Jozua Douglas

Das gemeine Ravioli-Komplott oder Wie wir die Tomate platzen ließen

Aus dem Niederländischen
von Eva Schweikart

Mit Bildern von Jörg Mühle

FISCHER E-Books

Inhalt

Über Jozua Douglas und Jörg Mühle

Jozua Douglas, Jahrgang 1977, war einige Jahre als Geheimagent für die Niederlande in Costa Banana tätig. Weil ihm mit einer Drohne ein dummer Fehler unterlief, wurde er enttarnt und musste Hals über Kopf fliehen. Derzeit fristet er ein ödes Dasein als Kinderbuchautor. Er hat bereits eine ganze Anzahl Bücher geschrieben, die zum Teil in andere Sprachen übersetzt wurden. In Costa Banana sind seine Bücher allerdings verboten.

 

Jörg Mühle, geboren 1973 in Frankfurt am Main, studierte an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach am Main und an der École Nationale Supérieure des Arts Décoratifs in Paris. Er arbeitet als Illustrator und Autor von Kinderbüchern in der Frankfurter Ateliergemeinschaft »labor« und wurde für seine Werke mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis.

 

Weitere Informationen zum Kinder- und Jugendbuchprogramm der S. Fischer Verlage finden sich auf www.fischerverlage.de

Impressum

Alle Bücher von Jozua Douglas bei FISCHER:

Die große Schaschlik-Verschwörung oder Wie wir die Welt mit einer Banane retteten

Das gemeine Ravioli-Komplott oder Wie wir die Tomate platzen ließen

 

 

Die Übersetzung dieses Textes wurde von der niederländischen Stiftung für Literatur gefördert.

 

Erschienen bei FISCHER E-Books

 

Die niederländische Originalausgabe erschien 2016 unter dem Titel ›De ongelooflijke Ravi Ravioli‹ bei Uitgeverij De Fontein, Utrecht, Niederlande

© 2016 Jozua Douglas

First published by Uitgeverij De Fontein, The Netherlands, 2016

 

Für die deutschsprachige Ausgabe:

© 2019 S. Fischer Verlag GmbH, Hedderichstr. 114, D-60596 Frankfurt am Main

Covergestaltung: Norbert Blommel, MT-Vreden, unter Verwendung einer Illustration von Jörg Mühle

 

Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt.

ISBN 978-3-7336-5133-6

Costa Banana

Costa Banana ist ein kleines tropisches Land in Zentralamerika. Das Klima ist heiß, und es regnet oft. Im nördlichen Teil des Landes wächst undurchdringlicher Urwald, im Süden hingegen beherrschen sonnige Palmenstrände und ausgedehnte Bananenplantagen das Bild.

– Anzahl Einwohner: 6250543

– Landessprache: Spanisch

– Hauptstadt: San Fernando

– Währung: Costa-Banana-Dollar

– Nationalfeiertag: 7. Juli, Florabella-Tag

Pablo Fernando ist der Präsident von Costa Banana. Er hat dort ganz allein das Sagen und denkt sich die verrücktesten Gesetze aus. Zum Beispiel, dass alle Kinder Pablo heißen, dass alle Untertanen freitags Bananensuppe essen und dass sämtliche Einwohner des Landes seine Posts auf Facebook liken müssen. Präsident Fernando ist so reich, dass sogar seine Mülltonnen aus purem Gold sind.

 

Florabella ist Pablo Fernandos Ehefrau. Sie ist die schönste Frau von Costa Banana, findet sich selbst aber abgrundtiefhässlich. Der Präsident liebt sie von ganzem Herzen und denkt sich ständig neue Kosenamen für sie aus (zum Beispiel: Pudelchen, Uckipucki und Hühnerfürzchen). Trotzdem glaubt sie, dass er heimlich mit anderen Frauen turtelt.

 

Fico und Rosa

Fico und Rosa sind die Kinder des Präsidentenpaars und heißen als einzige Kinder von ganz Costa Banana nicht Pablo. Weil ihre Mutter es nicht wollte.

 

Fico ist der Liebling seines Vaters. Er soll ihm als Präsident nachfolgen und darf sich schon jetzt Gesetze ausdenken. Seine Hobbys sind Fußball und Fernsehen.

