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Fußnote


1 Navajo. Seit 1863 führte Carson einen brutalen Vernichtungskrieg gegen die Indianer.


Im Wilden Westen Nordamerikas
KEIN GLÜCK IN ARIZONA


In dieser Reihe bisher erschienen

2201 Aufbruch ins Ungewisse

2202 Auf der Spur

2203 Der schwarze Josh

2204 In den Fängen des Ku-Klux-Klan

2205 Heiße Fracht für Juarez

2206 Maximilians Gold

2207 Der Schwur der Blutsbrüder

2208 Zwischen Apachen und Comanchen

2209 Der Geist von Rio Pecos

2210 Fragwürdige Gentlemen

2211 Jenseits der Grenze

2212 Kein Glück in Arizona


H. W. Stein (Hrsg.)


Kein Glück in Arizona





Diese Reihe erscheint in der gedruckten Variante als limitierte und exklusive Sammler-Edition!
Erhältlich nur beim BLITZ-Verlag in einer automatischen Belieferung
ohne ­Versandkosten und einem Serien-Subskriptionsrabatt.
Infos unter: 
www.BLITZ-Verlag.de

© 2019 BLITZ-Verlag
Redaktion: Jörg Kaegelmann
Autor: Thomas Ostwald
Titelbild: Ralph Kretschmann
Logo: Mario Heyer
Satz: Harald Gehlen
Alle Rechte vorbehalten
ISBN 978-3-95719-443-5

Dieser Roman ist als Taschenbuch in unserem Shop erhältlich!



1.


Ein seltsames Geräusch drang an mein Ohr und ließ mich erwachen. Ich konnte es nicht zuordnen und hatte zudem Probleme, meine Augen zu öffnen. Als es mir gelang und ich mich verwundert umsah, zuckte ein heftiger Schmerz vom Hinterkopf durch meinen ganzen Körper und presste mir einen Laut aus der Kehle, der sogleich eine Reaktion auslöste. Jemand sprach zu mir, aber auch diese Worte konnte ich nicht gleich zuordnen und verstehen.

„Old Shatterhand!“

Das klang deutlich und zugleich verzweifelt.

Verwundert drehte ich meinen Kopf in die Richtung und bereute die rasche Bewegung sofort, denn erneut schoss ein unangenehmer Schmerz vom Hinterkopf herüber und verursachte vor meinen Augen einen Blitz.

Dann nahm ich das Prasseln wahr, und auch meine Nase wurde aktiv. Kein Zweifel, ich befand mich in einem brennenden Raum. Mit dieser Erkenntnis kam auch die Erinnerung zurück. Ich war in der Scheune und hatte dort den gefesselten Sam Hawkens entdeckt. Als ich ihn losschneiden wollte, schlug mich jemand von hinten nieder.

„Old Shatterhand, um Himmels willen, wir müssen hier heraus!“, vernahm ich jetzt erneut die Stimme. Ich richtete mich mühsam mit den Armen auf, dann kam ich auf die Beine, musste mich aber gleich darauf an dem Balken neben mir festhalten. Ein heftiger Schwindel hatte mich gepackt, ich atmete tief durch, während erneut der klagende Ruf „Old Shatterhand!“ direkt neben mir erklang.

Jetzt wurde es Zeit zum Handeln. Die Scheune brannte bereits an mehreren Stellen, und vor mir lag noch immer Sam in seinen Fesseln. Mein Bowiemesser befand sich nur ein kleines Stück entfernt; ich stieß mit dem Schuh dagegen und hatte es gleich darauf in der Hand, um seine Stricke zu durchtrennen.

„Gott sei Dank, ich hatte schon befürchtet, dass wir beide hier elendiglich verbrennen oder ersticken müssen“, sagte Sam erleichtert, als er sich aufrichtete.

„Noch sind wir nicht draußen!“, gab ich zu bedenken und war an dem Scheunentor, die sich nicht bewegen ließ. Das große Tor bebte zwar unter meinen Anstrengungen, wich aber keinen Zoll zur Seite. Rasch sah ich mich nach einem Werkzeug um.

Die Pferdeboxen waren jetzt alle verlassen, die beiden Pferde hatte man mitgenommen, der Wagen stand noch mitten in der Scheune. Ich entdeckte eine Mistgabel und versuchte nun, die kräftigen Zinken zwischen den Torspalt zu pressen und es damit aufzuhebeln.

