Theodor Storm (1817-1888), in Husum geboren. Seine Liebe galt schon früh der Poesie. Vor allem »Der Schimmelreiter«, sein letztes Werk, hat ihn berühmt gemacht und zum Klassiker werden lassen.
Weihnachten mit Theodor Storm – »Von drauß' vom Walde komm ich her; ich muß euch sagen, es weihnachtet sehr!«
Die Weihnachtszeit war nicht nur für den Jungen, sondern auch später für den Ehemann und Vater einer großen Kinderschar alljährlich der Höhe- und Ruhepunkt eines wechselvollen Lebens. Ob in Husum, Potsdam, Heiligenstadt oder Hademarschen, immer verband Theodor Storm mit diesem Fest das Strahlen des reichgeschmückten Tannenbaums, die Freude der Bescherung mit all ihren Überraschungen und Glücksmomenten. In seinen Briefen lässt er Verwandte, Freunde und Dichterkollegen an den weihnachtlichen Vorbereitungen der ganzen Familie und dem Glanz des Heiligabends teilnehmen.
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Und kerzenhelle wird die Nacht
Weihnachten mit Theodor Storm
Inhaltsübersicht
Über Theodor Storm
Informationen zum Buch
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Weihnachten in der Kindheit und Jugend
An die Eltern Lucie und Johann Kasimir Storm in Husum
Wie es daheim Weihnacht wird
An Therese Rowohl in Hamburg
Verlorenes Paradies
An Bertha von Buchan in Hamburg
Zum Weihnachten
Erinnerung an einen Weihnachtsabend
An die Braut Constanze Esmarch in Segeberg
Die alte Uhr
An die Braut Constanze Esmarch in Segeberg
Weihnachtslied
An den Freund Hartmuth Brinkmann und seine Braut Laura Setzer in Rendsburg
Das Fest in der Fremde
An Frau Constanze Storm in Husum
Weihnachtsabend
An die Eltern Lucie und Johann Kasimir Storm in Husum
An die Eltern Lucie und Johann Kasimir Storm in Husum
An die Schwiegereltern Elsabe und Ernst Esmarch in Segeberg
An Eduard Mörike in Stuttgart
An die Eltern Lucie und Johann Kasimir Storm in Husum
An den Kunsthistoriker und Schriftsteller Friedrich Eggers in Berlin
An die Mutter Lucie Storm in Husum
An die Schwiegereltern Elsabe und Ernst Esmarch in Segeberg
An die Mutter Lucie Storm in Husum
An die Eltern Lucie und Johann Kasimir Storm in Husum
An die Eltern Lucie und Johann Kasimir Storm in Husum
An die Schwiegereltern Elsabe und Ernst Esmarch in Segeberg
An die Eltern Lucie und Johann Kasimir Storm in Husum
Bescherung
Knecht Ruprecht
An den Vater Johann Kasimir Storm in Husum
An den Freund Hartmuth Brinkmann in Lütjenburg
Heiligabend wieder daheim
An den Schriftsteller und Zeichner Ludwig Pietsch in Berlin
An die Schwiegermutter Elsabe Esmarch in Segeberg
An Marie und Ludwig Pietsch in Berlin
An den Sohn Hans in Berlin
An den Sohn Ernst in Tübingen
An den Schriftsteller und Literaturhistoriker Emil Kuh in Wien
Heiligabend
An die Tochter Lisbeth in Weimar
An Gottfried Keller in Zürich
An die Tochter Lisbeth und ihren Ehemann Pastor Gustav Haase in Heiligenhafen
An Gottfried Keller in Zürich
An den Regierungsrat Wilhelm Petersen in Schleswig
An Gottfried Keller in Zürich
An Paul Heyse in München
An die Tochter Elsabe in Heiligenhafen
Erich Schmidt
Eine Winterfahrt zu Theodor Storm
An Paul Heyse in München
An Gottfried Keller in Zürich
An die Tochter Elsabe in Gotha
Dorothea Storm an Margarethe Mörike in Stuttgart
Quellenverzeichnis
Impressum
Heiligenstadt 1858
Sonntag abend. 19. Dezember
[…] Wie unendlich gemütlich war das einst, vor Jahren, zu Haus; wenn in der großen Stube die Lichter angezündet waren, der Teekessel sauste; die braunen Kuchen und Pfeffernüsse standen auf dem Tisch; Vater und wir Kinder warteten dort auf Lorenzen und Onkel Woldsen, während drüben in der Wohnstube der Weihnachtstisch arrangiert wurde. Ich sehe noch die erleuchtete Außendiele, auf die wir immer, wenn die Haustür ging, hinausguckten; und mir ist, als habe an diesem Abend die Dielenlampe ganz besonders hell gebrannt. Wie oft wurden wir getäuscht, wenn statt der erwarteten Gäste eine Schar singender und schnurrender Kinder in die Haustür drängte. Aber dann ging’s erst einmal hinunter in die Küche, wo der große Kessel über dem Herdfeuer stand und wo schon die ersten Futtgen [Husumer Weihnachtsgebäck] auf der Siebschüssel lagen. – Da hörte man oben die Haustür – gewiß da kamen sie – und nun wieder treppauf mit einem dampfenden Futtgen in der Hand; auf dem Wege noch einen Blick durch das Hoftürfenster nach Clausens Comptoir; ja, da war’s schon dunkel, der war schon mit Thomas drinnen und half die Kerzen anzünden.
