Foto: Nina Subin
Tracy Chevalier, geboren 1962, wuchs in Washington D.C. auf. Sie studierte Englisch und arbeitete als Lektorin. Heute lebt sie mit ihrer Familie in London. Ihr zweiter Roman Das Mädchen mit dem Perlenohrring, erstmal 1999 erschienen, wurde in 39 Sprachen übersetzt und erfolgreich verfilmt. Violet ist ihr neunter Roman.
Die Übersetzerin
Anne Rademacher arbeitete lange als Verlagslektorin und ist heute Geschäftsführerin einer Stiftung. In ihrer Freizeit übersetzt sie aus dem Englischen, zuletzt Autorinnen wie Helen Hodgman, Jo Baker und Xiaolu Guo.
Für Morag
»Psst!«
Violet Speedwell blickte irritiert auf. Wieso »Psst«? – sie hatte doch gar nichts gesagt.
Im Mittelgang hatte sich eine Frau mit grauem Haarhelm aufgebaut und versperrte ihr den Weg zum Chor, dem Teil der Kathedrale von Winchester, den Violet am liebsten mochte. Er war das Zentrum des Kirchengebäudes, von dessen unterer Seite sich das Langhaus erstreckte, während oberhalb Altarraum und Retrochor abgingen. Rechts und links vervollständigten die beiden kurzen Arme des nördlichen und südlichen Querschiffs die kreuzförmige Anlage des Bauwerks. An allen anderen Teilen der Kathedrale fand Violet etwas auszusetzen: Das Langhaus war ihr zu gigantisch, in den Seitenschiffen zog es, die Querschiffe waren düster, die Kapellen zu Ehrfurcht gebietend und der Retrochor zu einsam. Der Chorraum mit seiner tieferen Decke und dem geschnitzten Chorgestühl kam ihr dagegen in seinen Dimensionen menschlicher vor. Er war prachtvoll, aber nicht pompös.
Violet blickte neugierig über die Schulter der Ordnerin. In den Reihen des Chorgestühls und auf den Plätzen im angrenzenden Altarraum schienen fast nur Frauen zu sitzen, und zwar deutlich mehr, als Violet an einem ganz normalen Donnerstagnachmittag erwartet hätte. Anscheinend fand ein besonderer Gottesdienst statt. Es war der 19. Mai 1932, der Sankt-Dunstans-Tag. Dunstan war der Patron der Goldschmiede und eine Legende, weil er den Teufel mit einer Zange verjagt hatte. Aber das konnte kaum der Grund dafür sein, dass an diesem Tag so viele Frauen in der Kathedrale waren.
Violet musterte die Kirchgängerinnen in ihrem Blickfeld. Frauen betrachteten andere Frauen immer sehr genau, ihr Blick war kritischer als der eines jeden Mannes. Männer sahen weder Laufmaschen in Strümpfen noch Lippenstiftflecken auf den Zähnen. Ihnen fiel nicht auf, dass ein Haarschnitt schon lange rausgewachsen war, ein Rock sich unvorteilhaft über den Hüften spannte oder Ohrringe ein wenig zu billig wirkten. Violet jedoch registrierte noch das kleinste Detail, war sich andererseits aber sehr wohl ihrer eigenen Mängel bewusst. An sichtbaren Unzulänglichkeiten hatte sie einiges beizusteuern: feines glattes Haar, das sich für keine Farbe entscheiden konnte; schmale hängende Schultern, die vielleicht im viktorianischen Zeitalter ein Schönheitsideal gewesen sein mochten; tiefliegende Augen, deren blaue Farbe kaum zu sehen war; eine Nase, die dauernd rot anlief, etwa wenn es ihr zu warm wurde oder sie nur einen winzigen Schluck Sherry getrunken hatte. Niemand, weder Mann noch Frau, musste Violet auf ihre Schwachstellen hinweisen.
Wie die Ordnerin waren die meisten Frauen im Chorgestühl und im Altarraum älter als Violet. Alle trugen Hüte, und viele hatten sich ihre Mäntel über die Schultern gezogen. Obwohl draußen mittlerweile recht angenehme Temperaturen herrschten, war es in der Kathedrale immer noch kalt, aber das war normal. In Kirchen und Kathedralen blieb es selbst im Hochsommer kühl, denn die dicken Steinmauern speicherten die Wärme nicht. So war es für die Gottesdienstbesucher immer ein wenig ungemütlich, und sie blieben wach und aufmerksam. Gut möglich, dass es genauso sein sollte, weil zu viel Gemütlichkeit dem ernsthaften Gebet nicht förderlich war. Was für ein Architekt wäre Gott wohl gewesen?, überlegte Violet. Ein alttestamentarischer der Steinplatten oder ein neutestamentarischer, der weiche Teppiche und Stoffe bevorzugte?
Jetzt begannen die Frauen zu singen: »All ye who seek a rest above – Die ihr im Himmel Zuflucht sucht«. Sie klangen kriegerisch, wie ein Regiment, das sich seiner Schlagkraft bewusst war. Violet war sich sicher, eine feste Gruppe vor sich zu haben. Ein unsichtbares Netz spannte sich um die Frauen und verband sie in einem unbekannten gemeinsamen Anliegen. Es schien sogar einen Kommandostab zu geben: Zwei Frauen, die auf einer Seite des Chorgestühls in der ersten Reihe saßen, waren eindeutig die Befehlshaberinnen dieser Gruppe. Die eine lächelte, die andere blickte streng. Die strenge Frau sah sich beim Singen um, als würde sie auf einer Liste in ihrem Kopf abhaken, wer anwesend war, wessen Stimme zu laut und wessen Stimme zu leise war, welche Frau sie später wegen mangelnder Aufmerksamkeit tadeln musste und wer die herablassende Andeutung eines Lobs bekommen würde. Violet fühlte sich in ihre Schulzeit zurückversetzt.
»Wer sind …«
»Psst!« Die Ordnerin wirkte noch empörter. »Sie müssen leider warten.« Ihre Ermahnung war lauter gewesen als Violets leise hervorgebrachte Frage. Einige Frauen in der Nähe blickten sich zu ihnen um, was die Ordnerin nur noch mehr anstachelte. »Wir feiern die Segnung von Stickarbeiten«, zischte sie. »Touristen sind dabei nicht zugelassen.«
Violet kannte solche Wachhundtypen. Sie kamen ihrer Aufgabe mit einem Übereifer nach, der in keinem Verhältnis zur Sache stand. Vor dem Dekan und dem Bischof würde diese Ordnerin mit einem unterwürfigen Lächeln buckeln, alle anderen Menschen wurden von ihr wie Bauerntrampel behandelt.
Vom abgelegenen Retrochor am Ostende der Kathedrale her näherte sich ihnen ein älterer Mann. Dankbar für die Unterbrechung wandte Violet sich zu ihm um und registrierte weißes Haar und einen weißen Schnurrbart. Dem Gang des Mannes fehlte bei aller Entschlossenheit der jugendliche Schwung, sodass Violet unwillkürlich versuchte, sein Alter einzuschätzen. Eine alte Angewohnheit von ihr – so machte sie es bei den meisten Männern. Dieser hier war Ende fünfzig oder Anfang sechzig. Abzüglich der achtzehn Jahre, die seit 1914 vergangen waren, musste er bei Kriegsbeginn schon Anfang vierzig gewesen sein. Wahrscheinlich war er nicht eingezogen worden, oder erst gegen Kriegsende, als die jungen Rekruten ausgingen. Aber vielleicht hatte er einen Sohn, der an der Front gekämpft hatte.
