Peter Trawny
Philosophie der Liebe
FISCHER E-Books
Peter Trawny, geb. 1964, studierte Philosophie in Bochum und promovierte anschließend an der Universität Wuppertal über Martin Heidegger. Nach der Habilitation lehrte er an verschiedenen Universitäten im In- und Ausland und gründete 2012 das Martin-Heidegger-Institut an der Bergischen Universität in Wuppertal, dessen Leitung er seitdem innehat. Er ist Mitherausgeber der Heidegger-Gesamtausgabe und war insbesondere für die Edition der »Schwarzen Hefte« verantwortlich, welche die Diskussion um Heideggers Antisemitismus neu entfacht haben. Im S. Fischer Verlag ist von ihm zuletzt »Heidegger-Fragmente. Eine philosophische Biographie« erschienen.
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Liebe ist Sprengstoff, Heil, Unglück, Trost, Ekstase, Fluch, Sicherheit, Gnade, Hass, Wärme, Schönheit, Wahnsinn, Sehnsucht. Vielgestaltig wie sonst nichts, durchdringt sie alle Poren der Welt, überall hinterlässt sie ihre Spuren wie ein ungeschickter Dieb im Dunkel der Nacht. Wer kann sie fassen?
Peter Trawny versucht es. Nicht mit einem nüchternen System, sondern in funkelnden Denkbildern. Er befragt die Philosophen, untersucht die Phänomene, spürt der Vielgestaltigkeit nach. Denn Liebe, so zeigt er, kennt viele Formen: Gottesliebe, Nächstenliebe, große Liebe, Weisheitsliebe, romantische Liebe, Hassliebe. Sie ist ein Geschenk, das zum Fluch werden kann, ein Mysterium, das Dasein ermöglicht. Liebe ist Nuance, einzigartig wie Wolken. Das muss das Philosophieren aufnehmen und sprechen lassen. Literarisch, denkerisch, fragend. Wie dieses Buch.
Originalausgabe
Erschienen bei FISCHER E-Books
© 2019 S. Fischer Verlag GmbH, Hedderichstr. 114, D-60596 Frankfurt am Main
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ISBN 978-3-10-491037-6
Rainer Maria Rilke: Duineser Elegien. In: Ders.: Die Gedichte. Insel Verlag: Frankfurt am Main und Leipzig 2006, S. 689.
Novalis: Schriften. 2. Bd. Das philosophische Werk I. Hrsg. von Richard Samuel. Verlag W. Kohlhammer: Stuttgart, Berlin, Köln und Mainz 1981, S. 524.
Richard David Precht: Liebe. Ein unordentliches Gefühl. Wilhelm Goldmann Verlag: München 2009.
Roland Barthes: Fragmente einer Sprache der Liebe. Suhrkamp Verlag: Frankfurt am Main 2015, S. 25.
Niklas Luhmann: Liebe als Passion. Zur Codierung von Intimität. Suhrkamp Verlag: Frankfurt am Main 1994, S. 10.
Alain Badiou mit Nicolas Trunk: Lob der Liebe. Passagen Verlag: Wien 2011, S. 34.
Byung-Chul Han: Agonie des Eros. Mit einem Vorwort von Alain Badiou. Matthes&Seitz: Berlin 2017.
Vgl. Michael Hampe: Die Lehren der Philosophie. Eine Kritik. Suhrkamp Verlag: Berlin 2014.
Novalis: Schriften. Bd. 2. Hrsg. von Paul Kluckhohn. Bibliographisches Institut: Leipzig o.J., S. 335.
Luhmann: Liebe als Passion. A.a.O., S. 183.
Novalis: Hymnen an die Nacht. In: Ders.: Schriften. Bd. 1. Das dichterische Werk. Hrsg. von Paul Kluckhohn und Richard Samuel. Wissenschaftliche Buchgesellschaft: Darmstadt 1960, 133ff.
Eva Illouz: Warum Liebe weh tut. Eine soziologische Erklärung. Suhrkamp Verlag: Berlin 2011, S. 428.
Ebd., S. 429.
Ebd., S. 442.
Deutsche Lyrik des Mittelalters. Auswahl und Übersetzung von Max Wehrli. Manesse Verlag: Zürich 1955, S. 34.
Shakespeare in deutscher Sprache. Bd. 1. Hrsg. von Friedrich Gundolf. Georg Bondi: Berlin 1920, S. 318.
Hannah Arendt: Denktagebuch. Erster Band. Hrsg. von Ursula Ludz und Ingeborg Nordmann. Piper Verlag: München und Zürich 2002, S. 279.
Ebd., S. 549.
Ebd., S. 510.
Vgl. zur »Heimlichkeit« der Liebe Emmanuel Levinas: Totalität und Unendlichkeit. Versuch über die Exteriorität. Karl Alber Verlag: Freiburg und München 2004, S. 374.
