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Naomi Wood, geboren 1983, studierte in Cambridge und promovierte an der University of East Anglia, an der sie auch Kreatives Schreiben unterrichtet. Mit ihrem hochgelobten Roman Als Hemingway mich liebte (2016) gelang ihr der internationale Durchbruch. Sie lebt mit ihrer Familie in Norwich.
Die Übersetzerin
Claudia Feldmann, Jahrgang 1966, studierte Literaturübersetzen in Düsseldorf und übersetzt seit mehr als zwanzig Jahren aus dem Englischen und Französischen, unter anderen Eoin Colfer, Morgan Callan Rogers und Louisa Young.
Für Joan, Ari und Ed
»Wieder ist es erstaunlich, wie wehrlos alles zusammenbricht.«
Victor Klemperer: Ich will Zeugnis ablegen bis zum Letzten. Tagebücher 1933–1941
England
Walter ist tot. Irmi hat mich mitten in der Nacht angerufen, um es mir mitzuteilen. Sie klang bestürzt und verstand nicht, warum ich es nicht auch war. »Er war dein Freund, Paul«, sagte sie. »Wie kannst du so gleichgültig bleiben?«
»Ich weiß es nicht«, erwiderte ich.
Walter, der Unberechenbare, der Unsympath – im Grunde war er ebenso wenig mein Freund wie Jenö, der schon vor Jahrzehnten in London untergetaucht ist. Warum sollte ich traurig sein, dass Walter tot ist? Sein Leben bestand nur aus eigennützigem Verrat und gedankenloser Gehässigkeit, und als ich Berlin endgültig verließ, hatte ich jeden Kontakt zu ihm abgebrochen.
Ich empfand nichts, was mich nicht weiter überraschte.
Jetzt ist die Hälfte unserer Clique tot: Walter durch den Schlaganfall; Kaspar, den sie mit seinem Flugzeug über Alexandria abgeschossen haben; und Charlotte, die in Buchenwald gestorben ist, nur wenige Kilometer nördlich von Weimar, wo diese Geschichte beginnt.
Ich denke jeden Tag an Charlotte. Die Erinnerungen an sie sind wie Stromschläge. Manchmal sitze ich mit dem Pinsel in der Hand vor einer Leinwand, und dann durchzuckt mich plötzlich ein Schmerz, selbst nach all dieser Zeit. Fast dreißig Jahre sind seit ihrem Tod vergangen; vierzig, seit wir zusammen in Berlin gelebt haben. Jetzt besucht sie mich in meinen Träumen, beim Mittagessen oder wenn ich in der Badewanne liege. Ich sehe sie an ihrem Webstuhl sitzen, in ihren Männerkleidern durch den Tiergarten schlendern oder wie sie kurz vor der Razzia erklärt, dass sie Deutschland nicht verlassen wird.
Von mir aus hätte Walter dreimal sterben können, wenn sie dafür verschont geblieben wäre. Aber was nützen diese Gedanken schon. Ich gebe ihm die Schuld an ihrem Tod. Er hätte Ernst Steiner bitten können, sie aus dem Lager herauszuholen, er hätte mit den richtigen Leuten reden können. Es hätte in seiner Macht gestanden. Aber vielleicht war es sogar sein letzter, krönender Schachzug, sie dort in dem Wald sterben zu lassen, wo wir sechs im Sommer so oft kampiert hatten, bevor wir mit unseren Rädern durch das flirrende Helldunkel der Bäume in die Stadt zurückfuhren. Damals in diesen ersten goldenen Jahren am Bauhaus.
Jeder von uns würde das, was geschehen ist, anders erzählen, und ich kann meine Subjektivität nicht leugnen. Mir ist klar, dass die Geschichte im Rückblick von Kummer gefärbt ist: Mein Glück erscheint strahlender, und der Schmerz hat den schweren Zeiten vielleicht mehr Tiefe verliehen. Manchmal beneide ich mein jüngeres Ich, dann wieder erscheint mir die Vergangenheit wie eine Ruine.
Dies ist mein Bericht darüber, was wir in den zwanziger Jahren erlebt haben, einem Jahrzehnt voller Glanz und Tragik. Doch wenn ich diese Geschichte erzähle, muss ich ehrlich und unvoreingenommen sein. Und ich muss ein Geständnis ablegen. All die Jahre habe ich Walter die Schuld gegeben, doch dabei habe ich die Augen davor verschlossen, was ich getan oder vielmehr nicht getan habe, um Charlotte zu retten.
Ein Freund von mir meinte einmal, ein Geheimnis sei wahrlich schändlich, wenn es niemals in Worte gefasst werden könne, und das Schweigen werde mit Scham erkauft. All die Jahre habe ich geschwiegen, doch nun soll damit Schluss sein. Als Charlotte und ich zusammen in Berlin lebten, gab es einen Augenblick, als auch ich sie hätte retten können. Walter stellte mich vor die Wahl, alle Fakten lagen auf dem Tisch – und ich entschied mich, nichts zu unternehmen. Es war keine hastige, übereilte Entscheidung. Ich dachte zwei Wochen lang darüber nach.
Wenn Walter Charlotte getötet hat, dann habe auch ich sie getötet.
Unser erstes Jahr am Bauhaus – was für ein schillerndes Jahr! Damals waren wir zu sechst: Walter und Jenö, Kaspar und Irmi, Charlotte und ich. Schon von Anfang an in dieser Kombination. Wir waren achtzehn und Jenö zwanzig, als wir mit dem Vorkurs begannen. Uns wurde alles über Farbe und Form, Stofflichkeit und Materie beigebracht. Wir lernten das gesamte Wesen eines Objekts kennen: die Papierhaftigkeit von Papier, die Holzhaftigkeit von Holz, die Faserigkeit von Faden und Seil. Vor allem aber lernten wir zu fasten und wie das Fasten in unserem hungrigen Ich eine ganze Welt aus Glanz, Chaos und Genuss entstehen lassen konnte.
Vom ersten Tag des Semesters an war ich fasziniert von Charlotte. Ich begegnete ihr mittags in der schuleigenen Kantine. Die Septembersonne schien zwischen den Bäumen hindurch auf die langen Tische, und ihr Gesicht war eine Leinwand, auf der sich Licht und Schatten mischten. Vielleicht lag es daran, dass ihr Blick so schwer zu deuten war; er war zurückhaltend und zugleich intensiv.
Ich saß mit Walter und Jenö am einen Ende des Tisches. Ich hatte die beiden bei der Einführungsveranstaltung des Direktors kennengelernt, und wir hatten uns auf Anhieb gut verstanden. Charlotte saß am anderen Ende.
Walter und Jenö sprachen darüber, wo ihre Brüder während des Krieges gewesen waren. Ich hatte keine Lust, über meinen Bruder Peter zu sprechen – es war zu schmerzlich und zu kompliziert –, außerdem war ich abgelenkt von Charlotte. Ihr kinnlanges blondes Haar war in einer geraden Linie geschnitten, und sie hatte hübsche grüne Augen, die jedoch nichts preisgaben. Mit ihrem schlanken, geradezu knochigen Körper hatte sie etwas Jungenhaftes an sich. Sie lächelte kaum.
