Nr. 5
Strafkolonie der Ksuni
Auf der Suche nach der SOL – gefangen in einer uralten Raumstation
Olaf Brill
Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt
Cover
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
Prolog: In der Arena
1. Susmalsystem
2. Der Planet Ksun
3. In der Verbotenen Zone
4. Im Kolonnen-Fort
5. In der Arena
6. Durch das Kolonnen-Fort
7. Neue Verbündete
8. Das Versteck im Chaos
9. Der terminale Kampf
10. Der Codegeber
11. Jagd auf den Verräter
12. Der Raumtransporter
13. Der Flammenring
14. Nachricht von der SOL
15. Der Weg zurück
16. Das Chaosschiff
17. Ein Kuss und ein Abschied
Impressum
PERRY RHODAN – die Serie
Das Jahr 1552 Neuer Galaktischer Zeitrechnung: Seit über 3000 Jahren reisen die Menschen zu den Sternen. Sie haben unzählige Planeten besiedelt und sind faszinierenden Fremdvölkern begegnet. Terranische Raumschiffe erforschen das Universum, manche davon werden zu berühmten Legenden – dazu gehört insbesondere die gigantische, hantelförmige SOL.
Perry Rhodan hat die Menschheit von Beginn an bei ihren Vorstößen ins All geleitet. Als er in der Milchstraße eine kosmische Katastrophe abwenden will, wird er unfreiwillig in die ferne Galaxis Tare-Scharm versetzt.
Dort findet er die Nachkommen der SOL-Besatzung. Sie sind auf dem Riesenplaneten Evolux gefangen. Rhodan kann mit einer SOL-Zelle und einigen Verbündeten ins All aufbrechen.
Er sucht den Mittelteil der SOL, auf dem noch immer sein Sohn Roi Danton leben könnte. Die Spur ist jedoch über 150 Jahre alt und führt an einen düsteren Ort, wo das brutale Unrecht des Stärkeren regiert – die STRAFKOLONIE DER KSUNI ...
Perry Rhodan – Der Terraner unterliegt einem blauen Riesen.
Mahlia Meyun – Die Heilerin führt ihre Gefährten in den Kampf.
Curcaryen Varantir – Der Algorrian enthüllt ein uraltes Geheimnis.
Pes Kasrabor – Der Rebellenführer ist Verbündeter oder gefährlicher Gegner.
Masling Dryw – Der Verräter wird gejagt.
Prolog
In der Arena
Der blauhäutige Riese traf Perry Rhodan mit voller Wucht.
Rhodan blieb die Luft weg. Schmerz explodierte in seiner Brust. Schweißtropfen flogen von seiner Stirn. Einige formten sich zu Wirbeln, die in sonderbaren Bahnen in den Raum drifteten.
Rhodan erlebte all das wie in Zeitlupe. Ein absurdes Ballett im Augenblick der Niederlage.
Er schmeckte Blut. Bestimmt waren eine oder zwei Rippen gebrochen. Keine Kleinigkeit, die der Zellaktivator mal eben so wegheilte.
Wie unter einem Schleier sah er den Riesen und sein fischartiges Gesicht. Verschwommen, weit weg, und dennoch groß. Ein muskelbepackter, stahlharter Klotz mit einem Kampfgewicht von hundert Kilo, der niemals müde wurde.
Der Ksuni richtete sich auf, geriet ins Taumeln. Die verrückte Schwerkraft riss ihn von den Füßen und schleuderte ihn hoch an die gegenüberliegende Wand. Doch er ließ dem Terraner keine Zeit zum Gegenschlag. Schon setzte er erneut zum Sprung an.
Wenn Rhodan Glück hatte, würde er sich gerade noch wegdrehen können, um nicht erneut frontal getroffen zu werden. Glück? Irgendwann wird dein Glück verbraucht sein!
Die Zeit war zu einem zähen Brei geworden, alle Bewegungen und Töne unendlich langsam. Das Johlen und die Schreie des aufgeputschten Mobs waren nur noch ein ferner Gesang, der Rhodan an Jahrmarkttrubel erinnerte.
