Petina Gappah

Aus der Dunkelheit strahlendes Licht

Roman

Aus dem Englischen von Anette Grube

FISCHER E-Books

Über Petina Gappah

Petina Gappah, 1971 in Harare, Simbabwe geboren, studierte Jura in Cambridge und Graz und arbeitete über zehn Jahre als Anwältin für internationales Handelsrecht bei der WTO in Genf. 2009 erschien ihr erster Erzählband, für den sie mit dem Guardian First Book Award ausgezeichnet wurde. 2015 folgte ihr erster Roman, der auf Deutsch unter dem Titel "Die Farben des Nachtfalters" erschien. Sie lebte in Edinburgh und zuletzt in Berlin, wo sie am renommierten Künstlerprogramm des DAAD teilnahm.

 

Anette Grube, geboren 1954, lebt in Berlin. Sie ist die Übersetzerin von Arundhati Roy, Vikram Seth, Chimamanda Ngozi Adichie, Mordecai Richler, Kate Atkinson, Monica Ali, Manil Suri, Richard Yates u.a.

 

Weitere Informationen finden Sie auf www.fischerverlage.de

Über dieses Buch

Seit ihrer Jugend ist Petina Gappah von der Geschichte um David Livingstone besessen – dem berühmten schottischen Missionar und Afrikaforscher, der sich des großen geografischen Rätsels seiner Zeit verschrieben hatte, der Entdeckung der Nilquellen.

 

Aus Faszination wurde ein Roman: Als Livingstone 1873 auf der Suche stirbt, will seine treue Gefolgschaft seinen Leichnam in seine Heimat zurückbringen. So machen sich 69 Gefährten auf den wagemutigen Weg, ihn quer durch Afrika zu tragen, angeführt von einer jungen Frau – Halima, Livingstones scharfzüngiger Köchin.

 

Eine abenteuerliche und lebensbedrohliche Reise über 1.500 Meilen, auf der ihnen Hunger, Krankheit und Tod begegnen – und immer wieder die Frage: Wie weit sind wir bereit für unsere Freiheit zu gehen?

Impressum

Erschienen bei FISCHER E-Books

 

Die Originalausgabe erschien unter dem Titel

›Out of Darkness, Shining Light‹ bei Scribner, an imprint of Simon & Schuster, New York.

© 2019 Petina Gappah

 

Für die deutschsprachige Ausgabe:

© 2019 S. Fischer Verlag GmbH, Hedderichstr. 114, D-60596 Frankfurt am Main

 

Covergestaltung: Sonja Steven, Büro KLASS

Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt.

ISBN 978-3-10-491083-3

der unter anderem

auch David genannt wird.

 

Kärt barn har många namn.

Rakkaalla lapsella on monta nimeä.

Kjært barn har mange navn.

 

(Der wahrheitsgetreue Bericht über die letzten Jahre und Tage des Doktor David Livingstone auf dieser Erde und seine letzte Reise vom Landesinneren an die Küste Afrikas, in drei Bänden erzählt von seinen afrikanischen Gefährten)

Gefallenenrede des Perikles, Thukydides: Geschichte des Peloponnesischen Kriegs

Ich vertraue noch immer darauf, dass mir die Vorsehung helfen wird. Ich kenne die vier Flüsse Sambesi, Kafue, Luapula und Lomamé, ihre Quellen müssen in einem einzigen Gebiet liegen. … Ich bete, dass mein Gott mich für gut genug erachtet und mir erlaubt, die alten Quellen des Herodot zu entdecken, und wenn sich in den Ausgrabungen etwas findet, das die kostbaren alten Dokumente (τα βιβλια) bestätigt, die Schriften der Wahrheit, möge Er mir gestatten, es ans Licht zu bringen, und mir die Weisheit verleihen, angemessenen Gebrauch davon zu machen.

David Livingstone, The Last Journals of David Livingstone

Dies ist die Geschichte, wie wir den armen geschundenen Leichnam von Bwana Daudi, dem Doktor, David Livingstone, durch Afrika trugen, damit er über das Meer gesegelt und in seinem eigenen Land begraben werden konnte. Über eintausendfünfhundert Meilen, vom Landesinneren zur Küste, marschierten wir mit

Wir bahrten ihn in der friedlichen Stille der Kirche auf. Und die ganze lange Nacht beteten, sangen und wehklagten die siebenhundert freigelassenen Sklaven aus dem Dorf der Freien. Als am nächsten Tag die Flut stieg, reihten sie sich zu beiden Seiten des Wegs auf, der zur Dhau für seine letzte Überfahrt führte. Und wir schauten ihr nach, bis das weiße Segel des kläglichen Holzboots, das ihn fortbrachte, nur noch ein kleines dunkles Dreieck am fernen Horizont war und wir nichts mehr von ihm sehen konnten, nur noch den Himmel, der auf das schimmernde Meer traf.

Er gab sein Leben für die gescheiterte, verrückte Suche nach dem letzten großen Geheimnis dieser dem Himmel entspringenden Quelle, des längsten Flusses der Welt; er gab alles, um das Geheimnis aufzudecken, das gelehrte Männer seit über zweitausend Jahren beschäftigte: der Ursprung des Nils.

In den letzten zwei Jahren seines Lebens, bevor er in Ujiji mit Bwana Stanley zusammentraf, war er ein besessener Mann. In jedem Dorf und jeder Siedlung, durch die wir kamen, stellte Bwana Daudi die gleiche Frage. Hatte eine Person den Ort gesehen oder davon

Als sie wissen wollten, was dieser Nil war, antwortete er, es sei der längste Fluss der Welt, aber mehr als ein Fluss, es sei ein Wunder der Schöpfung, großartig jenseits aller Vorstellungskraft. »Denn er fließt jeden Tag des Jahres über tausend Meilen durch die unfruchtbarste aller Wüsten, ohne neu aufgefüllt zu werden, denn er hat keine Zuflüsse, die ihm frisches Wasser bringen«, sagte er.