Als der Mann auf ihrer Höhe war, richtete die Ordnerin sich auf, eindeutig bereit, ihr Territorium auch gegen diesen Eindringling zu verteidigen. Doch der Mann ging an ihnen vorbei, ohne sie eines besonderen Blickes zu würdigen, und lief die Treppe ins südliche Querschiff hinab. War er auf dem Weg zum Ausgang, oder würde er zur kleinen Fischerkapelle mit dem Grab von Izaak Walton abbiegen? Auch Violet war auf dem Weg zur Kapelle gewesen, bevor der besondere Gottesdienst ihre Neugierde geweckt hatte.
Die Ordnerin verließ ihren Posten im Mittelgang, um dem Mann hinterherzublicken. Violet nutzte die Gelegenheit und schlüpfte in den Chor, wo sie sich auf den nächstbesten Platz setzte. Genau in dem Moment stieg der Dekan auf die Kanzel, die sich über dem linken Ende des Chorgestühls erhob. »Der Herr sei mit euch.«
»Und mit deinem Geiste«, erwiderten die Frauen in leierndem Gebetston.
»Lasset uns beten.«
Als Violet wie die anderen Frauen den Kopf senkte, bohrte sich ein Finger in ihre Schulter. Sie ignorierte ihn. Wollte die Ordnerin sie allen Ernstes im Gebet unterbrechen?
»Allmächtiger Gott, seit alters befiehlst Du uns, Deine Heiligtümer zu schmücken. Mit Schönheit und erlesener Handwerkskunst wollen wir Deinen Namen preisen und die Seelen der Gläubigen erquicken. Wir bitten Dich, nimm diese Gaben aus unseren Händen an und gewähre uns Deinen Segen, lass uns auch weiterhin in Deinem Dienste stehen, für Jesus Christus, unsern Herrn, amen.«
Violet sah sich um. Wie das Chorgestühl waren auch die Stuhlreihen im Altarraum nicht nach vorne zum Hochaltar ausgerichtet, sondern zur Raummitte, sodass sich die Frauen gegenübersaßen. Hinter ihnen erhob sich eine steinerne, mit filigranen Bögen und Schnörkeln geschmückte Chorschranke, auf deren Sims steinerne Reliquientruhen mit den Gebeinen von Bischöfen, Königinnen und Königen standen. Leider waren die Gebeine im Bürgerkrieg durcheinandergeraten. Es hieß, die Anhänger Cromwells hätten die Truhen aufgebrochen und mit den Knochen um sich geworfen. Bei der offiziellen Besichtigungstour, an der Violet einmal pflichtschuldig teilgenommen hatte, erzählte der Führer, die Soldaten hätten das große Buntglas-Westfenster der Kathedrale mit Oberschenkelknochen zerschmettert. Als Charles II. im Jahr 1660 wieder an die Macht kam, wurde das Fenster neu zusammengesetzt, aber anscheinend hatte sich dabei niemand besonders viel Mühe gegeben, die biblischen Szenen des Originals wiederherzustellen. Obwohl die Scherben scheinbar ohne System nebeneinandergesetzt worden waren, machte das Fenster einen überraschend harmonischen Eindruck. Auch die Reliquientruhen über Violets Kopf standen so felsenfest und wie für die Ewigkeit gemacht in Reih und Glied, als wäre es nie anders gewesen. Doch so fest und unverwüstlich die Kathedrale auch wirken mochte, Teile von ihr waren im Laufe der Geschichte immer wieder zerstört und neu zusammengesetzt worden.
Kaum vorstellbar, dass in diesem gewaltigen, altehrwürdigen Kirchengebäude, in dem gerade andächtig das Vaterunser gesprochen wurde, so ungeheure Dinge geschehen waren. Andererseits – wer hätte sich vorstellen können, dass das gute alte England einmal mit Deutschland Krieg führen und so viele Männer in den Tod schicken würde? Nach dem Krieg hatten sie das Land dann neu aufgebaut. Wie das große Westfenster der Kathedrale war es trotzig wieder zusammengesetzt worden, doch es war nicht mehr dasselbe, der Schaden war geschehen.
»Herr, unser Gott. Im Glauben an Jesus Christus weihen wir diese Gaben zum Lobpreis Deines Namens«, deklamierte der Dekan und deutete auf den Hochaltar. Violet reckte den Hals, um zu sehen, von welchen Gaben die Rede war, und musste ein Lachen unterdrücken. Auf den Altarstufen reihten sich fein säuberlich aneinandergelegt Dutzende von Kniekissen.
Aber eigentlich gab es da nichts zu lachen, denn auch Violet war als Kind in St Michael, der Kirche, die ihre Familie in Southampton besuchte, immer dankbar für die bilderbuchgroßen rechteckigen Lederkissen gewesen. Obwohl die Kissen sich im Laufe der Jahre unter der Last der vielen Knie in harte dünne Bretter verwandelt hatten, waren sie wenigstens nicht so kalt wie der Steinboden. Dass sie aber gesegnet werden mussten, war Violet neu. Und doch schien genau dies der Anlass für diesen seltsamen Gottesdienst zu sein.
Violet schaute auf ihre Uhr. Mit dem stillschweigenden Einverständnis, dass sie unterwegs noch einen Kaffee trinken würde, hatte sie das Büro verlassen, um ein neues Farbband für die Schreibmaschine zu kaufen. Doch sie hatte die Fischerkapelle der Kathedrale einem Kaffee vorgezogen. Ihr Vater war ein begeisterter Angler gewesen. Auf seinem Nachttisch hatte immer Izaak Waltons Buch Der vollkommene Angler gelegen, auch wenn Violet ihn nie darin hatte lesen sehen. Nun war sie gar nicht bis zur Kapelle gekommen und fragte sich, ob Kniekissen eine Verspätung wert waren.
Als das Gebet zu Ende war, spürte sie ein Klopfen auf der Schulter. Mochte der Gottesdienst auch länger dauern als eine Kaffeepause oder eine kleine Wallfahrt zu Walton, Violet hatte nicht vor, sich von dieser Frau einschüchtern zu lassen. »Ich bin zum Gottesdienst gekommen«, flüsterte sie, bevor die Ordnerin etwas sagen konnte.
Die Frau wirkte verunsichert. »Gehören Sie zu den Broderinnen? Ich habe Sie noch nie bei einem Treffen gesehen.«
Broderinnen? Violet hatte das Wort noch nie gehört und keine Vorstellung, was es bedeuten könnte. »Ich bin neu hier«, improvisierte sie.
