Udo Fehring

Ukraine: Maidan, die tragische Revolution

Ein Versuch der Rekonstruktion der Ereignisse und Beleuchtung der Hintergründe

 

 

 

Inhaltsverzeichnis

Titel

Vorwort des Autors

Die Geschichte der Maidan-Revolution

Die Geschehnisse seit dem Maidan

Fazit

Epiloge

Quellenangaben

Impressum neobooks

Vorwort des Autors



Ukraine: Maidan, die tragische Revolution

Ein Versuch der Rekonstruktion der Ereignisse und Beleuchtung der Hintergründe





Für alle gefallenen Demonstranten auf dem Kiewer Maidan (2014)


 

Ich muss gestehen, dies ist mein erstes politisch geprägtes Buch. Bislang habe ich eher Geschichten erzählt, zumeist für Kinder. Und nun versuche ich in diesem Buch, Geschichte zu erzählen.

Ja, warum Ukraine und der Maidan, dieses Sinnbild für diesogenannte „Revolution der Würde“ Ende 2013 bzw. Anfang 2014 im Herzen von Kiew ?

Mich hat einfach imponiert, wie hier ein Volk sein Schicksal selbst in die Hand genommen hat und sich aufgelehnt hat gegen das eigene korrupte und verbrecherische Regime.

Hier hat sich wieder einmal gezeigt, dass, wenn Hunderttausende von Menschen sich erheben und über Monate als kompakte Masse sich auflehnen gegen die eigene volksfeindliche Regierung und so ihrem Widerstand eine machtvolle und unüberhörbare Stimme verleihen, so kommt dies einem politischen Erdbeben gleich.

Wie man von den Augen- und Zeitzeugen des Maidan hört, muss dort eine einmalige Solidarität geherrscht haben. Jeder für jeden!

Was am Anfang mit einer Handvoll Demonstranten begann und anmutete wie ein Kampf „David gegen Goliath“, hat sich entwickelt zur größten Demonstration und Revolution des Landes. Diese Menschen, die diese Proteste begannen, hatten einen Traum, was sie durchhalten ließ gegen mannigfache Widerstände und Phasen der Hoffnungslosigkeit. Hierfür gebührt Ihnen allergrößter Respekt. „Sie haben dadurch ein weiteres Mal der Menschheit gezeigt, dass es einen Unterschied macht, nicht wegzuschauen und auf friedliche Art und Weise für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte zu demonstrieren.“

Die Tragik der ganzen Sache liegt nur in der weiteren Entwicklung der Dinge: Der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim durch Russland und der andauernde Krieg im Osten der Ukraine, der nun ins fünfte Jahr geht und ein Ende ist weiterhin nicht absehbar. Auch der Westen hat in dem Konflikt in und um die Ukraine kein Ruhmesblatt geliefert. Tatenlosigkeit und Gleichgültigkeit sind Begriffe, die ein Synonym sind für die Apathie, mit der viele westliche Bürger diesen Konflikt verfolgen oder halt eher nicht verfolgen, obwohl die Ukraine doch am östlichen europäischen Horizont aufblitzt. Um diese Tragik etwas begreifbarer zu machen, sollte man wissen, dass die Ukraine das einzige Land war und ist, welches die Annäherung an Europa und die EU mit dem Blut von Menschen bezahlt hat.

Es ist der Ukraine und seinen tapferen Bürgern zu wünschen, dass es irgendwann einmal wahren Frieden finden wird und zu einer geeinten Nation zusammenwächst, halt „Jeder für Jeden“, wie auf dem Maidan!

Abschließend möchte ich noch vorausschicken, dass ich es mag, Geschichten aus der Sicht beteiligter Personen zu erzählen. Und so habe ich auch hier den Studenten Pjotr „erfunden“, der zumindest Teile der realen Geschehnisse rund um den Maidan am eigenen Leib erfährt. Ich denke, der Leser ist so mehr im Geschehen als nur Konsument einer Berichterstattung.































Die Geschichte der Maidan-Revolution



September 2013

In den ukrainischen Medien wurde regelmäßig berichtet, dass die Ukraine bzw. deren Präsident Viktor Janukowitsch in Kürze ein Assozierungsabkommen mit der EU unterzeichnen würde.

Die ukrainischen Bürger freuten sich darauf und konnten den Tag der Unterzeichnung kaum abwarten.

