen Sie mit und folgen den Anweisungen des Sicherheitspersonals und der Ordnungskräfte. Warten Sie bis die Polizei hier eintrifft. Das kann nur noch wenige Minuten dauern. Wer etwas gesehen hat, möge bitte in den neu abgesperrten Bereich kommen, aber bitte nur mit konkreten Hinweisen oder Beobachtungen, nicht mit Spekulationen oder Theorien.«

Rund um die Leiche befanden sich sämtliche Gesundheitsdienste, das DRK, die Malteser und die Johanniter. Die Ärzte aller Teams hatten den Tod des gefundenen Mannes definitiv bestätigt. Der Leiter des Sicherheitsdienstes war ein pragmatischer Mensch.

»Wer ist das Team mit dem qualifiziertesten Arzt?« Er schaute in die Runde. Man zeigte und blickte zu Dr. Scheerschmidt von den Maltesern. »Sie bleiben bitte hier, der Rest verlässt umgehend den Fundort, damit Platz für die Polizei ist. Alle Personen halten sich bitte weiter hinten für die Spusi, zwecks Abnahme von Fußabdrücken bereit. Danke.«

Idstein 1 traf mit lautem Getöse am Fundort ein. Oberkomissar Meier wunderte sich. »Klaus«, wandte er sich an seinen Kollegen, »hier ist ja schon Struktur vorhanden.«

Kaum ausgestiegen, hörte er aus dem Lautsprecher eine Stimme befehlen: »Der Herr Oberkommissar zu mir!«

Meier schritt in Richtung Mikro und fragte: »Hallo, was ist denn hier los? Ich übernehme jetzt die Untersuchung.«

Der Ministerpräsident, ein wenig enttäuscht, erklärte gedämpft: »Mein Name ist Dr. Bausch. Ich bin Ihr oberster Vorgesetzter und habe bereits eine Absperrung des Gebietes veranlasst. Der Sicherheitsdienst war so nett – «

»Entschuldigen Sie vielmals, Herr Minister, ich hab Sie nicht erkannt. Also, sowohl unsere Idsteiner Polizei als auch die Wiesbadener vom LKA sind informiert und hierher unterwegs, genauso wie unser Spusi-Team und die Spusi-Teams aller benachbarten Kommissariate und die vom LKA.«

»Danke, danke«, murmelte der Minister, um gleich darauf die Presse lautstark darüber zu informieren, was bereits geschehen war und wie schnell die Polizei reagierte. Kaum hatte er seine Rede begonnen, erschienen auch die Wagen Idstein 2, 3, 4 und 5 mit lautem Lärm.

Polizeihauptkommissar Immo Nestrowitz war schnell Herr der Lage. Er hatte in der Zeitung gelesen, welche Prominenten hier zur Eröffnung des Taunus Adventure Parks anwesend sein würden, erkannte den Minister, der soeben mit dramatischen Worten seine zweite Informationsrede an die Presse beendet hatte.

»Herr Dr. Bausch, freut mich. Polizeihauptkommissar Immo Nestrowitz mein Name, ich bin Leiter der Polizeistation Idstein. Wir treffen laut Absprache mit dem LKA Wiesbaden die Sicherungsmaßnahmen für die folgenden Teams. Die neue SoKo unter Leitung von Kriminalhauptkommissar Leichtfuß ist bereits auf dem Weg hierher.«

Und wieder ergriff der Minister das Mikro und informierte die Presse, so dass jeder merken musste: Alles läuft hier sehr professionell ab, die Ressourcen sind die besten, die Hessen hat. Der Minister konnte sich noch gut an den Namen Leichtfuß erinnern. Bei der Ernennung von Oberstaatsanwalt Laimer war der Name oft gefallen. Er lobte Leichtfuß vor der Presse als einen der »besten Kommissare Hessens«. Richard wäre geschmeichelt gewesen – und beschämt. Derartigen Überschwänglichkeiten, seine Person betreffend, konnte er nicht viel abgewinnen.