»Aber der Gottesdienst ist nur für die Broderinnen, die bereits etwas beigetragen haben. Sie müssen bis zum nächsten Segnungsgottesdienst im Oktober warten. Bis dahin werden Sie ein ordentliches Mitglied sein und eigene Arbeiten beigesteuert haben.«
Womöglich hätte Violet an diesem Punkt akzeptiert, dass sie hier nichts zu suchen hatte. Es wäre ohnehin besser, wenn sie endlich das Farbband kaufen ging, um noch einigermaßen pünktlich zurück ins Büro zu kommen. Außerdem waren Gottesdienste selbst in einer so großartigen Kathedrale wie der von Winchester meist langweilige Angelegenheiten. Sie hatte sich schon erhoben und wollte gehen, als die Ordnerin auf ihre linke Hand schaute. Violet kannte den Blick und wusste genau, was die Frau jetzt dachte: kein Ehering. Unwillkürlich musste sie selbst auf die linke Hand der Frau schauen. Natürlich trug sie einen Ehering.
Violet atmete tief durch. »Man hat mir gesagt, ich solle vorbeikommen.« Wie immer, wenn sie rebellierte, ob nun in großem oder kleinem Stil, schlug ihr das Herz bis zum Hals. Genau wie an dem Tag vor sechs Monaten, als sie ihrer Mutter beichtete, dass sie nach Winchester ziehen würde. Da hatte ihr Herz so wild gehämmert, dass Violet glaubte, es würde ihr ein Loch in den Brustkorb schlagen. Jetzt war sie achtunddreißig Jahre alt und ließ sich immer noch einschüchtern!
Die Ordnerin blickte noch kritischer. »Wer hat Ihnen das gesagt?«
Violet deutete auf eine der beiden in Pelzmäntel gehüllten Frauen in der ersten Reihe.
»Mrs Biggins hat gesagt, dass Sie kommen dürfen?« Mit einem Mal hatte sich eine Spur Unsicherheit in die Stimme der Ordnerin geschlichen.
»Mabel, psst!« Nun wurde die Ordnerin selbst zur Ordnung gerufen. Ihr Gesicht lief rot an, und sie warf Violet noch einen letzten vernichtenden Blick zu, bevor sie sich auf ihren Wachposten im Mittelgang zurückzog.
Der Dekan näherte sich dem Ende seiner Ansprache. »Im Laufe der Jahrhunderte ist diese herrliche Kathedrale mit vielen Kunstwerken aus Stein, Holz, Gold, Silber oder Glas geschmückt worden. Sie sollen den Geist der Betenden erheben und an die Herrlichkeit Gottes im Himmel und auf Erden gemahnen.
Zum Kunstschatz unserer Kathedrale gehören nun auch die Kniekissen, die wir vorne am Altar sehen. Sie sind die ersten Ergebnisse eines ehrgeizigen Projekts, das den Chor- und Altarraum farbenfreudiger und behaglicher gestalten soll. Auf meine Einladung hin hat Miss Louisa Pesel im vergangenen Jahr die Broderinnen-Gruppe der Kathedrale von Winchester gegründet. Das alte Wort Broderer oder Broderin erinnert an die Worshipful Company of Broderers – die achtbare Zunft der Broderer, hinter der sich die mittelalterliche Gilde der Sticker verbirgt. Unter der Anleitung von Miss Pesel knüpft die Stickgruppe der Kathedrale an die ehrwürdige Tradition dieses Kunsthandwerks an und führt es in die Gegenwart. Viele Mitglieder Ihrer Gruppe sind heute anwesend. Sie waren sehr fleißig mit Ihren Nadeln und haben wunderschöne Kissen für den Altarraum gestickt. Nun werden Sie mit der Arbeit an Kissen für das Chorgestühl beginnen. Ihre Werke bringen nicht nur Farbe und Abwechslung in das eher nüchterne Umfeld aus Holz und Stein, sie erleichtern den Betenden auch das Niederknien.« Er hielt lächelnd inne, ein Anzeichen dafür, dass er gleich einen seiner typischen kleinen Dekan-Witze machen würde. »Und dank der Sitzkissen werden die Gottesdienstbesucher es bequemer haben und meine Predigten besser aushalten.«
Er erntete ein angemessenes allgemeines Kichern.
Während der Dekan weiterredete, blickte Violet sich zu der Frau neben ihr um, deren Lachen lauter und unbefangener als das der anderen gewesen war. Sie hatte ein hageres, kantiges Gesicht, ganz so, als spannte sich zwischen ihren Schläfen und dem Kinn ein gleichschenkeliges Dreieck. Ihr braunes Haar war kurz geschnitten und bildete ein zweites Dreieck, dessen untere Spitzen von den Wangen abstanden. Violet traf ein Blick aus neugierigen dunklen Augen. Anscheinend wartete die Frau schon die ganze Zeit darauf, dass Violet sich ihr zuwandte und ihr einen Grund gab, sie anzusprechen. »Ich habe Sie noch nie gesehen«, flüsterte sie. »Sind Sie aus der Montagsgruppe? Liegt da oben auch eins von Ihnen?«
»Oh, nein.«
»Sind Sie nicht fertig geworden? Ich habe meins auch erst letzte Woche fertig gekriegt, gerade noch rechtzeitig zum Abgabetermin. Ich musste einmal quer durch die ganze Stadt rennen, um es noch zu schaffen. Miss Pesel und Mrs Biggins sind da sehr streng. Ich habe es Miss Pesel persönlich übergeben.«
Eine Frau in der Bank vor ihnen neigte den Kopf so, als würde sie zuhören, und Violets Nachbarin verstummte. Doch schon eine Minute später sprach sie im Flüsterton weiter. »Arbeiten Sie an einem Kniekissen?«
Violet schüttelte den Kopf.
»Wieso nicht? Hat es geheißen, dass Sie nicht gut genug sticken?« Sie verzog den Mund zu einem anteilnehmenden Schmollen. »Mir haben sie meins dreimal zurückgegeben, bis sie zufrieden waren! Sind Sie jetzt etwa zum Garndienst eingeteilt? Oder müssen Sie die Schränke aufräumen? Das ist zwar bitter nötig, aber auch schrecklich langweilig. Vielleicht sind Sie für die Buchführung eingeteilt? Genau, ich wette, Sie müssen die Bücher machen.« Ihr Blick wanderte zu Violets Händen, als suchte sie dort nach verräterischen Tintenspuren, aber natürlich hielt auch sie nach einem Ring Ausschau, so wie Violet bereits festgestellt hatte, dass diese Frau keinen trug. »Buchführung habe ich von vornherein kategorisch abgelehnt. Damit habe ich schon den Rest der Woche mehr als genug zu tun.«
Nun drehte sich die Frau vor ihnen um. »Psst!«
Violet und ihre Sitznachbarin lächelten sich an. Es tat gut, eine Verbündete zu haben, auch wenn sie ein wenig aufdringlich war.
Als sich der Gottesdienst nach der Ansprache des Dekans, einem weiteren Kirchenlied (»Bleib bei mir Herr, wenn es Abend wird«) und verschiedenen Segenssprüchen endlich an sein Ende geschleppt hatte, war es so spät geworden, dass Violet sofort aufbrechen musste. »Gilda Hill«, rief ihr die Banknachbarin mit dem hageren Gesicht noch nach.