Als Walter und Jenö aufbrachen, um sich die Stadt anzusehen – Walter wollte Goethes Haus besichtigen –, blieb ich sitzen und sah zu, wie Charlotte einen Apfel aß, dessen Rot in der Nähe ihrer Augen noch mehr zu leuchten schien.
»Du bist in Meister Ittens Klasse«, sagte ich.
Sie errötete. »Sind wir das nicht alle?«
Ich fragte, ob ich mich zu ihr setzen könnte, und sie deutete auf den Stuhl ihr gegenüber.
»Wie heißt du?«
»Charlotte«, sagte sie.
Sie hatte einen leichten Akzent. »Woher kommst du, Charlotte?«
»Aus Prag. Und du?«, fragte sie. »Ich meine, wie heißt du?«
»Paul. Paul Beckermann.«
Manchmal überkommt einen das Glück mit solcher Wucht, dass einem schwindelig wird, und in diesem Moment musste ich mich buchstäblich am Stuhl festhalten. »Ich habe Lust auf einen Spaziergang. Kommst du mit?«
Sie lächelte, und da war es endgültig um mich geschehen. Während ich neben ihr herging, dachte ich: Sag ihr nicht, dass du sie liebst. Nicht fünf Minuten nachdem du sie kennengelernt hast.
Wir gingen zum Ilmpark, und Charlotte erzählte mir, dass sie mit dem Segen ihrer Mutter bereits an der Karls-Universität in Prag gewesen war. Dort hatten sie Marmorbüsten kopiert und die Muskulatur von lebenden Modellen gezeichnet. »Als ob wir Chirurgen wären, die sich anschickten, die Leute aufzuschneiden«, sagte sie verächtlich. Ihre Eltern waren außer sich gewesen, als sie ans Bauhaus gewechselt hatte. Sie wollten, dass sie Familienporträts malte oder, noch besser, eine gute Partie machte. »Mein Vater spricht immer noch nicht mit mir«, sagte sie, als wir zum Fluss kamen. »Er dachte, er hätte meine Zukunft bereits sicher geplant. Er ist nicht einfach nur wütend, sondern regelrecht verbittert.«
Dieses ernste Mädchen, das da neben mir durch den Park lief. Vielleicht hätte ich mich in dem Moment von ihr abwenden und flüchten sollen, als es noch möglich war.
»Das Bauhaus!«, sagte sie mit einem Anflug von Panik. »Was um alles in der Welt sollen wir hier tun?«
»Ich weiß es nicht«, erwiderte ich, denn seltsamerweise war mir die Frage gar nicht in den Sinn gekommen. Seit ich Kirchners Badende bei Moritzburg gesehen hatte, wusste ich, dass ich nirgendwo anders sein wollte.
»Ich wohne da drüben.« Sie deutete auf ein rosafarbenes Haus. »Oben in der Mansarde. Gleich neben der Bibliothek. Ich kann fast den Rokokosaal sehen.«
»Und das Schloss.«
»Ja. Manchmal rieche ich sogar den Mist aus den Pferdeställen.«
Wir kamen an Goethes Gartenhaus vorbei, hellblau mit einem Schindeldach, das wie ein umgedrehtes V aussah, und ein kleines Stück weiter arbeiteten ein paar Studenten in einem Beet. Sie winkten uns zu. Irgendwie schienen sie bereits zu wissen, dass wir zu ihnen gehörten. An der Brücke entdeckte ich Walter und Jenö, und wir gingen am Fluss entlang zu ihnen. Die Ilm floss langsam, und an der Oberfläche bildeten sich lauter kleine Strudel, als wäre alles Mögliche hineingeworfen worden. Jenö grinste von der Brücke auf uns hinunter, vielleicht dachte er sich schon seinen Teil.
Die Bäume spiegelten sich verzerrt im Wasser, nur die Spitzen fehlten. Es war noch warm, und wir badeten unsere Füße an einem flachen Abschnitt, wo junge Weidenschößlinge wuchsen. Nur Walter blieb ein Stück zurück, er konnte nicht schwimmen, erklärte er uns mit misstrauischem Blick auf die Strudel. Wir sprachen hauptsächlich über uns, woher wir kamen und aus welcher spießigen Enge wir geflohen waren. Keiner von uns war im Krieg gewesen. Uns war bewusst, welches Glück wir hatten, und im sanften Schein des Nachmittags schimmerte unser Leben wie Gold.
Es gab noch weitere Einführungsveranstaltungen an diesem Nachmittag, und so kehrten wir gemeinsam zurück zur Schule, begierig darauf, Meister Klee und Meister Kandinsky kennenzulernen, die Stars der Malerei. Viele von uns waren vor allem ihretwegen gekommen, aber wie sich zeigte, hatten die beiden wenig mit den Erstsemestern zu tun oder mit den Bauhaus-Babys, wie wir genannt wurden.
Stattdessen erteilte uns Meister Itten, ein Schweizer Maler, unsere erste Lektion. Er hatte eine dunkelrote Kutte an, war kahl geschoren und trug eine runde Brille, die bisweilen so spiegelte, dass man seine Augen dahinter nicht sehen konnte. Als meine Eltern hergekommen waren, um sich die Schule anzusehen, hatten sie dem Direktor freundlich nickend gelauscht, denn diesen Typ Mann, gepflegt mit Anzug und Krawatte, kannten sie. Ich wünschte, sie hätten jetzt Meister Itten sehen können, der aussah wie ein Mönch und in dessen ganzem Wesen das Feuer der Hingabe brannte.
Er verzichtete auf eine Einleitung, sagte nur, es gebe nicht genug Geld für Stühle, und wir sollten uns auf den Fußboden setzen. Nachdem er uns in Gruppen eingeteilt hatte, arrangierte er jeweils in der Mitte ein paar Bücher und eine Zitrone und wies uns an, ein Stillleben zu zeichnen. Dann verließ er den Raum.
In der Schule war ich immer gut in naturgetreuer Wiedergabe gewesen, und ich war so vertieft in die Aufgabe, dass ich gar nicht merkte, wie viel Zeit vergangen war, als Meister Itten wieder hereinkam. Ich zeigte Charlotte mein Skizzenbuch, und sie nickte, mochte mir ihres aber nicht zeigen. Itten sah sich die Zeichnungen von jedem Einzelnen an, und er bewegte sich so leise, dass ich mich fragte, ob er überhaupt Schuhe anhatte. Alle wirkten verunsichert. Bei mir waren die Bücher eckig und die Zitrone rund, aber wir befanden uns am Bauhaus, und das war bestimmt nicht richtig.
»Nein«, sagte er schließlich und bestätigte damit unsere Befürchtungen. Er nahm eine der Zitronen, ging damit nach vorne und schnitt sie mit einem Taschenmesser durch, sodass sich ihr Duft zart im Raum ausbreitete. Dann biss er hinein, und alle verzogen das Gesicht. »Wie können Sie eine Zitrone zeichnen, ohne zuvor ihr Fleisch zu kosten? Sie zeichnen mit Ihrem ganzen Körper. Ihrem Mund, Ihrem Bauch, Ihrer Lunge. Wenn Sie denken, es geht nur um die Hand und die Augen und das Hirn, sind Sie tot, und Ihr Bild ist es auch. Eine Zitrone ist nicht einfach nur eine Zitrone: Sie ist ihre Säure, ihre Adstringenz, ihre Kerne, ihre Segmente, ihr pyramidenförmiges Inneres. Sie ist nicht mit Luft gefüllte gelbe Haut oder Bleistiftstriche auf Papier. Die Zitrone ist eine Odaliske. Sie müssen sie verführen. Sich von ihr verführen lassen.«
Er warf die Frucht in den Raum, und Walter fing sie auf.
