Frederike Labahn (Hrsg.)
Lametta, Lichter, Leichenschmaus
24 Weihnachtskrimis
vom Wattenmeer bis zum Großglockner
Knaur e-books
Frederike Labahn wurde 1992 in Lübbecke geboren. Sie studierte Anglistik und Germanistik an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster. Heute lebt sie in München und arbeitet in der Verlagsbranche.
© 2019 der eBook-Ausgabe Knaur eBook
© 2019 Knaur Verlag
Ein Imprint der Verlagsgruppe Droemer Knaur GmbH & Co. KG, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit
Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.
Redaktion: Frederike Labahn
Covergestaltung: ZERO Werbeagentur, München
Coverabbildung: PixxWerk®, München unter Verwendung von Motiven von Shutterstock.com
Illustration im Innenteil: ZERO Werbeagentur, München
Karte: Computerkartographie Carrle
ISBN 978-3-426-45615-6
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»Tödliche Weihnacht überall!«,
hört man Mörder singen stimmungsvoll.
Weihnachtsgift, Weihnachtsbaum,
Weihnachtsmord in jedem Raum.
»Tödliche Weihnacht überall!«,
hört man Mörder singen stimmungsvoll.
Darum seid stets auf der Hut
In der Weihnachtszeit,
denn es kommt das Mörderlein,
haltet euch bereit!
»Tödliche Weihnacht überall!«,
hört man Mörder singen stimmungsvoll.
Tod im Wald, Tod im Watt,
Weihnachtsmord in jeder Stadt.
»Tödliche Weihnacht überall!«,
hört man Mörder singen stimmungsvoll.
Himmelpfort (Brandenburg)
Über den Autor:
Alexander Oetker wurde 1982 in Berlin geboren. Er ist Fernsehjournalist und Autor. Vier Jahre leitete er das Pariser Korrespondentenbüro für die Fernsehsender RTL und n-tv, ist profunder Kenner von Politik und Gesellschaft in Frankreich und berichtete von dort über alle Terroranschläge der vergangenen Jahre. Seit 2012 ist er für RTL als politischer Korrespondent tätig. Alexander Oetker lebt in Berlin und verbringt viel Zeit in Frankreich. Zuletzt erschien seine Bestsellerreihe um Commissaire Luc Verlain sowie der Thriller Zara und Zoë. Rache in Marseille.
Die Tür ging auf, und ich schob mich aus meinem unsanierten Altbau – natürlich dem weit und breit einzigen unsanierten Altbau in dieser Ecke des Prenzlauer Bergs.
Die Zigarette aus der Schachtel kramen, nicht leicht mit den Fingern, die in Sekunden kalt waren wie Hulle – dann die Flamme und endlich der erlösende Geschmack der Sünde.
Mein Blick fiel auf die Raumerstraße, und ich erschauerte. Ich musste zugeben, dass mir dieser Tag nur aus einem einzigen Grund einen wohligen Schauer über den Rücken jagte: so viele freie Parkplätze. Beinahe alle Buchten waren frei, in denen sonst die BMW X5 der Hockeymütter standen und die alten VW-Busse der ewig jung gebliebenen Väter. Nur die zurückgelassenen Drive-Now-Schleudern voller Beulen standen noch da, unnütz waren sie dieser Tage, weil niemand zum Minutenpreis zu Omas Gänsebraten aufs Land fährt. Und mein alter VW-Käfer, der stand auch da, und er sah ganz schön allein aus auf der breiten Straße, ohne Umrahmung von Familienkutschen. Herrlich.
Ich ging ein paar Schritte und vergaß meine Freude über die Parksituation. Weil mein Blick auf die matschige braune Pampe fiel, die vorgestern mal frischer weißer Schnee war, zugegeben nur für ein paar Minuten. Bis die Hunde sich daran gütlich taten und die Fahrräder den Schnee hochschleuderten und als schmutzigen Matsch wieder fallen ließen. All die sauteuren erzgebirgischen Schwippbögen, die sie in ihre durchgentrifizierten Mammutwohnungen mit Blick auf den Helmholtzplatz gestellt hatten und die nun in verwaisten Wohnungen um die Wette leuchteten. Und die fröhlichen Fensterbilder, die riefen: »Weihnachtsstimmung, eins, zwei, drei, los.«
Nein, Heiligabend war nichts für einen alten Stadtbären wie mich.
Doch als ich mein Lieblingscafé betrat, Raumer Ecke Duncker, da ergriff es mich doch wieder, das Hochgefühl. Niemand da.
Außer der netten Cynthia hinterm Tresen, die die Hüften zur viel zu lauten Musik bewegte, weil keiner da war, den das stören würde. Ich ging zu ihr, und sie lachte, heute war mal Zeit zum Lachen, für ein Wangenküsschen für die alten Stammgäste, die sonst nur hofften, einen Platz zu kriegen, und die sich einfügten in das permanente Rein und Raus eines beliebten Cafés. Heiligabend aber waren alle weg. Ich konnte mir einfach einen Lieblingsplatz aussuchen, weil keine Mütter da waren mit ihren riesigen Wagen und den Kindern, die das weiche Leder der Bänke am Fenster vollsabberten. Keine Hipster mit riesigen MacBooks, die sich sechs Stunden lang an einem Cappuccino festhielten, als wären Büros noch nicht erfunden.
Cynthia brachte mir jedenfalls meinen schwarzen Filtercafé in null Komma nichts. Ging dann zurück zur Theke und rief: »Hey, Gustav, hör mal«, dann drehte sie die Anlage lauter.
All I want for Christmas is you sang Mariah Carey, und ich konnte gar nicht anders, ich zog die Brauen hoch und stöhnte und verdrehte die Augen, ich konnte es mir doch nicht verkneifen, das kleine Lächeln, das Cynthia sofort sah und bei dem sie mitlachen musste.
Wir beide. In diesem Café. Und draußen war Geisterstadt. Der Moment könnte einfrieren. Doch dann klingelte das alte Wandtelefon.
»Café Liebling?«, sagte Cynthia in den Hörer, selbst erstaunt, weil darauf seit Wochen niemand mehr angerufen hatte. Sie lauschte eine Weile, dann hielt sie den Hörer in die Luft. »Gustav, für dich.«
Ich stand auf, wackelte mit dem Kopf, sie drehte das nervige Lied lauter, und ich sprach in den Hörer: »Gustav Kant.«
»Ja, Herr Kant, ich weiß, es ist Heiligabend, aber da Sie nicht in Ihrem Büro waren, dachte ich mir, dass Sie in dem Café sind. Früher waren Sie da immer. Sie haben mal für mich ermittelt, als meine Frau, nun ja«, der Mann räusperte sich, »nicht ganz treu gewesen war. Und heute … ach, es ist alles viel schlimmer.«
»Wer spricht denn da?«
»Engel. Hermann Engel.«
Es klickte. Engels Gattin hatte sich ganz teuflisch herumgetrieben, es musste aber schon eine Dekade her sein. Meine Bilder davon waren gestochen scharf, und dennoch war die Rechnung von Engels Scheidungsanwalt wohl deutlich höher als meine gewesen.