Bwana Daudi war überzeugt, dass diese Quellen mit den vier großen Flüssen verbunden waren, die er bereits kannte, dem Kafue, dem Lomame, dem Luapula und dem Sambesi. Herodot, sagte er, habe geschrieben, dass das Wasser dieser Quellen in zwei Richtungen fließe, die eine Hälfte nach Ägypten und die andere nach Süden. Und so folgten wir dem Luapula nach Süden in die Sümpfe von Bangweulu, doch dort fand Bwana Daudi nicht das Quellgebiet des Nils, sondern im Dorf Chitambo den Tod.

Im Tod ist er so gespalten wie im Leben. Seine Knochen liegen jetzt in seinem Land, beigesetzt in ehrwürdigem alten Stein. Und in dem Grab, das wir für ihn im

Das ist alles, was wir neunundsechzig in seiner Welt je waren; die dunkelhäutigen Gefährten, seine dunkelhäutigen Gefährten, die Schattengestalten in den Karawanen, mit denen er zog. Wir waren immer nur die pagazi, die Lastenträger und Diener, die sein Gepäck trugen, seine Hütten bauten, seine Mahlzeiten kochten, seine Wäsche wuschen und sein Bett machten, die askari, die seine Kämpfe fochten, seine loyale und getreue Gefolgschaft.

Auf dem langen und gefährlichen Weg, der ihn nach Hause führen sollte, verloren zehn von unserer Gruppe ihr Leben. Keine Steine kennzeichnen die Orte, wo sie ruhen, keine Inschriften künden von ihrem Tod. Und wenn wir, die noch da sind, ihnen nachfolgen, werden keine Pilger kommen, um ihren Kindern zu zeigen, wo wir liegen. Doch aus dieser tiefen und beunruhigenden Dunkelheit entsprang helles Licht. Unsere Opfer verliehen dem Ruhm seines Lebens den letzten Schliff.

In manchen Versionen sind sie Freunde. In anderen sind sie Brüder. Immer sind sie Bwana Daudis ergebenste Diener, nur sie beide tragen seine Knochen; sie gelten als Beleg für die starken Bande des Dienens und als Bestätigung der Gottesfurcht des christlichen Glaubens, seines Glaubens, seiner Gottesfurcht, seiner Heiligkeit – denn wer, wenn nicht ein Heiliger konnte zu so einem Einsatz beflügeln?

Manchmal werden sie Susi und Chuma genannt, öfter jedoch Chuma und Susi. Selten nur tauchen ihre vollen Namen auf, so gut wie nie sind sie James Chuma, den Bwana Daudi aus der Sklaverei rettete, und Abdullah Susi, der mohammedanische Schiffsbauer aus Shupanga, der einem christlichen Herrn diente. Sie werden, wenn überhaupt, als die alleinigen Träger von Bwana Daudis Knochen erinnert, als diejenigen, die schon bei ihm waren.

Was wäre gewesen, wenn wir damals gewusst hätten, was wir heute wissen?

Als wir seinen Leichnam durch Afrika trugen, hatten wir die Karten des mächtigen Flusses Lualaba

Nur elf Jahre später sollte sich England, dem wir seinen ruhmreichen Sohn zurückgaben, mit anderen an einen Tisch setzen und beiläufig auf einer Landkarte Linien eintragen, Grenzen ziehen, wo keine gewesen waren, Völker und Familien auseinanderreißen. Sie kamen auf dem Lualaba, auf dem großen Kongo mit Dampfschiffen und Gewehren, mit Kautschukplantagen und Steuern und neuen Namen für die Begräbnisstätten unserer Ahnen. Und alle Männer, Frauen und Kinder, die wir unterwegs trafen, jeder Freund und jeder Feind, jeder Sklavenjäger und Sklave sollten wenige Jahre später die jüngsten Untertanen der Könige und Königinnen von Europa sein.

All das sollte erst noch geschehen, doch zuerst.

Dies ist nicht nur die Geschichte der zwei Männer Susi und Chuma; es ist auch die Geschichte der Expeditionsleiter Chowpereh und Uledi Munyasere, Amoda, Sohn des Mahmud, und Nathaniel Cumba, Mabruki

Es ist die Geschichte von Halima, der Köchin des Doktors, die lange und laut zeterte, bis wir sagten, ja, ja, wir würden ihn dahin zurückschicken, woher er gekommen war, nach Hause über das Wasser. Es ist die Geschichte des Jungen Majwara, der Jüngste von uns, der den Doktor tot auf den Knien fand und mit jedem Schlag seiner Trommel Leben in unsere Beine schlug, als wir den langen und mühseligen Marsch ins Landesinnere unternahmen.

Es ist die Geschichte von Bwana Daudi, der letzten leidvollen Jahre seines Lebens, seiner Rettung durch Bwana Stanley und der Begebenheiten, die seine Entschlossenheit und sein Herz brachen, während er weitermarschierte bis in den Tod. Es ist die Geschichte all jener und vieler mehr, die Geschichte des Doktors und unserer letzten Expedition: der Reise in seinen sicheren Tod und weiter nach Bagamoyo.

CHEMCHEMI YA HERODOTUS

Ehe wir uns einschifften, hatte sich Livingstone noch nicht definitiv entschlossen, was er danach in seiner traurigen Lage tun solle. Seine Dienerschaft bestand nur aus Susi, Chuma, Hamoydah, Gardner und Halimah, der Köchin und Frau des Hamoydah.

