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Die isländische Originalausgabe ist 2017 unter dem Titel Saga Ástu bei Benedikt in Reykjavík erschienen.
Diese Übersetzung wurde mit einem Stipendium des Deutschen Übersetzerfonds sowie des Icelandic Literature Fond, Reykjavík, gefördert.
Diese Übersetzung wurde auch mit einem Stipendium des Deutschen Übersetzerfonds gefördert.
Übersetzung aus dem Isländischen von Karl-Ludwig Wetzig
Deutsche Erstausgabe
© Jón Kalman Stefánsson, 2017
Published by agreement with
Copenhagen Literary Agency, Copenhagen
© Piper Verlag GmbH, München 2019
Covergestaltung: marc le meine / Getty Images
Covermotiv: marc le meine / Getty Images
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… ist die Geschichte von Ásta, die einmal jung war, nun aber ein gutes Stück älter ist, nun, da diese Zeilen verfasst oder besser hingekritzelt werden, denn hier geschieht alles schnell, und das, obgleich die Geschichte manchmal so langsam vorwärtszukriechen scheint, dass man glaubt, sie stünde still.
Gleich werde ich berichten, wie Ásta zu ihrem Namen kam. Warum sich ihre Eltern für diesen Namen entschieden und nicht für Sigríður, María, Gunnþorunn, Auður, Svava, Jóhanna, Guðrún oder Fríða, denn wir kommen alle namenlos zur Welt, erhalten aber umgehend oder sehr bald einen Namen, damit es für den Tod ein bisschen schwieriger wird, uns wieder zu holen. Gib mir einen Namen, und der Tod hat sogleich ein wenig mehr Mühe. Doch kann man von einem Menschen erzählen, ohne auf das ihn umgebende Leben einzugehen, die Atmosphäre, die den Himmel oben hält – und lässt sich das rechtfertigen?
Ástas Eltern, Helga und Sigvaldi, wählten den Namen schon, als Ásta noch im Leib ihrer Mutter steckte, überzeugt, sie bekämen ein Mädchen, und sie entnahmen ihn einem Buch von Halldór Laxness, Sein eigener Herr, erschienen in den Jahren 1934 und 1935. Sie lasen den Roman gemeinsam, während Ásta im Mutterleib Gestalt annahm und wuchs, und über sein Ende kamen ihnen die Tränen. Auch Sigvaldi, der seit seiner Kindheit nicht mehr geweint hatte und der Meinung war, er habe das Weinen verlernt. Sie weinten, als Ástas Vater Bjartur seine Tochter auf den Arm nimmt, weil sie, am Ende ihrer Kräfte angelangt, im Sterben liegt, und die beiden weiter in das unwirtliche Hochland ziehen, weg vom Leben. »Halt dich gut an meinem Hals fest, meine Blume«, sagt Bjartur. »Ja, flüsterte sie. Immer – solange ich lebe. Deine einzige Blume. Deine Lebensblume. Und ich sterbe noch lange, lange nicht.«
Natürlich weinten sie. Diese Zeilen, dieses Ende konnten Steine zu Tränen rühren. Doch ist man versucht, sich die Frage zu stellen, ob es wirklich nachahmenswert war, sein Kind nach einer Romanfigur zu nennen, die einen ganz gewiss faszinieren kann, die aber auch im Schatten eines Vaters lebt und stirbt, in dem kaum etwas anderes als Sturheit, Unglück und die grausame Brutalität gedeiht, die aus der völligen Unfähigkeit resultiert, sich in andere hineinzuversetzen. Ich taufe dich auf den Namen Ásta, weil eine andere Ásta Blut hustend im kalten Hochland auf dem Altar ihres Vaters gestorben ist.
Sigvaldi hatte den Namen vorgeschlagen. Helga zögerte, stimmte aber sofort zu, als sie vor sich sah, dass man nur den letzten Buchstaben weglassen musste, um das Wort ást zu erhalten, was auf Isländisch Liebe bedeutet. Ástas Name würde also nicht nur die Begeisterung für den großen Roman bekunden und auf den tiefen Eindruck verweisen, den seine Lektüre bei ihren Eltern hinterlassen hatte, sondern Helga und die ganze Welt zugleich in ihrer Vorstellung daran erinnern, wie nah in diesem Leben die Liebe war. Dass Ástas Leben aus Liebe entstand und dass sie von Liebe umgeben aufwachsen sollte.
Als Ásta gezeugt wird, ist Helga knapp neunzehn, Sigvaldi mehr als zehn Jahre älter. Das ist kein bedeutender Unterschied, eigentlich so gut wie gar keiner, wenn das Leben fortschreitet. Nach und nach wird es immer unwichtiger, ob ein Paar zwei, zehn, fünfzehn oder zwanzig Jahre auseinanderliegt. Mit knapp neunzehn befindet man sich allerdings nicht im gleichen Lebensabschnitt wie mit über dreißig.
Doch schon haben sie ein sieben Monate altes Mädchen und eine sehr akzeptable Kellerwohnung in der Weststadt sowie den Vorsatz, in etwa zwei bis vier Jahren nach oben ins Erdgeschoss aufzusteigen. Sigvaldi hat in den letzten Jahren sehr erfolgreich als Maler und Anstreicher gearbeitet, eine Arbeit, die er aufgenommen hat, um Geld zurückzulegen, allerdings holt er Pinsel und Farbeimer erst hervor, wenn der Frühling kommt. Die isländische Gesellschaft ist zu diesem Zeitpunkt so unterentwickelt – das zwanzigste Jahrhundert hat in Island streng genommen erst vor zehn Jahren begonnen –, dass sie noch nicht so weit ist, mehreren Anstreichern rund ums Jahr ein Auskommen zu ermöglichen; die Entwicklung schreitet jedoch so rasch voran, dass Sigvaldi bald keinen Zweitberuf mehr wird ausüben müssen. In den Jahren aber, die damals schon hinter ihm liegen, ist er winters noch zur See gefahren und hat bei der schweren Arbeit in den Fischerhütten Geld verdient. Er ist bärenstark und überaus tüchtig, man nimmt ihn gern. Doch in den ersten Wochen des Januars, in dem wir uns jetzt befinden, rudert niemand zum Fischen auf See. Die Seeleute streiken nämlich. Ein Streik, in dem es schon seit zehn Tagen hart auf hart geht, als Helga leicht kichernd auf dem vom Abendessen abgeräumten Esstisch liegt, ihr Rock hochgeschoben, die Unterhose auf dem Fußboden, und Sigvaldi in ihr steckt.
So erregt, dass er nicht einmal die Hose ausgezogen hat. Er hat sie lediglich auf die Oberschenkel gestreift, doch von da rutscht sie tiefer, als er sich zu bewegen beginnt, als er sich leicht vorbeugt und die Arme auf den Tisch stützt, seine Lippen öffnen sich, er atmet heftig, bewegt sich schneller, die Hose rutscht, und Helga kichert nicht mehr. Sie seufzt, sie stöhnt, sie spreizt die Beine, um ihn tiefer in sich zu spüren, sie flüstert: Mein Liebling, mein Liebling, schaut ihren Mann an, entblößt die Zähne, richtet sich auf und flüstert ihm heiser ins Ohr: Nimm mich! Mach! Fester! Sie weiß, dass ihn das erregt, dass es ihn verrückt macht. Fester! Und der Esstisch ruckt, als Sigvaldi fest zustößt und der angestauten Tatenlosigkeit der letzten Tage freien Lauf lässt.