»Herr Engel, was ist Ihr Begehr?«
»Herr Kant, ach, es ist alles so furchtbar. Wissen Sie, ich bin doch der Leiter des Weihnachtspostamtes in Himmelpfort. Das tat ja damals nichts zur Sache, es ging ja nur um mein Privatleben, aber jetzt, hören Sie, es ist ganz furchtbar. Die Briefe, die Briefe«, er stammelte das Wort noch dreimal, bis es mir zu bunt wurde.
»Was ist denn mit den Briefen?«
»Können Sie herkommen? Himmelpfort. Bei Templin.«
»Zwischen den Jahren habe ich Zeit.«
»Ganz unmöglich, Herr Kant, nein, nein, es muss heute sein.«
Ich hasste Heiligabend, natürlich, auch wenn Hass ein starkes Wort ist – das soll heißen: Ich hatte eh nichts vor an diesem matschigen Tag. Doch da war noch etwas anderes: Er klang so verzweifelt und gleichzeitig so überzeugt, dass ihm das größte Unheil des Jahrzehnts widerfahren war, dass ich nicht mal überrascht war, als ich mich in den Hörer sagen hörte: »Gut, ich komme. In einer Stunde bin ich bei Ihnen.«
»Danke, danke, Herr …«
Da hatte ich schon aufgelegt.
»Cynthia, mein Herz, ich muss wieder los in den Wind und in den Regen. Wie lange hast du Schicht?«
»Ich bleibe einfach hier«, sagte sie lachend, »wenn keiner kommt, kann ich Musik hören und lesen.«
Wir verabschiedeten uns, und dann, ich war schon fast aus der Tür, rief sie: »Frohe Weihnachten …«
Ich konnte gar nichts Fieses erwidern, die Holztür war schon klappernd zugefallen.
An der Tür zu meiner Wohnung, die auch mein Büro war, waren die Buchstaben nicht wirklich gerade aufgeklebt, aber sie erfüllten ihren Zweck. Gustav Kant – Private Ermittlungen stand da. Keine Ahnung, warum, denn wer hier vorbeikam, der wusste, was ich tat, und war deswegen hier. Sei’s drum, es war wohl alte Detektivromantik, so aus der Zeit gefallen, wie ich es war. Ich griff mir mein Notizbuch und einen Stift, dazu einen alten Eric Ambler-Roman, man wusste nie, ob man irgendwo warten musste.
Obwohl: Hermann Engel würde mich nicht warten lassen. Ich erinnerte mich an ihn als einen Mann, wie er im Beamtengesetzbuche steht. Ein grauer Postbeamter erster Güte. Er hatte, als er in mein Büro kam vor vielen Jahren, eine Cordhose getragen, darüber ein braun-beige kariertes Hemd und einen Pullunder. Er hatte über seinen Verdacht sehr genau gesprochen, die wichtigen Silben betont, als rede er über die Besonderheit einer Büchersendung – dabei war er aber immer gütig im Ton gewesen, hatte seine damalige Frau gepriesen und gelobt. Ich denke heute noch bei mir: Ihre Untreue war das Spannendste, was ihm je im Leben passiert ist.
Deshalb war ich recht neugierig, was in Engels Leben nun noch mal aus der Bahn hatte geraten können.
Der Käfer sprang an, als sei das genau sein Wetter, als sei er nicht in Mexiko gebaut worden, sondern in Südschweden. Dann nahm ich die Raumerstraße, die wie ausgestorben dalag, auch auf der Prenzlauer Promenade waren nur noch wenige Autos unterwegs, die meisten voll beladen, manche mit Baum, vorne Mama und Papa und hinten wahlweise drei Kinder oder ein großer Bräter, aus dem noch ein Gänsebein herausschaute.
Auf der Autobahn war dann gar niemand mehr, nur mein Auto und ich. Und es war an mir, so lange am Radio zu drehen, bis ich feststellte, dass es keinen, aber auch wirklich keinen Sender gab, der nicht in Dauerschleife Last Christmas spielte.
Je weiter Berlin nach hinten rückte, desto weißer wurde die Umgebung. Als ich die Autobahn hinter Oranienburg verließ, war ich im Winterwunderland. Und ab Gransee befürchtete ich, dass ich es nicht weiter schaffen würde, weil die Fahrer der Schneeräumfahrzeuge hier offensichtlich alle schon bei Kartoffelsalat und Wiener saßen. Dick und weiß lag die Schneedecke auf der B96, und die Felder und Wälder sahen aus, als wären sie mit einer dicken Puderzuckerschicht bedeckt. Für Kitschfetischisten ein Tag zum Niederknien. Ich aber musste wohin – nach Himmelpfort –, irgendwen retten, was wusste ich schon. Ich war aber anscheinend auch der Einzige, der irgendwohin musste. Alle anderen Autos standen vor ihren Häusern, die Menschen saßen vorm, neben oder unterm Baum – sogar eines dieser schildkrötigen Elektromobile der Post stand vor einem kleinen buckligen Haus, so als habe der Postbote keine Lust mehr gehabt und einfach sein Auto mit heimgenommen. Mein Käfer aber – und das war vielleicht das erste Weihnachtswunder an diesem Tage – murrte nicht und rutschte nicht, sondern fuhr, fand die richtige Abzweigung, und dann rumpelte er mit mir auf dem Fahrersitz über die alte Pflasterstraße hinein ins Weihnachtspostdorf. Vorbei an dem gelben Ortsschild, das aussah, als sei es frisch gewienert: Himmelpfort. Stadt Fürstenberg/Havel. Landkreis Oberhavel. Und gleich dahinter: 475 Einwohner. Standort des Weihnachtspostamtes. Ich runzelte die Stirn – was für ein Unfug.
Es war eines dieser typischen Brandenburger Straßendörfer, kleine Häuser aus Backstein, Feldstein oder einfach nur Beton, nebeneinander an der Hauptstraße, die hier Klosterstraße hieß. Die Havel spaltete den Ort, was eigentlich sehr hübsch war, aber meine Laune wollte mit der Havel nichts anfangen – ich ärgerte mich, hierhergefahren zu sein –, ich wusste nicht, worum es ging, und wahrscheinlich brachte ein Fall, der in so einem Nest spielte, auch nicht so viel ein, dass ich damit durch den Januar kommen würde.
Auf einmal ging ich in die Eisen, dass die alten Bremsen des Käfers quietschten und meine geliebte Karre auf der glatten Fahrbahn ins Schlingern geriet. In letzter Sekunde schleuderte ich an dem rotgewandeten Mann vorbei, der wild winkend auf die Straße gesprungen war, und kam in einer Schneewehe zum Stehen. Ich fluchte und versuchte, wütend das Fenster runterzukurbeln. Festgefroren. Also riss ich die knirschende Tür auf.
»Mann, Sie sind ja wohl nicht ganz dicht«, rief ich, und dann erst bemerkte ich, was er am Leib trug: das Kostüm eines Weihnachtsmannes, der weiße Bart dicht und voll, heraus schauten nur zwei kleine weit aufgerissene Augen.