Über uns prasselten die Flammen im Dachstuhl, während sich an der Rückseite und direkt neben uns nun auch die Holzwände in rot-gelbe Flammen verwandelten, die gierig in den Raum hineinleckten.

Meine Bemühungen waren jedoch erfolglos. Gerade wollte ich Sam durch das Feuerprasseln zurufen, dass wir eine Axt oder einen Spaten in den Pferdeboxen finden müssten, wenn wir hier noch hinausgelangen wollten, da vernahm ich einen dumpfen Schlag von außen gegen das Scheunentor. Erstaunt blickte ich auf die Stelle, an der gleich darauf der zweite Schlag traf und das Holz splittern ließ. Ein dritter, vierter und fünfter ebenso kraftvoll geführter Schlag mit einer großen Axt, dann griff ein Arm in das Loch und brach die nächsten, gelockerten Bretter heraus.

„Old Shatterhand? Sam?“, rief jemand zu uns, und wir antworteten beide mit lautem Jubel. Gleich darauf hatte der kräftige Matty sein Werk vollendet, wir konnten uns durch die Öffnung zwängen und liefen hinter ihm ein paar Schritte um das brennende Gebäude herum.

Im Schatten des Nachbargebäudes blieben wir stehen und verschnauften erst einmal.

„Das war der richtige Moment!“, keuchte Sam Hawkens. „Noch etwas länger, und wir wären wie ein Steak geröstet worden, wenn ich mich nicht irre!“

„Ich wäre ja schneller gekommen“, antwortete Matty, „musste aber erst einmal abwarten, bis die beiden Burschen verschwunden waren. Dann habe ich mir aus dem Gartenhaus hier die Axt geholt und – na ja, den Rest kennt Ihr ja.“

„Danke!“, sagte ich einfach und klopfte dem großen, breitschultrigen Deutschen auf die Schulter. „Unser Glück war auch, dass man mich zwar niedergeschlagen, aber nicht gefesselt hatte und das Messer zudem noch in der Scheune blieb. Vermutlich waren die Täter in großer Eile und haben angenommen, dass wir durch das Feuer ums Leben kommen würden.“

„Darüber haben sie sich lachend verständigt, als sie die gierigen Flammen einen Augenblick beobachteten“, antwortete Matty. „Der eine der Burschen war zweifellos Wilcox, bei dem anderen bin ich mir nicht sicher. Ich konnte weder seine Stimme noch sein Gesicht erkennen.“

„In jedem Falle sind wir aufgeflogen – die Männer wissen nun, dass wir sie noch immer verfolgen, und haben nur abgewartet, ob jemand in den nächsten Minuten nach Sam suchen würde.“

„Wie gut, dass ich einfach schon mal nach dem Rechten gesehen habe“, ergänzte Sam und erkannte in der Dunkelheit mein missbilligendes Kopfschütteln nicht, denn er fuhr fort: „Die Geschichte hier mit dem Haus, in dem Wilcox verschwunden ist, stinkt doch zum Himmel! Ich wartete ab, bis niemand mehr auf der Straße war, dann schlüpfte ich in die Scheune, fand eine Laterne und untersuchte damit den abgestellten Wagen.“

„Zu welchem Zweck, Sam?“, erkundigte ich mich, denn jetzt war mir auch klar, dass der Schein seiner Laterne die Gegner herbeigelockt hatte.

„Nun, ich wollte wissen, ob es noch etwas von Bedeutung dort zu finden gab. Meine Vermutung war auch richtig, wenn auch ein altes Greenhorn das nicht begreifen wird.“

„Aha – und was hat mein alter Freund und Spurenleser entdeckt?“, antwortete ich nicht ohne einen ironischen Unterton, den Sam aber überhörte.

„Käfige mit Mäusen.“

„Nanu? Davon war nichts mehr zu entdecken, als ich dort eintraf!“

„Das wird wohl so auch richtig sein, wenn ich mich nicht irre, hihihihi.“

Wenn Sam Hawkens sein Lachen ertönen ließ, war er entweder seiner Sache sehr sicher – oder er wollte seine Unsicherheit damit überspielen.

„Nun, ein Blick auf die Käfige überzeugte mich, dass keine einzige Maus mehr am Leben war.“

Das war nun wirklich eine interessante Entdeckung.