Untätigkeit hat ihm nie gutgetan. Hände, die mit nichts beschäftigt sind, sind vollkommen nutzlos – da kann man sie auch gleich auf den Müll werfen.
Doch es handelt sich um einen erbitterten Arbeitskampf. Die Seeleute wollen bessere Arbeitsbedingungen erstreiken, und die Sozialisten werden in einer Stunde im Gemeinschaftsraum der Molkerei im Laugavegur 162 eine Versammlung abhalten. Sigvaldi stößt so heftig in Helga hinein, dass der Tisch dabei fast zu Bruch geht. Es ist ein einfacher, aber solider Tisch, den er selbst gebaut hat, als sie vor zwei Jahren eingezogen sind.
Helga holt ihre großen Brüste heraus, prallvoll mit Milch, sie tastet nach seiner Hand und beißt hinein, beißt fest zu, und er beugt sich über sie und flüstert wieder und wieder etwas, das sie erst versteht, nachdem er es mindestens fünfmal wiederholt hat: Liebe dich liebe dich liebe dich liebe dich liebe dich. Das ist ungewöhnlich, denn eigentlich macht er nie solche Worte, es ist ihm einfach nicht gegeben, als wäre er zu scheu oder fürchtete sich vor ihnen; daher kommt es jetzt so überraschend, dass ihr Tränen in die Augen schießen, sie zieht seinen Kopf auf ihre Brüste herab und blickt dann zur Seite, damit er ihre Tränen nicht sieht, schaut aus dem Küchenfenster in den dunklen Abend, in die Welt draußen, in der jemand eine Rede einstudiert, die er in einer guten Stunde im Versammlungssaal der Molkerei halten will.
Es werden heftige Worte gegen die Regierung und den Kapitalismus fallen.
Sigvaldi, der es schafft, seine Hose und dann auch die Unterhose wegzustrampeln, ohne sich aus Helga zurückzuziehen, hatte eigentlich vor, zu der Versammlung zu gehen, doch so engagiert, wie er in dieser Sache, dem Streik, und dem Kampf gegen den Kapitalismus schon die ganze Zeit ist, kommt es darauf jetzt nicht im Geringsten an. Er packt Helga, hebt sie hoch und trägt sie ins Schlafzimmer. Sie schlingt ihre schlanken Beine um seine Taille. Beim Abschütteln der Hose hat Sigvaldi auch den Strumpf am rechten Fuß verloren, und nun beißt ihn der eiskalte Boden in die Fußsohle. Draußen herrscht strenger Frost, zwischen den Häusern hier in Reykjavík und überhaupt in der ganzen Welt, wo die Kälte zwischen der Sowjetunion und den Vereinigten Staaten im Leben und im Denken von zigmillionen Menschen Frostschäden anrichtet. Sigvaldi legt Helga unterdessen so behutsam aufs Bett, als sei sie zerbrechlich, sein Glied rutscht aus ihr heraus, aber sie beeilt sich, es wieder einzuführen, und im Halbdunkel suchen ihre Lippen nach seinen, ihre Zungen schlingen sich umeinander, und Sigvaldi bewegt sich wieder in ihr, langsam, er will noch nicht gleich zum Höhepunkt kommen. Natürlich nicht. Natürlich will er nicht gleich kommen. Natürlich muss er sich langsam bewegen, um den Genuss länger auszukosten, denn das Leben des Menschen währt nicht sehr lange, tatsächlich ist es nicht viel länger als der Abstand zwischen Tag und Nacht. Deshalb sollten wir die Zeiten, in denen unser Leben vibriert, vollständig und bis zur Neige auskosten. In denen es tief wird und sogar von Glück erfüllt.
Nicht viel länger als das, was Nacht und Tag trennt.
Was im Übrigen sehr verwunderlich ist. Denn wenn wir uns etwas sehnlich wünschen, kann einem das Warten auf den nächsten Tag, die nächste Woche, den kommenden Monat unendlich lang erscheinen, als würde sich das Leben nur schleppend von der Stelle bewegen. Es ist ein Dinosaurier, der kaum einmal mit den Augen zwinkert.
Sigvaldi macht langsam. Er genießt es, in Helga zu sein, ihren Atem zu hören, wie sie keucht, wie sie stöhnt. Er genießt es, sein Glied langsam fast ganz aus ihr herauszuziehen und es dann ruhig wieder hineinzuschieben, zu spüren, wie sanft es in sie hineingleitet, und Helga seufzt. Helga, diese schöne, schöne, schöne Frau, die er liebt – warum, zum Teufel, sollte er sich beeilen?
Denn bald geschieht es. Kein Glaube, keine Religion kann es verhindern, die inbrünstigsten Gebete versagen – der Saurier zwinkert.
Und dreißig Jahre später reckt sich Sigvaldi mit dem Pinsel zu weit vor, er verliert auf der hohen Leiter das Gleichgewicht und schlägt Sekunden später auf dem harten Bürgersteig auf.
Der Bürgersteig ist hart und kalt, doch da ist der Himmel, noch genauso sorglos und voller Sommer wie kurz zuvor. Es scheint ganz unerheblich zu sein, dass Sigvaldi hilflos auf dem Trottoir liegt, als sei er dem Himmel völlig egal, dabei sind sie mehr als sechs Jahrzehnte zusammen durchs Leben gegangen. Er könnte Sigvaldi wenigstens aufhelfen, denn das war ein tiefer Sturz, die Leiter reicht über das erste Stockwerk hinaus, wo Sigvaldi in strahlendem Sonnenschein die Fensterrahmen strich. Wie dumm hat er sich aber auch angestellt, dass er von der Leiter gefallen ist! Wie blöd kann man nur sein? Am besten gleich wieder aufstehen. Die Rahmen streichen sich nicht von allein. Einen kleinen Moment will ich allerdings verschnaufen, murmelt er und schließt die Augen, reißt sie jedoch gleich wieder auf. Das ist sicherer, denn irgendetwas ist hier nicht geheuer, der Himmel sieht irgendwie heimtückisch aus, besser, man ist auf der Hut. Doch die Augen fallen ihm wieder zu, Sigvaldi kann nichts dagegen tun. Er schließt sie und ist plötzlich wieder ein zehnjähriger Junge, der in Begleitung zweier Freunde so schnell wie möglich durch die Vesturgata in Reykjavík läuft. An den Grund, weshalb sie so rennen, kann er sich nicht erinnern, dafür empfindet er eine überschäumende, wilde Lebensfreude. Sie lachen alle drei aus Leibeskräften. Sigvaldi öffnet die Augen wieder, er lächelt zu dem fernblauen Himmel auf. Er schließt die Augen.
Und sein Vater beginnt zu stöhnen.