Dabei sehnte er sich nach nichts anderem als dem hellen Klang eines Gongs, der signalisierte: Gerade noch gerettet! Wieder mal dem Tod von der Schippe gesprungen! Der große Rhodan hat es wieder mal geschafft! Aber es gab keinen Gong, keine Rettung, nur viel zu viel Zeit bis zum Ende des Kampfs.
Der Gegner war größer und kräftiger als Rhodan. Der Widersacher hatte womöglich schon hundert dieser Kämpfe bestanden und scherte sich nicht um die ständig wechselnden Schwerkraftvektoren. Doch es war nicht die Erfahrung, die ihn überlegen machte. Rhodan hatte sich solchen Kämpfen schon gestellt, als die Vorfahren der Ksuni noch Schilfboote gebaut hatten. Es war vielmehr die einfache Strategie, der sein Gegner folgte: Stürz dich mit purer Gewalt auf den anderen, und wenn du ihn nur einmal richtig erwischst, bist du der Sieger!
Mit einem wilden Schrei schoss der Ksuni auf Perry Rhodan zu und packte ihn.
1.
Susmalsystem
In der Zentrale der SOL-Zelle 2 roch es, als hätte sich gerade ein Yak geschüttelt, der aus dem Regen kam.
Die Stellvertretende Kommandantin Mahlia Meyun tat, als wäre das ganz normal. Nur nicht die Nase rümpfen!
Der Schiffskommandant Perry Rhodan und die anderen Menschen an den Schaltpulten gingen geflissentlich ihren Routineaufgaben nach. Es herrschte professionelle Betriebsamkeit. Dabei war die Stimmung durchaus verkrampft, seit der Algorrian hereingekommen war.
Der Potenzial-Architekt Curcaryen Varantir, von dem der Gestank ausging, gab sich gleichermaßen ungerührt. Er blickte majestätisch-herablassend aufs Zentralholo, in dem soeben das Zielsystem sichtbar wurde.
Die Borduhren zeigten den 29. September 1552 Neuer Galaktischer Zeitrechnung. Das Abenteuer auf Skamant-Efthon lag etwa drei Wochen zurück. In dieser Zeit war die SZ-2 mit größtmöglicher Geschwindigkeit Masling Dryws Raumboot hinterhergejagt. Im Hypertakt-Modus hatte sie die halbe Galaxis Tare-Scharm durchflogen.
Varantir, der zentaurenähnliche Algorrian, tippte ununterbrochen mit dem rechten Vorderhuf auf den metallenen Boden aus Ynkelonium-Terkonit-Verbundstahl.
»Dort finden wir den Verräter!«, knurrte er und rotzte verächtlich auf den Boden.
Ein handtellergroßer Reinigungsroboter schwirrte herbei und saugte die Flüssigkeit auf.
Varantirs Nüstern bebten, die Gesichtstentakel hoben sich zu einem bedrohlichen Tanz. »Masling Dryw, du unwürdiger Wurm! Bald bekommst du, was du verdienst!«
Das Haupthologramm zeigte eine stilisierte Darstellung der Planeten und ihrer Umlaufbahnen. Die Raumfahrer hatten das System bereits während des Hypertakt-Flugs per Fernortung studiert. Doch es war etwas ganz anderes, nun tatsächlich dort anzukommen.
Mahlia war stolz auf ihre Besatzung, die aus dem Tal der Gestrandeten entkommen war und sich einer neuen Aufgabe verschrieben hatte. Sie waren auf der Suche nach der SOL, dem legendären Raumschiff ihrer Ahnen – genauer gesagt, nach deren zylinderförmigem Mittelteil, der in der Galaxis Tare-Scharm verschollen war.
Um den Algorrian indes machte sie sich Sorgen. Seit er seine Partnerin Le Anyante verloren hatte, erfüllte ihn unbändiger Hass auf seinen ehemaligen Assistenten. Zwar hatten auch die Menschen Grund, Dryw zu verabscheuen. Er war für das Exil von Mahlias Volk auf Evolux verantwortlich, er hatte die Vorfahren der Gestrandeten dazu verleitet, ihre Kinder im Stich zu lassen. Doch Varantirs Hass auf Dryw war mörderisch und gefährlich.