„Da seid Ihr Euch ganz sicher, Sam?“

„Ich kann zwar nicht mehr so gut wie früher sehen, aber einen Käfig mit Mäusen, direkt vor meiner Nase, erkenne ich schon noch. Vor allem kann ich unterscheiden, ob die Mäuse hin und her laufen oder starr auf dem Rücken liegen!“

„Gut, das kann für uns eine große Erleichterung sein bei der Jagd nach den Burschen. Aber warum hat man dann die Käfige mit den toten Mäusen entfernt, als die Scheune angezündet wurde?“

„Das, mein lieber Sir, kann ich nun auch nicht beantworten“, antwortete Sam Hawkens. „Leider kann ich auch nicht behaupten, dass alle Mäuse tot waren. Eben hatte ich den einen Käfig betrachtet und mich gewundert, als ich auch schon hinterrücks niedergeschlagen wurde.“

Bei dieser Schilderung tastete ich unwillkürlich zu der Beule an meinem Hinterkopf.

„Was wollen wir jetzt unternehmen? In der Straße wird es jedenfalls sehr lebhaft, und ich glaube, man hat bereits eine Eimerkette gebildet und versucht, die Flammen zu löschen!“, sagte Matty nach einem Blick um die Ecke.

„Das wäre für unser weiteres Vorhaben nur hilfreich!“, antwortete ich. „Wenn wir diesen Tumult ausnutzen und uns in das Haus schleichen, in dem der freundliche Majordomus mich so brüsk abgewiesen hat, finden wir vielleicht heraus, um was es sich bei dieser Geschichte eigentlich handelt.“

„Ihr wollt jetzt – in das Haus einbrechen? Aber, Sir, das ... das ist ...“, stammelte Sam verlegen, und ich ergänzte rasch: „Die vielleicht beste Gelegenheit, weil niemand mit uns rechnet.“

Damit umrundete ich das Haus, hinter dem wir Schutz gefunden hatten, und trat nach wenigen Schritten unterhalb des Nachbargrundstückes wieder auf die Straße, wo mich rötlicher Schein empfing. Es war eine seltsame Szene, die sich uns hier bot. Vor der bereits in den Flammen zusammenbrechenden Scheune bemühten sich viele Gestalten, mit den Wassereimern gegen die Glut anzukämpfen. Da brach mit lautem Getöse und einem wirbelnden Funkenflug der Dachstuhl zusammen, und das Feuer wurde dadurch noch einmal richtig angefacht. Ein leichter Wind kam vom Fluss herüber und schien sich einen Spaß daraus zu machen, die Flammen trotz der Bemühungen der Menschen noch einmal ordentlich anzublasen.

Niemand achtete auf uns, sodass wir uns unbemerkt von der Rückseite dem Haus nähern konnten, das in unmittelbarer Nähe der brennenden Scheune auch gefährdet schien. Jedenfalls erkannte ich im Vorgarten mehrere Männer, die mit Wasserbehältern und Feuerpatschen bereitstanden, jeden noch so kleinen Funken, der herüber wirbelte, sofort und gründlich zu löschen.

Gut, dachte ich, so sind wenigstens alle beschäftigt. Ich gab den beiden ein Zeichen und stand gleich darauf vor einer einfachen Tür, deren Schloss kein ernsthaftes Hindernis bot. Ein leises Knacken, und behutsam schob ich die Holztür in den völlig dunklen Flur hinein. Lauschend stand ich dann still, das Messer in der Hand. Aber nur der Lärm der Feuerhelfer drang herüber, im Haus schien sich niemand mehr aufzuhalten.

„Matty, gebt bitte Sam Euren Revolver. Er soll hier den Flur absichern, Ihr bleibt mit Eurem Gewehr direkt an der Tür. Und falls jemand überraschend auftauchen sollte – zögert nicht lange, ihn unschädlich zu machen!“

„In Ordnung, aber wohin wollt Ihr von hier aus gehen?“

„Zunächst einmal sehe ich mich im Erdgeschoss um. Sollte es einen Keller geben, schaue ich auch dort nach. Aber jetzt los, jeden Moment kann jemand vom Garten hierher zurückgehen und uns entdecken.“

Damit war ich im Haus unterwegs, öffnete leise eine Tür nach der anderen und fand nur verlassene Zimmer vor. Allerdings schien der Besitzer über ausreichende Mittel zu verfügen, denn als ich in einem großen Salon stand, bewunderte ich die deckenhohen Bücherregale, einen mit Papieren überladenen, sehr kostbar aussehenden Schreibtisch und einen Globus daneben.