Eine Nacht in Reykjavík vor bald einem halben Jahrhundert.
Das Stöhnen und die Schmerzenslaute halten sie die ganze Nacht wach, Sigvaldi, seine Mutter, seine beiden Schwestern. Nur sein kleiner Bruder, damals sechs oder sieben Jahre alt, kann einschlafen. Aber erst, nachdem er zu Sigvaldi unter die Decke geschlüpft ist und sich ängstlich und weinend an seinen großen Bruder gekuschelt hat.
Der legt seine linke Hand auf ihn, murmelt etwas Tröstliches, summt dann leise ein paar Wiegenlieder, und allmählich versiegt das Weinen. Das Gesicht dicht an Sigvaldis Hals schläft der Kleine erschöpft ein. Mein armes Kerlchen, wispert Sigvaldi, so froh darüber, den kleinen Leib, seine Wärme und seinen Herzschlag zu spüren, dass ihm Tränen in die Augen steigen und er seinen Bruder noch fester an sich drückt. So liegen sie beieinander. Es tut gut, in der Nähe des Todes das Leben zu fühlen. Die Nacht schreitet voran, und Sigvaldi hält seinen schlafenden Bruder, während ihr Vater wieder schreit, das Morphium wirkt nicht länger, seine Mutter und die ältere Schwester sitzen hilflos, ängstlich und erschöpft neben dem sterbenden Mann … der bis zum Morgen schreit, schreit, bis sich der Tod seiner endlich erbarmt.
Sigvaldi schlägt die Augen auf. Der Himmel ist noch blau, und er ist voller Tod. Er schließt die Augen wieder.
Eine andere Nacht erwartet ihn. Eine völlig andere, gut zehn Jahre liegt sie zurück. Eine Nacht am See von Þingvellir. Sie angeln, Sigvaldi, sein Bruder und sein Schwiegersohn; der Enkel schläft in einem offenen, orangegelben Zelt. Die Sommernacht ist mild, die Berge schimmern blau, Träume steigen auf, die Fliegen surren leise, Vögel dösen, Fische atmen im stillen See, und das Leben ist köstlich. Sigvaldi öffnet lächelnd die Augen, schließt sie gleich wieder.
Und bewegt sich langsam in Helga.
Die Seeleute streiken seit zehn Tagen. Oder sind es schon zwölf? Schlecht, so lange untätig zu sein, schlecht fürs Blut. Dennoch sind es gute Tage, schöne Tage. Mit die schönsten, die er erlebt hat, denn manchmal lagen sie in dem schmalen Bett, ihre sieben Monate alte Tochter zwischen sich, ohne etwas anderes zu tun, als zusammen dazuliegen, einfach zu sein, zusammen zu sein, und Sigvaldi fühlte sich wie auserwählt, als würde ihn sein Glück niemals verlassen. Es war eigentlich seltsam, dass sich das Leben ihm gegenüber als so großzügig erweisen sollte … In der Ungeduld der Lust hebt ihm Helga ihre Hüften entgegen, will, dass er ihr in die Brustwarzen beißt; er tut es, fest, so will sie es, er beißt zu, und warme Milch schießt ihm in den Mund. Küss mich, befiehlt sie, küss mich, seufzt sie, und ihre heiße Zunge schlingt sich erneut um die seine … Es ist so schön mit ihr, dass er fast heulen könnte … so … groß, ja, groß, mit ihr Liebe zu machen. Ihre Heftigkeit und ihre absolute Natürlichkeit lösen in ihm etwas aus, von dem er lange nicht wusste, dass er es in sich hatte. Zusammen mit ihr ist er frei. Mit ihr … Sigvaldi hat sein Glied langsam so weit herausgezogen, dass die Eichel gerade noch ihre Schamlippen berührt, und wartet. Sie sehen sich in die Augen. Sie hebt ihm den Kopf entgegen. Sie küsst ihn. Sie saugt an seinen Lippen. An seiner Zunge. Warte noch, flüstert sie, warte! Und er wartet. Er zuckt und zittert vor Verlangen, aber er wartet ab. Ich liebe dich, flüstert sie. Du sollst in mir kommen. Warte, wiederholt sie, und es vergehen tausend Jahre. Jetzt, wispert sie, jetzt, befiehlt sie, und er holt tief Luft, als er schnell in ihr kommt.
Warum musste es so schön sein, denkt Sigvaldi, nachdem er unvermittelt die Augen aufgeschlagen hat, und er verflucht sich selbst, als er den blauen Himmel über sich erblickt, seltsam fern, als gehöre er einer anderen Welt an. Sigvaldi will die Augen gleich wieder schließen, den Himmel aussperren, gespannt, in welche Zeit es ihn als Nächstes werfen wird. Hoffentlich wieder zurück in die Kellerwohnung in der Reykjavíker Weststadt … Doch plötzlich steht eine alte Frau mit zwei Einkaufstüten über ihm. Sigvaldi flucht. Nie hat man seine Ruhe. Am besten so tun, als sähe er sie nicht, dann geht sie vielleicht weiter. Nein, das tut sie nicht. Sie rührt sich nicht von der Stelle. Im Gegenteil, sie stellt die Tüten ab, die schwer sind von Milch, Mehl und Eiern, hockt sich neben Sigvaldi und sagt etwas zu ihm, sicher auf Norwegisch, denn wir befinden uns in Norwegen, in der Hafenstadt Stavanger, wo Sigvaldi die letzten Jahre mit seiner zweiten Frau, der Norwegerin Sigrid, und Ástas Tochter Sesselja gewohnt hat.
Kann diese Frau nicht verschwinden? Gibt es niemanden, der auf die Milch wartet, muss sie nicht nach Hause, um mit dem Mehl und den Eiern zu backen, anstatt hier neben ihm zu knien, ihn zu stören, zu verhindern, dass er die Augen schließen und hoffentlich wieder in Helgas Umarmung sehen kann, die ihm gerade so viel Schönes gesagt hat, dass jede einzelne Äußerung bis an sein Lebensende reichen könnte. Niemals, weder davor noch danach, ist er einer Frau begegnet, die dermaßen ungehemmt war und ihm so ungezwungen Worte zuflüstern konnte, die ihn sich gut fühlen ließen, Worte, die alles wärmer und größer machten: Ich liebe dich, komm zu mir! Wenn er nur auch solche Worte aussprechen könnte! Woher nahm sie den Mut dazu? Keinen Menschen hat er je so heiß und wild geliebt, manchmal bis zur Verzweiflung. Keine Frau hat er je so sehr gehasst … Wie war sie nur darauf gekommen, sich ausgerechnet in ihn zu verlieben? Sie hätte jeden haben können, aber sie wählte ihn. Warum?
Und wie hatte er sich darauf einlassen können, bei ihr schwach zu werden?
Die Frau sagt etwas.