Wenn Richard David Precht daher sein Buch über die Liebe mit dem Untertitel »Ein unordentliches Gefühl« versieht, betreibt er Schlager-Philosophie. Ist es schon fraglich, was ein »ordentliches« Gefühl sein könnte, weckt die Verwendung des Wortes »unordentlich« die Erinnerung an unaufgeräumte Zimmer. Was »unordentlich« ist, kann nicht nur, es sollte ordentlich sein. Das aber gilt für den Gefühlszustand Liebe nicht. Er ist sozusagen prinzipiell unaufgeräumt, stets auf dem Schritt zur Zerrüttung. Damit möchte ich übrigens nicht behaupten, dass Liebe einzig und allein ein Gefühlszustand sei.
Hannah Arendt: Über die Revolution. Piper Verlag: München 1965, S. 122.
Ebd., S. 124.
Arthur Schnitzler: Traumnovelle. S. Fischer Verlag: Berlin 1926.
Sophokles: Antigone. Hrsg. und übers. von Wolfgang Schadewaldt. Insel Verlag: Frankfurt am Main 1974, S. 781ff.
Publius Ovidius Naso: Liebeskunst. Ernst Heimeran: München 1950, Buch I, v. 17.
Marsilio Ficino: Über die Liebe oder Platons Gastmahl. Hrsg. von Paul Richard Blum. Felix Meiner Verlag: Hamburg 2014, S. 7.
Rainer Maria Rilke: Die Sonette an Orpheus. In: Ders.: Die Gedichte. A.a.O., S. 730.
Hannah Arendt/Martin Heidegger: Briefe 1925 bis 1975 und andere Zeugnisse. Hrsg. von Ursula Ludz. Vittorio Klostermann Verlag: Frankfurt am Main 1998, S. 31.
Spinoza: Ethica. Hrsg. von Konrad Blumenstock. Wissenschaftliche Buchgesellschaft: Darmstadt 1989, 35. Lehrsatz (S. 545): »Gott liebt sich selbst mit unendlicher verstandesmäßiger Liebe.«
Jean-Paul Sartre: Das Sein und das Nichts. Versuch einer phänomenologischen Ontologie. Rowohlt: Reinbek bei Hamburg 1993, S. 683. Das Wort Fleisch übersetzt das französische »chair«, das sich natürlich von »viande«, dem zum Verzehr geeigneten Fleisch, unterscheidet. Vgl. auch das Kapitel »De la chair, qu’elle s’excite« bei Jean-Luc Marion: Le phénomène érotique. Six méditations. Bernard Grasset: Paris 2003, S. 169–234. Prominent ist der Begriff »chair« auch in der Spätphilosophie Maurice Merleau-Pontys.
Ebd.
Über die Gewalt in der Sexualität kann man natürlich viel erfahren bei Georges Bataille: Die Erotik. Matthes&Seitz Verlag: München 1994.
Emmanuel Levinas: Totalität und Unendlichkeit. Versuch über die Exteriorität. Karl Alber Verlag: Freiburg und München 2003, S. 405.
Das hat z.B. den großen Psychoanalytiker Jacques Lacan veranlasst zu betonen, dass es keinen »rapport sexuel«, keine sexuelle Beziehung, und das heißt auch keinen Geschlechtsverkehr gebe. Denn wir bleiben selbst in der größten Ekstase stets wir selbst. Vgl. dazu die Diskussion zwischen Badiou und Jean-Luc Nancy in Alain Badiou/Barbara Cassin: Es gibt keinen Geschlechtsverkehr. Zwei Lacanlektüren. Diaphanes: Zürich 2012 und Jean-Luc Nancy: Es gibt – Geschlechtsverkehr. Diaphanes: Zürich 2012.
Aristophanes: Lysistrata. In: Ders.: Sämtliche Komödien. Hrsg. von Hans-Joachim Newiger. dtv: München 1976, S. 212ff.
Barthes: Fragmente einer Sprache der Liebe. A.a.O., S. 138.
Friedrich Hölderlin: Sämtliche Werke und Briefe. Bd. II. Hrsg. von Michael Knaupp. Carl Hanser Verlag: München 1992, S. 700.
Barthes: Fragmente einer Sprache der Liebe. A.a.O., S. 144f.
Theresa von Ávila: Das Buch meines Lebens. Gesammelte Werke. Bd. 1. Hrsg. und übers. von Ulrich Dobhan OCD und Elisabeth Peeters OCD. Herder Verlag: Freiburg, Basel und Wien 2001, S. 426f.
Ebd., S. 426.
Ebd., S. 428.
Raewyn Connell: Gender and Power: Society, the Person and Sexual Politics. Stanford University Press 1987.