»Herr Kant«, rief er, »endlich, ich habe Sie schon erwartet. Endlich …«
Er war ganz außer sich, und da begriff ich: Das hier war …
»Herr Engel«, sagte ich und versuchte, seine biedere Gestalt von früher mit dieser Erscheinung zusammenzukriegen. Es wollte mir nicht recht gelingen. »Ich hätte Sie fast überfahren.«
Er ließ traurig den Bart hängen.
»Das hätte meinen Tag auch nicht schlimmer machen können«, sagte er und winkte mich heran, ich aber sah mich nervös nach meinem Käfer um.
»Lassen Sie nur, heute fährt hier keiner mehr lang.«
Ich folgte ihm in das Haus, auf dem in großen Lettern WEIHNACHTSPOSTAMT stand, ein Bau aus gelben Steinen mit einem gebogenen Portal, das wir nun über eine kleine Treppe durchschritten. Ich erschrak beinahe, weil ich damit gerechnet hatte, dass das Postamt leer sein würde – aber drinnen herrschte ein Höllenkrach. Zwanzig Frauen, alt und jung, saßen an den Tischen oder standen herum und schnatterten lautstark miteinander. Sie sahen sehr bestürzt und noch viel aufgeregter aus.
»Was ist denn das für ein Taubenschlag?«, fragte ich Herrn Engel leise. »Was machen die Damen hier?«
»Nichts«, rief er und ließ die Hände sinken, »das ist es ja.«
»Ich verstehe nicht«, sagte ich und traf damit ziemlich genau den Punkt: Ich verstand gar nichts.
»Es ist eine Katastrophe«, rief Engel da, lauter als zuvor, beinahe wimmerte er, sodass eine der Damen angestelzt kam und ihm mit besorgtem Gesichtsausdruck eine Tasse Kaffee in die Hand drückte.
»Danke, Erna«, sagte er, und dann fuhr er fort: »Eigentlich sollten hier die Kugelschreiber übers Papier flitzen, den ganzen Tag, weil all die Briefe beantwortet werden müssen, die uns die Kinder schicken. Es ist Heiligabend, unser letzter Arbeitstag im Jahr, da kommen die meisten Briefe, und wir müssen alle beantworten. Nur heute …«, er wies durch den Raum, »nichts. Kein einziger Brief.«
Ich sah in seine traurigen Augen, er sah mich an, als habe er gerade den eigenen Hund überfahren.
»Vielleicht«, versuchte ich es mit Logik, »hatten die Kinder was Besseres zu tun, als so kurz vor Weihnachten noch Briefe zu schreiben. Die haben heutzutage schließlich alle ein iPhone.«
Engel sah mich tadelnd an. »Aber Herr Kant, ich bitte Sie. Wir kriegen hier an Heiligabend sonst fünftausend Briefe. Und heute soll nicht ein einziger gekommen sein? Nein. Unmöglich.« Die letzten Worte hatte er entrüstet gerufen, doch dann senkte er die Stimme und flüsterte verschwörerisch: »Es ist Raub. Schwerer Raub und die Störung des Weihnachtsfriedens. Deshalb beauftrage ich Sie. Sie müssen die Briefe finden. Ich bitte Sie. Nein, ich nehme Sie in die Verantwortung. Es geht um Weihnachten.«
Ich hatte wohl den Mund offen stehen, angesichts seiner Dreistigkeit, mich mit so einem Anliegen zu bemühen. Andererseits: Nun war ich eh hier. Hatte den Käfer-Tank leer gefahren, und zu Hause wartete nur meine kalte Bude. Also seufzte ich tief und sagte: »Na, dann los. Erzählen Sie mir, was Sie wissen.«
»Kommen Sie«, sagte er, und wieder war da dieser verschwörerische Unterton: »Hier ist es zu laut, wir reden draußen. Und mein Verdacht …«, er sah sich um, als hätten die Wände Ohren, »wird das Dorf durcheinanderwirbeln.«
Wir gingen hinaus, Engel stapfte voraus in seinen schwarzen Weihnachtsstiefeln, und seine Kutte wippte auf und ab.
Draußen setzte er sich auf eine Mauer, ich hockte mich neben ihn, es war arschkalt.
»Der Postmann hat die Briefe gebracht, die meisten aus Berlin. Jeden Morgen stellt er sie hier ab, vor der Tür des Postamtes, sehr früh am Morgen. Doch als ich heute hierhergekommen bin, gegen neun, da waren die Säcke weg. Alle. Es waren sicher drei Säcke. Aber sie sind einfach verschwunden.«
»Einfach irgendwelche Diebe, die dachten, da sei wertvolles Zeug drin?«
»Ach, Herr Kant, Sie Großstädter, nein, wir sind doch hier nicht in der Bronx oder im Wedding. Das ist Himmelpfort. Hier kommen nicht einfach irgendwelche Vandalen vorbei. Nein, das ist eine dorfgemachte Sache.«
Er winkte mich näher heran und sah sich wieder um.
»Ich habe zwei Täter in Verdacht. Nein, eigentlich drei.« Er machte eine Pause, als erwarte er Trommelwirbel.
»Nun reden Sie schon, Herr Engel.«
Er nickte, und sein Bart wippte auf und ab. »Ist ja gut, Herr Kant, ich stehe unter Schock, wirklich. Also: Am Ortsrand, fast schon in Bohmshof, da wohnt die Witwe Schuster. Dorfstraße 21. Eine alte, böse Frau. Sie hasst Weihnachten. Und sie hasst das Weihnachtspostamt. Uns. Sie hat schon mehrere Petitionen verfasst, weil sie den Trubel im Dorf nicht aushält. Den Trubel!« Er war ganz außer sich. »Einmal hat sie ihren Hund auf mich gehetzt, hier, mitten auf dem Dorfplatz. Er hat mich … zum Glück hatte ich meine schweren Stiefel an, sonst wäre es nicht so glimpflich ausgegangen, er konnte sich darin nicht festbeißen. Sie ist wirklich gefährlich.«
»Und wen haben Sie noch in Verdacht?«
»Dort.« Er wies auf ein Haus mit rauchendem Schornstein ganz in der Nähe, ein hübsches Haus mit einem schmiedeeisernen Zaun und einem Carport.
»Die Zwillinge der Koslowskis. Das sind echte Deibel. Fünfzehn Jahre alt. Zwei Jungs, die den ganzen lieben langen Tag nur darüber nachdenken, wie sie unser Dorf ärgern können. Ihnen würde so eine üble Sache auch ähnlich sehen. Obwohl ich …«, er zögerte kurz, »die Witwe Schuster noch stärker in Verdacht habe. Sie ist skrupellos.«
Eine schwarze Witwe und zwei Halbstarke – na, das konnte ja heiter werden. Ich ärgerte mich, dass ich mein Pfefferspray nicht eingepackt hatte.
Eine Frage konnte ich mir nicht verkneifen, während ich lustlos den Schnee beobachtete.