Diese Norwegerin. Die mit den Einkaufstüten. Sie hat sich neben Sigvaldi gekniet, der wie ein Stück Müll auf dem Bürgersteig liegt und einfach nur die Augen schließen möchte, um zu probieren, ob er gut drei Jahrzehnte in der Zeit zurückkatapultiert wird und wieder in Helgas Armen landet, die gerade dieses wunderbare Wort ausgesprochen hat: jetzt. Was für ein Geschenk das Leben sein kann! Nur wozu mit diesen blöden Einkaufstüten herumlaufen? Und was soll das bringen, Norwegisch zu reden? Vor siebenhundert Jahren haben die Norweger Isländisch gesprochen. Es gab keinen Grund, damit aufzuhören, nichts zwang sie dazu. Liegt es vielleicht an ihrer heimlichen Bewunderung für die Schweden? Ist Norwegisch somit nur ihr missglückter Versuch, Schwedisch sprechen zu wollen? Man gibt doch nicht seine Muttersprache auf, das ist doch abartig. Ein Volk, das seine eigene Sprache verliert, kann genauso gut auf dem bescheuerten Mond wohnen.
Das möchte er der Frau sagen, er will ihr etwas zu hören geben und sie dann für diese blöden Einkaufstüten beschimpfen, doch da ist sie aus unerfindlichen Gründen keine Alte mehr in einem grauen Mantel, sondern eine junge Frau in einer grünen Sommerjacke, die Einkaufstüten sind nirgends zu sehen, und sie hat graue Augen, die Sigvaldi sehr an die Augen seiner Mutter erinnern. Sein Unmut, seine Verärgerung verfliegen, und stattdessen erfüllt ihn Dankbarkeit dafür, dass sie bei ihm sein möchte. Es ist nämlich so langweilig auf diesem harten, widerlichen Bürgersteig …
Weswegen liegt er überhaupt hier? Er hat nicht die leiseste Ahnung. Hat er sich irgendwo volllaufen lassen?
Ach, das wäre wirklich mal herzerfrischend gewesen, es kommt nur noch selten vor, dass er so richtig voll ist. Dabei ist das doch hin und wieder einfach notwendig. Es reinigt das Blut. Doch bei ihm sind manchmal Jahre ohne ein anständiges Besäufnis vergangen, was nicht gut sein kann für … das Gleichgewicht. Nein, Moment, das letzte Mal ist noch gar nicht so lange her, genau besehen war es erst vor Kurzem, vor … ja, erst zwei Monaten. Genau, sein kleiner Bruder hatte angerufen – der, der einmal in Sigvaldis Armen geweint hatte. Er wohnt nämlich auch hier in dieser Hafenstadt, mit seiner norwegischen Frau Rosa, die dermaßen beinhart sein kann, dass man ihr am liebsten nur bewaffnet begegnen möchte. Seltsam, denkt Sigvaldi und möchte mit der jungen Frau mit den grauen Augen gern darüber reden, seltsam, dass wir beide Norwegerinnen geheiratet haben. Er sieht die Frau an, sie lächelt ihm zu. Was für eine Gabe das ist, lächeln zu können. Dieser Planet wäre nicht bewohnbar, wenn wir das nicht könnten. Die Frau sagt etwas, zieht ihre Jacke aus und schiebt sie Sigvaldi unter den Kopf, der die Wärme ihrer Hand spürt. Im Verhalten der Frau liegt etwas, das ihn an Rosa erinnert. Hart, ja, aber auch der Anker im Leben seines Bruders. Du lieber Gott, wie ungerecht bin ich gewesen, denkt Sigvaldi, und plötzlich, ganz unerwartet, steigt in ihm der Wunsch auf, der Frau von Ásta zu erzählen, denn es gibt so viel, so ungeheuer, ungeheuer …
Doch da klingelt irgendwo ein Telefon.
Meine große Liebe! Du denkst zurzeit vielleicht nicht oft an mich, hast es in dieser großen, weiten Welt auch viel weiter gebracht als ich, hast einen beträchtlichen Vorsprung errungen, doch heute ist es vierunddreißig Jahre her, dass du mich mit deiner Wehrlosigkeit überwältigt hast. Erinnerst du dich, denkst du noch gelegentlich daran zurück? Ich begreife nicht, wie du weggehen konntest, wer kümmert sich denn jetzt um dich? Wer sagt dir, ob du aus dem Mund riechst, oder ist es etwa so weit gekommen, dass du, dieser schlanke Mann, mittlerweile einen Bauch hast? Wer soll dir denn das Haar durcheinanderwirbeln, wenn du zufällig einmal so akkurat gescheitelt bist wie ein Autoverkäufer oder ein rechtsextremer Lehrer? Ja, und wer soll dich anstoßen und die Vorsicht zerstreuen, die dich befällt, sobald ein Gedanke keinen Aufschub duldet; denn das Abwarten ist die Schwester des Todes, und findest du den Tod in der Geschichte des Menschen nicht schon mächtig genug, ohne dass wir ihm mit unserem Zögern auch noch Hilfestellung leisten? Dabei kommt mir in den Sinn, sag, hast du mich vielleicht verlassen, um deine Ruhe vor mir zu haben? Dieser endlosen Flut von Einfällen und übereifrigen Reaktionen auf alles Mögliche, Kleines wie Großes …
Du hast schließlich oft genug, und zugegebenermaßen ziemlich überzeugend, behauptet, dass man zuweilen am nächsten bei sich selbst ist, wenn man nichts tut, dass man sich am ehesten in stillem Nachdenken findet. Mir graut davor, du könntest mich verlassen haben, um deine Ruhe und dich selbst zu finden. Dass meine Anwesenheit das verhindert haben sollte. Musstest du etwa zwischen mir und deiner Ruhe wählen? Du, der du vor Zeiten einmal … dein Leben geopfert hast, um mich zu bekommen.
Es ist Abend in der Njálsgata, die Nacht so nah, dass ich als Einzige noch wach bin. Es sind ein paar Stunden vergangen, seit ich von unten den Fernseher von Anna und Guðmundur gehört habe, ihre kleinen Gören schlafen natürlich längst. Nicht selten sitze ich gegen neun Uhr abends nur deswegen hier auf dem Sofa, damit ich höre, wie die beiden Frischlinge ins Bett gebracht werden. Bei uns, den Alten, die allmählich versteinern, ist es nicht der Rede wert, wenn wir zu Bett gehen. Das ist keine Meldung für eine Titel- oder sonstige Seite, wir denken nicht einmal darüber nach, wir gehen einfach zu Bett, decken uns zu und warten auf den Schlaf. Doch vier und sechs Jahre alt zu sein und ins Bett zu müssen – das ruft die gesamte Nachrichtenredaktion auf den Plan, das gibt eine Schlagzeile auf Seite 1! Meine Güte, was es für eine Freude sein kann, das mit anzuhören, und wie dankbar ich den Männern bin, die vor achtzig Jahren dieses Haus bauten und nicht groß an eine Schalldämmung zwischen den Etagen dachten. Abend für Abend sitze ich auf dem Sofa und grinse wie ein Kamel, etwa so, wie dein oller Odd Børretzen in seinem Liebeslied Kjærlighetssang singt, das mit den schönen Zeilen beginnt: »Es regnet draußen, es tropft vom Dach, / doch wir liegen hier warm und nackt in unserm Gemach. / Solange wir im selben Bett liegen, du und ich, / interessiert mich das Wetter draußen nicht.«
Lächelnd höre ich mir das große Theater an, das bei jedem Versuch losbricht, zwei quicklebendige Knirpse ins Bett zu bringen. Und es ist ja auch total unfair, denn das Leben macht so viel Spaß, ist so spannend und steckt dermaßen voller Wunder, dass es ganz schrecklich ist, schlafen zu sollen. Das ist der schlimmste Gedanke auf der Welt! Heute Abend rannten sie lange kreischend durch die Wohnung, während ihre Eltern etwas von Zähneputzen und Ruhe riefen, und dass ihr Lärm Ásta und Björg stören würde. Stören! Nicht einmal Mozart hätte so schöne, so fein perlende Musik komponieren können, wie es das Geräusch trappelnder Kinderfüße ist. Doch jetzt schlafen alle. Selbst die liebe Björg im Keller. Du weißt, dass es Menschen wie Björg sind, die den Teufel an seinen Platz bannen, unten im Dunkel der Erde. Wenn sie nicht im Keller wohnte, hätte der Teufel vermutlich freie Bahn hier zu mir herauf. Er bräuchte nur dem Geruch zu folgen und könnte mich einsacken. Doch nun schläft sie. Sie meint, mit den Jahren sei sie abends so verdammt schläfrig geworden. Als würde die Dunkelheit den Kreislauf immer mehr verlangsamen. Oder als würde sich der Körper auf den Tod vorbereiten.