Itten begann, auf und ab zu gehen, ganz von seinem Thema gefangen. »Eine Zeichnung ist keine Vorarbeit. Sie ist das Ziel. Schon Vasari wusste das: Was wir tun, wenn wir zeichnen, ist ein Akt des furor, der Leidenschaft. Erst als Leonardo Papier statt Papyrus zur Verfügung hatte, konnte er nicht nur zeichnen, sondern erfinden. Die Denker der Renaissance forderten die Künstler auf, ein Gleichgewicht zwischen decorum und licenza zu finden. Die Zeichnung ist Freiheit, weil sie alle Möglichkeiten eröffnet: Die Zitrone kann eine Brust sein, ein Mund, ein Tumor, oder« – er breitete die geöffneten Hände aus – »die Zitrone ist in Wirklichkeit gar nicht da. Fangen Sie noch einmal von neuem an. Aber mit licenza«, sagte er und schlug mit der Hand auf den Tisch. »Licenza! Licenza! Licenza!«
Der Meister sah zu, wie wir die Zitrone zu erforschen begannen, an ihr schnupperten, sie schälten und kosteten. Später legte er seine Hände auf Charlottes Schultern. »Ihnen sitzt noch der Schlaf im Nacken«, sagte er. »Den müssen Sie abschütteln.«
Es war bereits dunkel, als wir zu unserem Willkommensfest kamen. Irgendwann nach dem Mittagessen waren die Fenster der Kantine mit Zeitungen verhüllt worden. Leute aus der Stadt versuchten hineinzuspähen, aber außer ein paar schmalen Lichtstreifen war nichts zu sehen. Beim Näherkommen hörten Walter und ich seltsame Musik aus dem Innern. »Das ist es«, sagte er, aber ich hatte keine Ahnung, was »das« sein könnte. Ich dachte an Charlottes ängstliche Frage: »Was um alles in der Welt sollen wir hier tun?« Vielleicht würde dieser Abend ihr eine Antwort geben.
Um in die Kantine zu gelangen, mussten wir durch einen Tunnel in Form eines Bierfasses kriechen. Drinnen hatten ältere Studenten die Wände mit Motiven bemalt: rote Vierecke, blaue Kreise und gelbe Dreiecke – die Farben und Formen des Bauhauses. Von der Decke hingen Bänder und Stofffetzen. Ein Trompeter spielte unmelodische Bieps und Bops.
Wir hatten schon ein paar Gläser getrunken, als Meister Itten erschien. Jetzt trug er eine Art Bürgermeisterumhang, einen napoleonischen Hut und türkische Schuhe mit hochgezwirbelter Spitze. Er schlug gegen sein Glas, und während der Lärm verstummte, entdeckte ich Charlotte, die ganz in der Nähe stand.
»Diesen albernen Aufzug verdanke ich den Studenten des Abschlussjahrgangs.« Gelächter erhob sich aus der Menge. Fast alle hier trugen schlichte schwarze Hemden und Hosen, Frauen wie Männer. »Aber das hat einen Sinn. Heute Morgen hat der Direktor Ihnen die praktischen Aspekte Ihres ersten Jahres erklärt. Sie werden etwas über Stofflichkeit, Licht, Farbe, Temperatur und Form lernen. Das gilt für alles, nicht nur Malfarbe und Kohlestift, sondern auch für Draht, Stein und Papier. Von jetzt an werden Sie nur zeichnen und malen, wenn Sie das Material verstanden haben. Ziel ist die Produktion, aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Der Grund dafür, dass ich in diesem Aufzug vor Ihnen stehe« – von einer Seite des Raumes ertönte ein Johlen, und der Direktor in seinem Anzug trat unbehaglich von einem Fuß auf den anderen – »und dass Sie auf allen vieren hereinkrabbeln mussten, ist, dass Sie – dass wir – hier sind, um zu spielen. Außerhalb dieses Raumes gibt es Leute, denen die Vorstellung spielender Erwachsener gegen den Strich geht, aber das ist unsere Herangehensweise. Spielen. Wagen. Ausprobieren. Studieren. Beobachten. Licenza. Die Zunge in die Zitrone stecken. Nennen Sie es, wie Sie wollen. Ich will, dass Sie jeden Tag eine Zeitlang nichts tun. Gar nichts. Für viele ist das eine schreckliche Vorstellung. Tun Sie es trotzdem. Nichts zu tun, ist ein radikaler Akt. Was wir hier tun werden – und das sollten Sie frühzeitig lernen –, hat nur für den Augenblick Bestand. In vielen meiner Kurse werde ich Sie sogar dazu drängen wegzuwerfen, was Sie erschaffen haben. Unser grundlegendes Prinzip ist nicht Originalität, sondern methodisches Vorgehen. Denken ist schaffen, und schaffen ist denken. Wenn Sie sich an dieses Prinzip halten, können Sie gar nicht anders, als Freude zu empfinden. Kreativität ist in ihrem kindlichsten Ursprung assoziativ, regellos und chaotisch. Gott schütze die Bauhaus-Babys!«
Jubel und Beifall ertönten von allen Seiten, selbst der Direktor, der gar nicht wie ein Architekt aussah, sondern eher wie ein Buchhalter, klatschte. Dann rief ein Student alle Erstsemester nach vorne.
»Brillant, nicht wahr?«, sagte Charlotte neben mir.
»Ja«, antwortete ich, obwohl ich nicht so recht verstanden hatte, was er wollte. »Wirklich beeindruckend.«
Wir stellten uns in einer Reihe auf und krochen wieder nach draußen. Dann gingen wir im Gänsemarsch zum Frauenplan, einem Platz mit vielen Cafés, in dessen Mitte ein Brunnen stand. Dort musste jeder Einzelne vortreten, sich umdrehen und sich rücklings in die ausgestreckten Arme von zwei älteren Studenten fallen lassen. Untermalt von einem schrillen Trompetenstoß wurde er dann mit dem »Weihwasser« des Brunnens als Bauhaus-Baby getauft. Die Leute in den Cafés sahen uns an, als wären wir verrückt, und die Kellner fuchtelten mit den Armen, als wollten sie streunende Hunde verjagen.
Doch die »Täufer« störten sich nicht daran. Der Direktor und Meister Itten waren längst verschwunden.
Ich spürte Charlottes Unruhe, während wir zusahen, wie unsere neuen Freunde getauft wurden: erst Jenö und Walter, dann Irmi und Kaspar. Als sie an der Reihe war, wirkte sie merkwürdig angespannt, und sie trat nur zögerlich an den Brunnen. Sie drehte sich zwar um, doch als sie sich fallen lassen sollte, riss sie die Arme hoch, taumelte und fing sich wieder. Alle sahen sie an. Sie versuchte es noch einmal. Der »Täufer« benetzte ihre Stirn, der Trompeter trötete, und Charlotte wurde wieder auf die Füße gestellt. Als sie fertig war, ging sie auf einen Kellner zu, der draußen vor den Tischen seines Cafés stand, und sie kam ihm so nah, dass ihm nichts anderes übrigblieb, als ihr im letzten Moment auszuweichen.