Vgl. Catrin Misselhorn: Grundfragen der Maschinenethik. Reclam Verlag: Stuttgart 2018.
Vgl. auch Emmanuel Levinas: Totalität und Unendlichkeit. Versuch über die Exteriorität. Karl Alber Verlag: Freiburg und München 2003, S. 390–395.
Arthur Schopenhauer: Die Welt als Wille und Vorstellung. Zweiter Theil. Sämtliche Werke. Bd. II. Insel Verlag: Leipzig o.J. [= Großherzog-Wilhelm-Ernst-Ausgabe], 1328.
Sophokles: Oidipus auf Kolonos. In: Ders.: Dramen. Hrsg. und übers. von Wilhelm Willige. Artemis&Winkler: Zürich 1995, S. 1224ff.
Bei Sigmund Freud immer wieder beschrieben, zum Beispiel in »Bemerkungen über einen Fall von Zwangsneurose«. In: Ders.: Zwang, Paranoia und Perversion. Studienausgabe. Bd. VII. S. Fischer Verlag: Frankfurt am Main 1973, S. 31–104.
Goethes Werke. Bd. VI. Romane und Novellen I. Hrsg. von Erich Trunz: C.H. Beck: München 1981 [Hamburger Ausgabe], S. 525.
Bei Barthes heißt das in deutscher Übersetzung erstaunlicherweise »Blauer Frack und gelbe Weste«. Vgl. Barthes: Fragmente einer Sprache der Liebe. A.a.O., S. 157f. Der »Werther« ist übrigens eine Hauptquelle für Barthes’ Fragmente.
Goethes Werke. Bd. VI. Romane und Novellen I.A.a.O., S. 523.
Ebd., S. 117.
Friedrich Nietzsche: Zur Genealogie der Moral. Eine Streitschrift. KSA 5. Hrsg. von Giorgio Colli und Mazzino Montinari. De Gruyter Verlag/dtv: Berlin, New York u. München 1980, S. 350f.
Friedrich Nietzsche: Menschliches, Allzumenschliches. KSA 2. A.a.O., S. 282.
Astrid Lindgren: Ronja Räubertochter. Friedrich Oetinger: Hamburg 1981, S. 60.
Ebd., S. 61.
Ebd., S. 189.
Theodor W. Adorno: Negative Dialektik. Suhrkamp Verlag: Frankfurt am Main 1966, S. 355f.
Theodor W. Adorno: Erziehung nach Auschwitz. In: Ders.: Kulturkritik und Gesellschaft II. Suhrkamp Verlag: Frankfurt am Main 2003, S. 687.
Ebd., S. 686.
Precht: Liebe. A.a.O., S. 232.
Ebd., S. 237.
Erich Fromm: Die Kunst des Liebens. Ullstein Verlag: Frankfurt am Main, Berlin und Wien 1978, S. 20f.
Precht: Liebe. A.a.O., S. 376.
Badiou und Truong: Lob der Liebe. A.a.O., S. 15f.
Ebd., S. 17.
Illouz: Warum Liebe weh tut. A.a.O., S. 319.
Ebd., S. 321.
Ebd., S. 323f.
Ebd., S. 331.
Georges Bataille: Die innere Erfahrung oder Methode der Meditation und Postskriptum 1953 (Atheologische Summe I). Matthes&Seitz: Berlin o.J., S. 231.
Vladimir Nabokov: Lolita. Rowohlt Verlag: Reinbek bei Hamburg 1959, S. 5.
Karl Marx: Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Hrsg. von Barbara Zehnpfennig. Felix Meiner Verlag: Hamburg 2005, S. 122.
Aristoteles’ Metaphysik. Hrsg. von Horst Seidl. Felix Meiner Verlag: Hamburg 1989, S. 983a.
Badiou und Truong: Lob der Liebe. A.a.O., S. 23.
Immanuel Kant: Kritik der praktischen Vernunft. Hrsg. von Horst D. Brandt und Heiner F. Klemme. Felix Meiner Verlag: Hamburg 2003, A277.
Hanns Johst: Schlageter. Albert Langen/Georg Müller: München 1933, S. 26.
Goethes Werke. Bd. I. Gedichte und Epen. A.a.O., S. 158.
Sigmund Freud: Das Unbehagen in der Kultur und andere kulturtheoretische Schriften. S. Fischer Verlag: Frankfurt am Main 1994, S. 70.
Ebd., S. 66.
Ebd., S. 78.
Ebd., S. 73f.
Hannah Arendt: Über die Revolution. Piper Verlag: München 1965, S. 122.
Hannah Arendt: Denktagebuch. Erster Band. Hrsg. von Ursula Ludz und Ingeborg Nordmann. Piper Verlag: München und Zürich 2002, S. 372f.