Violet rannte über die Grünflächen des Kirchhofs und dann die High Street hinauf zum Schreibwarengeschäft Warren’s, kaufte das Farbband und lief damit zurück zum Versicherungsbüro, wo sie mit hochrotem Kopf und völlig außer Atem ankam.
Sie hätte sich die Eile sparen können, denn das Büro, das sie sich mit zwei anderen Schreibkräften teilte, war leer. Im Hauptbüro der Versicherung in Southampton, Violets ursprünglichem Arbeitsplatz, hatten die Vorgesetzten das Kommen und Gehen ihrer Mitarbeiter wesentlich strenger überwacht. Da die Niederlassung in Winchester viel kleiner und überschaubarer war, hatte Violet damit gerechnet, dass ihr Fehlen gleich auffallen würde, doch dem war nicht so. Obwohl sie nicht unbedingt auf einen Tadel erpicht war, gefiel es Violet nicht, dass niemand ihren leeren Stuhl und das Schweigen der cremefarbenen Tasten der großen schwarzen Imperial-Schreibmaschine bemerkt hatte.
Sie blickte auf die verlassenen Schreibtische ihrer Arbeitskolleginnen. Olive und Maureen – O und Mo, wie sie sich mit einem rauen Lachen über die selbstgewählten Spitznamen nannten – machten vermutlich in der Mitarbeiterküche am anderen Ende des Flurs eine Teepause. Auch Violet sehnte sich nach einer Tasse Tee und einem Keks für ihren leeren Magen. Zum Mittagessen hatte sie nur ein mitgebrachtes Sandwich mit Margarine und Marmite, einem Hefeaufstrich, gehabt. Die Pausenbrote hielten nie lange vor, bis zum Nachmittag war Violet meist wieder hungrig und musste mit Tee dagegen antrinken. Mrs Speedwell wäre entsetzt gewesen, wenn sie gewusst hätte, dass ihre Tochter nur einmal in der Woche eine warme Mittagsmahlzeit zu sich nahm, doch mehr konnte Violet sich nicht leisten, auch wenn sie das ihrer Mutter gegenüber niemals zugeben würde.
Einen Moment lang überlegte sie, ob sie zu ihren Kolleginnen in die Küche gehen sollte. O und Mo waren Anfang zwanzig und stammten aus Winchester. Eigentlich waren sie recht nett zu ihr, hatten aber einen ganz anderen Hintergrund und behandelten Violet wie ein Usambaraveilchen oder eine Aspidistra, die typischen Zimmerblumen alter Damen. Beide Mädchen lebten noch bei ihren Eltern und konnten deshalb – so wie Violet früher – sorgloser mit ihrem Geld umgehen. Die eine war attraktiv, die andere eher unscheinbar, aber beide trugen so oft sie es sich leisten konnten neue Kleider. Ihr Lebensinhalt waren Tanzveranstaltungen, Kinoverabredungen und unverheiratete junge Männer. In ihrem Alter gibt es noch viele Junggesellen, dachte Violet neidisch. O und Mo konnte es nicht passieren, dass sie einen Tanzsaal betraten und feststellen mussten, dass die einzigen verfügbaren Tanzpartner entweder schon im Großvateralter oder viel zu jung für sie waren. Violet hingegen hatte bei den wenigen Gelegenheiten, bei denen sie nach dem Krieg einen Tanzsaal betreten hatte, genau diese Erfahrung machen müssen. Und wenn die Männer nicht viel zu alt oder zu jung für sie gewesen waren, dann verzweifelt und gebrochen. Es konnte jedoch auch vorkommen, dass überhaupt keine Männer da waren, sodass die Frauen notgedrungen miteinander tanzen mussten.
Beim Tippen plauderten und lachten O und Mo über ihre neuen Männerbekanntschaften, als hätten sie ständig die Qual der Wahl. In den sechs Monaten, die Violet nun mit ihnen arbeitete, hatte jede der beiden jungen Frauen bereits mehrere Verehrer verschlissen. Erst in letzter Zeit war ihr Ton etwas ernsthafter geworden, wenn sie über ihre aktuellen Freunde sprachen. Manchmal hielt Violet die gute Laune und Überheblichkeit ihrer Kolleginnen nicht mehr aus und flüchtete in die Küche, wo sie Wasser für einen Tee aufsetzte, obwohl sie gar keinen Tee wollte. Erst wenn sie sich wieder einigermaßen im Griff hatte, ging sie zurück ins Büro und tippte weiter. Als Schreibkraft war sie deutlich schneller und tüchtiger als die beiden jungen Frauen, worüber diese sich aber eher lustig machten.
Nur einmal hatte Mo sie gefragt, ob sie »damals« denn einen Freund gehabt hätte.
»Ja«, hatte Violet kurz angebunden geantwortet, weil sie Laurence nicht zu einer Anekdote machen wollte.
In dieser Woche war es besonders schlimm geworden, und selbst die Aussicht auf Tee und einen Keks konnte Violet nicht darüber hinwegtrösten, dabei zusehen zu müssen, wie die kleine dralle Olive zum hundertsten Mal die Finger vor dem Gesicht spreizte, um ihren Verlobungsring zu bewundern.
Als Olive am Montag ins Büro gekommen war, schien ihre Haltung anders als sonst, sie ging hoch aufgerichtet und mit wippenden Locken. Mit Mo, die bereits hinter ihrer Schreibmaschine saß, hatte sie ein verschwörerisches Lächeln getauscht. »Ich gehe nur schnell etwas mit Mr Waterman besprechen«, verkündete sie, während sie ihren Chiffonschal ausschüttelte und den Mantel aufhängte. Als Olive dann ihre Handschuhe auszog, wanderte Violets Blick gehen ihren Willen zum Ringfinger ihrer Kollegin. Der Diamant war winzig, doch selbst das schwächste Funkeln war immer noch ein Funkeln.
Kaum war O auf ihren hochhackigen Schuhen, die Violets Pumps bei weitem in den Schatten stellten, davongestöckelt, verblasste Mos Lächeln. Mo war schlauer als ihre Freundin, entsprach aber mit ihrem farblosen Haar und dem länglichen, oft missmutig dreinblickenden Gesicht weniger dem gängigen Schönheitsideal. Natürlich hätte Violet jetzt ein wenig netter sein können. Sie hätte Mo versichern können, dass sie von ihrem momentanen Freund, einem wortkargen Bankangestellten, der schon ein-, zweimal im Büro vorbeigeschaut hatte, bestimmt auch bald einen Antrag bekommen würde. Doch sie wollte nicht nett sein, nicht bei diesem Thema, und hatte sich ausgeschwiegen, während Mo wie ein Trauerkloß dasaß.
Seit dem Tag, an dem O ihren Ring triumphierend präsentiert hatte, gab es für die Mädchen kein anderes Thema mehr. Den ganzen Tag redeten sie darüber, wie Joe den Antrag gemacht hatte (im Pub, wo O den Ring auf dem Grund ihres Glases Portwein mit Zitrone gefunden hatte), wie lange O warten würde, damit sie genug für ein richtig tolles Fest zusammensparen konnte (zwei Jahre), wo die Hochzeit gefeiert werden würde (im selben Pub), was O tragen würde (lieber ein weißes Kleid als ein elfenbeinfarbenes, was Violet für einen Fehler hielt, weil weiß zu hart für Olives blassen Teint war), wo sie wohnen würden (bis sie sich etwas Eigenes leisten konnten, erst einmal bei seinen Eltern). Es war alles so banal und immer wieder dasselbe, nie eine interessante oder überraschende Enthüllung, kein Wort über Träume oder Sehnsüchte. Violet war überzeugt, dass sie verrückt werden würde, wenn sie sich das nun zwei Jahre lang anhören müsste.