Henry Morton Stanley, Wie ich Livingstone fand

Ist es nicht komisch, dass die Dinge, von denen man weiß, dass sie geschehen werden, wenn sie geschehen, nie auf die Weise geschehen, wie man glaubt, dass sie geschehen werden? An dem Morgen, als wir ihn fanden, erwachte ich aus einem Traum von Gewürznelken. Der vertraute süßliche Geruch stieg mir so scharf in die Nase, dass ich genauso gut wieder auf dem Gewürzmarkt von Sansibar hätte sein können, ein Mädchen mit schlanken Gliedern, das lernen sollte, wie man das Beste für die Küche des Liwali aussuchte, doch tatsächlich von einem Bein aufs andere trat, als meine Mutter sagte, aber Halima, du hörst nicht zu. Es stimmte, weil

Ich denke oft genug an meine Mutter, doch ich träume nur selten von ihr. Sie war die suria des Liwali von Sansibar, eine seiner bevorzugten Sklavinnen, allerdings bekam sie nie ein Kind von ihm, um umm-al-walad zu werden. Und es wäre eine große Sache für sie gewesen, ein Kind vom Liwali zu haben, denn er war der Repräsentant des Sultans zu einer Zeit, als Said der Große, das heißt, Said bin Sultan, in Muskat lebte, auf der anderen Seite des Wassers in Oman und nicht auf Sansibar.

Meine Mutter erzählte, dass ich geboren wurde, bevor der Sultan die Hauptstadt von Muskat wegverlegte. In jenen Tagen verwaltete der Liwali Sansibar für ihn, und ja, da war zwar der Mwinyi Mkuu, das große Oberhaupt der Swahili auf Sansibar, doch der Sultan brauchte seinen eigenen Mann, einen Araber durch und durch, einen Omaner ersten Ranges.

Doch wenn man den Liwali anschaute, dann sah man sofort, dass in ihm das Blut von ein oder zwei afrikanischen Sklaven floss, und das ist nicht gelogen. Der Liwali hatte drei offizielle Frauen, seine drei horme, und zehn Konkubinen, sariri, in seinem Harem. Das sollten

Meine Mutter war die einzige Dunkelhäutige unter den sariri des Liwali, die anderen waren Tscherkessinnen und Türkinnen und was nicht noch alles, und obwohl es hieß, dass suria die beste Art war, Sklavin zu sein, und nur die hübschen Frauen als sariri ausgewählt wurden, bedeutete es für meine Mutter, die auch Köchin war, dass sie doppelt versklavt war: nachts Sklavin im Harem des Liwali und tagsüber Sklavin in seiner Küche.

Der Liwali ist seit vielen Jahren tot. Sein Haus gehört jetzt Ludda Dhamji, einem reichen indischen Kaufmann aus Bombay. Angeblich ist er mächtiger, als der Liwali war, weil er Said Bhargash, dem neuen Sultan, sehr viel Geld geliehen hat. Ludda Dhamji ist auch für das Zollhaus zuständig und verdient an jedem Sklaven, der auf dem Sklavenmarkt verkauft und nach Persien oder Arabien, nach Indien oder sonst wohin an die Küste des Indischen Ozeans verschifft wird. Das nenne ich wahren Reichtum.

Ich wurde vom Geräusch rennender Füße und lauter Stimmen aus meinem Traum und allen Gedanken an mein früheres Leben gerissen. Mir war sofort klar, dass etwas nicht stimmte. Ntaoéka und Laede hatten noch keine Feuer gemacht. Das war keine Überraschung, denn es war zwischen Nacht und Morgen.

Susi lief zu dem jungen Majwara, Asmani rannte zu Uledi Munyasere, Saféné lief zu Chowpereh. Es war ein so wildes Durcheinander wie bei Hühnern vor einem Gewitter. Unter dem großen mvula-Baum standen die Nassick-Jungs und besprachen sich.

Es waren sieben befreite Männer, die als Jungen von Sklavenjägern gefangen genommen und von riesigen jahazi, geschickt von der Königin aus Bwana Daudis Land, gerettet worden waren. Schiffe, nannten sie sie, Dhaus so groß wie Häuser, fast so groß wie der Palast des Liwali, behauptet Susi. Auf diesen jahazi waren sie nach Indien gekommen, wo man ihnen beibrachte, den Mund nicht in ihrer eigenen Sprache aufzumachen, sondern alle möglichen muzungu-Sprachen zu sprechen. Außerdem mussten sie ein Handwerk lernen, und man gab ihnen Bücher zum Lesen und Papier zum Schreiben und Kleider, in denen sie wie wazungu aussahen.

In ihrer Mitte stand die große Gestalt von Jacob

Er war ihm von dem Mann geschenkt worden, nach dem er benannt war, behauptet er, und wenn man mich fragt, hätte der gute Mann sein Geschenk noch einmal überdacht, hätte er gesehen, wie Jacob den ganzen Tag darin schwitzt. Der andere Wainwright, Jacobs Bruder John, war nirgendwo zu sehen. Also ich sage, sein Bruder, doch Jacob besteht darauf, dass John nicht sein Bruder ist, und es ist kein Wunder, dass er so einen Bruder nicht haben will. Der Mann ist fauler als eine Herde schlafender Nilpferde. Er hat sogar unsere zwei besten Milchkühe verloren. Man könnte meinen, dass er noch nie zuvor eine Kuh gehütet hat. Was sie ihnen außer Lesen und Englisch in dieser Schule in Indien beigebracht haben, weiß ich wirklich nicht.

Ich ahnte, was das Lager um diese Stunde geweckt haben könnte. Ich ging zum mvula-Baum und berührte Matthew Wellington an der Schulter.

»Stimmt es?«, fragte ich.