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Der Innenminister war begeistert bei der Sache. Er organisierte und teilte ein, und Nestrowitz musste seinen Anweisungen folgen. Plötzlich wies einer der zahlreichen Berater des Ministers auf den nächsten Termin – in dreißig Minuten in Wiesbaden – hin. Ein neues städtisches Altenheim, mit Landesmitteln gefördert, sollte eingeweiht werden. Der Transfer dorthin würde mindestens dreißig Minuten beanspruchen, da eine Baustelle am Wiesbadener Kreuz noch immer für Stau sorgte. Nestrowitz musste erneut nachfragen, wo denn die SoKo-Kollegen aus Wiesbaden wären. Dem Minister wurde kurz darauf berichtet, die Damen und Herren der SoKo würden in etwa fünf Minuten hier eintreffen. Der Minister meinte daraufhin: »Herr Dr. Söller, bitte verschieben Sie den Nachfolgetermin in Wiesbaden um zehn Minuten.« Kurz danach trafen Leichtfuß und sein Team ein.

Leichtfuß erkannte Bausch sofort, gab seinem Team ein paar Anweisungen und begrüßte den Minister: »Tach, Herr Dr. Bausch! Vielen Dank für Ihre kriminalistische Vorarbeit! Falls Sie mal als Minister aufhören, können Sie gerne in der SoKo mitarbeiten.« Allgemeines Gelächter erschallte.

»Ein Team begutachtet die Leiche, ein weiteres Team vernimmt die Personen, die etwas beobachtet haben, und ein drittes Team nimmt die Namen derer auf, die nicht auf der Liste der Ehrengäste stehen. So bleiben die Ehrengäste soweit es geht unbehelligt.«

»Danke, Herr Leichtfuß. Ich werde noch kurz die Presse informieren und dann weiterfahren. Oh, da kommt ja der Oberstaatsanwalt! Der kann dann mit zur Presse kommen.«

Schnell informierte sich Laimer bei Leichtfuß. Die Pressekonferenz begann, und zum Schluss stellte der Minister den ermittelnden Oberstaatsanwalt vor, der ab sofort der Ansprechpartner für die Presse sein sollte. Laimer brillierte mit dem ergänzenden Hinweis, dass die Polizei nun im privaten und im Projekt-Umfeld ermittle.

Leichtfuß und Knoll hatten den Fundort der Leiche erreicht, die SpuSi ihnen bereits einen Pfad gelegt. Polizeihauptkommissar Eichbaum bemerkte: »Es sind zu viele Spuren hier.« Frau Dr. Ella Hoppe war auch schon am Fundort und hatte die Leiche inspiziert. Richard Leichtfuß begrüßte sie kurz, und sofort begann Frau Doktor: »Leiche männlich, 48 Jahre, Todeszeitpunkt letzte Nacht gegen 04.30 Uhr, plus minus zwanzig Minuten. Der Bagger hätte auch den Tod verursachen können, aber ursächlich verantwortlich für den Tod ist ein Schlag ins Genick. Vielleicht mit einer Schaufel oder mit einem flachen Gegenstand wie einem Schild. Genaueres – «

Und schon unterbrach Leichtfuß: »Wie gehabt nach der Obduktion.«

Leichtfuß und Knoll schauten sich am Fundort um.

»Der Tote sieht nicht aus wie ein Bauarbeiter. Lass uns Eichbaum nochmal fragen.«

»Nur zu.«

»Eichbaum, du hast gesagt, es gibt zu viele Spuren, aber es sieht hier rundherum so aus, als hätte jemand gefegt …«

»Ja, gut beobachtet. Die Spuren wurden nach dem Fegen erzeugt. Sie sind gut zu erkennen, aber viel zu viele.«

»Könnte der Täter gefegt haben, um damit seine Spuren zu verwischen?«

»Na klar.«

Knoll konnte die Gedanken seines Chefs erahnen und sagte: »Dann suchen wir mal nach den Arbeitern, die gefegt haben.«

Alle Mitarbeiter des Projektes waren zu diesem Ereignis geladen und anwesend. Knoll hatte eine gute Idee. Er ging zur Pressekonferenz zurück.