Ob sie womöglich recht hat? Das wäre zugleich eine Erklärung, weshalb kleine Kinder sich abends so dagegen wehren einzuschlafen: Sie spüren in ihrer Kindheit, dass der Schlaf der Bruder des Todes ist. Sie sind viel sensibler für die unergründlichen Dimensionen als wir Älteren, die die Jahre abgestumpft haben …
Ach, mein Lieber, dabei habe ich mich an meinen alten, norwegischen Schreibtisch gesetzt, um nur von angenehmen Dingen zu schreiben, weil ich mir dachte, ich könnte dich mit Freude eher zu mir zurückholen als mit düsteren Grübeleien. Doch es ist Nacht, und ich kann nicht schlafen. Das ist alles. Ich mache die Augen zu, und der Schlaf ist so weit weg wie … du. »I hold you closer, miles away«, schreibt Carol Ann Duffy in einem traurig-schönen Gedicht. Wenn du zu mir zurückkommst, verspreche ich, deine Wäsche zu bügeln, endgültig mit dem Rauchen aufzuhören, diesmal wirklich, weniger Kaffee zu trinken, positiver zu sein, tagsüber immer die Vorhänge im Wohnzimmer aufzuziehen, meinen Sarkasmus abzustellen, ihn wenigstens zu mildern, im Auto nie mehr die Füße aufs Armaturenbrett zu legen, das Klo öfter zu putzen, ich verspreche dir sogar, mit dir zusammen den Eurovision Song Contest zu gucken! Ich verspreche es, verspreche es, verspreche es … und ich gelobe darüber hinaus, dir zu erzählen, worüber ich bislang geschwiegen habe … Ich habe mir nämlich im Lauf der Zeit klarmachen müssen – und dabei eine Heidenangst bekommen, dass es nun zu spät sein könnte –, dass ich dich in den dreißig Jahren unseres Zusammenlebens sehr damit verletzt habe, dir nicht alles zu erzählen. Es gibt Dinge und Erinnerungen, die ich für mich behalten und dich dadurch nie vollständig an mich herangelassen habe. Ich weiß, dass du es, nicht oft, sogar sehr selten und aus Angst, mich zu verletzen, nur vorsichtig angesprochen hast: Zu lieben bedeutet, einander rückhaltlos zu vertrauen. Und sich alles zu erzählen. Du wusstest offenbar oder hast es gespürt, dass ich das nicht tat. Dich nicht ganz an mich heranließ. Das muss sehr weh getan haben. Ich glaube, ich habe geschwiegen, weil ich mich der vergeblichen Hoffnung hingab, mein Schweigen würde auf das, was ich so gern vergessen wollte, wie Salzsäure wirken. Bist du gegangen, weil ich nicht den Mut aufbrachte, mich dir voll und ganz zu geben?
… jetzt musste ich erst einmal aufstehen.
Das Schreiben fällt schwerer, als ich gedacht habe.
Kommt das daher, dass man sich beim Schreiben selbst in die Augen sehen muss? Ich bin aufgestanden und wusste nicht, was ich tun sollte. Denn seit du gegangen bist, ist alles so sinnlos geworden. Die Bücher, die Wolken, die Schuhe, die Kaffeetasse, die Buslinien, die Nacht, das Morgen … das ganz besonders. Denn du bist nicht hier. Ich stand auf, und das Einzige, was ich tun wollte, war, meine Nina zu hören. Ich habe Since I Fell for You mindestens fünfmal gespielt: »You took my love and now you’re gone.« War keine gute Idee.
Weißt du – es wird dich überraschen –, dass ich Nina mit Kopfhörern gehört habe? Ich wollte Anna und Guðmundur nicht stören, Anna hat ja einen leichten Schlaf. Überrascht dich diese Rücksichtnahme von mir nicht ein wenig? Ich frage mich, ob das ein Anzeichen von Reife ist oder ob ich langsam nachlasse. Du weißt besser als die meisten anderen, dass ich mich oft genug in meinem Übereifer vergessen konnte … oder, na ja, in meinem Egoismus. Früher hätte ich Nina natürlich in voller Lautstärke gespielt, ohne einen einzigen Gedanken an die Nachbarn …
Aber du sollst wissen, dass ich dich noch immer liebe!
Ganz egal, was in der Welt passiert, egal, was über sie hereinbricht, ob Unwetter, Wirtschaftskrisen, Terroranschläge, Populisten, Hassreden oder Meteoriteneinschläge, meine Liebe zu dir besteht. Sie steht unerschütterlich fest. Und wird erst mit dem Tod erlöschen. Du sollst wissen, wenn sich der Tod nicht als das Ende herausstellen sollte, dann besteht sie auch darüber hinaus. Meine Liebe zu dir geht unbeschadet durch das Leben und durch den Tod und danach in das, dessen Namen wir nicht kennen.
Mein Liebster! Bei mir ist Nacht. Die Dezembernacht drückt so lastend gegen die Fensterscheibe, dass ich zeitweilig Angst habe, sie könne brechen, Finsternis könne hereinströmen und mich auslöschen, bevor ich sagen kann, was … bevor ich dir alles sagen kann. Alles? Das hatte ich gar nicht vor. Ich wollte dir keinen langen Brief schreiben, nur ein paar Zeilen. Ich wollte dir nur sagen, dich nur wissen lassen, dass das Leben ohne dich furchtbar, furchtbar schwer ist. Furchtbar schwer. Dass ich an jedem Tag deiner Abwesenheit aufwache und am liebsten gleich wieder einschlafen möchte. Wie bist du bloß darauf gekommen, mich zu lieben?