Wie kommt mir das alles jetzt groß und hell und weit und ewig begründet vor! Und so ist es auch; wenigstens in meinem Herzen; sogar Onkel Woldsen und Simon, diese grade nicht poetischen, aber doch bürgerlich-behaglichen Gestalten, sind von der wärmsten Glorie meiner Erinnerung umgeben. Jedesmal, wenn ich Onkel Woldsens mir noch erhaltene Geschenke vor Augen bekomme – den kleinen Globus, Körners Werke, Straß’ »Alte Geschichte« –, danke ich dem Mann für die Freude, die er mir als Kind an so manchem Weihnachtsabend gemacht hat; und jetzt, wo ich es so gern noch möchte und wo es nicht mehr möglich ist, kann ich nicht begreifen, daß ich ihm in spätern Jahren niemals wieder meinen Dank ausgesprochen habe; aber vergessen ist es nicht.
»Was für gute Geister aus diesem Kuchen steigen«, sagte er, sich in seinen Arbeitsstuhl zurücklehnend; »ich sehe plötzlich, wie es daheim in dem alten steinernen Hause Weihnacht wird. – Die Messingtürklinken sind wo möglich noch blanker als sonst; die große gläserne Flurlampe leuchtet heute noch heller auf die Stuckschnörkel an den sauber geweißten Wänden; ein Kinderstrom um den andern, singend und bettelnd, drängt durch die Haustür; vom Keller herauf aus der geräumigen Küche zieht der Duft Gebäckes in ihre Nasen, das dort in dem großen kupfernen Kessel über dem Feuer prasselt. – Ich sehe alles; ich sehe Vater und Mutter – Gott sei gedankt, sie leben beide! Aber die Zeit, in die ich hinabblicke, liegt in so tiefer Ferne der Vergangenheit! – – Ich bin ein Knabe noch! – Die Zimmer zu beiden Seiten des Flurs sind erleuchtet; rechts ist die Weihnachtsstube. Während ich vor der Tür stehe, horchend, wie es drinnen in dem Knittergold und in den Tannenzweigen rauscht, kommt von der Hoftreppe herauf der Kutscher, eine Stange mit einem Wachslichtendchen in der Hand. – ›Schon anzünden, Thoms?‹ Er schüttelt schmunzelnd den Kopf und verschwindet in die Weihnachtsstube. – Aber wo bleibt denn Onkel Erich? – – Da kommt es draußen die Treppe hinauf; die Haustür wird aufgerissen. Nein, es ist nur sein Lehrling, der die lange Pfeife des ›Herrn Ratsverwandters‹ bringt; ihm nach quillt ein neuer Strom von Kindern; zehn kleine Kehlen auf einmal stimmen an: ›Vom Himmel hoch, da komm ich her!‹ Und schon ist meine Großmutter mitten zwischen ihnen, die alte, geschäftige Frau, den Speisekammerschlüssel am kleinen Finger, einen Teller voll Gebäckes in der Hand. Wie blitzschnell das verschwindet! […]
Drüben in dem Seitengebäude ist das Arbeitszimmer meines Vaters. Auf die Vordiele dort fällt heute kein Lichtschein aus dem Türfenster der Schreiberstube; der alte Tausendkünstler ist von meiner Mutter drinnen bei den Weihnachtsgeheimnissen angestellt. Aber ich tappe mich im Dunkeln vorwärts; denn gegenüber in seinem Zimmer höre ich die Schritte meines Vaters. Er arbeitet schon nicht mehr. Ich öffne leis die Tür; wie deutlich sehe ich ihn vor mir, ihn selbst und das große verräucherte Gemach, in dem der harte Schlag der alten Wanduhr pickt! Mit einer feierlichen Unruhe geht er zwischen den mit Papieren bedeckten Tischen umher, in der einen Hand den Messingleuchter mit der brennenden Kerze, die andere vorgestreckt, als solle jetzt alles Störende ferngehalten werden. Er öffnet die Schublade seines kleinen Stehpults und nimmt die große goldene Tabatiere aus der Fischhautkapsel, einst ein Geschenk der Urgroßmutter an ihren Bräutigam, dann nach des Urgroßvaters Tode eine Ehren– und Vertrauensgabe an ihn. Aber er ist noch nicht fertig; aus dem Geldkörbchen werden blanke Silbermünzen für die Dienstboten hervorgesucht, eine Goldmünze für den Schreiber. ›Ist Onkel Erich schon da?