In diesem Winter erstarrte Weimar im Frost. Mit Raureif überzuckert wirkte die Stadt wie verzaubert. Wenn es dunkel war, konnte man durch die mit Kopfstein gepflasterten Straßen schlendern und in die warm erleuchteten Fenster der alten Häuser schauen, und es war leicht, von Geheimnissen und Zaubertränken, Hexen und Gespenstern zu phantasieren. Die Butzenscheiben zerteilten das Licht wie der Diamant eines Verlobungsrings, und alles funkelte in der Kälte.
Weimar wird für mich immer einen besonderen Zauber haben. Nördlich vom Bauhaus und südlich vom Ettersberg gelegen, war sie die hübscheste Stadt, die ich je gesehen hatte. Es gab kaum ein gewöhnliches Gebäude, und nahezu jedes hatte einst einen Dichter oder Philosophen beherbergt. Frauenfiguren, Engel und Löwen schmückten die Häuser, sodass Weimar – besonders wenn die Weihnachtsbeleuchtung die oberen Stockwerke erhellte – uns zu beobachten schien.
Obwohl die Einwohner uns nicht mochten, uns misstrauten, ja bisweilen sogar hassten, liebte ich die Stadt: die klassizistischen Häuser in Zartrosa, Zitronengelb und Lindgrün, den Duft der auf Kohlenfeuer gerösteten Maronen, die Gingkobäume, deren Früchte im Sommer stanken, und die grün angelaufenen Statuen von Goethe und Schiller vor dem Theater, wo drei Jahre zuvor die Verfassung der neuen Republik unterzeichnet worden war. (Allerdings gab es selbst im reichen Weimar Männer in viel zu dünnen Mänteln, Suppenküchen, Schlangen von Arbeitslosen, Bettlerinnen und Kinder, die im Abfall nach Essbarem suchten, aber ich war so fasziniert von all der Schönheit, dass ich sie zunächst kaum wahrnahm.)
Es war mir ein Rätsel, wieso das Bauhaus ausgerechnet hier gegründet worden war, an einem so überaus konservativen Ort. Immerhin waren wir weit genug vom Zentrum entfernt, sodass die Leute uns mehr oder weniger ignorieren konnten. Die Schule befand sich in einem gelben Jugendstilbau, der ganz schlicht gehalten war, ohne Schnörkel oder Putten. Die Fassade wurde beherrscht von großen fabrikähnlichen Fenstern, die knapp über Augenhöhe begannen, sodass man von außen nur die Scheitel der Studierenden sehen konnte und anhand der Frisur erraten musste, wer dort saß.
Diesen Winter über gehörten wir ganz Meister Itten. Unser Unterricht fand in den großen Werkstätten statt, und dort erforschten wir die wahre Natur unserer Materialien. Der Meister forderte uns immer wieder auf, intensiver hinzuschauen, er war geradezu besessen von der Reinigung des Sehens. »Die Welt ist nur ein Abklatsch, solange sie nicht wahrhaft gesehen wird«, sagte er, während er barfuß in der Werkstatt umherging. »Schmerz wird Sie mehr Schönheit sehen lassen.«
Ich verstand noch nicht so recht, was das bedeutete. Charlotte und die anderen schienen es schneller zu begreifen. Zu Hause in Dresden war ich von meinen Kunstlehrern für meine malerischen Fähigkeiten gelobt worden, und es war irritierend, hier nicht als besonders talentiert zu gelten. Aber genau deshalb war ich hierhergekommen. Oder zumindest redete ich mir das ein.
Itten hatte ganz eigene Kriterien, nach denen er Arbeiten beurteilte. Einmal sollten wir beispielsweise unsere Eindrücke von der Somme malen. Max, der dort gewesen war, malte erschöpfte Männer mit Bajonetten. Willem hingegen, der nie einen Fuß nach Frankreich gesetzt hatte, durchbohrte sein Papier sechsmal mit dem Bleistift. Der Meister zog Willems »Bild« vor und schenkte Max’ figürlicher Darstellung kaum einen Blick.
Es gab eine Menge Zitronenlektionen. Wir ertasteten Glas mit der Zunge, arrangierten Texturen von Leder, Fell und Blechdosen, kratzten einander mit Stahlwolle, erschnupperten den Unterschied zwischen Sägespänen und geschmirgeltem Treibholz. Erst gegen Ende des Tages kamen wir zum Malen, im Stehen, mit angehaltenem Atem, mit Musik, nach einer Meditation, mit der linken Hand, mit der rechten Hand und nach Gymnastikübungen, alles in der ungeheizten Werkstatt. Nur um zu sehen, was dabei herauskam.
Während des ganzen Semesters war ich aufs angenehmste abgelenkt. Wie konnte ich Charlotte gefallen? Wie konnte ich sie zum Lächeln bringen? Wie konnte ich ihr bei ihren Arbeiten helfen? Wie konnte ich sie beeindrucken, ohne allzu beflissen zu wirken? Ich wollte ihr noch nicht verraten, wie stark meine Gefühle für sie waren, weil es sie womöglich abschrecken würde. Aber es gab vielversprechende Anzeichen, dass sie in mir mehr als nur einen Freund sah. Manchmal strich sie mir eine Haarsträhne hinters Ohr, oder sie legte mir Zettel in die Brotdose, mit Skizzen von nackten Frauen, Nachrichten, in denen alle Ps rot geschrieben waren, oder dem Porträt eines Mannes mit Schmachtlocke, der niemand anderes sein konnte als ich. Die kleinste Geste erfüllte mich wochenlang mit Glück.
Unser Miteinander war ein ständiger zarter Flirt: Lippen, die sich beinahe berührten, Hände, die einander beim Spaziergang streiften, ein unablässiges, vorsichtiges Suchen nach der Haut des anderen. Waren wir zusammen, war alles wunderbar; waren wir getrennt, verzehrte ich mich nach ihr. Ich hatte das Gefühl, ich müsste zerbersten.
Es klingt nach nicht viel, aber kurz vor Weihnachten zog sie mir eines Morgens die Schuhe an, und das war der vielleicht erotischste Moment meines jungen Lebens. Sie kniete sich vor mich hin, nahm nacheinander meine Füße und schob sie in meine Schnürschuhe. Sie hob den Kopf und sah mich an, ein Funkeln in ihren grünen Augen – was bedeutete es? Dass sie wusste, was wir waren? Was aus uns werden würde? –, dann band sie die Schnürsenkel zu. »Da«, sagte sie. »So ist es viel besser.« Während des Unterrichts blickte sie immer wieder zu mir herüber; auch sie schien das Besondere dieses Morgens gespürt zu haben. Ich lächelte ihr zu, und sie lächelte halb zurück.
Den ganzen Tag drückten die Schuhe, aber ich lockerte sie nicht.
So vergingen die Tage.