Er nickte, sagte jedoch nichts. Ich stieß einen Schrei aus, der eine Eule in der Nähe aufscheuchte. Susi löste sich aus der Gruppe der ranghöchsten pagazi und kam zu mir. Ich warf mich in seine Arme. Susi hatte noch nie eine Ausrede benötigt, um mir nahe zu kommen, wirklich nicht, nicht seitdem er mich zum ersten Mal

Gerade als ich in seine Arme sank, kam mein Mann Amoda auf uns zu, und Susi ließ mich hastig wieder los, aber nicht bevor ich gespürt hatte, wie er steif wurde. Und der Doktor lag nur ein paar Meter von uns entfernt, mausetot! Dreckiger Ziegenbock.

Bevor mir Amoda Vorwürfe machen konnte, hatte Susi ihn zur Seite gezogen. Mein Instinkt riet mir, eine andere Frau zu suchen. Ich ging zur Hütte, in der Ntaoéka in der Nacht zuvor geschlafen hatte, und stieß einen gellenden Schrei aus in der Annahme, dass sie mit einstimmen würde. Es erfolgte keine Reaktion. Wahrscheinlich hatte sie sich irgendwo mit diesem Mabruki ein Bett gemacht, an den sie sich dummerweise gehängt hatte. Auch in meiner geistigen Verwirrung konnte ich mich noch daran erinnern, dass sie erst vor einer Woche behauptet hatte, er sei kein richtiger Mann, sondern ein Esel und noch dazu ein fauler.

»Na ja«, hatte ich damals erwidert. »Du hattest die Wahl, als Bwana Daudi gesagt hat, dass du dich entscheiden sollst. Du hättest Gardner haben können, du hättest Chuma haben können, aber du hast dich für Mabruki entschieden.«

Als wir in Unjanjembe waren und sie sich uns

Eine Woche nachdem sie in Unjanjembe als Wäscherin angeheuert worden war, machte sie Amoda schöne Augen. Man kann vieles über meinen Mann sagen, aber wahr ist, dass er keine Mühe hat, Frauen für sich zu gewinnen. Er ist ein fast so schönes Exemplar wie Susi, gut gebaut und groß. Doch obwohl er nicht Susis herzliches fröhliches Lachen hat, das man immer wieder hören will, hat er eine Art, die ihm das Herz jeder Frau zufliegen lässt. Als ich ihn zum ersten Mal sah, damals in Tabora, als ich bei meinem arabischen Händler war, hat er mich regelrecht verwirrt. Ich konnte nur noch an ihn denken, bis ich ihn hatte. Kaum hatte ich ihn, zeigte er natürlich schon bald sein wahres Wesen, und ich habe die blauen Flecken, um es zu beweisen. Ich wünschte oft, es wäre Susi gewesen, den ich statt seiner als Erstes gesehen hätte.

Aber solange ich Halima bin, die Tochter der Zafrene, des Liwali bevorzugter suria, lasse ich es Ntaoéka nicht durchgehen, meinen Mann einfältig anzulächeln, auch wenn der Mann so schwer zu lieben ist wie mein Amoda. Ich hatte kein Problem damit, mit den Fäusten auf sie loszugehen, wirklich nicht. Das wiederum brachte Bwana Daudi gegen mich auf, der meinte, es

Misozi war in Ujiji zu uns gestoßen in den Wochen, bevor Bwana Stanley uns fand. Damals war sie mir eine große Hilfe, und kein Wunder, dass sie ein Auge auf Susi warf. Sie erzählte, dass ihr Mann auf eine Handelsmission nach Tabora gegangen und nicht zurückgekommen sei. Sie wollte lieber mit uns reisen und Susis Frau für unterwegs sein, statt weiterhin in Ujiji auf ihren Mann zu warten. Sie ist überaus anstrengend, Misozi, ihr Hirn ist so groß wie das eines Zickleins, trotzdem war es gut, eine Frau in der Nähe zu haben.

Nachdem ich Ntaoéka klargemacht hatte, dass Amoda nicht für sie war, versuchte sie es bei Susi. Als sich Misozi bei Bwana Daudi beschwerte, wies er Ntaoéka an, sich für einen Mann zu entscheiden. »Mir gefällt es nicht, dass eine so gutaussehende Frau frei herumläuft«, hörte ich ihn zu Amoda sagen. »Mir wäre es lieber, sie würde einen meiner würdigen Männer wählen.«

Aber man schaue sie jetzt an; obwohl sie liiert ist, macht sie immer noch Probleme. Sie ist wie eine dieser hübschen Schalen im Haus des Liwali: Da sie zu flach sind, um Tee daraus zu trinken, und zu klein, um Datteln daraus zu essen, stehen sie hoch oben auf einem Brett, wo man sie zwar betrachten kann, wo sie aber sinnlos Platz wegnehmen.

Zu Misozi habe ich gesagt, dass Ntaoéka vermutlich bedauert, nicht bis zur Ankunft der fünfundfünfzig pagazi und der sieben Nassicker gewartet zu haben, die Bwana Stanley geschickt hat, denn dann hätte sie jeden von ihnen haben können. Bwana Daudi nannte sie auch die Nassick-Jungs, doch obwohl sie durchaus jung sind und noch ein bisschen sehr grün hinter den Ohren, sind sie bei weitem keine Jungen mehr, insbesondere Jacob Wainwright nicht, ein gutgewachsener Mann, der mindestens schon einundzwanzig Ramadan hinter sich hat. Stolz bis dorthinaus ist er wegen seines Englischs und seiner Gelehrtheit, seiner Schuhe und Bücher und seines schweren muzungu-Anzugs.

Doch es war Misozi und nicht Ntaoéka, die herauskam und sich die Augen rieb. »Was ist los?«

»Er ist tot, er ist gestorben, er ist tot!«, jammerte ich.

»Wer?«, fragte Misozi und gähnte.