»Sagen Sie, Engel, warum sind da drin denn nur Frauen?«
Er lächelte mich wissend an. »Ich habe es versucht, mit männlichen Briefeschreibern, die die Post der Kinder beantworten. Können Sie vergessen. Kein Gefühl, keine Ideen, Fehlanzeige. Und …«, er machte eine Pause, »außerdem umgebe ich mich so gerne mit den Frauen aus dem Dorf, seitdem meine Ehefrau über alle Berge ist. Ich finde, das ist kein Verbrechen.«
Herrje, in was war ich hier nur reingeraten.
»Ich komme bald wieder«, sagte ich und stapfte davon.
Die Straße verließ das Dorf, wurde enger und gewundener, der Wald links und rechts war dicht und düster. Keine Menschenseele, ach, eigentlich überhaupt keine Seele. Selbst die Rehe schienen Heiligabend zu feiern.
Ich bremste an einem kleinen Hexenhäuschen im nächsten Dorf. Dorfstraße 21. Der Schornstein spie dunklen Rauch aus, entweder war der nächste Papst noch nicht gewählt oder die Besitzerin der Hütte lagerte ihr Holz nicht vorschriftsmäßig im Trockenen. Ich stieg aus und schloss die Tür vorsichtig. Jesus, ich wollte mich selbst ohrfeigen. Jetzt hatte ich Schiss vor einer vermeintlichen Briefediebin.
Ich stieg über den winzigen Holzzaun mit den Bohlen, an denen die Farbe abgeplatzt war. Ging zum Fenster und wollte gerade hineinsehen, als um mich herum ein Meer von Scheinwerfern anging und den frühen Abend erleuchtete. Ich fühlte mich geblendet und schützte meine Augen mit der Hand. Nur Augenblicke später wurde die Tür aufgerissen. Ich weiß nicht, was zuerst da war: die tiefe weibliche Stimme oder das tiefe Bellen des Hundes. Ich sah nichts, spürte nur das Ziehen und Reißen an meinem Bein, ich wollte weghüpfen, starr vor Angst, doch das Reißen fand sehr weit unten statt. Das war kein Dobermann – oder ein sehr kleiner. Ich senkte den Blick und fand heraus, wer da so tief bellte: ein Dackel, fünfundzwanzig Zentimeter Risthöhe und vier kurze Beine, zwischen denen ein hängender Bauch im Schnee schleifte. Dennoch schmeckte ihm meine Hose.
Die Dame des Hauses war da schon bedrohlicher, wie sie in der Tür stand und mich anfunkelte. Böse und durchdringend.
»Grinch, lass den Mann in Ruhe«, rief sie, »obwohl es dein Garten ist, du hast ja recht.«
»Guten Abend«, sagte ich.
»Kein guter Abend, gewiss nicht«, sagte sie.
»Wieso?«
»Sind Sie zum Plaudern hierhergekommen in die Einöde?«
»Was sollte man sonst tun an so einem Tag«, versuchte ich mein Glück, und richtig lügen musste ich dafür ja nicht, »alle feiern, und ich bin da nicht ganz so leidenschaftlich.«
Augenblicklich entspannten sich ihre Züge.
»Wollen Sie Tee? Aber ich warne Sie: Wenn Sie ein Enkelbetrüger sind oder meinen, ich wäre ein leichtes Raubopfer, vergessen Sie es. Ich belege seit zehn Jahren einen Taekwondo-Kurs in Templin. Ich mache Sie fertig, Sie halbe Portion.«
»Tee klingt gut«, sagte ich, ansonsten sprachlos über ihre Drohung.
Wir gingen in das kleine Haus, ich konnte eine winzige Kemenate erkennen, die ein Bett beherbergte, das Wohnzimmer war direkt daneben und nicht minder klein. Die Flamme im Kamin war tatsächlich eher grün als rot.
»Sie heizen falsch«, sagte ich.
»Sind Sie Schornsteinfeger?«
»Das ist gefährlich. Kohlenmonoxid«, sagte ich.
»Hier, Ihr Tee. Ist Ingwer mit Orange. Tut gut gegen die Kälte.«
Ich wähnte mich sofort in meinem Hipster-Café in Berlin, hier draußen hatte ich lediglich mit einer Früchteteemischung vom Aldi gerechnet.
»Also, was wollten Sie in meinem Garten? Mal Wasser lassen und im Wald gefürchtet?«
Ich spürte, dass ich hier mit Lügen nicht zurande kam. »Engel schickt mich.«
»Die Engel? Um mich zu holen? Für mich würde doch eher der Luzifer kommen, oder?«
»Nein, Herr Engel«, korrigierte ich. »Die Post für Himmelpfort ist weg. Und ich soll sie wiederfinden.«
»Die Post?«
»Alle Briefe ans Weihnachtspostamt.«
Ihr folgendes Grinsen war wirklich teuflisch. »Und ich soll sie geholt haben?«
»Glaubt Engel.«
»Der alte Schlingel«, sagte sie lachend. »Vergessen Sie es. Das wäre ja die Zerstörung meines Lebensmodells. Ich säge doch nicht an dem Ast, auf dem ich sitze.«
Ich verstand kein Wort. »Ich verstehe kein Wort«, sagte ich.
»Ich wohne hier seit meiner Geburt. Wissen Sie, in so einem Ort, da versucht ja jeder, nicht aus der Art zu schlagen. Und das war mir zu fade. Also hab ich mir den Weihnachtsmuffel-Status erarbeitet. Indem ich die Kinder erschrecke, sie manchmal mit meinem Besen jage, die Einzige bin, die keinen Baum kauft – und meinen Kameraden hier«, sie wies auf den Dackel, »Grinch genannt hab. Das war ein hartes Brot. Aber so reden die Leute über mich, fürchten sich ein wenig und lassen mich in Ruhe. Doch dafür brauche ich Weihnachten – den ganzen Zauber um mich herum. Gäb’s keinen Heiligabend-Zauber in Himmelpfort, bräuchte es doch mich gar nicht. Also, Herr …«
»Kant.«
»Herr Kant, finden Sie die Briefe. Schnell. Ich hab eine schöne Besen-Choreographie für morgen erarbeitet – es wäre zu schade, wenn die Kinder aus einem anderen Grund traurig wären.«
»Danke«, sagte ich, weil mir nichts Passenderes einfiel, trank meinen Tee aus und ging. Ihre Blicke folgten mir, bis der Käfer längst die Dorfstraße entlangrollte. Ich fuhr nach Himmelpfort hinein, im Postamt war es mittlerweile dunkel.
»Kant, bin zu Hause«, stand auf dem Zettel am Eingang. Auch Engel saß also schon unterm Baum. So wie alle anderen, jedes Haus im Ort war andächtig beleuchtet.
Ich ging die paar Schritte zum Haus der Verdächtigen Nummer zwei. »Koslowski« stand auf dem Klingelschild. Mein Blick glitt über das Dach, die Fenster, die Zinnen. Kein Bewegungsmelder. Na, Gott sei Dank. Noch so ein Blitzlichtgewitter konnte ich nicht gebrauchen. Ich pfiff leise, wartete ab, ob ein Hund kam, und als keiner kam, stieg ich vorsichtig über den Zaun.