Weitere Räume waren offenbar ein Rauchsalon, ein Spiel- oder Damenzimmer, ein kleines, sehr hübsch eingerichtetes Zimmer, in dem auf einem Tisch Nähsachen ausgebreitet lagen, und weitere Räume, die entweder als Esszimmer oder für kleine Empfänge dienen mochten.

Nirgendwo brannte ein Licht, aber das war für mich auch nicht erforderlich, denn durch die ziemlich großen Fenster fiel ausreichend Licht vom Brand herein. Dann war ich mit meiner Untersuchung fertig und stieg behutsam die breite Treppe in die oberen Gemächer hinauf. Ein dicker Teppich dämpfte meinen Tritt, und als ich hier die Räume betrat, fand ich nur mehrere Schlafzimmer, einen weiteren, kleinen Salon sowie ein Badezimmer mit einer großen Wanne und einem gewaltigen Ofen daneben. Man verstand also, zu leben.

Dann eilte ich die Treppe hinunter, warf dabei einen Blick aus einem Fenster auf die Straße und wollte gerade zurück zu Sam Hawkens, als mir eine schmale, fast unscheinbare Tür auf dem Flur auffiel. Sie konnte nur mit einem Schlüssel geöffnet werden, der zum Glück im Schloss steckte. Ich öffnete die Tür und wurde von einem etwas muffigen Hauch empfangen, wie er so oft aus feuchten Kellern ins Haus dringt.

In der herrschenden Finsternis war nichts zu erkennen, und ich schloss die Tür wieder, weil ich eben ein leises Zischen von Sam vernahm.

Rasch war ich bei ihm, als er auch schon Zeichen gab, den Rückweg anzutreten.

Rechtzeitig genug, denn eben wurde die Eingangstür geöffnet und ein paar Männer kehrten offenbar aus dem Garten zurück.

Leise zog ich die Hoftür hinter mir zu, und gleich darauf waren wir wieder im Dunkel der Seitengasse untergetaucht.

Nur wenige Schritte, und wir standen an dem kleinen, niedrigen Gebäude auf der anderen Seite des eben durchsuchten Hauses. Hier vermutete ich, erfolgreicher zu sein als im Hauptgebäude, und schon der erste Blick durch die fast vom Dreck und Staub verkrusteten Fenster in das dunkle Innere schien meine Annahme zu bestätigen. Ich kratzte ein wenig mit den Fingernägeln an dem Dreck und presste mein Gesicht dicht an das Glas. Nur dunkle Umrisse von Schränken und einem langen Tisch in der Mitte des Raumes zeichneten sich ab. Aber dennoch war ich überzeugt, die richtige Eingebung gehabt zu haben.

„Hier müssen wir mit Tageslicht hinein, und nach Möglichkeit in Begleitung von Polizisten oder dem Sheriff. Jedenfalls irgendeiner Behörde, die dann tätig werden kann“, flüsterte ich den Gefährten zu.

Sam Hawkens versuchte ebenfalls, einen Blick in das Innere zu werfen, gab aber nach ein paar Versuchen auf und erkundigte sich:

„Was hat denn unser liebenswürdiges Greenhorn durch dieses verdreckte Fenster entdecken ­können? Ich presse mein Gesicht an das Glas, dass man ­glauben muss, es zerspringt, strenge meine alten Augen an und kann doch nichts ausmachen. Nur dieser freundliche Herr hier aus dem guten, alten Germany kommt daher stolziert, kratzt etwas Dreck von der Scheibe und sagt dann, dass wir das Ei des Kolumbus entdeckt hätten!“

„Ja, Sam, so ist es auch, aber dazu brauchen wir Tageslicht und Unterstützung. Ich möchte nicht schon wieder niedergeschlagen werden und auch noch die letzte Spur verlieren!“, entgegnete ich und erntete dafür einen schweren Seufzer von ihm.

„Schön, also dann sind wir morgen früh wieder hier und untersuchen das Räubernest genau. Dann werden wir feststellen, dass es dort überhaupt nichts gibt außer einer Menge Staub und Dreck, während unsere Banditen mit den gefährlichen Mäusen längst über alle Berge sind.“

Ich drängte die beiden, zu unserer Unterkunft zurückzukehren, und erklärte im Gehen, was ich gesehen hatte.