Manchmal denke ich, dass die Frau unmöglich so dumm sein kann, wie sie aussieht. Wen sonst hätte ich

Sie ging hinein, um ihr Wickeltuch zu holen, und während sie weg war, sah ich, wie Ntaoéka aus der Hütte schlich, in der Carus Farrar schlief. Da lag also der Hase im Pfeffer. Ich fragte mich, ob Misozi es wusste. Irgendwann wird alles auf den Tisch kommen, nicht dass ich auch nur ein Sterbenswörtchen sagen werde, denn ich, das muss ich ehrlicherweise feststellen, hatte noch nie was für Klatsch übrig.

»Du wieder, Misozi«, sagte Ntaoéka. »Was glaubst du, über wen Halima spricht? Mit wessen Tod haben wir seit Tagen gerechnet? Wessen hinfälliger Körper war nur Stunden entfernt davon, ein Leichnam zu werden? Es kann nur der Bwana sein.«

Die beiden fingen an zu streiten, dass sich mir der Kopf drehte. Ich ging zu dem Feuer, um das eine Gruppe Männer saß und sich unterhielt. Unter ihnen waren Susi, Amoda, Chuma, Carus Farrar und der Junge Majwara. Sie warteten darauf, sagte Carus, dass sich die Steifheit aus seinem Körper zurückzöge, um ihn aufzubahren. Es würde nicht lange dauern, sagte er, denn der Bwana Daudi sei irgendwann nachts gestorben, und die Hitze würde dabei helfen, die Steifheit auszutreiben.

Immer mehr pagazi kamen und setzten sich ums Feuer. Auf jeder Zunge lag die gleiche Frage: Wie war es passiert? Susi und Majwara antworteten abwechselnd.

Susi nahm den Faden auf. »Ich ging sofort zu ihm. Der Bwana wollte wieder aus dem Bett aufstehen. Er war im Fieberwahn, denn er sagte: ›Ich habe die Quellen gefunden, Susi. Ich habe die Quellen gefunden. Ist das der Luapula?‹

Ich habe zu ihm gesagt, dass wir in Bangweulu sind, in Chitambos Dorf«, fuhr Susi fort. Der Bwana habe daraufhin angefangen, auf Englisch zu brabbeln, doch die einzigen Worte, die Susi verstand, und er ist nicht sicher, ob er sie richtig verstand, denn sie ergaben keinen Sinn, waren: »Meine arme Mary liegt auf dem Hügel von Shupanga im Sonnenglanz.«

Ich wusste, dass Mary der Name von Mama Robert war, Bwana Daudis Frau, und in Shupanga, woher auch Susi kommt, ist sie begraben. Ich unterbrach Susi und fragte, was er glaubte, dass die Worte bedeuteten, aber er wusste es nicht. Wir wandten uns ausnahmslos alle Jacob Wainwright zu, aber der schaute einfach in die Ferne, als hätte er die Frage nicht gehört. Mir ist früher schon aufgefallen, dass er so tut, als hätte er die Frage nicht gehört, wenn er die Antwort nicht weiß.

»Was ist danach passiert?«, fragte ich.

Susi erzählte weiter. »Ich brachte ihn zurück ins Bett, und der Bwana, der jetzt Swahili sprach, hat gefragt, wie viele Tagesmärsche es zum Luapula sind.

›Drei Tage bis zum Luapula‹, sagte er. ›Oje, oje.‹«

Danach, so Susi, schien er zu sich zu kommen und zu wissen, wo er war. Dann bat er Susi, ihm Wasser aufzukochen.

»Hat er gegessen, was ich für ihn gekocht habe?«, fragte ich. Erdnüsse und Körner, ganz weich gekocht und miteinander vermischt, damit er sie schlucken konnte, ohne zu kauen. Ich hatte mich so gefreut, als er um Essen bat.

Susi schüttelte den Kopf und erzählte weiter. Er war hinausgegangen zum Feuer und mit dem Kupferkessel voll Wasser zurückgekehrt. Der Bwana rief Susi nahe zu sich und bat um seinen Arzneikasten und eine Kerze. Er wählte eine Medizin aus, die Susi neben ihn legen sollte.

»Sein Magen muss verstimmt gewesen sein«, unterbrach Carus Farrar. »Ich habe das Fläschchen gesehen. Es ist ein Trank namens Kalomel. Es führt den Inhalt des Magens ab.«

»Wenn sein Magen verstimmt war«, sagte ich, »lag es jedenfalls nicht an meinem Essen. Ich habe es frisch gemacht mit den Erdnüssen, die wir gestern von Chitambos Frauen bekommen haben.

Susi fuhr fort. »Ich bin sicher, dass er dein Essen nicht angerührt hat, Halima. Es stand noch neben seinem Bett, als Bwana Daudi mich wieder fortgeschickt hat. Ich bin gegangen, Majwara blieb in der Hütte.«

Majwara erzählte weiter. Ein paar Stunden

Amoda weckte daraufhin Susi, Chuma, Carus Farrar und Chowpereh. Sie betraten die Hütte und schauten zum Bett. Bwana Daudi lag nicht darin, sondern kniete daneben, offenbar ins Gebet vertieft. Sie wollten sich instinktiv zurückziehen, doch Majwara deutete auf ihn und sagte: »Als ich mich schlafen gelegt habe, kniete er genau so wie jetzt, und weil er sich nicht bewegt, befürchte ich, dass er tot ist.«

Dann sagte Carus Farrar: »Die Kerze klebte in ihrem eigenen Wachs auf dem Arzneikasten und warf genügend Licht, um ihn zu sehen. Bwana Daudi lag nicht im Bett, sondern kniete daneben, den Körper vorgeneigt, den Kopf in den Händen auf dem Kopfkissen vergraben. Er rührte sich nicht. Ich ging zu ihm und legte ihm die Hände auf die eingefallenen Wangen. Der Bwana fühlte sich kalt und steif an. Ich drehte mich zu den anderen um und nickte. Ich sagte, was wir alle sofort gespürt hatten, als wir die Hütte betraten. Der Bwana ist nicht mehr.«