Ich schlich zur Rückseite des Hauses, die aufs Feld zeigte, immer näher ans große Terrassenfenster. Ich erwartete die beiden Jungs, über den Sack mit Briefen gebeugt, böse lachend und die Kinderpost ironisch vortragend, um sie anschließend zu vernichten.
Doch was ich sah, ließ mir den Mund offen stehen, denn es war für mich doch ähnlich schockierend: Sie alle saßen im Wohnzimmer auf den skandinavischen Designermöbeln, Mama, Papa und die beiden Koslowski-Zwillinge, blond und groß, Teenager waren es, die einander glichen wie zwei Bioeier.
Neben der Familie stand der Baum, unter dem Baum lagen bunte Pakete, im Fernseher lief ein Loriot-Sketch. Die vier Familienmitglieder aber sahen gar nicht hin, sie stießen soeben mit hohen Sektgläsern an, sprachen laut und lachten, die Augen der Zwillinge glänzten, und alle wirkten so fröhlich und aufgeräumt, dass sich mein alter Bandscheibenvorfall wieder meldete.
Ich besah mir das festliche Idyll noch eine Weile, dann trat ich den Rückzug an. Ich ging die paar Schritte zu Engels Haus und klingelte.
Er öffnete kurz darauf, neben ihm stand, sich anschmiegend, eine ältere Frau, ich erkannte eine der arbeitslosen Briefeschreiberinnen von vorhin wieder. Hatte sich die Arbeit im Postamt also doch gelohnt.
»Und, Herr Kant?«, fragte Engel aufgeregt.
»Nichts. Ihre Verdächtigen waren es nicht«, sagte ich.
Seine Miene verfinsterte sich. »Eine Katastrophe ist das, alle Frauen sind nun zu Hause, die armen Kinder, sie werden keine Post bekommen, eine Kata…«, sagte er, die Frau aber unterbrach ihn: »Ach, Herrmann, nun sei doch nicht so verärgert, es ist doch Weihnachten …«
»Sagen Sie, ist denn sicher, dass die Briefe überhaupt hier angekommen sind?«, fragte ich.
»Aber klar«, sagte Engel mit fester Stimme. »Die bringt immer der Bote aus Berlin mit. Wir kennen ihn gut, er wohnt in Gransee. Ein toller Mann, immer diszipliniert und pünktlich. Er fährt jeden Tag in Berlin Pakete aus, an Weihnachten aber bringt er unsere Briefe und fährt dann das Postauto zurück nach Berlin ins Lager. Er ist allein, wissen Sie?«
Der Klick in meinem Kopf war wie die Nikolaus’sche Rute auf den Po.
»Warten Sie hier, und trommeln Sie die Frauen zusammen. In einer Stunde haben Sie Ihre Briefe.«
Mit vor Aufregung rotem Gesicht ließ ich ihn stehen.
Der Käfer spotzte, sprang aber an, ich raste die paar Kilometer erst über die Landstraße und dann über die B96 nach Gransee.
Und richtig: Dort, vor dem Haus, stand immer noch der Elektro-Transporter der Post.
Ich bremste, hielt und rannte beinahe auf das Haus zu. An der Klingel stand: Lutz Damaschke.
Ich drückte sie ausdauernd.
Er öffnete und hielt die Hände vor den Körper, so, als würde ich ihm gleich Handschellen anlegen. Ein Mann Ende fünfzig, Halbglatze, ein kleiner Bauch, aber ein attraktives Gesicht, der immer noch die Uniform der Post trug.
»Ich wusste, dass Sie mich finden«, sagte er und fügte hinzu: »Aber das war es mir wert.« Sein Gesicht hatte einen hellen Glanz. »Kommen Sie«, sagte er und führte mich hinein in ein wahnsinnig aufgeräumtes Haus, das Wohnzimmer geputzt und gewienert, die Möbel akkurat und auf dem Flokati-Teppich lagen vier Säcke mit Briefen, fein säuberlich ausgeschüttet und verteilt, mehrere Dutzend waren schon geöffnet. Der Brieföffner lag daneben wie eine Waffe.
»So viele Briefe waren es noch nie«, sagte Damaschke und strahlte. »Die Leute sagen immer, die Jugend würde nur noch auf dem iPhone daddeln. Totaler Quatsch. Die schreiben, wenn es etwas zu schreiben gibt, an das sie glauben.«
»Was soll das«, fragte ich, »warum haben Sie das gemacht?«
Sein Gesicht wurde schuldbewusst wie das einer Dogge, die gerade den Fleischstand des Metzgers leer geräumt hatte.
»Wissen Sie, ich bin seit dreißig Jahren bei der Post. Ich war es schon in der DDR. Damals war das schön, auch noch in den Neunzigern. Ich habe mit den Leuten ein Schwätzchen gehalten, sie haben mir Kekse geschenkt oder sich Zeit genommen. Aber heute«, er schüttelte traurig den Kopf, »ich fahre in Berlin Briefe und Päckchen aus, manchmal auch Pakete. So viele Pakete«, er zeigte mit seiner Hand einen hohen Turm. »Es ist so anonym, ich kenne keinen meiner Kunden mehr. Die sind immer arbeiten und wollen am liebsten, dass ich das Paket hinter der Mülltonne ablege. Aber wenn ich einmal zu spät bin oder das Paket bei einem Nachbarn abgebe, dann schreiben die Leute gleich eine Beschwerde an die Zentrale, und ich kriege richtig Ärger. Für ein bisschen Trinkgeld pro Tag gibt es zehnmal so viel Ärger. Immer. Kekse muss ich mir längst selber kaufen. Und die Leute? Schicken am nächsten Tag alles wieder zurück, was in den Paketen war. Und erwarten, dass ich all die Klamotten wieder runterschleppe. Die Fernseher. Einer hat sogar mal Steine gekauft – stellen Sie sich das vor: Ich habe die Gartensteine eines Mannes geschleppt, in seine Wohnung. Was für eine Welt.«
Ich verstand jedes Wort – ich hätte den Mann küssen können für seine Klarheit. Eines aber verstand ich nicht. »Und deshalb klauen Sie Briefe?«
»Ich bringe die Post für Himmelpfort schon seit zehn Jahren. Dieses Jahr aber war sehr schwer, mein Hund ist gestorben und mein Patenkind nach Australien gezogen. Das ganze Jahr gibt es kein liebes Wort von den Kunden. Und so hab ich dieses Jahr die Briefe in meinem Rücken gespürt. Sie haben im Auto zu mir gesprochen. Ich war schon in Himmelpfort, und dann bin ich einfach umgekehrt, mit den Briefen. Bin hierhergefahren. Und hab begonnen, sie alle zu lesen. Zu spüren, wie viel Liebe in der Welt ist. Sie wird mir nicht gezeigt, aber egal: Ich wollte nur wissen, dass sie da ist. Hier«, er nahm einen Brief, »hier steht: Lieber Weihnachtsmann, ich liebe meinen Bruder und meine Mama, auch wenn sie allein ist, und ich wünsche mir, dass sie einen neuen Papa findet und dass wir immer zusammenbleiben. Sonst möchte ich nur was von Lego. Danke. Dein Holger. Ist das nicht großartig? Das ist der schönste Tag des Jahres für mich. Ich brauchte das. Und gleich wollte ich losfahren und die Briefe zurückbringen. Aber nun werden Sie mich sicher zur Wache bringen, oder, Herr Inspektor?«
Ich überlegte nur Sekunden. »Ich bin kein Polizist, ich bin Detektiv. Der Chef des Weihnachtspostamts hat mich beauftragt. Los, packen Sie die Säcke ein, wir fahren.«
Im Nu hatten wir die Briefe zusammengepackt und fuhren im Konvoi nach Himmelpfort. Das Postamt war wieder hell erleuchtet, und wir schleppten die Säcke aus dem Auto und die Treppe hoch in den heißen Raum, in dem die Damen wieder wild umherplapperten.