Eva Illouz schreibt einmal: »In der Religion war dies die zentrale Aufgabe der Theodizee, die erklärte, warum Menschen leiden und warum es vor allem richtig ist, daß sie leiden. Im Bereich der romantischen Gefühle hat die klinische Psychologie die Funktion der Theodizee übernommen, zu erklären, warum wir leiden, und uns unser Leid auf diese Weise nicht nur verständlich, sondern auch annehmbar zu machen.« Illouz: Warum Liebe weh tut. A.a.O., S. 35. Ich wage das eine wie das andere zu bezweifeln. In der Kirche war das Gespräch mit dem Priester, der die Sünden vergeben, das heißt die Absolution aussprechen durfte, eine entlastende Instanz. Dieselbe Funktion haben Analytiker und Therapeuten heute. Es ist nicht die wichtigste Frage, ob ein Patient wirklich versteht, was mit ihm geschah, als er verlassen wurde. Es ist wichtiger, dass es ihm möglich wird, wieder normal zu leben.
Kinder- und Hausmärchen, gesammelt von den Brüder Grimm. Winkler-Verlag: München 1949, S. 116.
Friedrich Nietzsche: Nietzsche contra Wagner. KSA 6. A.a.O., S. 424.
Richard Wagner an Mathilde Wesendonck. Tagebuchblätter und Brief 1853–1871. Verlag von Alexander Duncker: 30/Berlin 1906, S. 83.
Ebd., S. 123.
Friedrich Nietzsche: Nachgelassene Fragmente. Kritische Studienausgabe (KSA). Bd. 13. Hrsg. von Giorgio Colli und Mazzino Montinari. De Gruyter Verlag/dtv: Berlin, New York u. München 1980, S. 513.
Wagner: Tristan und Isolde. A.a.O., S. 82.
Ebd., S. 48.
Theodor W. Adorno: Philosophie der neuen Musik. Suhrkamp Verlag: Frankfurt am Main 1978, S. 82. Adorno erinnert mit dieser Formulierung an den Musikwissenschafter Ernst Kurth, der sich innovativ mit Wagners »Tristan« beschäftigte.
Friedrich Nietzsche: Ecce homo. KSA 6. A.a.O., S. 289.
Friedrich Nietzsche: Richard Wagner in Bayreuth. In: Ders.: Unzeitgemäße Betrachtungen. KSA 1. A.a.O., S. 479.
Friedrich Nietzsche: Jenseits von Gut und Böse. Vorspiel einer Philosophie der Zukunft. KSA 5, S. 102.
Vgl. Michel Foucault: Sexualität und Wahrheit. Bd. 4. Die Geständnisse des Fleisches. Suhrkamp Verlag: Berlin 2019.
Friedrich Hölderlin: Hyperion. In: Ders.: Sämtliche Werke und Briefe I. Hrsg. von Michael Knaupp. Carl Hanser Verlag: München 1992, S. 760.
Badiou: Lob der Liebe. A.a.O., S. 67: »Es gibt eine Arbeit der Liebe, nicht nur ein Wunder.«
Euripides: Hippolytos. In: Ders.: Ausgewählte Werke. Bd. I. Übers. von Ernst Buschor. Hrsg. von Bernhard Zimmermann. Artemis&Winkler: Zürich 1996.
Jean Racine: Phèdre/Phädra. Übers. und hrsg. von Wolf Steinsieck. Reclam: Stuttgart 1995, v. 670ff:.
Alain Badiou: Paulus. Die Begründung des Universalismus. Diaphanes: Zürich und Berlin 2009.
Freud: Das Unbehagen in der Kultur. A.a.O., S. 79.
Ovid: Metamorphosen. Reclam Verlag. Stuttgart 1994.
Richard Wagner: Der Ring des Nibelungen. Hrsg. von Julius Berghold. Schott Mainz, Piper München 1981, S. 22.
Leo N. Tolstoi: Krieg und Frieden. Roman. Artemis&Winkler: Düsseldorf und Zürich 1996, S. 1336.
Ebd., S. 1339.
Han: Agonie des Eros. A.a.O., S. 8.
Tolstoi: Krieg und Frieden. A.a.O., S. 1585.
Vgl. Han: Agonie des Eros. A.a.O.
Vgl. Jean-Paul Sartre: Das Imaginäre. Phänomenologische Psychologie der Einbildungskraft. Rowohlt Verlag: Reinbek bei Hamburg 1971, S. 205ff.
Slavoj Žižek: Körperlose Organe. Bausteine für eine Begegnung zwischen Deleuze und Lacan. Suhrkamp Verlag: Frankfurt am Main 2005, S. 220f.
Shakespeare in deutscher Sprache. Bd. 1. A.a.O., S. 388.