Sie steckte sich eine Zigarette an, um sich abzulenken und den Hunger zu unterdrücken. Dann spannte sie einen Papierbogen in die Walze ihrer Schreibmaschine und begann zu tippen. Zügig arbeitete sie sich durch den Antrag eines Mr Richard Turner aus Basingstoke, der eine Hausratsversicherung mit garantierter Zahlung im Fall von Feuer, Hochwasser oder anderen höheren Gewalten abschließen wollte. Violet fiel auf, dass »Krieg« als höhere Gewalt nicht aufgeführt war. Ob Mr Turner wusste, dass man nicht jeden Verlust ersetzen konnte?
Meistens aber tippte Violet, ohne nachzudenken. Sie hatte schon so viele Anträge geschrieben, wenn jemand sein Leben, sein Haus, sein Automobil oder sein Boot versichern wollte, dass sie kaum noch auf die Bedeutung der Worte achtete. Für Violet war das Schreibmaschineschreiben ein monotoner und stumpfsinniger Vorgang, der mit der Zeit etwas Meditatives bekam und sie in einen Zustand versetzte, in dem sie nicht mehr nachdachte, sondern einfach nur war.
Wenig später kamen O und Mo zurück, ihr Geschnatter im Flur kündigte sie an und unterbrach Violets tranceartigen Frieden. »Nach Ihnen, Mrs Hill.« Mo trat zur Seite und komplimentierte Olive durch die Tür. Beide trugen geblümte Sommerkleider, O ein pfirsichfarbenes und Mo ein braunes. Die Kleider der Mädchen erinnerten Violet daran, dass ihr eigenes schlichtes blaues Leinenkleid drei Jahre alt war und mit seiner tief sitzenden Taille längst nicht mehr modern.
»Aber gerne, Miss Webster – zukünftige Mrs Livingstone, wie ich annehme.«
»Ach, ich weiß nicht«, meinte Mo, wirkte aber erfreut.
Olive setzte ihre Tasse laut klappernd neben der Schreibmaschine ab, sodass der Tee in die Untertasse schwappte. »Aber sicher! Zum Schluss heiratest du sogar noch vor mir, dann kannst du nicht mehr meine Brautjungfer werden, sondern höchstens noch Trauzeugin.« Und wieder hielt sie ihre Hand vor sich und betrachtete den Ring.
Violet unterbrach ihr Tippen. Mrs Hill. Ein recht verbreiteter Name, aber trotzdem … »Hat Ihr Verlobter eine Schwester?«
»Meinen Sie Gilda? Was ist mit ihr? Sie ist doch nur eine verschrobene alte Jung…« Erst da schien Olive einzufallen, mit wem sie redete, und sie verkniff sich die letzten Worte mit einem Lachen. Doch Violet hatte den abschätzigen Tonfall sehr wohl registriert. In diesem Moment beschloss sie, Gilda Hill zu mögen.
Violet wohnte fünfzehn Gehminuten vom Büro entfernt auf der östlichen Seite des Flusses Itchen im Stadtteil Soke. Das Gehalt einer Schreibkraft reichte nicht für eine der besseren Gegenden im Westen der Stadt, wo die Häuser größer und von Gärten umgeben waren und gepflegte Automobile in sauber gefegten Straßen parkten. Die Häuser im Soke waren kleiner, dennoch lebten mehr Menschen darin. Automobile sah man kaum, und die Auslagen in den Schaufenstern der billigen Läden waren angestaubt.
Violet teilte sich das Haus mit zwei anderen Frauen und der Vermieterin, die im Erdgeschoss lebte. Männer wohnten natürlich keine im Haus, und auch Männerbesuch war, wenn es sich nicht um einen Familienangehörigen handelte, im Erdgeschoss unerwünscht und im Obergeschoss verboten. Falls, was selten genug vorkam, doch einmal ein Mann zu Gast im Wohnzimmer war, ging Mrs Harvey dort ständig ein und aus, suchte entweder nach der Tageszeitung oder ihrer Lesebrille oder musste dringend die Wellensittiche in ihrem Käfig füttern. Manchmal machte sie auch Feuer im Ofen, obwohl sich niemand über Kälte beschwert hatte, oder sie erinnerte die Besucher daran, dass es Zeit zum Gehen sei, falls sie ihren Zug noch erwischen wollten. Bis auf ihren Bruder Tom hatte Violet zwar nie männlichen Besuch, doch auch Tom kam regelmäßig in den Genuss von Mrs Harveys besonderer Aufmerksamkeit. Selbst nachdem Violet die verwandtschaftliche Beziehung mit einem Familienfoto bewiesen hatte, ließ Mrs Harvey sie nie für längere Zeit mit ihrem Bruder allein, sondern steckte immer wieder den Kopf durch die Tür, um Tom zum Beispiel daran zu erinnern, dass die Tankstellen samstags früh schlossen. Tom fand Mrs Harveys Verhalten eher lustig. »Ich komme mir vor wie in einem Theaterstück«, meinte er augenzwinkernd. »Gleich erfahren wir noch, dass in der Spülküche die Leiche eines Mannes liegt, dem jemand das Nudelholz über den Kopf gezogen hat.« Er hatte gut lachen, schließlich musste er nicht mit Mrs Harvey zusammenleben. Manchmal kam es Violet so vor, als hätte sie sich mit dem Umzug nach Winchester nur eine Ersatzmutter eingehandelt, die ähnlich anstrengend wie ihre leibliche Mutter daheim war. Aber immerhin konnte sie im Haus von Mrs Harvey einfach nach oben gehen und die Tür hinter sich zumachen, was bei ihrer eigenen Mutter nicht möglich gewesen wäre. Solange sich kein Mann dahinter aufhielt, respektierte Mrs Harvey verschlossene Türen, doch in Southampton war Violets Mutter manchmal ins Schlafzimmer geplatzt, als hätte es gar keine Tür.
Als Violet an diesem Abend von der Arbeit heimkam, lehnte sie den von ihrer Vermieterin angebotenen Tee ab, schmuggelte aber etwas Milch in ihr Zimmer und setzte dort selbst den Kessel auf. Es war bereits der siebte Tee des Tages, und das, obwohl sie einen Teil des Nachmittags in der Kathedrale verbracht hatte. Das Teetrinken strukturierte ihre Tage und setzte Zäsuren zwischen vorher und nachher, zwischen Schlafen und Aufwachen, zwischen der Ankunft im Büro und dem Moment, in dem sie sich an die Schreibmaschine setzte, zwischen dem Mittagessen und dem Fortsetzen der Schreibarbeit, zwischen der Fertigstellung eines komplizierten Vertrags und dem Beginn des nächsten, zwischen Arbeitsende und Abendbeginn. Manchmal setzte Violet die Zäsuren auch mit Zigaretten, doch von denen wurde ihr immer ein wenig schwindelig, während der Tee entspannend wirkte. Außerdem waren Zigaretten teurer.