»Die Briefe«, riefen sie, als sie uns sahen, und Engel kam auf uns zugerannt.
»Herr Kant, Sie sind ein Genie und … Herr Postbote, danke, wo haben Sie die Briefe denn gefunden?«
Damaschke wollte eben anfangen zu sprechen, seine Hände zitterten, doch ich war schneller: »Der Postbote hat einen Namen, er heißt Lutz Damaschke, und er hat die Säcke auf dem Weg nach Berlin gefunden, an einen Baum gelehnt, fast hätte der Schnee sie begraben.«
»Aber wer …«, fragte Engel, als er sah, dass einige Briefe aufgeschnitten waren.
»Ist doch jetzt egal«, entgegnete seine Frau.
»Genau. Entscheidend ist doch eher: Was für ein Held. Herr Damaschke hat aber eine Bitte, Engel. Er würde gern ab diesem Jahr helfen, die Briefe zu beantworten. Als zweiter Mann Ihrer Brigade. Ich versichere Ihnen, er hat genug Gefühl in sich – und reichlich Ideen –, damit er Ihren Ansprüchen gerecht wird. Er passt perfekt hierher. Gebongt?«
Engel sah Damaschke an, dann rückte er einen Stuhl heran und drückte dem verdutzen Postboten einen Stift in die Hand: »Los, Herr Damaschke, schreiben Sie, das wird eine lange Nacht.«
Engel zwinkerte mir zu.
»Ich weiß nicht, wie Sie das gemacht haben. Aber wir werden Sie natürlich entschädigen.«
»Vergessen Sie’s. Nehmen Sie es als Geschenk. Zu Weihnachten.«
Als ich ging, hinter mir das emsige Geräusch von Stiften auf Papier und aufgeschnittenen Umschlägen, blickte ich zurück und sah, wie sich Lutz Damaschke erhitzt über einen Brief beugte, ihn las und dann mit dem Füller beantwortete. Seine Wangen glühten. Er lächelte tief und innig.
Auf dem Heimweg schaffte ich es nur mit Mühe, das Lächeln aus dem Gesicht zu bekommen. Ärgerlich.
Ich parkte in der komplett leeren Raumerstraße. Bei Cynthia in der Bar war noch Licht. Ich riss die Tür auf, die junge Frau saß mit ein paar Stammgästen am Tresen, Gläser mit Gin Tonic standen auf der Bar, Driving Home for Christmas spielte im Radio.
»Frohe Weihnachten«, rief ich und hatte mich lange nicht mehr so über mich selbst gewundert.
Hannover
Über die Autorin:
Cornelia Kuhnert lebt und schreibt in Isernhagen. Sie war nach dem Geschichts- und Germanistikstudium Lehrerin an verschiedenen Schulen. Seit einigen Jahren arbeitet sie freiberuflich als Autorin von Kriminalromanen und Kurzkrimis aus dem niedersächsischen Kleinstadtmilieu.
Seit 2014 hat sie ihre mörderischen Ermittlungen nach Neuharlingersiel verlegt. Die letzten drei Bände der heiteren Krimireihe um den Dorfpolizisten Rudi, den Postboten Henner und die Lehrerin Rosa, die sie gemeinsam mit Christiane Franke schreibt, eroberten sich Plätze auf der Spiegel-Bestsellerliste. Cornelia Kuhnert ist Herausgeberin von Anthologien in verschiedenen Verlagen (z.B. Mord macht hungrig, 2016, Rowohlt) und hat das Krimifest Hannover aus der Taufe gehoben und mehrere Jahre organisiert.
Mehr Infos unter: www.corneliakuhnert.de, www.kuestenkrimi.de
In dicken Flocken fällt der Schnee vom Himmel. Wie von Zauberhand legt er sich als weiße Decke über Bäume und Büsche und verzaubert den Garten. Winter Wonderland. Katharina kann sich gar nicht daran sattsehen. Sich vor allem nicht daran erinnern, wann es das letzte Mal weiße Weihnachten gegeben hat. Sorgfältig faltet sie die Zweige des Tannenbaums auseinander, streicht sie erst behutsam glatt und biegt sie dann in Form. Das sieht super aus. Und das Beste: Die Lichterkette ist vorinstalliert. Ein entschlossener Griff zur Steckdose – schon strahlt der Baum im Lichterglanz von dreihundertfünfzig LEDs. Herrlich. Fehlt nur noch die Deko. Katharina fasst schon in die Schachtel mit dem Christbaumschmuck, hält dann aber inne und dreht sich zu ihrem Mann um. »Hilfst du mir, den Weihnachtsbaum zu schmücken?« Die Frage stellt sie eher beiläufig, rechnet nicht wirklich mit einer Reaktion. Doch zu ihrer Verblüffung steht Karl-Heinz tatsächlich aus seinem Fernsehsessel auf.
»Für Plastik sieht der gar nicht mal so schlecht aus«, sagt er, als er neben ihr steht. Ein Lächeln huscht dabei über sein Gesicht. Das erste seit Wochen. Helfen will er trotzdem nicht. Geht stattdessen lieber in den Keller. Bier holen. Rotwein und Wasser will er gleich mitbringen. Immerhin.
Katharina greift nach dem Engel mit dem Goldhaar, den sie letztes Jahr zusammen auf dem Weihnachtsmarkt in Hannover gekauft haben. An einem klirrend kalten Adventssonntag. Händchen haltend sind sie an den Ständen in der Altstadt entlanggeschlendert. Mit vom Glühwein roten Wangen im Winterwunschwald gelandet. Katharina streckt sich, hängt den Engel ganz weit oben auf, damit Karl-Heinz ihn sieht, wenn er aus dem Keller kommt. Das mit rotem Strass verzierte Rentier bekommt einen Platz in der Mitte, gleich neben dem silbernen Schneemann. Stück um Stück folgt. Als Letztes die Duftanhänger. Die dürfen nicht fehlen. Schließlich soll es im Zimmer weihnachtlich riechen.