„Es kann schon sein, dass ich mich hier täusche. Aber wenn die Sicht durch die Scheiben auch sehr schlecht war und das Haus vollkommen im Dunkeln liegt, habe ich Gegenstände erkannt, wie man sie in einem Labor findet. Direkt vor dem Fenster stand ein großer Glaskolben in einer Halterung, daneben eine kleine Strahlpumpe.“

„Wie bitte? Strahlpumpe? Ich verstehe kein Wort, wenn ich mich nicht irre!“, antwortete Sam ­Hawkens, während Matty nur die Schultern zuckte.

„Ist auch nicht weiter wichtig, Sam. Was ich sagen wollte, ist, dass es sich bei diesem Haus offenbar um ein Labor handelt, in dem Experimente durchgeführt werden. Deshalb möchte ich es mir morgen ansehen.“

„Ex-Experimente?“, stotterte Sam. „Ihr meint doch nicht, verehrtes Greenhorn, so etwas wie bei Daniel T. Whittingham? Also so mit kleinen Mäusen und diesen Erregern und ...“ Sam hielt inne, den Mund weit aufgerissen, und starrte mich an. Ich musste ihm gar nicht mehr zustimmend zunicken, denn er hatte es bereits verstanden.

„Ich bin davon überzeugt, dass sich in diesem Haus ein Labor befindet. Ob und von wem es benutzt wird, müssen wir herausfinden. Aber das wird nicht mehr heute Nacht möglich werden, denn bis die Straße zur Ruhe kommt, zieht der frühe Morgen am Horizont auf und die Nachbarschaft könnte etwas bemerken. Jetzt müssen wir uns leider in Geduld üben.“



2.


„Jetzt bloß nicht zur anderen Straßenseite schauen“, warnte ich leise Sam Hawkens. Wir hatten uns mit Munition in einem Trading Post versorgt und standen noch einen Augenblick auf der hölzernen Veranda, um die dort auf Fässern und darüber gelegten Bretter aufgeschichteten Waren zu inspizieren. Sam hatte gerade eine Dose zur Hand genommen, in der sich haltbar gemachte, kalifornische Pfirsiche befinden sollten.

„Wie macht man das Ding auf?“, erkundigte er sich interessiert und war auf meine Anmerkung überhaupt nicht eingegangen.

„Mit dem Messer natürlich. So ist es recht, Sam, immer weiter im Gespräch mit mir. Ich glaube übrigens nicht, dass diese Pfirsiche wirklich schmecken. Seit den Zeiten eines Napoleons versuchen die Menschen, Lebensmittel haltbarer zu machen. Ein Zuckerbäcker, ich glaube, er hieß Appert, hat sich die von Napoleon ausgesetzte Belohnung für diese Erfindung dann verdient.“

„Ja, aber – habt Ihr denn ...“

„Nicht hinüber sehen, Sam, immer schön auf die Dose schauen. Nein, ich habe so etwas noch nicht probiert und möchte es auch gar nicht. Ich sehe keinen Sinn darin, altes Obst aufzuheben und vielleicht irgendwann zu essen. Wenn es die Erntezeit ist, esse ich frische Pfirsiche. Oder Äpfel. Oder meinetwegen auch Spargel aus dem Braunschweiger Land. Aber ich möchte das nicht in einer Dose haben; das kann nur nach Metall schmecken!“

„Aber wenn Ihr doch sagt, dass Ihr es noch nicht probiert habt – vielleicht entgeht Euch da ein wirklicher Genuss! Also, ich werde diese Dose jetzt kaufen und ausprobieren!“

„Macht, was Ihr für richtig haltet, Sam, aber schaut jetzt nicht auf die andere Straßenseite. Dort steht nämlich Leopold Lasalle mit seiner Frau Cooco und den Söhnen Victor und Beauregard. Sie scheinen etwas Wichtiges zu besprechen, so, wie Beauregard mit den Armen in der Luft herum wedelt.“

„Mal hören, was der Händler dafür haben will!“, antwortete Sam und ging zurück in den Laden. Ich nahm nun selbst eine andere Dose in die Hand und stellte mich dabei so, dass ich die gegenüberliegende Straßenseite in dem Glas des kleinen Fensters beobachten konnte. Das gab zwar kein sehr gutes Bild, aber zumindest die Umrisse der Personen konnte ich mühelos erkennen.

Erleichtert atmete ich aus, als die Gruppe sich endlich in Bewegung setzte und mich nicht bemerkt hatte. Ich wurde allerdings kurz abgelenkt, als Sam Hawkens vor sich hin schimpfend aus dem Laden zurückkehrte.

hihihihi!“,