Laimer unterbrach seine Rede und schaute ihn erstaunt an: »Was ist?«

»Ich brauche mal das Mikrofon. Könnten Sie die Konferenz für fünf bis zehn Minuten unterbrechen?«

Laimer managte das sofort: »Ich übergebe das Wort nun an Kriminaloberkommissar Knoll.«

»Sehr geehrte Damen und Herren der Presse, bitte entschuldigen Sie, ich benötige das Mikrofon, um Zeugen zu suchen.« Er sah hinüber zum Tribünen-Block, in dem die geladenen Mitarbeiter mit ihren Familienangehörigen saßen.

»Alle mal zuhören!«, rief Knoll ins Mikro, und schneller als erwartet kehrte Ruhe ein. »Um zu einem schnelleren Ermittlungsergebnis zu kommen, benötigen wir jetzt alle Mitarbeiter, die heute Morgen in der Nähe oder direkt am Fundort der Leiche gearbeitet haben, zu einer Befragung. Auch die Personen, die bereits ausgesagt haben, kommen bitte jetzt zu mir ans Rednerpult.«

Es dauerte keine drei Minuten, und eine kleine Gruppe aus dem Mitarbeiter-Block bewegte sich mit winkenden Armen auf Knoll zu. Von weitem hörte man ein paar Worte.

»Wir nix gewesen, wir gute Mann.«

Knoll hob beschwichtigend die Arme: »Nein, nein, meine Herren, Sie sind wichtige Zeugen. Brauchen wir einen Dolmetscher? Aus welchen Ländern kommen Sie?«

»Ich Deutschland!«, empörte sich der erste Mitarbeiter.

»Ich auch!«, rief der nächste.

»Ich Kosovo!«

Und der Vierte erklärte: »Ich bin Deutschrusse aus Kasachstan.«

»Ich denke, wir bekommen das auch ohne Dolmetscher hin«, sagte Knoll. »Wann war denn der Arbeitsbeginn?«

»Sechs Uhr«, kam es vom Ersten. »Aber heute fünf Uhr, weil großer Tag.«

»Gut, ich möchte gerne wissen, wer gefegt hat, dort wo die Leiche lag.«

»Ich«, rief der Erste, »aber nix Leiche da. Ich erst Stampfer weg und Schilder weg und dann fegen. Viele Schilder, wenig Zeit zu fegen, großer Platz.«

»Was waren denn das für Schilder?«, wollte Knoll wissen.

»Du komischer Mann!«, erwiderte der Gefragte. »Erst sagen, will nur wissen, wer gefegt und dann nach Schilder fragen. Guckst du da, solche wie die da!« Er zeigte zu der Gruppe Demonstranten.

Knoll musste grinsen. »Waren da auch noch Leute auf dem Gelände, als Sie zur Arbeit kamen?«

»Nein!« und »Nix da« schallte es von allen Seiten.

»Wir haben großes Auto mit Sonne gesehen, da bei Gaststätte von Walsdorf. Sonst keines auf ganze Strecke.«

»Was für ein Auto?«, fragte Knoll schnell.

»Das Auto war ein zweifarbiger VW-Bulli T1 Samba«, schaltete sich der bisher schweigsame Deutschrusse ein. »Mit getrennter Frontscheibe und Zierleisten, Jahrgang bis 67. Die Räder hatten Chromradkappen, und es gab zwei Seitentüren. Ist ein Achtsitzer plus Fahrer.«

»Wie viele Leute?«, hakte Knoll nach.

»Acht Personen. Zwei Frauen und sechs Männer. Und die Fahrerin.«

»Danke. Nochmal zu den Fegern. Was geschah denn, als die Schilder weg waren? Hat da jemand etwas gesehen, da wo die Leiche lag oder ein paar Meter daneben?«

»Ich hab da fegt«, sagte einer der Männer. »Waren sehr viele Schritte und lag noch ein Schild.«

»Ein Schild?«, wiederholte Knoll.