In dem auf Carus Farrars Bericht folgenden Schweigen stand Majwara auf und ging allein weg. Ich verließ die um das Feuer sitzenden Männer und folgte ihm zu einer nicht weit entfernten Felsgruppe. Er setzte sich. Ich setzte mich neben ihn und wartete, während er in

Wenn er nicht als kirangozi tätig war und die Trommel schlug, zu der wir marschierten, war Majwara der Diener des Bwana. Er ist kein Kind mehr, aber auch noch kein Mann; er ist der Einzige seines Alters unter den sechs Kindern und noch immer am zufriedensten, wenn er allein mit seiner Trommel ist. Für einen so jungen Menschen ist es eine große Verantwortung, einen erwachsenen Mann zu waschen und zu kleiden. Ach, herrje, ich habe schon wieder vergessen, dass der Bwana Daudi nicht mehr ist. Amoda hat oft zum Bwana gesagt, dass Majwara vielleicht noch zu jung für die Aufgabe war, doch Majwara, der es hörte, hatte darauf bestanden, dass es genau die Aufgabe war, die er sich wünschte.

Er war im Jahr zuvor zu uns gestoßen. Er gehörte zu einer Gruppe Sklaven, die zur Küste getrieben wurden. Wann immer sich uns so ein Anblick bot, geriet Bwana Daudi in große Bedrängnis. Er war betroffen von Majwaras Jugend, und Chuma erzählte später, dass auch er in diesem Alter – nur fünfzehn Ramadan, nicht mehr – gefangen genommen und dann von Bwana Daudi gerettet worden war.

So wie er es mit Chuma getan hatte, überredete Bwana Daudi auch Majwaras Häscher, dass er zu jung und krank war, um es bis zur Küste zu schaffen, und erklärte, dass er ihnen den Preis für einen erwachsenen

Da Bwana Daudi ihn gerettet und anschließend vom Malariafieber geheilt hatte, tat der Junge alles, worum der Bwana ihn bat. Er weigerte sich lediglich, seinen Namen zu ändern, obwohl ihm Bwana Daudi mehrere andere Namen vorschlug.

»Chuma ist James, und du sollst auch ein Apostel sein«, sagte er. »Du sollst mein Peter sein, und ich werde mich auf dich stützen, wie sich Jesus auf einen Felsen gestützt hat.«

Aber Majwara blieb bei seinem Namen. Im Andenken an seine Mutter, sagte er, die für ihn diesen Namen gewählt hatte. »Ich werde sie nie wiedersehen«, sagte er, »aber in meinem Namen ist sie bei mir.«

»Was für ein sentimentaler Junge«, sagte Bwana Daudi und klopfte ihm auf den Rücken. »Also gut, mein junger Fels, wir werden dich weiterhin Majwara nennen.«

Und jetzt saßen wir hier, auf diesem Felsen in Chitambos Dorf, und Bwana Daudi lag tot in seiner Hütte.

Majwara und ich schwiegen. Dann sagte Majwara: »Er hat um seine Arzneien gebeten. Ich habe sie ihm gegeben, und er hat genommen, was er gebraucht hat.

»Du hast getan, was du konntest, Kind«, sagte ich und tätschelte ihm den Kopf. Ich musste dafür den Arm heben, denn obwohl er viele Monde jünger ist als ich, überragt er mich wie der Schössling das Loch in der Erde.

»Er hat mir das Leben gerettet«, sagte der Junge schluchzend, »aber ich konnte seines nicht retten.«

Ich ließ ihn weinen, ohne etwas zu sagen. Nachdem sich sein Schmerz erschöpft hatte, sagte er: »Ich werde ihn nie wiedersehen.«

»Ja, so ist der Tod«, sagte ich. »Niemand von uns wird Bwana Daudi in diesem Leben wiedersehen.«

Gemeinsam kehrten wir ins Lager zurück. Mittlerweile war die Steifheit aus dem Körper des Bwana gewichen, und die Männer hatten ihn aufgebahrt. In kleinen Gruppen gingen sie in seine Hütte, um ihm Respekt zu zollen. Nachdem alle Männer bei ihm gewesen waren, führte ich die Frauen zu ihm.

Sie hatten ihn auf sein Bett aus Erde gelegt. Seine Arme waren an seiner Seite, seine Augen geschlossen. Sein Haar schimmerte grau und dünn auf seiner Kopfhaut. Es war seltsam, ihn ohne seinen Hut zu sehen, denn es war kein Tag vergangen, an dem er ihn nicht

Darauf stand das Gericht aus zerstoßenen Erdnüssen und gekochten Körnern, um das er erst am Vorabend gebeten und das er nicht gegessen hatte, und während ich es betrachtete, ging mir auf, dass er wirklich tot war. Und dann ging mir so richtig auf, dass mir sein Tod alles bedeutete.

[Tippo Tip] beschreibt ihn als ziemlich alten Mann und fügt hinzu, dass sein Name Livingstone war, doch dass er sich im Landesinneren David nannte. Livingstone scheint demnach um größerer Vertrautheit willen verpflichtet gewesen zu sein, sich von seinen Schwarzen schlicht mit seinem Taufnamen ansprechen zu lassen.

Heinrich Brode, Tippo Tib, the Story of His Career in Central Africa, Narrated From His Own Accounts.

Als mich Bwana Daudi vor vier Jahren für Amoda kaufte, erklärte mir Amoda, dass der Bwana ein gelehrter Mann war, ein fähigerer mganga als alle Medizinmänner des Sultans. Ich dachte, dass er sich über mich lustig machte, weil ich nicht so viel über die Welt weiß wie er. Doch in meiner Zeit bei Bwana Daudi habe ich gelernt, dass alles stimmte, was Amoda erzählt hat: Weil er in seinen großen Büchern in allen möglichen Sprachen las, kannte sich Bwana Daudi mit den Krankheiten aus, die Menschen oder Tiere befallen.