Soeben beendete die SOL-Zelle 2 die letzte Hypertakt-Etappe. Das Holo schaltete von der stilisierten Darstellung zur tatsächlichen Abbildung der »Sicht nach vorn«.
Gleichzeitig streckten normaloptische Erfassung und Hypertaster ihre Fühler ins Innere des Systems aus. Das Holo zoomte Planeten, Monde und Raumstationen heran und versah sie mit den Messdaten der Ortungssensoren.
»Restfahrt: ein Viertel Lichtgeschwindigkeit«, meldete Rytanaia vom Pilotenpult mit rauer Stimme.
Rhodan nickte. »Raumflugverkehr?«
»Es gibt zahlreiche Patrouillenschiffe«, kam es von Pravo Ylapp, dem ehemaligen Mönch und Bescheidenen Diener Senns, der gemeinsam mit Elpin Vonnedal die Station Funk und Ortung besetzte. »Sogar bewaffnet. Sie sind der Technik der SOL jedoch weit unterlegen.« Ylapp grinste. »Keine Gefahr für uns!«
Der Kommandant hatte all das selbstverständlich bereits vom eigenen Holo abgelesen.
Mahlia wusste es zu schätzen, dass Rhodan ihren Leuten Gelegenheit gab, die Handhabung des Raumschiffs zu üben. Sie mussten wissen, wie es sich anfühlte, die SZ-2 zu fliegen – nicht bloß, was sie in der Hypnoschulung gelernt hatten. Es würde ihnen Erfahrung und Selbstvertrauen geben.
Sie näherten sich den Planeten des Susmalsystems von leicht oberhalb der Ekliptik: im Außenbereich Gasriesen mit Ringen und einer Vielzahl kleiner Monde, im Innern drei kleinere und eine größere Welt. Überall im System gab es Raumstationen und Cluster von Sonden, auch Forschungsstationen auf einigen Gesteinsplaneten und Monden. Die SOL-Positronik analysierte die Sprache der aufgefangenen Funksendungen.
»Denen dürfte unsere Ankunft nicht entgangen sein«, murmelte Rhodan. »Raumfahrt erst seit zwei oder drei Jahrhunderten, schätze ich. Das System ist nicht mal annähernd erschlossen. Keinerlei Auffälligkeiten in den Außenbezirken.«
Die Gesichtstentakel des Algorrian zuckten. Wahrscheinlich amüsierte er sich über die primitive Ortertechnik der Terraner.
»Schlussfolgerung ...« Rhodan lehnte sich zurück. »Die Bewohner des Systems betreiben lediglich interplanetare Raumfahrt und sind nie über die Grenzen ihres Systems hinausgekommen. Wir sollten herausfinden, warum im System so viele bewaffnete Einheiten patrouillieren. Die können uns zwar nicht gefährlich werden, aber stören. Am meisten ist hier los.« Er machte eine Handbewegung, und das Zentralholo vergrößerte einen der inneren Planeten. Um ihn herum leuchteten Daten auf, die sich ständig aktualisierten. Eine Wolke aus Satelliten und die eine oder andere Raumstation wurden optisch hervorgehoben. Leistungsdaten der künstlichen Himmelskörper erschienen. »Der vierte Planet. Der einzige, der in der Lebenszone liegt.«
»Das ist Ksun«, verkündete Varantir, rempelte Mahlia grob zur Seite und schob sich an Rhodans Kommandosessel heran. Mit dem oberen Armpaar gab er in dessen Positronikpult irgendwelche Werte ein.
Mahlia schnappte empört nach Luft, doch Rhodan ließ den Algorrian gewähren.
»Die Ksuni sind die einzige intelligente Lebensform im System und denken schon, dass sie es vollkommen beherrschen.« Varantir sagte es voller Hohn.
Die blau-grüne Welt im Außenbeobachtungsholo wurde noch größer, drehte sich kurz in die eine, dann die andere Richtung, ein Kontinent zoomte heran. In einer atemberaubenden Fahrt erfasste die Optik grobe grüne und braune Formen, die allmählich zu Landschaften wurden: Bergen, Feldern, Wäldern, durchzogen von Flussadern; dann künstliche Strukturen: Städte und Raumhäfen. Am Ende erblickten sie einen ausgedehnten Gebäudekomplex, der von Gärten und einem großen Raumlandefeld umgeben war.