Ebd., S. 363.
Ebd., S. 429.
Vgl. das Kapitel »Die Klausur in der Mutter« von Peter Sloterdijk: Sphären I. Blasen. Suhrkamp Verlag: Frankfurt am Main 1998, S. 257–327.
Vgl. Otto Rank: Das Trauma der Geburt und seine Bedeutung für die Psychoanalyse. Internationaler Psychoanalytischer Verlag. Leipzig 1924.
Johann Jakob Bachofen: Das Mutterrecht. Eine Untersuchung über die Gynaikokratie der alten Welt nach ihrer religiösen und rechtlichen Natur. Eine Auswahl herausgegeben von Hans-Jürgen Heinrichs. Suhrkamp Verlag: Frankfurt am Main 1975, S. 11.
Thomas Bernhard: Alte Meister. Komödie, Suhrkamp Verlag: Frankfurt am Main 1985, S. 90.
Peter Trawny: Heidegger-Fragmente. Eine philosophische Biographie. S. Fischer Verlag: Frankfurt am Main 2018, S. 256–260.
Hans Blumenberg: Die Legitimität der Neuzeit. Suhrkamp Verlag: Frankfurt am Main 1966.
Luhmann: Liebe als Passion. A.a.O., S, 42.
Mit diesen Fragen nach dem Verhältnis von Liebe und Naturwissenschaft beschäftigt sich Richard David Precht an vielen Stellen seines Buches Liebe. Ein unordentliches Gefühl. A.a.O.
Karl Marx: Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie. Erster Band. Dietz Verlag: Berlin 1962, S. 87.
Ebd., S. 85.
Sigmund Freud: Fetischismus. In: Ders.: Gesammelte Werke. Vierzehnter Band. Werke aus den Jahren 1925–1931. Hrsg. von Anna Freud und anderen. Imago Publishing Co., Ltd.: London 1948, S. 317.
Ebd., S. 314.
Erich Fromm: Anatomie der menschlichen Destruktivität. Rowohlt Verlag: 14/Hamburg 2015, S. 414.
Ovid: Metamorphosen. A.a.O.
Goethes Werke. Bd. III. Dramatische Dichtungen I. Hrsg. von Erich Trunz. C.H. Beck Verlag: München 1986 [Hamburger Ausgabe], S. 57.
John Keats: The Major Works. Herg. von Elizabeth Cook. Oxford University Press: Oxford 1990, S. 479.
Sigmund Freud: Über einige neurotische Mechanismen bei Eifersucht, Paranoia und Homosexualität. In: Ders.: Zwang, Paranoia und Perversion. Studienausgabe Bd. VII. S. Fischer Verlag: Frankfurt am Main 1973, S. 219: »Die Eifersucht gehört zu den Affektzuständen, die man ähnlich wie die Trauer als normal bezeichnen darf. Wo sie im Charakter und Benehmen eines Menschen zu fehlen scheint, ist der Schluß gerechtfertigt, daß sie einer starken Verdrängung erlegen ist und darum im unbewußten Seelenleben eine um so größere Rolle spielt.«
Thomas Mann: Der Tod in Venedig. S. Fischer Verlag: 8/1913, S. 68f.
Ebd., S. 145.
Für Klara-Susanna und Milena-Lou
»Wir alle lieben unaufhörlich und auf irgendeine Weise; aber fast alle lieben wir schlecht, und je mehr wir lieben, desto schlechter lieben wir. Und wenn unter Hunderttausend einer auf rechte Weise liebt, so findet es, weil es nicht allgemeine Praxis ist, keinen Glauben.«
Marsilius Ficino, Von der Liebe
»Wenn das Herz denken könnte, stünde es still.«
Fernando Pessoa, Buch der Unruhe
»In meiner Liebe ist alles verloren. Aber da sind meine Augen, die wie tolle Hunde glänzen. Da sind meine Hände, so sanft wie der Regen. In meiner Liebe ist alles verloren.«
Alejandra Pizarnik, Tagebücher
»Oh! meu amor.«
Elis Regina, Por toda a minha vida
Ich beginne. Ich beginne mit der Liebe. Liebe – ist Anfang, Aufbruch, Frühling, Zukunft, Hoffnung. Gibt es einen schöneren Zustand als das Verliebtsein? Als den Anblick zweier sich in sich verschränkender Hände, zweier sich umarmender und haltender Menschen, zweier Hoffnungen in einem Begehren? Nichts schöner als das: Anfangen, immer noch einmal anfangen – das kann nur Liebe.
Ich beginne mit der Liebe, will sagen, erst Liebe ist wirklicher Anfang. Das lässt sich nicht nur in den Gebärden des Verliebtseins betrachten: »Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei«, heißt es in einer sehr alten Schrift, deren Wahrheit hier nicht zu bezweifeln ist. Die Worte werden an einem Anfang ausgesprochen; an ihm wird zu Recht festgestellt, dass wir nur etwas anfangen, wenn wir es mit jemandem tun.