»Ja, eine Schild.«

»Was haben Sie damit gemacht?«

»Na, zu andere Schilder gebracht und dann fegt.«

»War da noch etwas Besonderes zu sehen?«

»Erde war nix hart bei Bagga, kannst gucken ist dunkler, da jemand gebuddelt und gestampft.«

»Danke, Herr …?«

»Deniz Almatak.«

»Ihre Aussage hilft uns sehr. Bitte bleiben Sie noch hier, den anderen Herren vielen Dank. Der Polizist da vorne notiert Ihre Adressen, falls wir weitere Fragen haben sollten. Herr Almatak wir beiden gehen zur SpuSi.«

Knoll erklärte Almatak, dass man nur bestimmte Wege gehen durfte. Almatak schüttelte bei jedem Umweg den Kopf und sagte immer: »Was Blödsinn.« Nach der Erklärung, es wäre wegen der Spuren, blieb er still.

Bald erreichten die beiden Eichbaum.

»Herr Almatak hat am Fundort gefegt und ein Schild gefunden und weggeräumt. Habt ihr da etwas sichergestellt?«

»Nein, Schilder waren hier nicht.«

»Ich weiß, wo!«, rief Deniz Almatak ins Gespräch. »Sind alle auf LKW von Bernhard. Steht auf Firmenparkplatz. Soll zeigen?«

»Danke, gleich!« Und an Eichbaum gewandt: »Herr Almatak hat gesagt, die Erde sei am Tatort dunkler. Das weist daraufhin, dass jemand gebuddelt hat. Schaut mal nach, bitte.«

»Machen wir.«

Eichbaum winkte einen SpuSi-Kollegen zu sich. »Paul, geh mal mit einem Team und Herrn Almatak zu den LKWs dahinten. Dort bitte alle Schilder untersuchen.«

»Nein, nix alle! Ich Schild obendrauf!«

Das SpuSi-Team und Herr Almatak erreichten den Parkplatz der Baufirma. Der besagte LKW hatte sechzehn Schilder auf der Ladefläche. Eilig erklärte Herr Almatak: »Ich hier geschmissen, oben drauf. War komische Sonne mit irgendwas mit Schweine.«

»Ja, das wird helfen, super!«

Der SpuSi-Mann deutete dem stolzen Almatak einen Schritt zurückzugehen und nichts mehr anzufassen. Almatak wich erst zurück, als ihm erklärt wurde, es ginge um die Fingerabdrücke. Die Ladeklappe wurde geöffnet, und man erkannte einen Haufen Schilder, die kreuz und quer lagen.

In der Mitte befand sich das Schild mit der Atomkraft-Nein-Danke-Sonne und dem Spruch Nein Danke Ihr Umweltschweine.

»Da, da ist mein Schild, sage doch mit Schwein! Und ist Stampfer!«

»Gut, Leute«, sagte der Gruppenführer der SpuSi. »Wir untersuchen das Schild ganz genau, nehmen aber auch die Fingerabdrücke von allen anderen Schildern und dem Stampfer, vielleicht finden wir da ja einige Bekannte. Danke, Herr Almatak.«

Knoll ließ alle Personalien aufnehmen, bedankte sich noch einmal bei Almatak und sagte ihm, er sei ein wichtiger Zeuge und müsse morgen ein Protokoll unterschreiben.

Richard schickte einen Auftrag nach Wiesbaden: Ein Team soll nach dem super beschriebenen Fahrzeug suchen.

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Die meisten Mitarbeiter aus Richards Gruppe waren damit beschäftigt, die Daten der Bauarbeiter aufzunehmen. Richard ordnete an, nur noch die der Demonstranten registrieren zu lassen. Dabei sollte nach Alibis für die Zeit von Mitternacht bis sechs Uhr morgens und den Hobbies und Vereinsmitgliedschaften gefragt werden.

Sven durfte nun eine SMS schicken, um herauszubekommen, wer schon Demonstranten befragt hatte. Bald kam daraufhin die Antwort, und Richard ging mit Sven dahin, um selbst seine Recherchen durchzuführen.