Er warf keine Knochen, um eine Diagnose zu stellen, er benutzte keine Hörner, Tierhäute oder Pflanzenpulver wie ein richtiger mganga, aber er hatte andere Dinge; Tinkturen und Salben, die, wie er sagte, von den mganga in seinem Land verschrieben wurden. Abgesehen von seinen vielen Salben, Pulvern und Tinkturen reiste Bwana Daudi mit mehreren Instrumenten, mit denen er die Höhe der Erde maß und die Sterne betrachtete. Seine Bestimmung der Sterne half uns oft unterwegs; viele Völker haben dieses Wissen, und mancherorts nehmen die Männer, die die Sterne bestimmen können, einen ehrwürdigen Rang ein. Und ständig schrieb er. Wenn ihm die Tinte ausging, bat er mich, frische dunkle Beeren zu stampfen, um ihren Saft zum Schreiben zu benutzen.

Ich brauchte eine Weile, um alles über diesen Bwana Daudi herauszufinden, weshalb ich Amoda nicht sofort glaubte. Denn es erschien mir höchst seltsam, dass ein Mann das Leben, das er in seinem eigenen Land führt, aufgibt, monatelang auf einem jahazi über das

Warum ein Mann sein Land, seine Frau und seine Kinder verlässt, um durch diese widerwärtigen Sümpfe zu stapfen und einen Fluss und Dinge zu erkunden, die ihn überhaupt nichts angehen, werde ich nie verstehen, aber Bwana Daudi, der arme Tropf, hatte keine Frau, und er nahm sich keine andere, nachdem seine erste Frau, Mama Robert, gestorben war, leider. Vielleicht hat ihm ihr Tod so zugesetzt, dass er seine Kinder verließ.

Und obwohl er oft genug versucht hat, mir zu erklären, warum er nach dem Anfang dieses Nils suchte, konnte ich es nie ganz begreifen. Ich sagte zu ihm: »Gehen Sie zurück zu Ihren Kindern, weil der Nil von Anbeginn der Zeit da ist und noch da sein wird, nachdem Sie und ich in der Erde liegen, und was werden Sie dann tun? Dem Nil ist es egal, ob Sie wissen, wo er anfängt. Er wird weiter fließen wie immer, ob Sie die Quelle finden oder nicht. Denken Sie an Mabrukis Bwana, Bwana Speke, glaube ich, hieß er, ja, Speke, dessen Grab Bwana Stanleys Mann Bombay besuchen will.

Hat sich selbst erschossen, nicht wahr, als er sein Gewehr gereinigt hat. Bombay hat mir alles erzählt, als er mit Bwana Stanley bei uns war. Eine unglaublich dumme Art zu sterben, wenn Sie mich fragen. Warum hat er sein Gewehr selbst geputzt, als hätte er keine

Und ich sagte zu ihm: »Am besten suchen Sie sich eine junge Frau, die Ihr Bett wärmt, und ja, Sie sind alt und Ihre Zähne sind schlecht, daran ist nicht zu rütteln, aber wie mein zweiter Herr, der Kadi, besitzen Sie viel Tuch und Gold und Perlen, und wie der Kadi könnten Sie sich eine hübsche Frau nehmen. Drei Frauen hatte er, der Kadi, alle so hübsch wie funkelnde Edelsteine, aber hat er Geld für sie ausgegeben? Knickerig war er, und was hat es ihm genützt? Mausetot, einfach so, hat alles hinterlassen, und jetzt streiten seine Söhne und Bastarde um jedes noch so kleine Ding.«

Lachend schickte er mich fort und sagte: »Komm jetzt, Halima, lass mich in Ruhe essen.«

Bwana Daudi mag es zufrieden gewesen sein, grundlos herumzuspazieren, aber wenn es nach mir gegangen wäre, wäre ich nach Sansibar zurückgekehrt und säße, weit weg von diesem Urwald und Schlamm, gemütlich in meinem eigenen Haus, hinter einer geschlossenen Tür, die alle für ein Wunderwerk halten würden. Ich habe oft zu ihm gesagt, dass ich nicht dafür geschaffen bin, durch Wildnis, Wälder und Sümpfe zu marschieren auf der Suche nach Flüssen, nein, wirklich nicht. Die ersten Jahre meines Lebens habe ich schließlich in einem der größten Paläste Sansibars verbracht, im Beit-El-Mtoni.

Bevor sie Sklavin des Liwali wurde, war meine

Die Frauen im Harem des Liwali behaupteten, dass meine Mutter Zafrene geschickte Finger hatte. Davon weiß ich nichts, und um die Wahrheit zu sagen, verabscheue ich nichts mehr als einen Dieb, wie dieser faule pagazi Chirango nur allzu gut weiß. Er hat geglaubt, er könnte Stoff von einem noch vollständigen Ballen und dazu noch Perlen stehlen, mir alles verkaufen und die Schuld auf mich schieben, aber ich habe ihm gezeigt, wie der Hase läuft.

Nach dem Tod des Liwali kam ich zum Kadi, der Richter im maālim war und in diesem Gericht diejenigen verurteilte, die sich nicht an die Worte des Propheten hielten, gesegnet sei Sein Name. Ich sage zwar, gesegnet sei der Name des Propheten, doch ich bin keine Mohammedanerin, aber wenn man unter Mohammedanern lebt, übernimmt man unwillkürlich ihre Gewohnheiten und Redensarten. Ich habe mich wirklich bemüht, mich damit anzufreunden; und vor dem

Die habgierigen Söhne des Kadi verkauften mich an den arabischen Kaufmann, der mich von Sansibar nach Tabora im Landesinneren zerrte. Was für ein Leben das war; ich musste in einem niedrigen Lehmhaus wohnen, und in ganz Tabora gab es nicht eine einzige Tür, die diese Bezeichnung verdiente, nichts, wovor man stehen bleiben konnte, um es andächtig zu betrachten.