Das Abkommen enthält auf 1200 Seiten in sechs Kapiteln staatspolitische und gesellschaftspolitische Ziele (Demokratie, Rechtsstaat, Menschenrechte), Maßnahmen zur Eindämmung der Korruption, Regelungen zur Zusammenarbeit in der Sicherheitspolitik, vor allem aber Regelungen zur Standardisierung und Angleichung im Handel, bei Zöllen, Steuern und Abgaben, im Wettbewerbsrecht, bei Energiefragen und im Bereich des Umweltschutzes. (4)

Kapitel IV enthält die wirtschaftspolitisch zentrale Vereinbarung einer vertieften und umfassenden Freihandelszone (DCFTA). Ziel ist, dass die Ukraine innerhalb von zehn Jahren die rechtlichen, politischen und wirtschaftlichen Bedingungen und Standards der EU durch tiefgreifende Reformen verwirklicht, so dass von der EU schrittweise, Zug um Zug, eine weitgehende Zoll- und Mengenfreiheit im Handel, die Visa-, Reise- und Beschäftigungsfreiheit, die Niederlassungsfreiheit von Unternehmen und der freie Finanz- und Kapitalverkehr umgesetzt werden können. (4)

Der Vertrag ist im Vergleich zu den früheren Verträgen mit Nicht-Beitrittsländern außerhalb des Wirtschaftsraums der EU aufgrund der weitreichenden vertraglichen Regelungen einzigartig und „stellt eine neue Generation von Abkommen der EU mit Drittländern dar“.Im Unterschied zu allen früheren Assoziierungsverträgen enthält das Abkommen nicht die ausdrückliche Zielbestimmung einer zukünftigen Vollmitgliedschaft in der EU und beschränkt die Rechtsübernahme aus der EU auf Einzelbereiche. Auch der Binnenmarkt wird nur teilweise geöffnet. (4)



November 2013

Entgegen aller vorher kolportierten Nachrichten, hatte sich der ukrainische Präsident Janukowitsch dagegen ausgesprochen, das genannte Assoziierungsabkommen mit der EU in Vilnius zu unterzeichnen.

Das ukrainische Volk war geschockt, ja, es fühlte sich verraten.

In dem Film „Maidan“ von Sergei Loznitsa bezeichneten es einige so: Man bereitet über Monate seine Trauung vor, lädt Gäste ein und plant alles im Detail. Und plötzlich kommt jemand daher und sagt die Hochzeit ab. (6)

Der aus Afghanistan stammende Journalist und spätere Parlamentsabgeordnete Mustafa Najem rief über Facebook dazu auf, sich auf dem Maidan zu versammeln, um gegen Janukowitsch und für eine europäische Orientierung der Ukraine zu demonstrieren. (2) Schon am 24. November stehen in Kiew mehr als 100.000 Menschen auf dem Platz, die größten Proteste seit der „Orangenen Revolution“. (15)



30. November 2013

Die Proteste auf dem Maidan wurden von Polizei und Milizen mit brutaler Gewalt aufgelöst. Augenzeugen berichteten, dass die Polizisten absichtlich auf Hände, Beine und Köpfe der zumeist sehr jugendlichen Demonstranten einschlugen. Die Milizen setzten Tränengas ein und verhafteten mehr als 40 Aktivisten.

In offiziellen Verlaubarungen der Polizei wurde kolpotiert, dass eine Räumung des Platzes notwendig gewesen sei, um den großen Weihnachtsbaum (Jolka) für die Feiertage aufstellen zu können.



  1. Dezember 2013

Pjotr war Student an der Universität von Kiew. Er studierte seit 5 Semestern Jura. Er hatte sich diesen Studiengang ausgesucht, da er seit jeher einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn hatte.

An diesem Tag hörte er im Radio von dem brutalen Vorgehen der Polizei gegen friedliche Demonstranten in der Mitte Kiews am Vortag.

Die Demonstranten protestierten dagegen, wie oben bereits erwähnt, dass die ukrainische Regierung sie belogen und das lange geplante Assoziierungsabkommen mit der EU, wie von Vielen erwartet, nicht unterzeichnet hatte. Viktor Janukowitsch, der ukrainische Staatspräsident, gab so dem Druck Putins nach, der für den Fall der Unterzeichnung schwerwiegende Handelssanktionen ankündigte, u.a. auch für Öl und Gas, auf das die Ukraine natürlich angewiesen war.

Tagsüber las Pjotr im Internet einen Aufruf von Sympathisanten der Aktivisten zu einer Massendemo gegen dieses brutale Vorgehen.

So packte er am frühen Abend seine Sachen und ging mit ein paar Freundinnen und Freunden auf den „Maidan Nesaleschnosti“, kurz „Maidan“, dem sogenannten Platz der Unabhängigkeit in Zentrum von Kiew.

Es war ein überwältigendes Gefühl, wie viele Tausend Menschen gekommen waren. Sie strömten von allen Seiten auf den Maidan und der Zustrom wollte kein Ende nehmen. Alle skandierten Sprechchöre gegen das Regime von Ministerpräsident Janukowitsch und seine willkürliche Herrschaft.

An diesem Abend gingen auch in vielen anderen Teilen der Ukraine Menschen auf die Straße und unabhängige Quellen sprachen von einer Million Demonstranten landesweit.

Dieser Tag war auch gleichzeitig die Geburt des „Euromaidan“, wie die Protestbewegung zukünftig genannt werden sollte. Man nannte sie auch „Revolution der Würde“.