»Die Hauptstadt. Der Residenzpark. Dort werden wir landen!«
Mahlia, die den optischen Flug über den neuen Planeten fasziniert verfolgt hatte, ärgerte sich über die Anmaßung des Algorrian. Schließlich war noch immer Perry Rhodan der Kommandant.
»Ksun ist ein uns unbekannter Planet«, gab Rhodan zu bedenken. »Dort leben Wesen, die wahrscheinlich noch nicht viel Kontakt zu anderen Intelligenzen hatten. Wir sind Besucher aus einer anderen Galaxis und sollten zunächst diplomatische ...«
»Du scheinst zu vergessen, dass ich mich seit Jahrhunderten in dieser Galaxis aufhalte, kleiner Terraner«, bellte Varantir. »Die da sind keine gleichberechtigten Partner. Sie waren es nicht, als ich ihnen zuletzt begegnet bin, und sie werden sich daran erinnern, dass die Algorrian ihnen grenzenlos überlegen sind!«
Oder, dachte Mahlia belustigt, sie werden dich Meisterdiplomaten in den tiefsten Kerker werfen, den sie auf ihrem wunderbaren Planeten finden können.
»Okay«, sagte Rhodan. »Wir werden dort landen. Aber wir nehmen zuerst Funkkontakt zu den Planetariern auf und machen uns bekannt. Einverstanden?«
»Wir landen unverzüglich!«, schnaufte Varantir und reckte den Kopf provozierend in Rytanaias Richtung.
Die junge Frau an der Steuerung zuckte verunsichert zusammen und warf Rhodan einen ängstlichen Blick zu.
Der Terraner hob die Hand. »Curcaryen ... Wenn wir ohne Vorwarnung auf dem Planeten landen wie Rüpel aus dem All, werden sie das als einen Akt des Krieges deuten.«
»Sie kennen mich«, behauptete Varantir. »Und ich weiß, dass sie dieses Schiff nicht angreifen werden. Die Kultur der Ksuni basiert auf dem Recht des Stärkeren. Habt ihr das nicht auch einmal so gehalten, Terraner?«
Rhodan saß wie erstarrt. Woran dachte er?
»Ist der Stärkere einmal akzeptiert, tun sie alles, um ihm zu gefallen. Wir müssen sicherstellen, dass sie uns im Susmalsystem nicht in die Quere kommen. Wir müssen das persönlich sicherstellen, damit sie sehen, wer das Sagen hat.« Varantir beugte sich zu Rhodan hinüber. »Ich kann da sehr überzeugend sein, weißt du?«
Rhodan sah nicht glücklich aus. Aber er gab Rytanaia ein bestätigendes Zeichen.
Mit einem Ausdruck der Erleichterung drehte sie sich wieder herum und leitete das Landemanöver ein. Die SZ-2 tauchte in die Atmosphäre des Planeten Ksun ein.
Curcaryen Varantir schnaubte zufrieden. Ohne ein weiteres Wort machte er kehrt und stürmte durch das rückwärtige Schott aus der Zentrale.
Die Menschen an den Funktionspulten atmeten hörbar auf. Elpin Vonnedal warf Mahlia ein erleichtertes Grinsen zu.
Mahlia gesellte sich zu Rhodan. Sie bewunderte die äußerliche Gelassenheit des Terraners, der sie mehr als einmal beeindruckt hatte, seit sie ihn im Tal der Gestrandeten gefunden hatte. Er war, wie sie wusste, schon wesentlich älter, als man ihm ansah. Er hatte in seinem Leben wohl schon viele Male mit mächtigen Wesen zu tun gehabt, deren pure Existenz Mahlia Meyuns Vorstellungskraft überstieg.
Nur bei Varantir war Rhodans Kunst der Diplomatie bisher an ihre Grenzen gestoßen. Zuerst hatte es Mahlia amüsiert. Inzwischen wünschte sie, Rhodan würde den ekelhaften Kerl öfter in seine Schranken weisen.
Die SOL-Zelle 2 setzte im Hoheitsgebiet des Planeten Ksun zur Landung an, steuerte ohne vorherigen Funkkontakt genau auf den Schlosspark des planetaren Herrschers zu.