Als sie mit ihrer Teetasse im einzigen Sessel des Zimmers vor dem kalten Ofen saß – das Wetter war nicht schlecht genug, um den Verbrauch von Kohle zu rechtfertigen –, blickte sich Violet in ihrer engen Behausung um. Bis auf das Ticken der hölzernen Wanduhr, die sie vor ein paar Wochen in einem Trödelladen erstanden hatte, war es still. Das schwache Sonnenlicht fiel, durchs Gittermuster der Gardinen gefiltert, auf die roten, gelben und braunen Farbwirbel des Teppichs. »Ein Gewitterteppich«, hätte ihr Vater ihn genannt. An einem Kleiderständer trockneten dunkelbraune Seidenstrümpfe, und in einer Zimmerecke stand ein hässlicher, ramponierter Schrank, dessen Tür sich nicht mehr richtig schließen ließ, sodass die bescheidene Auswahl an Kleidern, Blusen und Röcken, die sie aus Southampton mitgebracht hatte, offenkundig war.
Violet seufzte. Nein, so hatte sie es sich nicht vorgestellt, das neue Leben in Winchester.
Der Umzug im letzten November war recht plötzlich gekommen. Nach dem Tod ihres Vaters hatte Violet zunächst anderthalb Jahre unentschlossen bei ihrer Mutter ausgeharrt. Von ledigen und aller Wahrscheinlichkeit nach auch ledig bleibenden Frauen erwartete man schließlich, dass sie sich um ihre Eltern kümmerten. Violet glaubte wirklich ihr Bestes gegeben zu haben, doch ihre Mutter war einfach unmöglich. Mrs Speedwell war schon immer schwierig gewesen, noch bevor ihr ältester Sohn George im Krieg fiel. Sie stammte aus einer Zeit, in der Töchter auf ihre Mütter hörten und sich ihnen unterordneten, zumindest bis sie selbst heirateten und sich ihren Ehemännern unterordneten. Was allerdings nicht bedeutete, dass Mrs Speedwell sich jemals ihrem Ehemann untergeordnet hätte. Als Kinder waren Violet und ihre Brüder ihrer Mutter möglichst aus dem Weg gegangen. Unter der lässigen Autorität von George hatten sie fest zusammengehalten und viel miteinander gespielt. Mrs Speedwell hatte Violet oft vorgehalten, dass sie überhaupt kein richtiges Mädchen sei. »Mit deinen aufgeschlagenen Knien und dem ungekämmten Haar wirst du niemals einen Ehemann abbekommen«, hatte sie erklärt. »Und dann steckst du die Nase ständig in irgendwelche Bücher.« Damals ahnte noch niemand, dass es am Ende schlimmere Dinge als Bücher und aufgeschlagene Knie sein würden, die es Violet schwer machten, einen Ehemann zu finden.
Solange ihr Vater noch lebte, hatte Violet es auch als erwachsene Frau bei ihren Eltern ausgehalten. Mr Speedwell hatte die Atmosphäre im Haus aufgelockert und als Puffer für die Attacken seiner Frau gedient. Meistens quittierte er ihre Gehässigkeiten mit hochgezogenen Augenbrauen, während er seiner Tochter hinter dem Rücken seiner Gattin zulächelte und einen seiner harmlosen Witze machte. Doch nach seinem Tod blieb Mrs Speedwell nur noch die Tochter als Ziel für ihre Breitseiten, denn Violets jüngerer Bruder Tom hatte schon einige Jahre zuvor geheiratet und war entkommen. Fortan stand Violet allein im Fadenkreuz ihrer Mutter.
Als sie eines Abends zusammen vor dem Kamin saßen, hatte Violet begonnen, über die Klagen ihrer Mutter Buch zu führen: »Das Licht ist so schlecht. Das Radio ist zu leise. Was haben die zu lachen, das ist doch gar nicht lustig. Die Mayonnaise beim Abendbrot hatte schon einen Stich. Deine Haare sehen grauenhaft aus, hast du versucht, dir Locken zu drehen? Hast du zugenommen? Wie können Tom und Evelyn Marjory nur auf diese Schule schicken? Was würde Geoffrey dazu sagen? Oh, nein, es regnet schon wieder, da wird es draußen im Flur noch feuchter!«
Acht hintereinander. Mehr noch als das Nörgeln ihrer Mutter bedrückte Violet aber die Tatsache, dass sie über deren Klagen Buch führte. Sie seufzte.
»Vom Seufzen kriegst du ein Pferdegesicht«, tadelte Mrs Speedwell. »Das ist äußerst unvorteilhaft.«
Am nächsten Tag entdeckte Violet an dem Schwarzen Brett in der Arbeit die Stellenausschreibung für eine Schreibkraft, die in der Versicherungsniederlassung in Winchester gesucht wurde. Die Geschäfte schienen dort trotz der darniederliegenden Wirtschaft gut zu gehen. Sie hatte ihre Teetasse umklammert und die Augen geschlossen. Nicht seufzen, schoss es ihr durch den Kopf, dann öffnete sie die Augen wieder und ging zum Geschäftsführer.
Zunächst schien alles einfacher zu sein als gedacht. Der Geschäftsführer der Southern Counties Versicherung war mit ihrem Wechsel einverstanden, Tom unterstützte sie (»Es wird auch höchste Zeit!«), und sie fand mühelos ein Zimmer bei Mrs Harvey. Mrs Speedwell hatte Violets vorsichtige Ankündigung, dass sie nach Winchester ziehen würde, zunächst überraschend gelassen aufgenommen. »Du solltest besser nach Kanada gehen, dort gibt es wenigstens noch genügend Ehemänner.« Doch als an einem verregneten Novembersamstag Tom und Evelyn mit den Kindern vorgefahren kamen und Violets wenige Habseligkeiten in den Austin verluden, weigerte sich Mrs Speedwell, ihren Sessel im Wohnzimmer zu verlassen. Sie saß vor ihrer unangerührten Tasse mit kalt werdendem Tee und strich mit zitternden Fingern den Schonbezug auf den Sessellehnen glatt. Als Violet sich verabschieden wollte, wich sie dem Blick ihrer Tochter aus. »Es wäre mir nicht im Traum eingefallen, dass ich nach dem Tod von George noch einmal das Martyrium durchmachen muss, ein Kind zu verlieren«, sprach sie ins Zimmer, wo Marjory und Edward vorm Kohlenfeuer hockten und ein Puzzle zusammensetzten. Violets ernsthafte Nichte blickte zur Großmutter hoch, ihre großen braunen Augen folgten den nervösen Handbewegungen, die den Schonbezug wieder und wieder glatt- strichen.
»Mutter, du verlierst mich doch nicht. Ich ziehe zwölf Meilen weit weg!« Doch noch bevor sie den Satz ausgesprochen hatte, wusste Violet, dass ihre Mutter durchaus recht hatte.