 

möchte ebenfalls Präsidentin werden, aber ihr Vater findet, Mädchen eigneten sich nicht dafür. Sie solle lieber einen General oder den Chef des Super Geheimen Dienstes (SGD) heiraten, sagt er. Was Rosa für Blödsinn hält, weil sie der Meinung ist, Mädchen könnten sich ebenso gut Gesetze ausdenken wie Jungen. Rosa interessiert sich sehr für Spionage. Wenn sie nicht Präsidentin werden kann, dann will sie als Spionin Karriere machen.

 

Herr Gabriel

Herr Gabriel ist der Privatlehrer von Rosa und Fico und bringt ihnen alles bei, was sie als Präsidentenkinder wissen müssen. Er trägt adrette Anzüge und Krawatten, dazu jedoch Sandalen mit Socken. In Sachen Spionage ist er sehr bewandert, und Rosa verehrt ihn geradezu.

Hundert Prozent

Es war Freitagabend. Der Präsident saß mit seiner Frau und Rosa im Salon vor dem Fernseher. Den ganzen Tag schon war er gespannt. Und nun war es endlich so weit: Das Ergebnis der Wahl würde bekanntgegeben.

Präsident Fernando rieb sich die Hände und sagte: »Gleich werden wir erfahren, wer gewonnen hat.«

Eine Präsidentenwahl hatte es in Costa Banana bisher noch nie gegeben. Pablo Fernando hatte viele Jahre geherrscht, ohne dass jemand seine Macht in Frage gestellt hätte. So wie vor ihm sein Vater Victor Fernando und sein Großvater Pedro Fernando.

Doch damit war es nun vorbei. Zum allerersten Mal hatte eine Wahl stattgefunden, bei der das Volk selbst bestimmte, von wem es regiert werden wollte.

Außer Pablo Fernando waren noch vier weitere Kandidaten aufgestellt gewesen – Kandidaten, die er höchstpersönlich ausgesucht hatte. Es handelte sich um:

 Armando stotterte. Und zwar so sehr, dass er keinen normalen Satz sagen konnte. Manchmal brauchte er ganze fünf Minuten, um die Worte »Ich weiß es nicht« auszusprechen. Kein Mensch brachte die Geduld auf, ihm zuzuhören. Darum ging der Präsident davon aus, dass Armando so gut wie keine Stimmen bekommen würde.

 

Juan Loco Juan hatte einen massiven Dachschaden. Er bildete sich ein, er sei Napoleon. Wenn er in Fernsehsendungen vor der Wahl zu sehen war, rief er jedes Mal: »Ich bin Napoleon und schicke herzliche Grüße an meine Mutter.« Damit war er ein geeigneter Kandidat für Pablo Fernandos Zwecke, denn wer will schon einen Präsidenten, der im Fernsehen seine Mutter grüßt?

 

Rocco Flores Rocco schielte ganz fürchterlich mit dem linken Auge. Aus diesem Grund war das linke Glas seiner Brille mit Pflaster zugeklebt, was ziemlich bekloppt aussah. Außerdem hatte er eine mathematische Hochbegabung, die so ausgeprägt war, dass er nur in Gleichungen redete. Sagte man »guten Morgen« zu ihm, dann antwortete er mit:

 

Javier Suárez Javier hatte eine Glatze. Und dass Männer mit Glatze Verbrecher sind, ist allgemein bekannt. Also wird niemand ihn wählen, dachte Pablo Fernando, und genau das machte Javier zu einem idealen Kandidaten.

Präsident Fernando konnte also davon ausgehen, dass er die Wahl gewinnen würde. Nicht zuletzt, weil er brillant und genial war und lauter gute Eigenschaften hatte. Zumindest sah er selbst das so.

Zur Feier des Tages hatte er seine schönste Uniform angezogen und sämtliche Orden an die Brust geheftet. Leicht vorgebeugt saß er auf dem Sofa und starrte auf den Bildschirm.

Die Gesichter der fünf Kandidaten wurden eingeblendet.

»Als Erstes verkünde ich das Ergebnis für Armando da Costa«, sagte der Moderator. Er drückte auf einen Knopf, und unter Armandos Porträt erschien ein roter Balken mit der Zahl Null. »Null Prozent aller Stimmen!«

»Fängt gut an!« Der Präsident warf Rosa einen triumphierenden Blick zu.

Pablo Fernando gluckste vor Vergnügen.

»Jetzt zu Rocco Flores.« Der Moderator drückte erneut auf den Knopf.

Auch Rocco Flores hatte null Prozent.

»Loser!«, rief der Präsident.