… falls es das jemals gewesen ist, das Leben eines Menschen chronologisch zu erzählen, von der Wiege bis zum Grab, wie es heißt. So lebt kein Mensch. Sobald sich die erste Erinnerung in unserem Gedächtnis eingewurzelt hat, hören wir auf, chronologisch zu empfinden und zu denken, und von da an leben wir ebenso sehr in dem, was vergangen ist, wie in dem, was gerade vergeht. Das Bedürfnis nach Kontinuität aber ist mächtig. Etwas in einen Zusammenhang zu bringen gibt uns das Gefühl, jedes Leben habe seine Bedeutung, sei nicht zufällig, kontingent, sondern habe immer so verlaufen müssen – wodurch das Universum Sinn und Bedeutung bekäme. Selbstverständlich ist das auch der Grund dafür, dass ich diese Erzählung von Ástas Leben mit dem Moment angefangen habe, in dem ihr Leben begann. Es war ein Fehler.
Doch es ist Winter, und von draußen ist laut die Brandung zu hören.
Wenn ich aufstehe, sehe ich Ásta in ihrer Wohnung in der Njálsgata ihren ersten Brief beenden … Dieser Brief sollte im Übrigen nicht gleich zugestellt werden. Richtiger: Es sollte überhaupt kein Brief kommen, zu allerletzt von Ásta. Das versetzte alles in Aufruhr … Ohne dass ich genau weiß, was ich mit »alles« meine. Was dieses Wort bedeutet.
»Es kann niemand«, las ich vor vielen Jahren, »vom Leben erzählen / außer Gott, / und Gott existiert nicht.«
Da haben wir’s.
Wenn ich dir wenigstens richtig beschreiben könnte, wie dunkel es hier draußen ist. Es ist, als seien sämtliche Lichter gestorben, bis auf ein einziges, vereinzeltes, das ich in der Ferne sehe, tief in der Dunkelheit. Natürlich ist es das Außenlicht der Nachbarn, aber ich fürchte, es könnte auch die Lampe sein, die der Tod nutzt, um sich auf dem Weg hierher zu mir zu leuchten – die Dunkelheit ist so dicht, dass sich selbst der Tod verlaufen könnte.
»Ein Fehler«, habe ich gesagt, diese Erzählung auf ebendiese Weise zu beginnen. Ein zweiter Missgriff, den Brief zu veröffentlichen. Es ist aber schwer für mich, Ásta etwas abzuschlagen. Es geht ihr nicht gut. Zwischen ihr und der Verzweiflung liegt nur noch ein Fingerbreit. Ich fürchte, sie könnte wieder so groß werden wie damals vor rund vierzig Jahren, als Ásta in Wien Theaterwissenschaft studierte. Also habe ich mich nun entschlossen, ihre Geschichte dort noch einmal beginnen zu lassen, was bestimmt ein weiterer Fehlschlag wird. Aber ohne Fehler gibt es sicher kein Leben.
Es geschah wahrscheinlich in den frühen siebziger Jahren, dass Ásta nach einem missglückten Selbstmordversuch in die Psychiatrie eines Wiener Vorstadtviertels eingeliefert wurde.
Missglückt?
Ist es gerechtfertigt, das so zu formulieren? Als sei es etwas Negatives, ein vernichtendes Urteil und der Mensch gescheitert, der es nicht geschafft hat, sich das Leben zu nehmen?
Sie hatte eine Unmenge Schmerztabletten genommen. Eigentlich logisch, viele solcher Tabletten zu nehmen, wenn das Leben einem große Schmerzen bereitet. Doch sie traute den Tabletten allein nicht, zusätzlich hatte sie ein Seil gekauft. Konnte dann aber keine richtige Schlinge knüpfen. Ásta hat zwei linke Hände, und außerdem war sie von den Tabletten, billigem Rotwein und daraus folgendem Unwohlsein so benommen, dass es ihr nicht gelingen wollte, das Seil am Firstbalken zu befestigen. Sie erbrach sich, sie fiel vom Stuhl. Als das Seil endlich an der richtigen Stelle hing, die Schlinge um ihren Hals lag und der Weg in den Tod offenstand, hatte der Lärm die Aufmerksamkeit des Vermieterehepaars geweckt, das gleich unter ihr wohnte. Ein älteres Paar, das schon zweimal mit der Kündigung gedroht hatte, weil Ásta zu viele Partys gab, zu laut Musik hörte … Die Beschwerdeliste war rasch noch länger geworden, doch aufgrund einiger Vorfälle hatte sich ihre harte Haltung im Lauf der Zeit gemildert, und in den letzten Tagen hatten sie sie in der Stille der Nacht bitter weinen gehört und Mitleid für sie empfunden. Im letzten Augenblick brachen sie die Tür zur Dachwohnung auf, als Ásta, von Tabletten und Rotwein schon halb bewusstlos, schwankend auf einem Hocker stand und sie nur Sekunden vom Schweigen des Todes trennten.
Warum nicht aus dem Leben scheiden, wenn alles vorbei ist und alle oder jedenfalls die meisten, die einem etwas bedeuteten, tot sind? Erst ihre Ziehmutter, dann der, den sie am liebsten nie erwähnt, und nun auch ihre Schwester, ein gutes Jahr älter und ein viel besserer Mensch als sie. Wen die Götter lieben, den lassen sie früh sterben. Wir weniger Geliebten verüben Selbstmord.
Ásta war gut ein halbes Jahr zuvor, im August, nach Wien gekommen und hatte sich an der dortigen Hochschule in Theaterwissenschaft eingeschrieben, um Seminare bei einem der renommiertesten Brecht-Experten zu besuchen, denn sie interessierte sich für Brecht, seit sie sein Gedicht An die Nachgeborenen in Sigfús Daðasons Übersetzung gelesen hatte. Eines der großen Gedichte der Weltgeschichte, wichtig zu allen Zeiten.
»In den alten Büchern steht, was weise ist«, heißt es darin: »Sich aus dem Streit der Welt halten und die kurze Zeit / Ohne Furcht verbringen«.
Die kurze Zeit ohne Furcht verbringen. Die wärmsten Briefe, die Ásta in Wien erhielt, kamen von ihrer Schwester. Neun Briefe voller Wärme, Humor, Stärke, Furchtlosigkeit und Anteilnahme an Ástas Leben. Über ihre eigene Krankheit war die Schwester hingegen so verschwiegen, dass Ásta glaubte, es gehe ihr zunehmend besser und sie würde wieder vollständig gesund. Sie war ja auch noch viel zu jung zum Sterben, viel zu jung, um schon Vergangenheit zu werden. Aber vielleicht gab sich Ásta dieser Überzeugung auch hin, um nicht der Tatsache ins Auge sehen zu müssen, dass … – Nein, betrachten wir erst einmal den Mond.