»Machen wir uns also mit den Ksuni bekannt«, sagte Perry Rhodan leise.
2.
Der Planet Ksun
Schneebedeckte Berge, dampfende Dschungel, wilde Meere und silberglänzende Siedlungen, in denen gläserne Türme bis in den Himmel ragten – Mahlia Meyun lachte begeistert, als die Bilder von Sonden der SZ-2 reinkamen. Keine Daten aus den Speicherbanken, die der Algorrian vor dem Abflug geliefert hatte, sondern tatsächliche, aktuelle Aufnahmen des Planeten Ksun!
Während des Hypertakt-Flugs hatte sich Curcaryen Varantir nicht besonders darum gekümmert, die Besatzung darauf vorzubereiten, was sie am Zielort vorfinden würden. Selbst die Vermutung, dass es dieses System und kein anderes war, in das Masling Dryw geflohen sein musste, hatte er nicht näher begründet. Die Menschen an Bord wussten nur, dass er und Dryw früher schon einmal dort gewesen waren.
Das Zentralholo zeigte blühende, phantastische Panoramen mit Mastodontenherden und Schwärmen winziger, bunter Vögel, die gemeinsam die Richtung wechselten, hundert Meter lange Wüstenwürmer, zweiköpfige Flamingos, riesige Rochen, die aus dem Meer schossen und dabei Millionen winzige Tropfen herabregnen ließen, startende, landende und sich drehende Raum- und Flugfahrzeuge.
Mahlia konnte sich nicht sattsehen an dieser perfekten, paradiesischen Welt. Ksun war so anders als das karge Tal, in dem sie aufgewachsen war. So völlig verschieden von der Hölle von Skamant-Efthon, der Rhodans Einsatztrupp nur mit Glück und Geschick entkommen war.
Sogar der schmächtige Ianik Meygon pfiff anerkennend durch die Zähne, als er die Bilder in dem großen Hologramm sah.
»Ist dir der Planet nicht zu langweilig?«, spöttelte Yenc, der Maurer. »Ich dachte, du fühlst dich nur im Kampfeinsatz richtig wohl!«
»Wenn du willst, kannst du gleich einen Kampfeinsatz haben!« Meygon sprang auf Yenc zu und drohte mit den Fäusten.
Der Junge war immer zu einem Streit bereit, auch wenn er sich dabei gelegentlich eine blutige Nase holte. Er hatte zu dem Landeteam auf Skamant-Efthon gehört und das dortige Abenteuer immer wieder in großen Tönen beschrieben. Yenc und andere hatten ihn damit aufgezogen, wie sie mit den wiedererweckten Toten fertiggeworden wären, und dass sie sich dabei nicht den Knöchel verstaucht hätten. Mahlia hatte Meygons Verletzung auf der Medostation inzwischen geheilt. Was dem Hitzkopf ermöglichte, wieder jedem munter an die Gurgel zu springen, der ihn provozierte.
»Haltet doch mal die Klappe!«, sprach Mahlia ein Machtwort.
Einerseits ärgerte es sie, dass ihre Gefährten aufeinander losgingen. Andererseits war das eben ihre Art, das Trauma zu verarbeiten: Innerhalb kürzester Zeit waren sie aus ihrem zwar kargen, aber geregelten Leben gerissen und mit Krieg, Kampf und Tod konfrontiert worden.
Vielleicht würde dieser neue Planet die endgültige Heilung bringen!
Das riesengroße Areal, auf dem sie niedergingen, bot genug Landefläche für ein Raumschiff von der Größe der SOL-Zelle. Am Rand standen nur einige kleinere Diskusraumer, als hätten sie auf die SZ-2 gewartet und würden ihr Platz machen. Direkt angrenzend lag ein Park mit Gärten, durch die metergroße Schmetterlinge flatterten. Auf blaugrünen Rasenflächen vergnügten sich wuchtige Planetarier mit seltsamen Ballspielen. Als der Schatten der SZ-2 sich auf sie legte, schauten sie nach oben und stoben voller Panik davon.