»Nur dass dieses Kind mir den Verlust ohne Not zufügt«, fuhr Mrs Speedwell fort, als hätte Violet gar nichts gesagt und wäre noch nicht einmal im Zimmer. »Unverzeihlich. Der arme George hatte wenigstens keine andere Wahl, er war im Krieg, er hat es für sein Vaterland getan. Aber dies hier! Niederträchtig.«
»Um Himmels willen, Mum, Violet ist doch nicht gestorben«, mischte sich Tom ein, der mit einer Kiste Teller, Tassen und Besteck – Hausrat, von dem Violet hoffte, dass ihre Mutter ihn nicht vermissen würde – aus der Küche kam.
»Nun gut, es ist ihre Entscheidung. Wenn ich eines Morgens nicht mehr aufwache und tagelang tot im Bett liege, weil mich niemand findet, wird es ihr noch leidtun. Aber vielleicht ist es ihr auch egal. Vielleicht perlt das einfach an ihr ab.«
»Mummy, stirbt Granny bald?«, fragte Edward, der mit einem Puzzleteil in der Hand aufschaute. Die Vorstellung schien ihn nicht sonderlich zu erschrecken, er klang eher neugierig.
»Schluss jetzt mit solchem Gerede«, erwiderte Evelyn. Sie war eine energische junge Frau mit brünettem Haar und kannte ihre Schwiegermutter mittlerweile gut genug. Violet bewunderte sie dafür, wie schnell sie gelernt hatte, mit Mrs Speedwell fertigzuwerden. Aber es war immer einfacher, wenn man nicht blutsverwandt war. Evelyn hatte Tom nach dem Krieg wieder auf die Beine geholfen. Violet schätzte ihre Schwägerin, fand sie aber ein wenig zu einschüchternd für ein enges freundschaftliches Verhältnis. »Kommt her, Kinder, gebt eurer Tante Violet einen Abschiedskuss. Und dann gehen wir runter in die Stadt und machen einen Schaufensterbummel, während Daddy sie nach Winchester fährt.«
Gehorsam sprangen Marjory und Edward auf und drückten Violet einen Kuss auf die Wange, was dieser ein Lächeln entlockte.
»Warum können wir nicht nach Winchester mitkommen«, fragte Edward. »Ich will auch in Daddys Auto fahren.«
»Das haben wir dir doch schon erklärt, Eddie. Tante Violet zieht um und muss viele Sachen mitnehmen, deshalb ist kein Platz mehr für uns.«
Genau genommen hatte Tante Violet gar nicht so viel zum Mitnehmen. Sie war überrascht, in wie wenigen Koffern und Kisten ihr Leben Platz fand. Auf dem Rücksitz hätte ohne weiteres noch jemand mitfahren können, sie hätte sich sogar gewünscht, dass Edward mitkommen würde. Er war ein aufgeweckter kleiner Junge, der sie mit seinen drolligen Ideen und originellen Bemerkungen immer zum Lachen brachte. Wenn sie sich auf die Welt ihres kleinen Neffen einließ, konnte sie nicht so viel über sich selbst nachdenken. Gleichzeitig leuchtete ihr aber ein, dass sie kaum Edward zum Mitfahren einladen konnte und Marjory und Evelyn nicht. Deshalb schwieg Violet, als die Kinder und ihre Mutter sich Schuhe und die Regenmäntel anzogen und zu einem Spaziergang aufbrachen.
Da Mrs Speedwell auch weiterhin keine Anstalten machte, sich wie gewohnt von ihren Besuchern zu verabschieden und ihnen von der Haustür aus nachzuwinken, bis sie außer Sicht waren, ging Violet zu ihrer Mutter hinüber und küsste sie auf die Stirn. »Auf Wiedersehen, Mutter«, sagte sie. »Wir sehen uns nächsten Sonntag.«
Mrs Speedwell schniefte. »Ach, spar dir die Mühe. Vielleicht bin ich bis dahin längst gestorben.«
Eine von Toms besten Eigenschaften war, dass er wusste, wann er besser schwieg. Auf der Fahrt nach Winchester ließ er Violet weinen, ohne irgendeinen Kommentar abzugeben. Im Schutz der beschlagenen Autofenster und eingehüllt in den Geruch nach heißem Öl und Leder lehnte sie sich in den weichen Autositz und heulte los. Doch schon auf der Höhe von Twyford wurden ihre Schluchzer weniger und verstummten schließlich ganz.
Schon immer hatte sie es genossen, in Toms schönem schwarzbraunen Automobil mitzufahren. Sie fand es faszinierend, wie sie in dem Fahrzeug einerseits von der Welt isoliert war und trotzdem im Handumdrehen von einem Ort zum anderen kam. »Vielleicht lege ich mir auch ein Auto zu«, erklärte sie und tupfte sich mit einem veilchenbestickten Taschentuch, eins der praktischen Weihnachtsgeschenke Evelyns, die Augen trocken. Doch schon während sie es aussprach, wusste sie, dass sie sich diesen Luxus niemals würde leisten können. In Zukunft würde sie bitterarm sein, auch wenn sich ihr neues Leben derzeit noch wie ein Spiel anfühlte. »Bringst du mir das Fahren bei?« Sie steckte sich eine Zigarette an und kurbelte das Fenster einen Spalt weit auf.
»Das ist die richtige Einstellung, altes Mädel«, erwiderte Tom und schaltete einen Gang runter, weil es bergauf ging. Seine umgängliche Art hatte Violet in den letzten Jahren nicht nur geholfen, mit ihrer Mutter zurechtzukommen, sondern auch den Krieg und dessen Folgen zu verarbeiten. Kurz nachdem sie die Nachricht vom Tod ihres älteren Bruders bekommen hatten, war Tom achtzehn geworden und ohne viel Aufhebens selbst an die Front gezogen. Über seine Kriegserlebnisse in Frankreich hatte er nie geredet; angesichts des Todes ihres Bruders traten sie genauso in den Hintergrund wie der Verlust von Violets Verlobten. Violet hatte es, typisch große Schwester, immer ganz selbstverständlich gefunden, dass Tom für sie da war. Zu George hatten sie und Tom als Kinder aufgeschaut und sich ihm beim Spielen untergeordnet. Sein Tod machte sie ratlos. Hätte Violet damals die Rolle der Ältesten und das Kommando übernehmen sollen? Hätte sie Tom mit gutem Beispiel vorangehen müssen, damit er sich an jemandem orientieren konnte? In dem Fall hatte sie versagt. Sie war Schreibkraft bei einer Versicherung geworden, statt zu heiraten und eine Familie zu gründen. Tom war stillschweigend an ihr vorbeigezogen, ohne sich jemals damit zu brüsten oder sich dafür zu entschuldigen. Das hatte er auch gar nicht nötig: Er war ein Mann, und von einem Mann erwartete man nichts anderes.