»Ich betrachte den Mond, Schwester«, stand am Ende des letzten Briefs. »Er ist so zartfühlend, eine Position am dunklen Himmel einzunehmen, auf der er fast das ganze Fenster ausfüllt. Wie du weißt, ist es die Dunkelheit, die den Mond so hell macht, dass er die ganze Nacht erleuchtet. Tagsüber ist er blass und fühlt sich nicht wohl, oft löscht ihn das Licht vollständig aus. Es braucht also die Dunkelheit, damit es dem Mond gut geht – er strahlt wegen ihr. Das Gleiche gilt für die Verstorbenen. Wir sehen sie im Dunkeln, doch das Tageslicht lässt sie verblassen. Ich vermisse dich, Schwester, ich vermisse es, nicht zusammen mit dir aufgewachsen zu sein. Vermisse all die gemeinsamen Stunden, die uns das Leben vorenthalten hat. Ich vermisse dich, und ich wünschte, du könntest jetzt mit mir zusammen den Mond betrachten, wie er hier das Fenster ausfüllt. Wie hell er alles erleuchtet, nicht nur den Himmel, sondern auch die Erde. Will mir das womöglich sagen, dass die Toten die Existenz der Lebenden erleuchten können? … Der Tod ist Dunkelheit, das Leben ist Licht. Wie aber erkennen wir das Licht, ohne die Dunkelheit gesehen zu haben? Ich überlege übrigens, mich auf den Mond schießen zu lassen. Danach wirst du die Dunkelheit brauchen, um mich zu sehen. Ich umarme dich. Und ich bin so stolz auf dich.«
Alle neun Briefe der Schwester, bis auf einen, wurden im Krankenhaus geschrieben. Die meisten im Krankenbett, »mein Aussichtsturm, mein Schiff, meine Flügel, mein Gefängnis«. Ásta hatte nur dreimal zurückgeschrieben. Es gibt so viel zu tun, dass es manchmal den Anschein hat, unser Leben verfliege schneller als das Leben allgemein.
»Du brauchst dich nicht zu entschuldigen, kleine Schwester«, stand im letzten Brief. »Ich weiß, dass es in deinem Leben zahllose Baustellen gibt. Du hast ein anstrengendes Studium unter lauter kreativen Menschen in einer Weltstadt zu absolvieren. Wenn ich dir nur etwas von meiner Zeit abtreten könnte, die hier in meinem Schiff manchmal so langsam vergeht, dass ich das Leben vor Ungeduld und Langeweile gähnen höre. Es ödet das Leben offensichtlich immer mehr an, noch hier bei mir verweilen zu müssen. Ich freue mich jedes Mal sehr, wenn ich Post von dir bekomme, ich warte gespannt darauf, und dann ist es so, als stamme ein Brief nicht allein von dir, sondern auch aus der großen, weiten Welt, die ich niemals kennenlernen durfte. Ich habe doch immer nur hier an ihrem Rand gesessen … Schreib mir, wenn du Zeit dazu findest! Und mache deiner großen Schwester eine Freude mit deiner Begabung, deiner Bildung und deiner Weltgewandtheit.«
Wenn du Zeit findest. Ásta brauchte sie nicht erst zu suchen. Haben wir nicht immer Zeit für die, die wir lieben? Wenn wir einigermaßen gute Menschen sind. Nein, es lag nicht daran, dass sie zu wenig Zeit gehabt hätte … Wenn …
… du bloß die Hälfte des guten Charakters deiner Schwester hättest, aber du bist genauso unbelehrbar wie deine unselige Mutter, hatte ihr Vater Sigvaldi gesagt, eher gezischt oder noch richtiger gebrüllt, als er Ásta in dem kleinen Block in Skaftahlíð die Treppe hinuntergestoßen hatte, zwei Jahre nachdem sie dort eingezogen war. Sigvaldi, diese Seele von einem Mensch, stieß vor Wut seine Tochter die Treppe hinab. Zuvor hatte sich Ásta heiser geschrien, indem sie Sigvaldi und der norwegischen Stiefmutter sämtliche Beschimpfungen an den Kopf geworfen hatte, die sie kannte, und das waren leider nicht wenige. Mögest du nur halb so viele kennen.
Ásta hatte es gleich beim ersten Mal gemerkt, als sie sich trafen, sie vierzehn Jahre, ihre Schwester sechzehn Jahre alt. Lebensfreude, Sanftmut und ein freundlicher Humor gingen von ihr aus, was Ásta gleichzeitig zuversichtlicher und düsterer stimmte. Düsterer, weil sie empfand, wie wenig sie ihrer Schwester das Wasser reichen konnte – und dieses Gefühl stellte sich manchmal wieder ein, wenn sie ihr einen Brief schreiben wollte. Sie fühlte Neid. Und hasste sich selbst dafür. Darum hatte sie auf neun Briefe nur dreimal geantwortet und nicht einmal auf den letzten umgehend, obwohl er unübersehbar von den Anzeichen eines nahenden Sterbens geprägt war. Ein baldiger Tod, der Ásta gleich ins Auge sprang, als sie den Brief ein zweites Mal las. Da war es zu spät.
Zu spät.
Manche Worte ziehen Höllenqualen nach sich.
Es verging eine ganze Woche, ohne dass Ásta auch nur hätte beginnen können, einen Antwortbrief zu schreiben. Sie konnte es einfach nicht, und sie litt darunter, das können wir nicht von ihr nehmen, sie dachte kaum an etwas anderes. Es saß ihr wie ein Knoten im Magen. Das Schicksal schlug den Knoten entschlossen durch, löste ihn schnell und gründlich: Ihre Schwester starb. Und alle wissen, dass es wenig bringt, Toten Briefe zu schreiben; damit erreicht man nichts und niemanden, die Post verweigert ihre Annahme, indem sie vorgibt, die Anschrift sei unleserlich oder der Adressat unbekannt verzogen. Zwei Wochen nach dem Eintreffen des neunten Briefs bekam Ásta ein Telegramm von Sigrid mit der Mitteilung, ihre Schwester sei vor vier Tagen gestorben. Kein Wort zur Beerdigung, wann sie stattfinden sollte, keine Nachfrage, ob Ásta vielleicht käme, um von ihrer Schwester Abschied zu nehmen. – Wie sollte man sich im Übrigen von einem Toten verabschieden können? Wie verabschieden wir uns von jemandem, der von uns gegangen ist? Außerdem fehlte jede Erklärung, weshalb das Telegramm nicht früher geschickt worden war. Natürlich hatte Sigrid einfach nicht früher daran gedacht, Ásta zu benachrichtigen, oder nicht für möglich gehalten, dass es eilig sein könnte, denn es ist schließlich allgemein bekannt, dass Egozentriker selten auf Nachrichten über andere warten, selbst wenn es um Leben und Tod geht. Ásta stand offenbar sehr weit unten auf der Liste derjenigen, die man kontaktieren und vom Tod der Schwester in Kenntnis setzen musste. Unterhalb des Einwohnermeldeamts, zum Beispiel, und nach den wichtigeren Kündigungen der Abonnements des Volkswillens und der Zeitschrift für Sprache und Kultur (ihr Mann las weder den einen noch die andere, und ihr fünfjähriger Sohn ebenso wenig). Weit unterhalb des Chors Polyphonie, in dem ihre Schwester singt, nein, gesungen hat. Ásta stand so weit unten auf der Liste, dass es eigentlich ein Zeichen guten Willens war, ihr überhaupt ein Telegramm mit der Benachrichtigung zu schicken. Erst vor Kurzem hatte ein Mann, der Ásta ziemlich gut kannte, sie mit den Worten abgefertigt, »herzlos«, wie sie sei, werde sie es »mit ihrer Pussy weit bringen«. Beides sehr gemeine Anschuldigungen. Auf die zweite will ich noch nicht eingehen, die erste aber kann ich sofort zurückweisen und erklären, dass sie kaum begründet ist, denn als Ásta das Telegramm las, brach sie in Tränen aus – und werden Tränen nicht im Herzen produziert?