»Peter?«, fragte Leichtfuß den ermittelnden Kollegen. »Wer unter unseren Demonstranten, meinst du, könnte eine Schlüsselfigur sein?«

»Das weiß ich noch nicht.«

Ad hoc hatte Richard seinen Plan geändert. Er hatte seinen Nachbarn Manfred Hufgart entdeckt und ging direkt auf ihn zu. »Hallo, Manfred, du bist doch auch in der NABU, oder?«

»Bin ich da gleich verdächtigt?«

»Wir wollen nur herausfinden, wer der Mörder ist. Verdächtig ist erst mal keiner, aber aus eurer Gruppe könnten viele hilfreiche Informationen kommen.«

»Was willst du wissen?«

»Zum Beispiel, wer die Demonstrationen bei euch gemanaged hat. Gibt es da jemanden, der die Zügel in der Hand hat? Habt ihr sowas wie einen Abteilungsleiter oder Vorsitzenden?«

»Hm, bei uns geschieht das alles demokratisch, und bei jeder Demo hat das jemand anderes organisiert. Außerdem haben hier die NABUs aus Waldems, Bad Camberg, Idstein und dem Hochtaunus-Kreis zusammengearbeitet.«

»Ja, hatte mir gedacht, dass das Ganze im großen Rahmen stattgefunden hat. Warst du heute Nacht hier und hast Schilder aufgestellt?«

»Richard, die meisten, die jetzt hier sind, waren heute Nacht nicht mit dabei! Das haben die gemacht, die keine Zeit hatten, zur Eröffnung zu kommen. Glaube, irgendwie jeder aus dem harten Kern war beteiligt. War ja quasi die letzte Möglichkeit, zu demonstrieren. Wir sind natürlich enttäuscht, dass vor unserer Haustür Natur zerstört wird, aber wir haben ja auch einiges erreicht, die Fischtreppe und den Naturpark und – «

»Manfred, über die Inhalte bin ich informiert, bitte, ich brauch ein paar Namen – oder kennst du vielleicht den Toten?«

»Wie sieht der denn aus?«

»Manni, hast du schon mal ein Leichenfoto gesehen?«

»Ja, das von toten Bekannten. Okay, am besten, du fragst den Moritz Kanter aus Bermbach, am Hahnberg. Der war der Organisator für den Einsatz Schilderwald. Oder Friedhelm Nager aus Steinfischbach in der Berliner Straße, schräg gegenüber von Powalla. Da wohnt der Vorsitzende. Dein Kollege hat ihn vorhin nach Hause geschickt.«

Richard schaute Sven an und verkniff es sich, etwas Negatives zu seinen jungen Mitarbeitern zu sagen.

»Danke, Manni. Wir werden jetzt mal die beiden Herren befragen.«

Er ging noch einmal bei seinen Befragern der Demonstranten vorbei und bat darum, doch nicht nur die Personalien aufzunehmen, sondern auch detaillierte Fragen zur Demonstration und deren Organisation zu stellen.

Richard und Sven fuhren zur Befragung nach Steinfischbach. Herr Nager wohnte in einem prächtigen Holzhaus mit riesigem Garten und wunderschönen Pflanzen.

»Guten Tag, Herr Nager, das ist Polizeioberkommissar Knoll, und ich bin Polizeihauptkommissar Leichtfuß. Wir hätten da mal ein paar Fragen zu Ihrem Verein und zu den Demonstrationen gegen den Taunus Adventure Park.«

»Ihr Kollege hat mich doch schon verhört!«, protestierte Nager gleich.

»Nein, er hat Sie nur befragt. Wir brauchen noch einige Informationen von Ihnen. Der Tote könnte ein Mitglied der Aktion Schilderwald gewesen sein oder eine Person, die da zufällig vorbeikam oder persönliche Probleme mit dem Toten hatte. Sie können sich ja selber denken, wie hoch die Wahrscheinlichkeit für die zweite Version ist. Ich zeige Ihnen nun das Foto des Toten, und wenn Sie ihn kennen, nennen Sie mir bitte seinen Namen.«

Sven klickte sofort auf seinem Handy herum, um das Foto zu zeigen.

»Hörn Sie, früher hab ich jedes Mitglied der NABU Waldems gekannt. Wir waren quasi eine Familie, aber heute hat das eine andere Dimension erreicht. Zeigen Sie mal das Foto.«

Er schaute intensiv auf das Handy.