Ein marmorner Gebäudekomplex umspannte das Landegebiet in Hufeisenform. In der Mitte reckte sich eine Gruppe elegant aneinandergeschmiegter Türme in die Höhe. Sicherlich das Hauptgebäude des Regierungssitzes. Nach dem wenigen, was sie über Ksun wussten, stand der Planet unter der Herrschaft einer einzigen Zentralmacht.
Vor den »Regierungstürmen« erhob sich die bestimmt fünfzig Meter große Statue eines kräftigen Humanoiden mit zwei Armen und zwei Beinen. Er hatte einen ausgeprägten Stirnwulst und kleine, in tiefen Höhlen liegende Augen. Das Gesicht erinnerte an einen Fisch, ohne Nase, mit breitem Mund. Kleine, spitze Ohren standen seitlich vom Kopf ab. Das Haupthaar war zur Sichel geschnitten und lief in einem Streifen hinten am Hals bis in den weiten Mantel. Mit den Händen hinter dem Rücken verschränkt, richtete der Abgebildete seinen Blick in den Himmel.
Elpin Vonnedal jauchzte. Der abenteuerlustige Tüftler hätte wohl Spaß daran gehabt, sich sofort in eine Space-Jet zu setzen und den neuen Planeten auf eigene Faust zu erkunden. Gern hätte sich Mahlia ihm angeschlossen.
»Eine wunderbare Welt!«, rief sie Rhodan zu und merkte sofort, dass das nicht besonders professionell klang.
»Ich bin auch froh, dass man uns nicht beschossen hat«, entgegnete Rhodan schmallippig. »Und vergiss nicht, wir sind ins Susmalsystem gekommen, um einen Verbrecher zu fangen. Sieh her!«
Seine schlanken Finger huschten über eine virtuelle Tastatur. Über seinen Händen entstand ein Minihologramm. Darin liefen in schneller Folge eine Reihe ganz anderer Bilder, die Rhodan nicht aufs Zentralholo gegeben und der Besatzung damit erspart hatte.
Mahlia sah eine Ruinenstadt, das Wrack eines auf einem der Monde abgestürzten Raumschiffs, eine Barackensiedlung, in der Massen abgemagerter Planetarier auf der Straße kauerten.
»Die wunderbare Welt hat ihre Schattenseiten. Hier war vor gar nicht langer Zeit Krieg. Wir wissen nicht, welche Seite gewonnen hat. Verstehst du?«
Mahlia verstand. »Nehmen wir also diplomatischen Kontakt auf und finden es heraus!«
»Die politischen Verhältnisse auf diesem Planeten gehen uns nichts an«, warnte Rhodan. »Wir müssen auf der Hut sein. Ein Raumschiff wie unseres kann Begehrlichkeiten wecken! Wir verhandeln nur mit den Herrschern, damit wir unbehelligt im System operieren können. Mit etwas Glück führen sie uns auf die Spur von Masling Dryw.«
»Du weißt, dass Varantir nicht zögern wird, Dryw umzubringen, wenn er ihn in die Finger bekommt?«
»Erstens bin ich nicht bereit, einen Mord zuzulassen. Zweitens will ich Dryw lebend. Er ist im Moment unsere einzige Hoffnung, den Mittelteil der SOL zu finden.«
»Und nachdem wir von ihm erfahren haben, was wir wissen wollen ...?«
»... werden wir ihn der zuständigen Gerichtsbarkeit auf Evolux übergeben«, versicherte Rhodan. »Das wird Varantir nicht gefallen, aber das hat er nicht zu entscheiden.« Er lächelte humorlos. »Solange wir Dryw noch nicht haben, decken sich unsere Ziele allerdings mit denen des Algorrian.«
Vonnedal meldete sich vom Funk- und Ortungspult. Seine Stimme klang besorgt. »Perry, vor ein paar Minuten wurde ein Funkgespräch aus einer Privatkabine geführt.«
»Von wem?«, fragte Mahlia, obwohl sie die Antwort bereits ahnte.
»Varantir! ... Er hat Verbindung zum planetaren Großgouverneur aufgenommen, und ihm wurde eine Audienz zugebilligt. Sie beginnt ... genau jetzt. Kurz nach dem Gespräch hat einer unserer Flugpanzer ausgeschleust.«
So viel zur Aufnahme diplomatischer Kontakte!, dachte Mahlia.
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