Helga, die Mutter der beiden Schwestern, rief am Tag der Beerdigung an, in Tränen aufgelöst. Es gibt doch immer wieder Überraschungen. Zum Ersten hatten nämlich weder Mutter noch Tochter Telefon. Und selbst wenn Helga einen Anschluss gehabt hätte, hätte sie es sich kaum leisten können, ein Auslandsgespräch zu führen und die ersten fünf Minuten nur zu heulen. So in den Hörer zu wimmern und zu schluchzen, dass Ásta lange kaum mehr als einzelne Wörter verstand. Eine noch größere Überraschung, dass Helga überhaupt die Nummer von Ástas Vermietern hatte ausfindig machen können. Ásta hatte sie seinerzeit lediglich Sigvaldi und Sigrid, ihrer Schwester und zwei Freundinnen für den Fall mitgeteilt, dass etwas wirklich Schlimmes passieren sollte, das keinen Aufschub duldete, oder es einen Todesfall gäbe wie jetzt, obwohl selbst das Sigvaldi und Sigrid nicht bewogen hatte, sie anzurufen – halten wir ihnen zugute, dass es sich um ein Auslandsgespräch gehandelt hätte, was damals noch einigen Aufwand erforderte. Es war zudem teuer, und die Vermieter sprachen nur ihre eigene Sprache, Deutsch, wovon Sigvaldi kein Wort verstand, und Sigrid wollte es nicht verstehen, es war mit bitteren Erinnerungen aus dem Krieg behaftet, nehme ich an, als die Deutschen Norwegen besetzt hatten. Ásta ihrerseits hatte an Sesseljas zweitem Geburtstag anrufen dürfen, doch leider hatte sie zu einer Zeit daran gedacht, als die Kleine schlief. Ásta hatte hastig erklärt, sie würde später noch einmal anrufen, aber das ließ Sigrid nicht zu. Es war ja schon teuer genug, einmal anzurufen, ein zweites Mal wäre viel zu teuer geworden. Darum weckte sie Sesselja in aller Eile, die dann noch verschlafen die ganze Zeit über weinte, während Ásta in dem dunklen Flur stand, den Hörer umklammerte, geradeaus starrte und ihr Geburtstagslied sang. Dem Vermieterehepaar gefiel, wie Ásta sang, und sie sahen, dass sie dabei weinte, und es milderte ihre Skepsis zu hören, dass Ásta eine kleine Tochter hatte, die sie vermisste und der sie Lieder vorsang.
Ihrer Mutter aber hatte Ásta nie ihre Adresse geschickt, geschweige denn die Telefonnummer, und es war schon eine Leistung, dass Helga sich daran erinnern konnte, in welchem Land Ásta sich aufhielt, ja sogar in welcher Stadt. Doch nach einer fünfminütigen Mischung aus Schniefen, Schluchzen und Monologen Helgas bekam Ásta aus ihr heraus, dass sie vom Polizeipräsidium in der Reykjavíker Hverfisgata anrief, wo sie die Nacht in einer Zelle verbracht hatte. Es war nicht das erste Mal. Die Polizei hatte sie auf der Straße aufgegriffen und sie in einer Zelle ihren Rausch ausschlafen lassen. Das sei schließlich eine Frage der Verantwortung, und es wäre eine Schweinerei gewesen, eine ältere Frau bis zur Besinnungslosigkeit betrunken und womöglich in ihrem eigenen Urin auf der Straße liegen zu lassen.
Darfst du auf ihre Kosten ins Ausland telefonieren, erkundigte sich Ásta, nachdem Helgas heftigster Heulkrampf vorbei zu sein schien.
Wenn ich nett zu ihnen bin, sind sie nett zu mir, antwortete ihre Mutter, als würde sie einem Kind erklären, was für Erwachsene selbstverständlich ist, und Ásta wollte gar nichts Näheres erfahren, was das hieß und welche Nettigkeiten ihre Mutter den wachhabenden Polizisten erwiesen hatte.
Habt ihr gutes Wetter?, fragte Helga. Ich meine, ist im Ausland nicht fast immer gutes Wetter? Haben wir es nicht übernommen, Kälte, Stürme und schlechtes Wetter bei uns in Island zu behalten, damit die Menschen im Ausland es schön haben? Gott, wäre das herrlich, jetzt mit einem gut aussehenden Kerl in der Sonne zu liegen, dem es Spaß macht, mir die Füße zu massieren, während ich einen schicken Cocktail schlürfe! Ich würde einen Strohhut tragen und hätte nie Bauchschmerzen.
Das Essen hier in Island ist mir nie bekommen, ich bin dafür zu fein gebaut, zu kultiviert. Ich bekomme davon gemeine Blähungen und muss ständig aufstoßen. Es macht die Sache auch nicht besser, dass es hier fast nur schlechten Wein gibt, der obendrein ein Vermögen kostet. Schlechter Wein schlägt einem meist böse auf den Magen. Das solltest du dir merken. Wir Frauen müssen an so etwas denken, denn es ist doch blamabel, in Gegenwart anderer pupsen zu müssen, außer man kennt sich gut. Ich glaube, im Ausland geht es einem besser mit dem Magen, durch das Essen, das es da gibt, und durch die besseren Weine, die da getrunken werden. Wie geht es deinem Magen, Liebes? Bist du nicht durchweg gesund und tipptopp? Und findest du es nicht peinlich, ist es nicht das Unangenehmste überhaupt, Blähungen zu bekommen, wenn du gerade mit einem Mann zusammen bist? Ich hoffe, es ist dir noch nicht passiert, dass dir mitten im heißesten Gefecht ein Furz entfleucht ist, noch dazu einer, der riecht, das findet keiner lustig. Mir ist das schon passiert. Das kann echt alles kaputt machen. Besonders wenn du mit einem wohlerzogenen Mann zusammen bist. Ich mache es gern mit solchen Männern, die halten anfangs so hinterm Berg, und es ist interessant mitzuerleben, wie ihre anderen Seiten zum Vorschein kommen. Manchmal ist es, als würden sie völlig vergessen, wie vornehm und beherrscht sie sind, das finde ich spannend. Ich habe mir aber früh angewöhnt, sie nur in den Mund zu nehmen, wenn mir im Bauch nicht gut ist, und sie haben sich nie beschwert. Manche hatten so etwas übrigens noch nie erlebt, darunter verheiratete Männer über dreißig. Stell dir mal diese Fantasielosigkeit vor!