»Nein, tut mir leid, den Mann kenne ich nicht.«

»Schade«, meinte Richard. »Jetzt müssen wir weiter suchen. Wir benötigen eine Liste aller Vereinsmitglieder und die Ansprechpartner der befreundeten Vereine aus der Umgebung, die an den Demonstrationen beteiligt waren.«

»Darf ich Ihnen denn das so einfach geben? Ich denke da an Datenschutz und so.«

»Herr Nager, die Namen, Telefonnummern und Adressen sind nicht geschützt. Wie kommen wir denn schnellstens an diese Informationen?«

»Kleiner Verein, kurze Wege. Meine Frau ist die Geschäftsführerin des Vereins. Unten im Keller steht unser PC. Sie kann Ihnen die Infos geben.«

»Danke, Herr Nager.«

Frau Nager führte die Kommissare zum Vereins-PC, und schnell wurde das Vereinsregister an die SoKo nach Wiesbaden geschickt. Fein säuberlich geordnet gab es zudem die Kontaktadressen der befreundeten und an den Demonstrationen beteiligten Nachbarvereine. Frau Nager empfahl, unbedingt mit Herrn Kanter zu reden.

Richard und Sven beschlossen, ihrem Rat zu folgen. Da es halb zwei war, überredete Richard Sven, zuvor in der Pizzeria Da Giorgio in Esch zu speisen. Richard hatte in der Vergangenheit öfters von dem leckeren Pizzateig vorgeschwärmt.

Diesmal war Rondelle di Pasta, eine mit Hackfleisch gefüllte Nudelrolle im Angebot auf der Sonderkarte.

Richard bestellte sich eine Portion. Sven entschied sich für die Combinazione.

Schnell wurden Aufgaben an die Kollegen verteilt, doch alle Nachbarvereine zu befragen.

Nach dem Essen, das auch Sven sehr gut geschmeckt hatte, ging es durch die Eschtalstraße Richtung Heftrich. Dann wurde die Abzweigung an der Brücke nach Bermbach genommen. Sie fuhren durch den Ort, schließlich bergauf bis zur drittletzten Straße, die nach links abzweigte; hier befand sich der Hahnberg. Oben in einem der neuen Häuser, mittlerweile 25 Jahre alt, wohnte Herr Kanter. Er war nicht zu Hause, und die Nachbarin sagte, dass er meistens erst gegen sechs Uhr von der Arbeit käme. Die Befragung war Richard sehr wichtig. Er hätte das gern selbst übernommen. Erst wenn die meisten Namen der beteiligten Personen in Wiesbaden eingegangen waren, würde er Sondermann in der Zentrale benötigen. Richard entschied sich, Sondermann konkret den Auftrag zur Befragung von Kanter zu geben.

Er selbst fuhr nun mit Sven zum Initiator des Projektes, David Kosch.

Sondermann war froh, Sonderaufgaben übernehmen zu dürfen. Sie hatte noch etwas Zeit, und als sie auf der B275 am Escher Kopf ein Schild mit der Aufschrift Direktverkauf vom Bauernhof las, nutzte sie die Gelegenheit Lebensmittel direkt vom Erzeuger zu kaufen. Die Milch sah so lecker aus, dass sie sofort einen großen Schluck aus der Flasche nahm. Mayer nippte nur kurz, war jedoch galant genug, die Milch zu loben.

Dann ging es zum Hahnberg.

Kanter war zu Hause und ließ die beiden Kommissare in seine Wohnung eintreten.

»Wir sind friedliche Demonstranten, Frau Sondermann«, begann er. »Einen Mord, den begeht bestimmt keiner unserer Mitglieder.«

»Ausschließen können wir es zunächst nicht. Bitte erzählen Sie uns etwas über die Organisation der Aktion Schilderwald. Schauen Sie mal, hier habe ich eine Liste der Vereinsmitglieder auf dem Handy. Ich kopiere sie, und wir löschen alle Namen bis auf die der an der Aktion beteiligten Personen.«

Sondermann musste weiter ausführen, dass die Demo keine strafrechtliche Relevanz besäße, sondern es nur darum ginge, den Mord aufzuklären.