Zufrieden betrachtet sie den Baum. Schön sieht er aus, wie er da so in der Ecke steht. Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätten sie so einen schon vor Jahren gekauft. Aber Karl-Heinz ist immer dagegen gewesen. Wollte lieber selber eine Nordmanntanne schlagen. Aber damit ist nun Schluss. Fünf Wochen ist es her, seit sie beschlossen hat, etwas in ihrem Leben zu ändern. Und das ist einfacher gewesen, als sie gedacht hat! Nur der erste Schritt ist ihr schwergefallen. Jedenfalls ein bisschen.
Sie wirft einen Blick auf die Uhr. Zeit, sich ums Essen zu kümmern. Die Eltern von Karl-Heinz kommen gegen fünf – und bringen immer ordentlich Hunger mit. Vor allem ihr Schwiegervater isst für zwei. Den Krustenbraten hat Katharina schon vorbereitet, muss ihn jetzt nur noch in den Backofen schieben. Zusammen mit den Lebkuchenherzen, die sie vorhin ausgestochen hat. Wirklich praktisch, dieser Fertigteig von Ikea. Der verströmt beim Backen vielleicht einen Weihnachtsduft! Ganz ehrlich: Das ist nicht zu toppen. Außerdem kann sie nachher ein paar Kekse in die Bratensoße krümeln.
Als Nächstes schneidet sie Gewürzgurken in dünn aufgefächerte Scheiben und platziert sie auf dem Holzbrett, das sie vor vielen Jahren von Karl-Heinz zu Weihnachten bekommen hat. Damals, als sie sich noch etwas geschenkt haben. Das haben sie mittlerweile abgeschafft. Bringt bloß Stress, hat er gemeint. Irgendwie hat er ja auch recht. Obwohl, eine kleine Überraschung hätte sie dieses Mal schon für ihn. Aber die behält sie besser für sich. Katharina grinst und stellt die Schale mit der selbstgemachten Leberpastete neben die Gurken. Als kleinen Gruß aus der Küche.
Im Wohnzimmer klappert die Terrassentür. Was macht er denn nun bloß schon wieder? Gelüftet ist doch. Sie linst vom Flur aus zu ihm hin. Er hat das Bier nach draußen gebracht. Zum Kühlen. Umsichtig ist er ja, ihr Karl-Heinz. Zumindest, wenn es um seine Getränke geht. Alles andere geht ihm im Moment ziemlich am Arsch vorbei. Entschuldigung! Aber ist doch wahr. Weihnachten interessiert ihn nicht die Bohne. Jetzt zum Beispiel. Statt ihr zu helfen, steht er einfach vor der Terrassentür und schaut nach draußen. Rührt sich keinen Millimeter. Beobachtet nur, wie der Schnee fällt. Wartet darauf, dass die Zeit vergeht. Aber die vergeht von alleine. Unerbittlich. Fünfzehn Jahre sind sie nun schon verheiratet. Manches hat sich in diesen Jahren langsam und fast unmerklich verändert. Vor allem bei Karl-Heinz. Die sich vertiefenden Lachfalten, die ersten grauen Haare, der Ansatz eines Doppelkinns. Aber eigentlich stört sie das nicht. Im Gegenteil. In Zeiten schneller Trennungen sind dies sichtbare Beweise für die Beständigkeit ihrer Ehe. Und das ist es, was zählt. Deshalb muss man manchmal tolerant sein. Jedenfalls bis zu einer gewissen Grenze.
Die Küchenuhr klingelt. Sieben Minuten sind um. Sie öffnet den Backofen und nimmt das Blech mit den Keksen heraus. Vorsichtig bugsiert sie sie mit dem Schieber auf einen goldenen Teller und trägt ihn zum Couchtisch. Zieht eine Wolke Lebkuchenduft hinter sich her. Sogar Karl-Heinz bemerkt das, dreht sich um und schnuppert. Sagt aber nichts. Ehrlich gesagt, geht ihr seine Lethargie manchmal gehörig auf den Senkel. Vielleicht hilft frische Luft.
»Karl-Heinz! Schieb doch mal den Schnee auf dem Fußweg zur Seite. Nicht, dass deine Mutter nachher ausrutscht und sich die Beine bricht.«
Wenig später klappert es erst an der Garderobe, dann an der Haustür. Kurz darauf hört Katharina das Schaben auf dem Gehweg. Ein Lächeln umspielt ihre Lippen. Karl-Heinz ist eigentlich eine Seele von Mensch. Man muss ihn nur auf die richtige Spur bringen.
Und das hat sie gemacht.
Bald ist alles wieder gut. So wie früher.
Bevor Svetlana sich zwischen sie gedrängt hat.
Vorsichtig gießt Katharina einen Schuss Wein über den Braten und schließt den Backofen. Draußen klappert die Tür. Karl-Heinz ist mit Schneeschieben fertig.
»Mach doch mal Musik an! Deine Eltern kommen gleich.« Ein bisschen Weihnachtsstimmung kann da nicht schaden. Karl-Heinz antwortet nicht, schlurft stattdessen durch den Flur ins Schlafzimmer. Schaltet sie eben selbst das Radio ein. Das Lied fängt ganz leise an, wird durch den Einsatz der Gitarre und des Schlagzeugs lauter und braucht einen Moment, bis es richtig bei ihr ankommt. Keine Weihnachtsglöckchen. Kein Ruf nach Rudolf, the red-nosed reindeer. Stattdessen eine Stimme, die ihr durch Mark und Bein geht, ihr für einen Moment den Atem raubt. This is the end. My only friend – the end. Nein, nicht dieses Lied! Nicht heute. Nicht an Weihnachten.
Sie weiß noch genau, wo sie es zum letzten Mal gehört hat: auf dem Hof ihrer Eltern. Der steht seit Ewigkeiten zum Verkauf. Weil kein Mensch in diese Einöde ziehen will. Sie stand in der Waschküche, das alte Kofferradio laut aufgedreht. Blechern brach sich die Musik an den gekachelten Wänden, hallte zurück wie in einer Bahnhofsunterführung. Vier Wochen ist das jetzt her. Nicht mehr daran denken. Vorbei ist vorbei.
Schnell sucht sie einen anderen Sender. Lasst uns froh und munter sein. Deutlich besser. Vor allem, weil es gerade an der Haustür klingelt.
»Karl-Heinz, mach mal auf.« Keine Reaktion. »Karl-Heinz!« Ärger macht sich in ihr breit, aber sie wischt ihn zur Seite. Als es das zweite Mal klingelt, bindet sie sich die Schürze ab und eilt zur Tür. »Fröhliche Weihnachten!«, begrüßt sie Karl-Heinz Eltern und drückt ihnen Küsse links und rechts auf die Wange.