Nachdem sie Violets Sachen unter den wachsamen Augen von Mrs Harvey ins Haus gebracht hatten, lud Tom sie zu einer Portion Fish and Chips ein. »Mum ist hart im Nehmen, das weißt du doch«, beruhigte er seine Schwester beim Essen. »Sie hat das mit George überstanden und dann Dads Tod. Dies hier wird sie auch überleben. Und du genauso. Du darfst nur nicht die ganze Zeit allein in deinem Zimmer sitzen. Ich will keine Stubenhockerin als Schwester: Geh aus und lerne neue Leute kennen.«
Womit er meinte: Lerne Männer kennen. Tom war zwar nicht so direkt wie ihre Mutter, doch Violet wusste, dass auch ihr Bruder sich wünschte, sie würde trotz ihres fortgeschrittenen Alters noch einen Mann kennenlernen und heiraten. Vielleicht einen Witwer mit erwachsenen Kindern oder einen Kriegsversehrten, der auf ihre Hilfe angewiesen war. Seit Kriegsende waren zwar schon dreizehn Jahre vergangen, doch manche Wunden heilten nie. Wenn seine Schwester heiraten würde, wäre Tom nicht mehr für sie verantwortlich und hätte eine Sorge weniger. Blieb sie aber unverheiratet, würde Violet vielleicht eines Tages bei ihrem Bruder einziehen. Für ledige alte Frauen war dies oft die einzige Lösung.
Doch es war schwer, Männer kennenzulernen, denn es gab zwei Millionen weniger als Frauen. Violet hatte viele Zeitungsartikel über den sogenannten »Frauenüberhang« gelesen. Nach dem Krieg waren viele Frauen alleinstehend zurückgeblieben und würden es wohl auch bleiben. In einer Gesellschaft, die auf der Institution Ehe basierte, galt das einerseits als Tragödie, andererseits sahen manche in den vielen ledigen Frauen auch eine Bedrohung. Die Journalisten schienen das Thema »Frauenüberhang« zu lieben und ritten ständig in spöttisch verletzendem Ton darauf herum. Meist waren ihre Spitzen harmlos und einfach nur ärgerlich, manchmal aber trafen sie Violet tief in ihrem Innern. Sie hatte gedacht, dass sie mit der Zeit ein dickeres Fell bekommen würde, doch sie stellte immer wieder fest, dass manche Etikettierungen sie selbst im mittleren Alter von achtunddreißig Jahren noch verletzen konnten. Dabei war sie mittlerweile einiges gewohnt: wilde Göre, Xanthippe, Männerhasserin.
Aber Violet hasste die Männer nicht, sie hatte sogar ein paar kurze Affären gehabt. Zwei- oder dreimal im Jahr hatte sie sich ihr bestes Kleid mit einem Muschelmuster aus kupferrotem Lamé angezogen und war allein in eine Hotelbar in Southampton gegangen. Dort hatte sie mit einem Sherry und einer Zigarette gesessen, bis jemand sie ansprach. Sie nannte die Männer ihre »Sherry-Männer«. Manchmal landeten sie in einer stillen Gasse, in einem Automobil oder in einem Park, doch sie war nie mit ins Zimmer eines Mannes gegangen oder hatte jemanden mit ins Haus ihrer Eltern genommen. Es tat gut, begehrt zu werden, doch bei keiner dieser Begegnungen hatte sie die intensive Lust empfunden, die sie mit Laurence erlebt hatte. Damals, in der Perseiden-Nacht.
Jeden August hatte Violet mit ihrem Vater und den Brüdern den Meteorenstrom der Perseiden beobachtet. Obwohl sie kein Wort darüber verlor, wenn sie spätabends im Garten standen und Ausschau nach den Sternschnuppen hielten, hatte sie den Perseiden-Nächten nie viel abgewinnen können. Sie hatte nie etwas wirklich Spektakuläres zu sehen bekommen, dafür aber – selbst im August – gefroren, unter der Feuchtigkeit gelitten und einen steifen Nacken bekommen. Violet hätte eine miserable Astronomin abgegeben, denn sie mochte es lieber warm.
Die Perseiden-Nacht im August 1916 jedoch war anders gewesen. Sie erinnerte sich noch an jedes Detail. Laurence war auf Heimaturlaub gewesen, und sie hatten den Zug nach Romsey genommen, wo sie in einem Pub zu Abend gegessen hatten. Später waren sie in die Felder hinaus gewandert und hatten eine Decke auf dem Boden ausgebreitet. Falls zufällig jemand vorbeigekommen wäre, hätte Laurence einen kleinen Vortrag über die Perseiden gehalten und erklärt, wie die Erde auf ihrer Bahn um die Sonne jeden August durch Wolken kleiner Kometentrümmer flog, wodurch die spektakulären Meteorenströme entstanden. Sie seien hier draußen im Feld, um die Sterne zu beobachten, einzig deswegen. Und eine Weile lang hatten sie auch einfach nur auf dem Rücken gelegen, sich bei den Händen gehalten und in den Himmel geschaut.
Nachdem sie ein paar Sternschnuppen gesehen hatten, drehte sich Violet auf die Seite und blickte Laurence an. Ihr Hüftknochen bohrte sich in einen Stein unter der Decke. Sie sagte einfach nur »Ja«. Laurence hatte zwar gar nichts gesagt, doch seit sie sich im letzten Jahr verlobt hatten, hing eine Frage zwischen ihnen.
Obwohl sie in der Dunkelheit sein Gesicht nicht sehen konnte, spürte sie, wie er lächelte. Er rollte sich zu ihr hinüber. Bald war es Violet nicht mehr kalt, und die Erscheinungen am Himmel waren ihr egal, denn es zählte nur noch Laurence und das Gefühl von seinem Körper an ihrem.
Es hieß immer, das erste Mal sei für eine Frau schmerzhaft, blutig und ein Schock, den sie überwinden müsse. Für Violet war alles anders. Sie explodierte, heftiger als jede Sternschnuppe in den Perseiden, und Laurence hatte seine Freude an ihr. Sie blieben so lange im Feld, dass sie den letzten Zug verpassten und die sieben Meilen nach Hause laufen mussten. Nach einer Weile überholte sie ein Veteran aus den Burenkriegen in seinem Automobil und erkannte an Laurence den Gang des Soldaten. Er hielt an und nahm sie mit, wobei ihm die Grashalme in Violets Haar und ihr verwirrtes Glück ein Lächeln entlockten.
Nur eine Woche später kam das Telegramm, dass George in den Wäldern von Delville gefallen war. Ein Jahr später starb Laurence in Passchendaele. Es war Violet und ihm nicht mehr gelungen, noch einmal richtig beisammen zu sein, weder auf einem Feld noch in einem Hotelzimmer oder in einer stillen Gasse. Mit jedem Verlust war Violet tiefer in einen schwarzen Abgrund gestürzt. In ihr machte sich eine große Leere breit, der sie sich hilflos und hoffnungslos ausgeliefert fühlte. Ihr Bruder war tot, ihr Verlobter war tot, Gott war tot. Es dauerte lange, bis diese tiefe Wunde heilte, und es war unklar, ob sie sich jemals ganz schließen würde.
Als sie sich ein paar Jahre später stark genug fühlte, versuchte sie die Erfahrung jener Nacht noch einmal heraufzubeschwören. Es war ein alter Freund von George gewesen, der körperlich unversehrt aus dem Krieg heimgekehrt war. Anders als mit Laurence hatte es keine Perseiden gegeben, und der Akt hatte sich für Violet schmerzhaft in die Länge gezogen. Er tötete alle Lust in ihr, und sie hatte sich nur noch vor den gummiartigen Lippen des Manns geekelt.