‹ fragt er, ohne sich nach mir umzusehen. – ›Noch nicht, Vater! Darf ich ihn holen?‹ – ›Das könntest du ja tun.‹ Und fort renne ich durch das Wohnhaus auf die Straße, um die Ecke am Hafen entlang, und während ich drunten aus der Dämmerung das Pfeifen des Windes in den Tauen der Schiffe höre, habe ich das alte Giebelhaus mit dem Vorbau erreicht. Die Tür wird aufgerissen, daß die Klingel weithin durch Flur und Pesel schallt. – Vor dem Ladentisch steht der alte Kommis, der das Detailgeschäft leitet. Er sieht mich etwas grämlich an. ›Der Herr ist in seinem Kontor‹, sagt er trocken; er liebt die wilde naseweise Range nicht. Aber, was geht’s mich an. – Fort mach ich hinten zur Hoftür hinaus, über zwei kleine finstere Höfe, dann in ein uraltes seltsames Nebengebäude, in welchem sich das Allerheiligste des Onkels befindet. Ohne Unfall komme ich durch den engen dunkeln Gang und klopfe an eine Tür. – ›Herein!‹ Da sitzt der kleine Herr in dem feinen braunen Tuchrock an seinem mächtigen Arbeitspult; der Schein der Kontorlampe fällt auf seine freundlichen kleinen Augen und auf die mächtige Familiennase, die über den frischgestärkten Vatermördern hinausragt. – ›Onkel, ob du nicht kommen wolltest?‹ sage ich, nachdem ich Atem geschöpft habe. – ›Wollen wir uns noch einen Augenblick setzen!‹ erwidert er, indem seine Feder summierend über das Folium des aufgeschlagenen Hauptbuchs hinabgleitet. Mir wird ganz behaglich zu Sinne, ich werde nicht ein bißchen ungeduldig; aber ich setze mich auch nicht; ich bleibe stehen und besehe mir die Englands- und Westindienfahrer des Onkels, deren Bilder an der Wand hängen. Es dauert auch nicht lange, so wird das Hauptbuch herzhaft zugeklappt, das Schlüsselbund rasselt, und: ›Sieh so‹, sagt der Onkel, ›fertig wären wir!‹ Während er sein spanisches Rohr aus der Ecke langt, will ich schon wieder aus der Tür; aber er hält mich zurück. ›Ah, wart doch mal ein wenig! Wir hätten hier wohl noch so etwas mitzunehmen.‹ Und aus einer dunkeln Ecke des Zimmers holt er zwei wohlversiegelte, geheimnisvolle Päckchen. – Ich wußte es wohl, in solchen Päckchen steckte ein Stück leibhaftigen Weihnachtens; denn der Onkel hatte einen Bruder in Hamburg, und er trat nicht mit leeren Händen an den Tannenbaum. So nie gesehenes, märchenhaftes Zuckerzeug, wie er mitten in der Bescherung noch mir und meiner Schwester auf unsere Weihnachtsteller zu legen pflegte, ist mir später niemals wieder vorgekommen.
Bald darauf steige ich an der Hand des Onkels die breite Steintreppe zu unserm Hause hinauf. Ein paar Augenblicke verschwindet er mit seinen Päckchen in die Weihnachtsstube; es ist noch nicht angezündet, aber durch die halbgeöffnete und rasch wieder ge