Wenn ich gut zu ihm wäre, ihn verpflegte und umsorgte und köstlich für ihn kochte, sagte mein arabischer Kaufmann, würde er mich zu seiner Hauptfrau machen, seiner horme, und wenn ich ihn nicht gut behandelte, müsste er mich nach Sansibar schicken, auf den Sklavenmarkt. Allein schon der Gedanke. Ich mochte eine Leibeigene sein, aber nie bin ich auf dem Sklavenmarkt verkauft worden, wo jeder mich berühren, mich stupsen kann, als wäre ich eine gewöhnliche mjakazi-Sklavin.

Einen habgierigeren Mann hat es nie gegeben, habgieriger sogar als die legitimen und illegitimen Söhne des Kadis, und das hatte ich nicht für möglich gehalten, denn sie hätten ihre Frauen und Kinder auf dem Markt verkauft, wenn sie damit durchgekommen wären,

Während ich bei dem arabischen Kaufmann war, fiel ich Amoda ins Auge. Und Bwana Daudi hat mich für ihn gekauft. Mein Amoda hat zwei rechtmäßige Frauen auf Sansibar und zwei fast erwachsene Söhne und dazu noch drei kleine Mädchen, aber er hatte keine Frau für unterwegs, und bekanntermaßen verlangt es Männer unterwegs nach einer Frau. Der Bwana verhandelte hart, und der Araber wusste, dass er eine gute Geschichte erzählen konnte, wenn er seine bevorzugte Sklavin einem muzungu verkaufte. Den Arabern lag viel daran zu beweisen, dass die wazungu die Sklaverei nicht wirklich abschaffen wollten.

Tagein, tagaus piesackten die Weißen den Sultan mit Gesuchen, sagte mein arabischer Händler. Sie versprachen alles Mögliche, wenn der Sultan nur den Sklavenmarkt auf Sansibar schließen würde. Und wo sollen wir unsere Sklaven verkaufen, wenn der Markt schließt?, fragten mein Kaufmann und seine Freunde empört, während sie mein gutes Essen verschlangen. Sie haben genügend Sklaven, sagte mein Kaufmann, sie haben Schiffsladungen mit shenzi zu ihren Inseln in der Karibik

Und als mein Araber die Gelegenheit hatte, mich Bwana Daudi zu verkaufen, war es für ihn, als würde das Ende des Ramadans mit allen anderen Feiertagen zusammenfallen. Wenn er den anderen Arabern und allen, die es hören wollten, erzählen konnte, dass er seine bevorzugte Sklavin einem weißen Engländer verkauft hatte, umso besser. Er konnte behaupten, dass sie nicht so vollkommen waren, diese Engländer, wenn sie tagsüber vom Sultan forderten, den Sklavenmarkt zu schließen, und nachts selbst Sklaven kauften.

Ich verließ ihn nur zu gern, das muss ich sagen. Wie schon erwähnt, kaufte mich Bwana Daudi, um Amoda einen Gefallen zu tun, und mir gefiel er gut genug. Und nichts ist schöner, als in den Armen eines Mannes zu liegen, der sich auskennt. Aber wie grüne Limonen wirken Männer manchmal von außen überaus gut, doch wenn man sie aufschneidet, sieht die Sache anders aus. Bwana Daudi bezahlte mir auch einen eigenen Lohn, sobald er herausgefunden hatte, dass ich gut kochen kann. Nicht, dass ich ihm abgesehen von der Zeit, die wir in Manyuema verbrachten, etwas Anständiges gekocht hätte, weil wir einfach nicht genügend Vorräte hatten.

Und jetzt war er tot. Ich weiß nur wenig über die

Es fällt mir schwer, zu einem Schluss hinsichtlich ihres Charakters zu gelangen. Bisweilen begehen sie bemerkenswert gute Taten und bisweilen seltsamerweise das Gegenteil. Es war mir nicht möglich, das Motiv für das Gute zu bestimmen oder die Abgebrühtheit des Gewissens zu erklären, mit der sie das Böse tun. Nach langem Studium kam ich zu dem Schluss, dass sie eine genauso sonderbare Mischung von Gut und Böse sind wie die Menschen überall sonst auf der Welt.

David Livingstone, Missionary Travels and Researches in South Africa

Dass etwas so Beklagenswertes geschehen würde, habe ich befürchtet, seit die Manyuema-Frauen in Nyangwe vor unseren Augen massakriert wurden. Es war in der Mitte des Monats, den Bwana Daudi Juli nannte, nur vier Monate bevor Bwana Stanley in Ujiji zu uns stieß. Bwana Daudi war vor Kummer zusammengebrochen. Es dauerte über eine Woche, bis er sich wieder erholt hatte.

Außerdem hatte er eine Krankheit, die ihm Durchfall verursachte, wann immer er etwas aß. Und zudem fielen ihm die Zähne aus dem Mund. Aufgrund der fehlenden Zähne und des Durchfalls wurde er zunehmend mager und skelettartig.

Da konnte er nur noch die Buschküchlein essen, die er so mochte. Sie sind ganz leicht zu machen: Mehl und Wasser, gebraten in salziger Butter, die ich aus sauer gewordener Milch herstelle. Diese Küchlein waren das Einzige, das seine schlechten Zähne verkrafteten, und dazu ein bisschen ugali, nicht auf die übliche Weise gekocht, das Maismehl und Wasser verrührt, bis es dick wird, sondern ganz weich gekocht, dass es fast ein Brei ist, mit dem man einen abgestillten Säugling füttern könnte.

Doch ernster als die Gebrechen seines Körpers war die Wunde, die sein Herz erlitten hatte. Nach dem