Eine Philosophie der Liebe ist also eigentlich eine Anfangs-Philosophie. Ich werde in diesem Buch an vielen Stellen von diesem Großen Anfang, dieser allerersten und allerletzten Hoffnung, sprechen. Der Anfang der Liebe – ist das Schönste, was ein Philosoph denken, was er beschreiben und untersuchen kann. Es ist nicht nur das Schönste, sondern darüber hinaus das Sinnvollste. Daher möchte ich sogleich betonen:
Wenn ein Philosoph überhaupt einen Sinn des Seins oder des Lebens erkennen könnte, dann, dass dieser Sinn die Liebe ist. Es gibt nichts Besseres, nicht nur für Menschen, sondern überhaupt für alles, was lebt. Gäbe es einen erotischen Imperativ, man müsste ihn täglich beherzigen. Allein in der Liebe – liegt die Möglichkeit, das Leben auf dieser Erde nicht nur erträglich zu gestalten: Es liegt der Abglanz des Paradieses auf ihr.
Gewiss ist das nicht nur eine philosophische Einsicht. Auch die Weltreligionen kennen die Bedeutung der Liebe, selbst wenn sie sie offenbar unterschiedlich interpretieren. Auch die Dichter und Dichterinnen preisen sie: »Sehnt es dich aber, so singe die Liebenden«,[1] dichtet Rainer Maria Rilke in der ersten Duineser Elegie. Aber das ist schon die Folge einer Tatsache, einer ersten Ursache, eines instinktiven Wissens, das sich bis in den letzten Winkel der Welt herumgesprochen hat: Nämlich dass die Liebe das Leben – auch wenn es ein hartes ist – zumindest erträglich macht. Allermeistens aber macht sie es – schön. Dieser Instinkt drückt sich in der Philosophie, der Religion und in der Dichtung aus.
Betrachte das Wort »Philosophie«! Es wird zu Recht übersetzt mit: Liebe zur Weisheit. Philosophen sind die Liebhaber der Weisheit. Das ist, was der Dichter und Philosoph Novalis einmal so unvergesslich sagt: »Im eigentlichsten Sinn ist Philosophieren – ein Liebkosen – eine Bezeugung der innigsten Liebe zum Nachdenken, der absoluten Lust an der Weisheit.«[2] Doch die Weisheit? Wäre es nicht weise, die größten Hoffnungen, die Du hast, in die Liebe zu setzen? Was ist Erfolg, Wohlstand und selbst Gesundheit – ohne Liebe? Niemand will ein Leben ohne Liebe führen. – Dann wäre die Philosophie so etwas wie die Liebe zur Liebe.
Philosophie – die Liebe zur Liebe? Kann man das wirklich sagen? Sind die Philosophen und Philosophinnen nicht in Wahrheit ziemlich unfreundliche Menschen, Sauertöpfe und Rechthaberinnen? Sind sie nicht eitle Einzelkämpfer, die es lieben, sich zu inszenieren? Arrogante Akademiker, die nun auch noch behaupten, sie würden über ein Wissen von der Liebe verfügen? Ja, sind sie mit ihrem Gerede nicht vielmehr die Störer und Zerstörer dieses einfachen Gefühls, das anderes als eine intellektuelle Untersuchung braucht, das gelebt wird, wie es kommt – was den Philosophen ohnehin kaum gelingt?
Das beste Beispiel dafür ist die Geschichte von Sokrates und Xanthippe: »Xanthippe war ein böses Weib, / Der Zank war ihr ein Zeitvertreib«, reimten Schüler des humanistischen Gymnasiums über Jahrhunderte. Die Wahrheit sah höchstwahrscheinlich anders aus. Sokrates, der einmal von sich selbst behauptet, dass er von Gott die Gabe erhalten habe, mit einem Blick Liebende und Geliebte zu erkennen (im Dialog Lysis, 204c), dieser Sokrates liebte Gespräche mit jungen Männern, die er auf dem Markt oder wo auch immer traf. Dafür hat er Opfer gebracht.
Für die Philosophie braucht man Muße, eine freie Zeit, die keinen Druck verträgt. Unter Zeitdruck lässt sich vielleicht Fußball spielen, aber nicht philosophieren. Sokrates nimmt sich so viel Zeit, dass er seine Familie vernachlässigt. Das nimmt Xanthippe ihm übel. Was soll man mit einem solchen Ehemann anfangen? Nach einer Anekdote, die viele Zeichner und Maler inspiriert hat, habe Xanthippe über Sokrates wütend einen Nachttopf ausgeleert. Keineswegs auszuschließen, dass er es verdient hat. Und ist es da nicht seltsam, dass sich ein Philosoph den ganzen Aufbau des Staates ausdenkt, wenn er noch nicht einmal sein eigenes Leben zu ordnen vermag? Was soll dann ein Philosoph über Liebe zu sagen haben, wenn er selber offenbar nicht – richtig – zu lieben vermag?