»Und nun Javier Suárez.« Knopfdruck und … »Ebenfalls null Prozent.«

Pablo Fernando war auf dem Sofa nach ganz vorn gerutscht. »Ich gewinne«, sagte er. »Das habe ich im Gefühl.«

»Und zum Schluss unser Großer Superintelligenter Allertollster Führer: Pablo Fernando!« Unter dem Bild des Präsidenten leuchtete ein grüner Balken mit der Zahl Hundert auf. »Hundert Prozent! Pablo Fernando ist der unbestrittene Sieger dieser Wahl! Herzlichen Glückwunsch, Großer Starker Präsident!«

Der Präsident sprang auf. »Hab ich’s doch gewusst!«, rief er und klatschte begeistert in die Hände. »Hundert Prozent! Das heißt alle, aber auch wirklich alle Bewohner von Costa Banana haben MIR ihre Stimme gegeben! Die Torte! Wo bleibt die Torte?«

Sogleich traten zwei Diener mit einer goldenen Platte

»Auf den Tisch damit!«, befahl Pablo Fernando.

Er griff nach dem goldenen Schwert, das neben dem offenen Kamin an der Wand hing, und zerteilte damit die Torte. »Nimm du das erste Stück, Mauseschwänzchen«, sagte er zu seiner Frau.

»Nein danke.« Florabella schüttelte den Kopf. Sie war wieder einmal auf Diät, weil sie sich einbildete, zu dick zu sein. Dabei gab es an ihrer Figur absolut nichts auszusetzen. Trotzdem probierte sie immer wieder neue Diäten aus. Zum Beispiel:

Die Möhrendiät

Dabei hatte sie ausschließlich Möhren gegessen, bis der Arzt es ihr nach zwei Wochen verbot, weil ihre Haut sich orange verfärbt hatte.

 

Die Schlaftablettendiät

Dabei nahm sie jeden Tag mehrere Schlaftabletten, um möglichst viel zu schlafen. Denn wer schläft, der isst nicht und nimmt demzufolge ab.

 

Dabei ernährte sie sich von nichts anderem als in Gelatine getauchten Wattebäuschen. Watte füllt bekanntlich den Magen, deswegen hatte sie nie Hunger.

 

Die Blaue-Brillengläser-Diät

Dabei setzte sie zum Essen eine Brille mit blauen Gläsern auf. Durch sie betrachtet, sah das Essen so wenig appetitlich aus, dass sie es lieber stehenließ.

 

Die Bandwurmdiät

Dabei verschluckte sie einen Bandwurm. Dieser konsumierte alle Nahrung, die sie aufnahm, so dass sie selbst kein Fett ansetzte.

 

Die Kakerlakendiät

Dabei aß sie morgens eine Handvoll Kakerlaken, die so widerlich schmeckten, dass ihr der Appetit auf alles andere verging.

Aber so viele Diäten Florabella auch machte und so viel sie abnahm, sie fühlte sich trotzdem ständig zu dick. Und beneidete alle, die dünner waren als sie. Nicht nur Frauen, sondern auch ausgemergelte Hunde und Ameisen. Ebenso Laternenpfähle, Bindfäden, Kugelschreiber und so weiter.

Aber Florabella ließ sich nicht erweichen. Sie kniff die Lippen fest zusammen, als hätte sie Angst, ihr könnte ein Stück Torte in den Mund fliegen.

»Hundert Prozent!«, rief der Präsident begeistert. »Was für eine Leistung!«

»Auf die Art kann jeder gewinnen«, bemerkte Rosa. »Die anderen Kandidaten waren völlig ungeeignet.«

»Ist doch egal«, sagte ihr Vater. »Man muss den Leuten nun mal ein bisschen auf die Sprünge helfen, damit sie für den Richtigen stimmen. Ich bin brillant und genial, also ist es gut, dass ich Präsident bleibe.«

»Brillant und genial?« Rosa kicherte. »Manche deiner Gesetze finde ich nicht gerade brillant und genial.«

»Ich mache NUR brillante und geniale Gesetze«, wies der Präsident sie zurecht. »Hin und wieder auch originelle. Es gibt wahrlich nicht viele Präsidenten, die das von sich behaupten können.«

Das stimmte sogar: Einige von Pablo Fernandos Gesetzen waren an Originalität – wenn man es denn so nennen wollte – nicht zu überbieten.

 

Das Papageiengesetz

Alle Papageien in Costa Banana müssen »Fernando« sagen können. Wer einen Papagei besitzt, der das nicht kann, wird (samt Papagei) auf eine unbewohnte Insel verbannt.