Während des Winters malte ich mir unzählige Male aus, wie wir zusammenkommen würden. Wir würden in den Wald gehen und uns auf der Erde wälzen. Sie würde mich am Fluss küssen, und wir würden uns im hellen Gras wälzen. Wir würden zusammen in meinem Zimmer lesen und uns vor dem Ofen wälzen. Immer wieder dieses Wälzen. Weiter kam ich in meiner Vorstellung nicht, denn ich wusste, ihr jungenhafter Körper würde nicht wie der von anderen Frauen sein, und das machte ihre Nacktheit unwahrscheinlicher und erregender. Außerdem war ich noch Jungfrau und wusste nicht, wie es dann weitergehen würde.
Verstohlen beobachtete ich sie. Nach einer Weile konnte ich ihre Gesichtsausdrücke vorhersehen, wenn wir beim Unterricht oder in der Kantine waren, wo wir immer alle zusammen aßen. Unser Lachen flog bis zur Decke, und wir fühlten uns größer als alle anderen. (Es war allseits bekannt, dass wir sechs unzertrennlich waren. Ich glaube nicht, dass die anderen es uns verübelten, aber sie waren sicherlich neidisch. Manchmal setzten sich einige beim Frühstück oder Mittagessen zu uns, aber sie kamen danach nie wieder. Vielleicht waren wir abweisender, als wir dachten.)
Am schönsten war es, wenn Charlotte ganz ernst ein Objekt studierte, eines der Materialien etwa, die der Meister uns gegeben hatte, dann merkte, dass ich sie ansah, und mich unter ihrem Pony hinweg strahlend anlächelte. »Oh, Paul, ich wusste gar nicht, dass du da bist.« Oder das Gegenteil: Wenn jemand – meistens Walter – etwas Abfälliges gesagt hatte (er schaffte es immer wieder, bei ihr ins Fettnäpfchen zu treten) und sie eine finstere Miene zog, sodass ihre Lippen fast nicht mehr zu sehen waren.
Wenn sie im fahlen Winterlicht bei mir auf dem Bett lag und schlief, fragte ich mich oft, ob unsere Tochter ihr wohl ähnlich sehen würde, und dann fügte ich unserer kleinen Familie im Geist noch mehr Töchter und Söhne hinzu – Mama Bildhauerin, Papa Maler und alle arm und hungrig und sehr glücklich.
Wer liebt, leidet oft Höllenqualen, aber wenn alles gut läuft, scheint die Seele zum Himmel zu schweben. Unsere Geschichte begann langsam, wie alle guten Liebesgeschichten. Zu Beginn des neuen Semesters bezeichneten mehrere von den anderen Studenten sie als meine Freundin, und ich hätte vor Freude schnurren können.
Ich glaube, Walter verliebte sich ebenso schnell in Jenö wie ich mich in Charlotte. Aber Walter war ein ganz anderer Typ. Irgendwann – und ich weiß nicht mal, ob es eine bewusste Entscheidung war – beschloss ich, auf zurückhaltende Weise um Charlotte zu werben. Walter hingegen war unglaublich theatralisch. Wenn Jenö ihn nicht genug beachtete, schmollte er und zeigte es so deutlich, dass Irmi bisweilen sagte: »Jetzt mach doch nicht so ein Gesicht, Walter!« Doch wenn Jenö ihm seine Aufmerksamkeit schenkte, war es, als würden tausend Lampen den Raum erhellen. Dabei schien Jenö sich oft zu fragen, wieso ausgerechnet er zum Schwarm dieses hochgewachsenen Westfalen geworden war. Ich wusste nicht mal, ob Jenö auf Frauen oder Männer stand. (Aber wie gerne hätte ich meinen Eltern die Unerhörtheit eines schwulen Liebespaars am Bauhaus unter die Nase gerieben!)
Walter war nicht im klassischen Sinne attraktiv, aber er hatte etwas Nobles. Man konnte ihn sich gut auf einem dieser Ölgemälde von preußischen Jägern mit ihren Hunden vorstellen, den Mund verkniffen vor lauter Reichtum und Missfallen. Und tatsächlich gehörte er dem Adel an, wenn auch dem verarmten, und war über siebzehn Ecken mit Friedrich dem Großen verwandt. Er trug eine Brille mit runden Gläsern und hatte sinnliche Lippen und sehr bewegliche Nasenflügel. Sein Haar war beneidenswert üppig, und mit dem dunklen Hautton sah er aus wie ein Italiener. In seiner Miene lag das Herrscherbewusstsein von Generationen, er betrachtete die Welt wertend, als wäre sie ein Pferd. Und zugleich sah man ihm die Armut seiner Kindheit an. Ich genoss seine Gesellschaft sehr, und wenn ich nicht mit Charlotte zusammen war, dann fand man mich in diesem Winter bei Walter.
Er hatte etwas Verführerisches an sich, insbesondere an der Seite von Jenö, der im Gegensatz zu ihm schlicht wie ein Schrank wirkte. Jenö war ganz Masse, es gab keinen einzigen schlanken Körperteil an ihm. Umso erstaunlicher war es, dass er Drachen baute, die fein wie Schmetterlingsflügel waren, und zierliche Skulpturen aus Dingen, die er im Müll fand: Topfdeckel, Zahnräder, ein Kinderschuh. Sein Gesicht war symmetrisch, was ihm etwas Friedfertiges, aber auch ein wenig Beschränktes verlieh. Ich fand seinen Blick nichtssagend, andere hielten ihn für geheimnisvoll. Doch im Grunde spricht hier nur der Neid. Jenös Geist, das muss ich zugeben, war ein Labyrinth.
Nein, ich hatte nie verstanden, was andere an Jenö fanden, obwohl viele der Bauhaus-Frauen ihn sehr mochten. Andererseits mochten auch viele der Bauhaus-Frauen mich, was mich sehr überraschte. Mit einem Mal befand ich mich in der ungewöhnlichen Situation, dass ich Verabredungen zum Kaffee oder dergleichen absagen musste, wenn ich merkte, dass dahinter ein romantisches Interesse stand. Irmi zog mich auf, ich sei der Herzensbrecher des Bauhauses, war aber der Meinung, das sei nicht der schlechteste Ruf.
Charlotte und ich, Walter und Jenö, Irmi und Kaspar. Wobei ich zwischen Kaspar und Irmi nichts anderes als Freundschaft entdecken konnte, aber am Bauhaus schloss auch eine Freundschaft Küsse und Zärtlichkeiten ein. Wir alle liebten einander.
Gott, waren wir glücklich.
Charlotte war eine wahre Künstlerin, eine nahezu vollkommene Bauhäuslerin. Sie konnte Wolkenkratzer aus Papier machen, mit Ziehharmonikaböden und veränderlicher Tiefe. Sie konnte mit allem arbeiten, was sie irgendwo fand, baute aus Haarnetzen und Rohrstücken ausgefallene Skulpturen. Meistens warf sie sie hinterher weg. Einige fischte ich aus dem Abfall und nahm sie mit in mein Zimmer. Sie grinste spöttisch, wenn sie sie später über meinem Bett hängen sah wie bizarre Totems.