Der Einwand ist gerechtfertigt. Die Philosophen sind die Liebhaber der Liebe, aber sie sind bei weitem nicht die besten Liebenden. Deshalb könnte es wahr sein, dass eine Philosophie der Liebe immer hinter den Gedichten und Geschichten, den Dramen, Opern und Filmen, die die Liebe zeigen, wie sie im wirklichen Leben vorkommt, zurückbleibt. Und wie kommt die Liebe darin vor? Ist sie überhaupt dieser Große Sinn des Lebens, von dem Philosophen schwärmen? Was sagt uns ein Roman wie Tolstois »Anna Karenina« über die Liebe?
Sie ist kein Anfang, sondern ein einziges Ende. Sie verursacht Gewalt und Schmerz, ist die Ursache für Sucht, Mord und Totschlag. Sie quält, erniedrigt und erschüttert. Sie ist das Trauma der Verlassenen, die, gerade weil sie die höchsten Hoffnungen in sie steckten, am tiefsten fallen. Wenn wir den Dichtern glauben, ist sie viel eher das Schlimmste als das Schönste des Seins. Am Ende steht die Liebe als ein untröstliches Leid in zerstörten Leben.
Und das kann auch kein Philosophierender bezweifeln. Einen Souverän der Liebe, der weiß, wie Liebe gelingt, gibt es nicht. Alle neueren Philosophen – wie zuletzt auch Richard David Precht[3] – halten sich mit Anweisungen oder Ratschlägen zurück. Der Philosoph vermag kein Ratgeber mehr zu sein – übrigens nicht nur nicht in der Liebe, aber in ihr zuerst nicht mehr. So bleibt die Karikatur des ach so liebevollen Sokrates ein Menetekel.
Daraus muss man Konsequenzen ziehen. Roland Barthes hat in seinem Klassiker der »Fragmente einer Sprache der Liebe« eine Philosophie der Liebe zutreffend als ein »Monstrum«[4] bezeichnet. Philosophie, das ist für ihn das Statuieren einer »bestimmten Ordnung«. Ordnungen auf die Liebe und ihre Formen zu übertragen wäre in der Tat monströs. Eine Logik der Liebe in dem Sinn, dass man sie mit Definitionen in ein System presst, gibt es nicht. Doch ist die Philosophie wirklich so ordnungsliebend, dass sie den Sprengstoff der Liebe nicht bestaunen kann? Ist Staunen nicht ihr eigentlicher Charakter? Und wäre Liebe nicht das, wovor wir am stärksten erstaunen?
Es stimmt – jeder Mensch ist als ein solcher ein von der Liebe Verletzter, ein Liebes-Invalide, unendlich bedürftig und doch nie unendlich befriedigt. Insofern die Philosophierenden immer Menschen, das heißt Männer und Frauen bleiben werden, werden auch sie von den Verstrickungen und Dunkelheiten der Liebe eingeholt. Möglich, dass sie sogar noch mehr davon betroffen sind, weil sie, die himmlische Liebe betrachtend, in Brunnen stürzen, um von Frauen, die mit dem Leben beschäftigt sind, ausgelacht zu werden. Aber das kann nicht der zureichende Grund dafür sein, liebend-verletzt und verletzt-liebend nicht mehr über die Liebe nachzudenken.
Vermutlich ist es schon ein Gedanke, den hohen Flug der Hoffnung, die wir in die Liebe setzen, mit ihrem tiefen Fall zu verbinden. Das Drama der Liebe spielt sich in diesem Raum, diesem Zwischen von Euphorie und Depression ab; zumindest die erotische Liebe, die für viele immer noch die romantische ist. Wer also eine Philosophie der Liebe schreiben will, muss sich in diesem Raum, dieser zerklüfteten Landschaft bewegen.
Und so handelt das vor Dir liegende Buch von der Liebe, ihrer Schönheit, ihrer Wahrheit, ihrer Lust, ihrem Schmerz, ihren Lügen, ihren Entstellungen, Entblößungen, Verkrüppelungen, Versteinerungen, Befreiungen, Banalisierungen, Niederlagen, ihren Zeiten und Räumen, von ihren Darstellungen in Kunst, Musik, Dichtung und Film, ihrem religiösen Sinn, auch von der Liebe zu Kindern, zu Eltern, von ihren Objekten, zu denen auch Autos und Uhren gehören können. Liebe ist überall – und nirgends.