 

Das Uhrengesetz

Auf den Zifferblättern aller Uhren muss Präsident Fernandos Porträt zu sehen sein, damit die Bewohner von Costa Banana bei jedem Blick auf die Uhr daran erinnert werden, wer in ihrem Land das Sagen hat.

 

Das Kuschelpuppengesetz

Jedes Baby muss eine Pablo-Fernando-Kuschelpuppe besitzen. Eltern, die ihrem Kind eine solche Puppe vorenthalten, werden (samt Baby) auf eine unbewohnte Insel verbannt.

 

Das Zeitrechnungsgesetz

Die Zeitrechnung von Costa Banana beginnt mit dem Geburtsjahr des großen Präsidenten Pablo Fernando. Weil er jetzt 39 Jahre alt ist, schreiben wir derzeit das Jahr 39 nach Pablo Fernandos Geburt.

 

In den Bibliotheken des Landes dürfen nur Bücher stehen, die der Präsident selbst verfasst hat. Alle anderen Bücher werden per Schiff auf eine unbewohnte Insel verfrachtet.

 

Das Vogelgesetz

Alle Vögel müssen Windelhöschen tragen, damit sie den Leuten nicht auf den Kopf kacken. Vögel, die dieses Gesetz übertreten, werden auf eine unbewohnte Insel verbannt.

Der Präsident legte ein Stück Torte auf seinen Teller. »Alles, was ich mir ausdenke, ist brillant und genial, merk dir das«, sagte er zu Rosa.

»Warte ab, bis ich Präsidentin bin«, meinte sie.

Ihr Vater grinste nur.

Vor nicht allzu langer Zeit war Pablo Fernando auf seine Tochter noch sehr stolz gewesen. Rosa hatte nämlich, mit Unterstützung ihres Lehrers und ihres Bruders Fico, den Kriegsplan eines machtversessenen Generals vereitelt und damit die Welt gerettet. »Wie ist es nur möglich«, hatte der Präsident gesagt, »meine Tochter hat die Welt gerettet!«

 

Erste Woche: »Rosa und Fico haben die Welt gerettet. Was habe ich doch für brillante Kinder! Besonders Rosa. Wenn ich ehrlich bin, dann ist die Rettung der Welt vor allem ihr zu verdanken. Sie ist eine Heldin.«

 

Zweite Woche: »Rosa und Fico haben die Welt gerettet. Was habe ich doch für brillante Kinder! Die beiden haben das zusammen gemacht – einfach großartig!«

 

Dritte Woche: »Rosa und Fico habe die Welt gerettet. Was habe ich doch für brillante Kinder! Besonders Fico. Wenn ich ehrlich bin, dann ist die Rettung der Welt vor allem ihm zu verdanken. Er ist ein Held.«

 

Vierte Woche: »Fico hat die Welt gerettet. Was habe ich doch für einen brillanten Sohn! Er ist ein Superheld!«

Und dann war alles wieder wie gehabt: Präsident Fernando zog Fico bei jeder Gelegenheit vor, und Rosa hatte das Nachsehen.

Fico durfte sich Gesetze ausdenken.

Fico durfte an geheimen Besprechungen teilnehmen.

Fico durfte mit, als Pablo Fernando dem russischen Präsidenten einen Besuch abstattete.

Fico durfte Schiffe taufen, Gebäude einweihen und Freizeitparks eröffnen.

Fico war auf dem 100-Costa-Banana-Dollarschein abgebildet.

Und auf einer Briefmarke.

Fico, Fico, Fico – für den Präsidenten zählte nur sein Sohn.

»Abwarten«, sagte Rosa zu ihrem Vater. »Wenn ich erwachsen bin und mich als Präsidentin aufstellen lasse, wählen die Leute alle mich.«

»Soso«, sagte Pablo Fernando. »Und warum sollten sie das tun?«

»Weil ich Gesetze mache, die den Leuten gut …«

Bevor Rosa ihren Satz zu Ende bringen konnte, schwang die Tür auf, und zwei Diener trugen eine Sänfte herein.

Der Schlangenkuss

Der Vorhang der Sänfte wurde zurückgeschlagen, und Fico streckte den Kopf heraus. Seit er die Sänfte zum Geburtstag bekommen hatte, ging er kaum noch zu Fuß.

 

Der Präsident hatte seinem Sohn aber nicht nur die Sänfte geschenkt, sondern noch jede Menge andere Wünsche erfüllt.