Doch durch alles, was Charlotte am Webstuhl hervorbrachte, schimmerte Frustration (es war fast eine Erleichterung festzustellen, dass sie nicht perfekt war). Ihre Webarbeiten schienen nicht aus Wolle zu bestehen, sondern aus Rosshaar und Zwirn. In ihren Stoffen waren Knoten und Knubbel, gestauchte und zum Zerreißen gespannte Fäden. »Frauenarbeit«, schimpfte sie. »Mit Nadel und Faden hat noch nie jemand was erreicht.« Offensichtlich ärgerte es sie, dass sie auf diesem Gebiet so schlecht war.
Jenö war ein genialer Bildhauer, Kaspar und Walter bauten großartige Dinge in der Metallwerkstatt, und Irmi war, genau wie Charlotte, in fast allem gut. Ich war enttäuscht, dass ich am Bauhaus nicht malen konnte, denn das war meine Stärke, aber die Malerei galt als altmodisch und uninteressant. In diesem ersten Jahr hatte ich nie die Chance zu zeigen, worin ich wirklich gut war.
Charlotte meinte, das hätte nichts zu bedeuten – und das nach einem Tag, an dem sie so produktiv war, dass sogar Meister Itten sie ermahnte, langsamer zu machen (obwohl er ihre stetig wachsende Sammlung von Skulpturen mit stillem Staunen musterte). Sie baute Kathedralen aus Papier und kleine Laternen mit Fenstern und Kammern im Innern. Ich bestaunte ihre Arbeiten und warf meine ins Feuer.
An diesem Abend gingen wir in den Schwan. »Du hast das Talent, mit dem man Geld verdienen kann«, sagte Charlotte, als wir uns an die Theke setzten. Ihre Finger waren voller Schnitte vom Papier. »Wer braucht denn schon Steinmetze oder Weber? Die Malerei hingegen kommt nie aus der Mode.«
»Aber muss ich denn nicht jetzt zeigen, was ich kann?«
»Wir wollen alle weiter sein, als wir sind.«
Im Schwan waren immer auch ein paar Einheimische, aber man tolerierte sich gegenseitig. Der Schankraum war eine dunkle Höhle, die Tische voller eingeritzter Initialen, die Luft staubig von den durchgesessenen Polstern, und es roch nach Malz und Früchten. Wir liebten diesen Ort.
»Aber wie soll ich mich denn beweisen, wenn ich nie malen darf? Du hast es gut. Was du heute geschafft hast! Ich habe bloß eine Laterne zusammengebastelt, und du hast Manhattan gebaut.«
»Vielleicht geht es dem Meister gar nicht darum, beeindruckt zu werden. Vielleicht ist ihm das gar nicht wichtig.«
»Von Willem war er beeindruckt.«
»Weil er Löcher ins Papier gebohrt hat? Das war doch nur Show.« Charlotte drehte ihr Glas im Kreis, dann trank sie ihr Bier. »Du willst, dass alles schön ist. Weil du dann nicht scheitern kannst.«
»Ja, ich weiß, das hat man mir schon öfter gesagt.«
»Aber offenbar hörst du nicht zu«, sagte sie und zupfte an meinem Ohrläppchen. »Wie kommt es«, fragte sie und sah mich forschend an, »dass du mit achtzehn schon so ein müder alter Hund bist?«
Draußen schwankten die Bäume im Februarwind, der unter der Tür hindurchpfiff. Ein Stück Zeitungspapier wurde gegen die Butzenscheiben geweht und flog dann davon. Schon vor Wochen war der Brunnen zugefroren, und die Münzen darin waren durch die Eisschicht unsichtbar geworden.
»Kann ich dem Krieg die Schuld geben?«
»Natürlich nicht.«
»Entschuldigen Sie«, sagte eine Männerstimme. Ich drehte mich um. Hinter mir an der Theke saß ein ziemlich dicker Mann mit Glatze. Die Finger, mit denen er sein Glas hielt, waren so breit und stumpf, dass sie aussahen wie abgesägt. Er trug einen langen Kittel, der bis über den Sitz seines Hockers hing; so einen hatte mein Vater immer bei der Arbeit an.
»Ja?«
Er stand auf, und seine Größe überraschte mich, im Sitzen hatte er eher untersetzt gewirkt. »Ich habe zufällig Ihr Gespräch mit angehört, und ich hätte da vielleicht eine Idee. Ich habe ein Atelier, draußen am Ettersberg, in einer alten Tischlerwerkstatt.«
»Das ist schön«, sagte ich, weil mir nichts Besseres einfiel.
»Wir malen großformatige Ölgemälde auf Bestellung. Vor allem Landschaften. Aber auch allegorische und mythologische Szenen. Der Kunde sagt, was er haben will, und wir malen es. Wiesen, Bauernhäuser, Schafe, Mädchen und so weiter.«
»Aha. Blut und Boden und so?«, fragte Charlotte.
»Nein«, erwiderte er und warf ihr einen abschätzigen Blick zu. »Was der Kunde will. Die Plünderung Trojas zum Beispiel oder die preußischen Ebenen bei Sonnenaufgang.« Er gab mir seine Karte. »Sie sagten, am Bauhaus hätten Sie keine Gelegenheit zu malen. Nun, wenn Sie malen und sogar noch Geld dafür kriegen wollen, dann kommen Sie in mein Atelier. Sie sind jederzeit willkommen.« Der Mann musterte mich von Kopf bis Fuß, als wollte er für eine Uniform Maß nehmen. »Einem guten Maler zahle ich einen anständigen Lohn.«
»Was heißt das genau?«
»Tausende. Zehntausende. Je nachdem, was der Tag mit dem Geld macht. Sie können es ja mal mit einer Nachtschicht versuchen, so verpassen Sie Ihren Unterricht nicht.«
Laut der Adresse auf der Karte lag sein Atelier im Wald, nicht weit von der Stadt entfernt, an der Straße Richtung Westen.
»Probieren Sie’s aus. Falls es Sie interessiert.« Er hob die Hand an die Stirn, als wollte er sich an die Mütze tippen, dann ging er zu einem Tisch, an dem mehrere Männer in Overalls saßen.
»Tu’s nicht«, sagte Charlotte warnend, sobald er außer Hörweite war. »Das lenkt dich nur ab.«
»Aber zehntausend? Stell dir das mal vor.«
»Die Plünderung Trojas, Sonnenaufgang über der preußischen Ebene? Das macht alles kaputt, was der Meister uns am Bauhaus beibringt.«
»Ich würde ja nur am Wochenende dort arbeiten.«
»Brauchst du das Geld so dringend?«
»Ich fände es schön, wenn ich nicht von meinen Eltern abhängig wäre.«
Charlotte legte die Hand auf meinen Kopf und drehte sie, als wollte sie mir etwas ins Hirn schrauben. »Die große Suche nach Klarheit, und dann willst du völkische Ölschinken malen!«
Sie schnalzte missbilligend mit der Zunge, ich grinste.