Ich beginne mit der Liebe. Ist sie nicht der Beginn, die Geburt von allem? Ist nicht selbst die Philosophie noch ihr Kind? Heute scheint diese Liebe in eine tiefe Erschöpfung geraten zu sein, in eine Krise, als entscheidende Phase einer Krankheit, in der der Patient entweder stirbt oder zu neuer Lebendigkeit gesundet. Stehen wir vor dem Ende der Liebe?
Glaubt man Philosophen und Soziologen, verlieren wir, was uns das Selbstverständlichste zu sein schien: die Liebe; jedenfalls die Liebe, die mit und in Leidenschaft all das bejaht, was sie seit Menschengedenken war. Und war sie nicht diese Quelle einzigartigen Glücks und Leids? Genau das scheint sie nicht mehr sein zu wollen: »Immer zu viel«, rufen die Leidenden und beginnen, sich abzuwenden.
Alain Badiou, Byung-Chul Han, Niklas Luhmann und Eva Illouz – alle spüren Veränderungen nach, die sich in verschiedenen Bereichen unseres Zusammenlebens vollziehen und die Liebe in sich hineinsaugen. Letztlich sind diese Veränderungen politisch-ökonomische Transformationen, die eine schon von früheren Philosophen diagnostizierte Tendenz der modernen Gesellschaft weiterdenkt. Indem sich immer radikaler der unabhängige, gleichsam autonome Mensch – jedes möglichen, vielleicht noch unbekannten Geschlechts, denn das gehört zu dieser Autonomie – seine Welt und Gesellschaft baut, wird die romantische, und das heißt leidenschaftliche, tapfer auf Bindung ausgehende Liebe zum Auslaufmodell. So wie ich als unabhängiges Individuum erfolgreich für mich selber sorge, nimmt die Bereitschaft ab, Zeit in den Geliebten zu – investieren.
Diese Zeit, die der oder die Andere braucht, haben wir nicht mehr. Die mobile Welt der unübersichtlichen Herausforderungen – Luhmann nennt das »Steigerung der Wahrscheinlichkeit des Unwahrscheinlichen«[5] – in allen möglichen realen und virtuellen Lebensbereichen beansprucht uns widerstandslos. Das ist verhängnisvoll. Liebe ist in ihrer zärtlichen Fragilität zwar großzügig, vielleicht sogar großmütig – selbst wenn sie die Untiefen der Eifersucht kennt. Doch dazu braucht sie vor allem eines: Zeit. Ich gebe an dieser Stelle dem Philosophen Alain Badiou unbedingt recht: »Eine wahrhafte Liebe ist jene, die dauerhaft, manchmal schwierig über die Hindernisse triumphiert, die der Raum, die Welt und die Zeit ihr in den Weg stellen.«[6] Das klingt womöglich etwas einfach, ist aber wahr: Liebe ist eine Bindung, die sich – großzügig – Zeit nimmt, Zeit gibt. Alles, was sie sonst auch ist – und das ist gewiss viel –, ist sie in dieser Zeit.
Man schaue aber genauer hin, was Badiou sagt: Liebe »triumphiert manchmal schwierig über Hindernisse«. Diese Hindernisse können Anlässe für Traurigkeit, Schwermut und selbst Verlassenheitserfahrungen sein. Oder, anders gesagt: Die Hindernisse, die die Liebe bedrohen, machen leiden, weit über das hinaus, was wir seit der Pubertät als Liebeskummer kennen. Und zu diesem durchaus lebensgefährlichen Leiden, dieser Leidenschaft, sind wir immer weniger bereit.
Dieses Dilemma, der Liebe abzusagen, wenn sie Leiden bedeutet, zugleich aber auf den Genuss nicht verzichten zu wollen, den sie auf einzigartige Weise offeriert, scheinen heute Mobile-Dating-Apps wie Tinder aufzulösen. Sie versprechen einer ökonomisierten Existenz eine ökonomisierte Begegnung, in der die Leidensmöglichkeiten der Liebe gegen null reduziert werden sollen. Das Medium wird als Schutzschild benutzt. Mit Erfolg?
Eine Philosophie der Liebe ist keine wissenschaftliche Bestandsaufnahme, die sich verbietet zu urteilen. Ich werde daher an verschiedenen Stellen dieses Buches Position beziehen. Wenn schon die Liebe nicht neu erfunden werden muss, wie Badiou mit dem Dichter Arthur Rimbaud behauptet, so muss sie doch in den Möglichkeiten ihrer verglühten Leidenschaften betrachtet werden, um sie aus ihren Aschen wie den Phönix neu entstehen zu lassen. Aber vielleicht war die Liebe das schon immer: der Phönix, der sich verbrennt, um aus der Asche neu aufzusteigen.