»Gut riecht es hier«, sagt der Schwiegervater zur Begrüßung und zieht seinen Mantel aus. »Was gibt es denn?«
»Krustenbraten mit Kartoffelklößen und Rotkohl.«
»Keine Gans?«, mäkelt die Schwiegermutter. »Bei uns gab es Heiligabend immer Gans.«
»Stimmt doch gar nicht«, widerspricht ihr Mann. »Gab auch lange Kartoffelsalat und Würstchen.«
»Aber nur, weil ich bis eins im Geschäft sein musste.« Die Schwiegermutter reicht Katharina den Mantel. »Wo ist denn mein Junge?«
»Der zieht sich um«, sagt Katharina. Etwas lauter: »Karl-Heinz, deine Eltern sind da!«
»Lass ihn man, wir haben doch Zeit.« Sie reckt den Hals. »Ich bin schon auf euren Weihnachtsbaum gespannt.« Ihr Mann nickt. Sagt aber nichts.
Die Schwiegermutter begutachtet den Baum vom Flur aus, wischt dabei die beschlagenen Brillengläser mit ihrem Taschentuch ab. »Schön gewachsen. Wirklich. Karl-Heinz hat ein Händchen dafür. Nicht wahr, Walter?«
Ihr Mann nickt pflichtschuldigst. Sagt aber immer noch nichts.
»Und wie der duftet! Es geht doch nichts über frisch geschlagene Bäume!« Ihre Schwiegermutter steht dicht vorm Weihnachtsbaum, steckt die Nase zwischen die Zweige. Augenblicklich erstarrt sie. »Ist der etwa künstlich?«
»Nachhaltig. Nicht künstlich.«
Eisiges Schweigen im Raum.
»Weihnachtsbäume werden völlig überbewertet«, sagt der Schwiegervater. Weiter klirrende Eiszapfenstille. Zum Glück kommt Karl-Heinz in diesem Moment ins Zimmer. Umgezogen hat er sich nicht, ist immer noch mit Jeans und Flanellhemd unterwegs. Und gibt damit die Steilvorlage für seine Mutter.
»Mein Junge, wie siehst du denn aus? Heute ist doch Weihnachten.«
Keine Antwort. Wieder frostiges Schweigen.
»Gibt es denn schon ein bisschen was zu schnabulieren?«, fragt der Schwiegervater, seit vielen Jahren geübt darin, das Gekrittel seiner Frau abzufangen und einen neuen Ball ins Spiel zu bringen.
Der Tisch im Wohnzimmer ist schon seit gestern feierlich gedeckt. Mit Kerzen und Stoffservietten. Karl-Heinz holt für sich eine Flasche Bier von draußen, öffnet dann für die anderen die Rotweinflasche, schenkt ein, während Katharina im Backofen nach dem Braten sieht. Sie dreht den Grill eine Stufe höher und wirft einen prüfenden Blick auf die Wurstplatte. Legt noch ein Stück Blutwurst dazu und das Messer mit dem Hirschhorngriff daneben und bringt alles ins Wohnzimmer. »Setzt euch und lasst euch die kleine Vorspeise schmecken!«, sagt sie und stellt das Brett auf den Esstisch. »Die Bratenkruste braucht noch ein paar Minuten.«
Freudig greift ihr Schwiegervater nach dem Messer und schneidet sich eine Scheibe ab. »Schmeckt gut«, sagt er und leckt sich die Finger ab. Übersieht dabei geflissentlich den missbilligenden Blick seiner Frau. »Möchtest du?«, fragt er seinen Sohn. Karl-Heinz greift nach der Blutwurstscheibe und schiebt sie sich in den Mund. »Lecker.« Er lächelt. Das ist ein gutes Zeichen. Der Tiefpunkt ist überschritten. Es geht aufwärts. Nicht mehr lange – und er hat Svetlana vergessen.
Dieses elende Miststück!
Wie die sie angesehen hat, als sie endlich auf dem heruntergekommenen Bauernhof ihrer Eltern in der Heide angekommen sind. Ihr sonst so klarer Blick verzerrt. Voller Angst. Zu Recht.
Katharinas Plan war einfach perfekt. Schluss, fertig, aus!
Kein Mitleid. Wozu auch?
Dabei hat alles ganz harmlos angefangen. An einem herrlichen Tag im Frühsommer. Udo kam überraschend zum Geburtstag von Karl-Heinz vorbei. Mit Svetlana im Schlepptau. Udo, der größte Ignorant unter der Sonne und der beste Freund ihres Mannes. Direkt nach der Vorstellungsrunde ging er zum Frontalangriff über. »Svetlana braucht eine neue Bleibe«, hat er gesagt und dabei Karl-Heinz angesehen. »Ihr habt doch genug Platz.«
Genug Platz hin oder her. Das war doch überhaupt nicht die Frage. Aber das hat Karl-Heinz nicht begriffen. Hat stattdessen – ganz Gentleman alter Schule – sofort Ja gesagt. Ohne Katharina zu fragen. Im Unterschied zu ihrem Mann blinkten bei ihr in diesem Moment alle Alarmleuchten auf, und sie erinnerte Karl-Heinz an die Haushaltshilfe aus Litauen. Auch so ein Überraschungsei von Udo, das Katharina tierisch auf die Nerven gegangen und nur im Weg rumgestanden ist. Karl-Heinz hat das nicht gemerkt, der machte die ganze Zeit einen großen Bogen um sie. Schon allein wegen ihres Mundgeruchs. Aber das war plötzlich alles vergessen. Karl-Heinz stand zu seinem Wort, egal was Katharina für Gegenargumente brachte. Svetlana kam und blieb. Und das Schlimmste: Karl-Heinz und Svetlana waren sofort ein Herz und eine Seele, während Katharina von Stund an außen vor war. Karl-Heinz strahlte wie ein Honigkuchenpferd, wenn er Svetlana sah. Tag und Nacht redete er von nichts anderem als von ihr. Svetlana hier und Svetlana da! Schwärmte in den höchsten Tönen von ihrem einfühlsamen Wesen. Nach einer Weile konnte Katharina den Namen Svetlana nicht mehr hören. Verkroch sich im Wohnzimmer hinter einem Buch, wenn er wieder anfing, Lobeshymnen zu singen. Was Karl-Heinz nicht bemerkte. Und nicht nur das. Er filmte Svetlana mit dem Handy und geriet in Verzückung, wenn er sich abends die Aufnahmen ansah. »Diese Augen! Sieh sie dir an!«, juchzte er. Katharina verdrehte ihre Augen und biss sich auf die Zunge, sagte nichts, um nicht zu streiten. Aber es wurde von Tag zu Tag unerträglicher. Ihr Mann, der sonst keinerlei Interesse für die Küche zeigte, bereitete höchstpersönlich das Essen für Svetlana zu – was er für Katharina noch nie gemacht hatte. Bisher hatte es immer geheißen, dass er zwei ungleiche Hände habe und Männer genetisch für Hausarbeit nicht geeignet seien. Und welch einen Aufstand er machte, als es Svetlana einmal nicht schmeckte. Er redete auf sie ein, versuchte sie wie ein kleines Kind zu füttern – und als auch das nicht half, wollte er den Arzt holen. Was er auch getan hätte, wenn Katharina nicht ein Machtwort gesprochen hätte: »Sie mag dein Essen heute nicht. Na und? Dann isst sie eben nichts!« Wie hasserfüllt Karl-Heinz sie da angesehen hat.