»Das ist keine gute Idee«, sagte sie. »Und das weißt du auch.«
Während Charlotte noch zwei Bier bestellte, spürte ich den Blick des Mannes in meinem Rücken. Ich fragte mich, ob er darauf wartete, dass ich zu ihm ging und ja sagte. Als ich mich schließlich umdrehte, überraschte es mich nicht, dass er direkt zu mir herübersah. Mit seinem kahlen Schädel und den großen Augen sah er aus wie ein Hund. Am Hals hatte er einen tätowierten Anker. Vielleicht war er während des Krieges auf See gewesen. Ich konnte ihn mir gut als Matrose vorstellen oder als Kapitän eines großen Schiffes. Ich drehte die Visitenkarte um. Auf der anderen Seite stand in schwarzer Fraktur sein Name: Ernst Steiner.
Eine Zeitlang vergaß ich Steiners Einladung. Mein Vater hatte das Schulgeld für das Frühjahrssemester bezahlt, und damit war die Geldnot erst einmal gebannt. Doch als ich ein paar Wochen später das Durcheinander auf meinen Schreibtisch aufräumte, fand ich die Visitenkarte wieder. Ich betrachtete sie eine Weile, überlegte, was sie für mich bedeutete, und dachte an Charlottes Warnung. Die Karte war cremeweiß, dick und teuer, die Schrift war zwar altmodisch, aber geprägt. Seine Kundschaft musste in der Tat wohlhabend sein.
Der Mann war mir nicht sonderlich sympathisch gewesen, aber sein Geld könnte sich auf lange Sicht als hilfreich erweisen. Wenn es eine Möglichkeit gab, meine Eltern nicht länger um das Schulgeld zu bitten, musste ich sie ergreifen.
Doch wenn ich ehrlich bin, ging es mir nicht nur um das Geld. Wäre es nicht schön, dachte ich, wenn jemand mein Talent und meine Fähigkeiten bewunderte? (Wie schuljungenhaft, von jemandem wie Ernst Steiner hören zu wollen, dass ich gut genug war!)
Die Bäume zeigten bereits erste grüne Spitzen, als wir an einem warmen Tag Ende März zum Zelten zu unserem Lieblingsplatz fuhren, einer kleinen Lichtung im Wald. Nachts war es dort ein wenig unheimlich, aber tagsüber war sie unser Königreich. Sie lag nicht weit von der Goethe-Eiche entfernt, deren Krone so gewaltig war, dass im Sommer die gesamte Studentenschaft des Bauhauses darunter Schatten gefunden hätte.
Wir fuhren alle sechs nach dem Unterricht dorthin. Auch wenn es wie ein Klischee klingt: Mit dem Rad durch die Straßen der Stadt zu fahren und dann hinauf in den Wald fühlte sich an wie fliegen. Zwischen den Buchenreihen öffneten sich immer wieder Wege, und es sah aus wie auf den Fotografien von Manhattan, die ich gesehen hatte: Straßenschluchten zwischen Wolkenkratzern, die sich nach hinten verjüngten. Eine Weile konnte ich mir einbilden, ich wäre ein New Yorker Taxi, das sich durch das Straßennetz fädelte, und der Wald eine Großstadt, erfüllt vom Geruch nach gebratenen Zwiebeln und der Luft aus den U-Bahn-Schächten.
Es wäre kein großer Umweg, dachte ich, beim Atelier vorbeizufahren und zu fragen, ob ich eine oder zwei Probeschichten machen könnte.
Von meinem Rad sah ich, wie Walter mich angrinste und Charlotte ebenfalls. Jenö war schon ein gutes Stück vor uns. In dem Augenblick liebte ich meine Freunde, ihre Gesichter, auf denen die vorbeiflirrenden Schatten der Bäume spielten, ihr Haar, das im Sonnenlicht schimmerte. Es gab Geschichten von Pilgern, die in den Wald gegangen waren, um den Beginn des Frühlings zu feiern, und diese Feste hatten in wilden Orgien geendet. Unser heiliger Trupp bestand zwar nur aus sechs Leuten, aber hoffen durfte man ja.
Die mächtigen Buchen im Wald loderten gen Himmel wie ein Feuer, kirschrot, zartgrün und rostbraun. Ihre Rinde war so weich, dass man mit einer Münze seinen Namen hineinritzen konnte. Im Herbst leuchtete der Wald in allen Goldtönen, und im letzten Licht der Abendsonne schimmerten die Buchen manchmal violett, blau oder purpurn. Im Winter knarrten die Äste im Wind, aber im Sommer ließ er die Blätter sirren, als stünde der Wald unter Strom.
An der Abzweigung sagte ich den anderen, ich würde nachkommen. Charlotte warf mir einen Blick zu, sagte aber nichts.
Ernst Steiners Atelier befand sich am Waldrand, ein Stück von der Straße zurückgesetzt. Als ich mit dem Rad über den Kiesweg fuhr, sah ich Steiner zu meiner Überraschung auf den Eingangsstufen der großen Holzhütte sitzen. Er hatte wieder den Arbeitskittel an und säuberte etwas mit einem alten Lappen. Im ersten Moment erkannte er mich offenbar nicht, doch dann breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus. »Ah, Sie sind’s!«
Wieder fiel mir auf, wie massig sein Schädel war und vollkommen haarlos, wie bei einem Baby. »Ich komme wegen der Stelle«, sagte ich unsicher. Ich fragte mich, ob er wohl meinen Zeichenblock sehen wollte; ich hatte extra ein paar dottergelbe Sonnenuntergänge und kugelige Schafe gemalt. Er würde mich doch bestimmt nicht einfach drauflos malen lassen, ohne sich vorher meine Arbeit angeschaut zu haben.
»Ich dachte, Ihre Freundin hätte Ihnen davon abgeraten hierherzukommen.«
»Ich könnte das Geld gut gebrauchen«, erwiderte ich und ärgerte mich sofort. Ich wollte nicht zu gierig wirken. »Und ich würde gerne malen.«
Steiner warf den Lappen weg und bedeutete mir, ihm zu folgen. Er öffnete die Tür, und wir betraten einen großen Raum, in dem lauter Männer in Overalls – Frauen gab es hier nicht – gleichzeitig an mehreren Bildern arbeiteten: grellbunte Ölschinken, die, wie Steiner mir erklärte, bei amerikanischen Sammlern und preußischen Junkern großen Anklang fanden. Überall lagen Sägespäne, und die Fenster waren stumpf vor Staub. Als wir in sein Büro gingen, kamen wir an zwei Männern vorbei, die gerade eine besonders kitschige Szene malten: Frauen, die, beschienen von geradezu kindlichen Sonnenstrahlen, im goldenen Wasser eines Flusses pummelige Babys badeten.
»Die sind gut, nicht wahr?«, sagte Steiner grinsend.
Ich wusste nicht, was ich darauf erwidern sollte. Das Bild war scheußlich, aber wer Kitsch mochte, fand es wahrscheinlich schön. Auch in seinem Büro gab es nichts, was auf wirkliche Kunst hinwies, nur Aktenordner und Hauptbücher. Wir hätten ebenso gut in der Schuhfabrik meines Vaters stehen können.
Steiner schlug ein großes Notizbuch auf und zeigte mir eine Skizze von einem Teich, an dem sich mehrere Frauen entkleideten, um zu baden. Es war genauso geschmacklos wie das Zeug, das bei meinen Eltern an den Wänden hing.