 

So sah Ficos Wunschzettel aus:

Alles hatte Fico bekommen, sogar den Fußballclub. Seit einigen Wochen war er stolzer Besitzer des FC Banana. Er hatte die Spieler selbst ausgewählt, Trikots für sie

Fico stieg aus der Sänfte und sagte: »Schalt um, Papa. Ich will Costa Banana 2 sehen.«

»Ich habe soeben die Wahl gewonnen!« Pablo Fernando warf sich in die Brust.

»Glückwunsch«, sagte Fico. »Aber jetzt will ich fernsehen.«

»Was läuft denn auf Costa Banana 2? Ein Spiel deines Clubs?«

»Nein, der unglaubliche Ravi Ravioli.«

»Ravi Ravioli?«

Fico starrte seinen Vater an. »Sag bloß, den kennst du nicht?«

Der Präsident schüttelte den Kopf.

»Ravi ist supercool«, sagte Fico und griff selbst nach der Fernbedienung. »Er hat eine Show, in der er Leute hypernotiert.«

»Hypernotiert?«, wiederholte Präsident Fernando.

»Genau. Damit sie irgendwelche Sachen machen, die er ihnen aufträgt. Er schaut sie an, und zwar ganz … ganz … wie sagt man gleich?«

»Eindringlich«, half Rosa. »Er schaut sie ganz eindringlich an. Und außerdem heißt es hypnotisieren, nicht hypernotieren.«

Fico verzog keine Miene. »Er schaut sie also ganz

»Alles?«, staunte der Präsident.

»Alles«, bestätigte Fico. »Auch total verrückte Sachen. Ravi sagt zum Beispiel zu jemandem, er wäre eine Schnecke. Und dann kriecht derjenige auf dem Bauch herum. Voll cool ist das!«

»Tatsächlich … eine Schnecke?«, fragte sein Vater.

»Ja, oder eine Muschel. Letzte Woche hat er zu einer Frau gesagt, sie wäre eine Muschel.«

Der Präsident war fasziniert.

»Es ist Zauberei, was er mit den Leuten macht«, sagte Fico. »Und auch mit Tieren. Ravi Ravioli kann Schlangen hypernotieren und Meerschweinchen schweben lassen. Und angeblich sogar die Zukunft vorhersagen.«

»Schalt um!«, rief der Präsident.

Fico tat es.

Die wöchentliche Hypnoseshow hatte bereits angefangen.

Ravi Ravioli stand auf einer großen Bühne, ihm gegenüber ein Mann mit schütterem grauem Haar und einem karierten Sakko, das ihm zu groß war.

Ravi legte dem Mann die Hand auf die Schulter und sah ihn eindringlich an. »Sie fallen in einen tiefen Schlaf«, sagte er. »Ihre Augenlider werden schwer. Ebenso Ihre

Der Mann stand noch immer aufrecht da, sein Kopf aber hing herab. Und die Augen waren geschlossen. Als würde er im Stehen schlafen.

Ravi sprach weiter: »Ich schnipse jetzt mit den Fingern, und in diesem Moment werden Sie ein Seehund und robben auf dem Bauch durch den Sand. Sie bleiben so lange ein Seehund, bis ich erneut schnipse.« Und Ravi schnipste mit seinen langen Fingern.

Der Mann ging erst in die Knie und legte sich dann flach auf den Boden, die Arme eng am Körper. Dann begann er, über die Bühne zu robben, wobei seine Krawatte verrutschte und neben ihm herschleifte. Er stieß heisere Laute aus.

Ein verstörender Anblick, es sei denn, man wusste, dass es sich um einen hypnotisierten Mann handelte und nicht um einen entsprungenen Irren.

Ravi trat zu ihm und schnipste mit den Fingern.

Der Mann hob den Kopf und blickte verdattert um sich. Keine Frage – er ahnte nicht, warum er auf dem Bauch lag.

Die Zuschauer lachten und applaudierten.

Der Mann sprang auf und lief auf die Frau in der ersten Reihe zu.

»Da bist du ja, meine Liebste!«, sagte er, küsste sie auf den Mund und setzte sich dann auf ihren Schoß.

Lautes Gelächter und donnernder Applaus.

»Wenn ich noch einmal schnipse, sind Sie wieder ganz der Alte und haben vergessen, was gerade passiert ist«, sagte Ravi.

Die Frau machte eine bedauernde Miene.