»Können Sie morgen kommen? Dann holt der Kurier es ab.«
»Aber das ist doch nur eine Skizze!«
»Drei Männer in Nachtschicht, und Sie machen morgen den Rest. Das ist im Nullkommanichts fertig.«
Ich willigte ein, obwohl ich seinen Optimismus, was den Zeitplan anging, nicht nachvollziehen konnte.
»Was ist Ihre Spezialität?«, fragte er, und sein Blick wanderte zu meinem Mund.
Ich wusste nicht, was er hören wollte, doch dann fiel mir etwas ein, das ein Lehrer mir mal gesagt hatte. »Ich bin gut mit Licht.«
»Na, das passt doch. Wie heißen Sie eigentlich?«
»Paul Beckermann.«
Mit ausladender Handschrift schrieb er meinen Namen auf die Fläche, die, wie mir inzwischen klar war, der golden leuchtende Morgenhimmel werden sollte. »Dann«, sagte er grinsend, »gehört all das Ihnen.«
Ich brauchte nicht lange, um vom Atelier zur Lichtung zu radeln. Von hier oben konnte ich kilometerweit über die samtigen Felder Thüringens blicken. Zu meinen Füßen lag Weimar, und direkt hinter dem Bauhaus verwandelte die Stadt sich wieder in Grün.
Im Wald war es immer kühler als in der Stadt, und ich fand meine Freunde an einem Lagerfeuer vor. Walter pflückte Laub von Jenös Schuhsohlen, und Charlotte unterhielt sich mit Irmi, die gerade in ein Zimmer ihr gegenüber am Fürstenplatz gezogen war.
Von der anstrengenden Fahrt bergauf war mir ein wenig schwindelig. Die Bäume verschwammen vor meinen Augen, aber die Flammen des Feuers waren so deutlich zu erkennen, als hätte ein Kind einen Rand um sie gemalt. Ich konzentrierte meinen Blick darauf, um mein Gleichgewicht wiederzufinden, doch dann sah ich im Feuer einen Schwarm Krähen, der sich ausbreitete und wieder hineingesogen wurde. Ich nahm meinen eigenen Geruch wahr, er war stechend und animalisch.
»Wo ist Kaspar?«, fragte ich.
»Wieder umgekehrt«, sagte Walter und tätschelte seinen Bauch. »Der Ärmste hat die Steigung nicht geschafft. Wo warst du?«
»Ich hatte noch was zu erledigen.«
Drei Zelte waren bereits rund um das Feuer aufgebaut. Ich fragte mich, mit wem ich mir eins teilen würde. Wahrscheinlich mit Walter; Jenö allein und die beiden Frauen zusammen.
»Wie geheimnisvoll«, sagte Irmi.
»Nicht unbedingt«, entgegnete Charlotte.
Ich holte Steiners Visitenkarte heraus und warf sie ins Feuer. Charlotte lächelte, aber wir wussten beide, dass es nur eine Geste war.
»Und, wie gefiel dir die Flusslichtung im Abendrot?«, fragte Walter, und die anderen lachten.
Alle wussten also bereits Bescheid. »Schon gut, schon gut, ich geb’s ja zu, ich bin ein unverbesserlicher Romantiker.«
»Charlotte meint, dich würde womöglich der ›Imitationsimpuls‹ überkommen.«
»Klingt ansteckend«, sagte Jenö. »Wie die Grippe.«
»Es sind bloß Ölschinken, und dafür gibt’s einen Haufen Geld. Ihr werdet mich noch beneiden, wenn ich demnächst in meinem eigenen Auto durch die Stadt fahre.«
»Ich finde das nicht weiter schlimm«, meinte Irmi. »Warum denn nicht? Vor allem wenn es so leicht verdientes Geld ist.«
»Bald kann er uns dann porträtieren«, spottete Charlotte. »Ich sehe es schon vor mir, wie die Ahnengalerie in einem alten Schloss.«
»Der Erste, der nett zu mir ist, bekommt ein Geschenk.«
»Und das wäre?«, fragte Jenö.
»Ich werde nett zu dir sein«, sagte Irmi.
»Dann wirst du das Erlesenste bekommen, was man von Steiners Geld kaufen kann: Champagner, italienische Trüffel, neue Kleider und Schuhe.«
Irmi lachte. Während wir uns unterhielten, rückte sie näher an mich heran. Ihr Haar war zu einem komplizierten Zopf geflochten, der ihr über die Schulter hing. Sie hatte ein breites Lächeln und kleine Zähne mit einem etwas dunkleren Rand. Ihre grauen Augen waren wechselhaft wie das Wetter, ganz anders als Charlottes unergründlicher Blick. Walter hatte die beiden mal wenig schmeichelhaft als »Granit und Kristall« bezeichnet, allerdings hatte ich nie erfahren, wem er welches Material zuordnete.
Als es dunkel wurde, erzählte Jenö eine Geistergeschichte. Sie war eher für Kinder gedacht und relativ harmlos, es ging darin um einen Jungen, der allein im Wald lebte und jeden hereinließ, der klopfte und ihn als seinen Sohn bezeichnete, auch den Mann mit der Axt. Ich beobachtete Charlotte, während sie zuhörte, ihre Miene zeigte keinerlei Regung. Ich stellte mir vor, wie sie genauso konzentriert in der Oper in Prag saß oder die lebenden Modelle an der Karls-Universität studierte. Hatte irgendjemand anders sie je so geliebt, wie ich sie liebte? Ich glaubte nicht, dass das möglich war.
»Wusstet ihr«, sagte Walter, als Jenö geendet hatte, »dass der Geist von Charlotte von Stein hier im Wald umgeht?«
»Unsinn«, sagte Irmi.
»Doch, das stimmt«, entgegnete Walter. »Sie und Goethe sind damals oft hier im Wald spazieren gegangen. Sie war verheiratet, aber ihr Mann war viel auf Reisen, sodass sie sich mit Goethe treffen konnte, so oft sie wollte. Sie begegneten sich im Ilmpark, und er verliebte sich auf der Stelle in sie.«
Das Gefühl kannte ich: Charlotte und Charlotte, Goethe und ich, wir alle frisch verliebt im Park an der Ilm.
»Charlotte las seine Gedichte und gab ihm Anregungen. Er lobte sie für ihren wachen Blick und ihre Einfühlsamkeit. Sie waren enge Freunde, vielleicht auch Geliebte. Auf jeden Fall liebte sie ihn mehr, als sie ihren Mann je geliebt hat. Keine ihrer vier Töchter hatte überlebt, und sie sagte, mit ihm durch diesen Wald zu spazieren spende ihr Trost. Goethe hätte ihr kein ernsthafterer, treuerer Freund sein können, und er bezeichnete sie als seine Seele. Wenn man ihre Briefe liest … Sie sind so voller Zuneigung, dass man ihre Kraft auf jeder Seite spürt.«
Walter nahm seine Brille ab, putzte sie mit einem Taschentuch und blinzelte, bevor er sie wieder aufsetzte. Er bemerkte meinen Blick und lächelte, fuhr dann jedoch in ernstem Ton fort: »Eines Tages fuhr Goethe einfach weg, ohne Charlotte etwas davon zu sagen. Er schrieb ihr aus Venedig, erklärte ihr, er conditio humana