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Herausgegeben von der Klaus-Groth-Gesellschaft e. V.

Der Autor folgt der alten, 2005 veränderten Rechtschreibung.

ISBN 978-3-8042-3064-4

© 2019 by Boyens Buchverlag GmbH & Co. KG, Heide

Alle Rechte vorbehalten

Umschlaggestaltung unter Verwendung einer Zeichnung
von Otto Speckter aus dem illustrierten Quickborn (1856) und eines Ölgemäldes von Nicolaus Bachmann (1892), Klaus-Groth-Museum

Herstellung: Boyens Buchverlag

Datenkonvertierung: CPI books GmbH, Leck

Inhalt

Einleitung

„Volksleben“ – Die Entdeckung einer neuen Welt

1. Die ersten Landleute auf dem Parnaß

2. Das goldene Zeitalter der Mundartdichtung

3. Wie die Mundart (nicht) literaturfähig wurde

4. Herder

5. Volks-Lieder und Volks-Kultur

6. Auf der Suche nach der Kultur des Volkes

7. Die große geschichtliche Bewegung

8. Ein Europa der vielen Sprachen

9. Die Zerrissenen

Die fünf Leben des Klaus Groth

1. Kindheitsleben

2. Bildungsleben

3. Einsiedlerleben

4. Schriftstellerleben

5. Klassikerleben

Der lange Weg zum Quickborn

1. Tagebücher 1845/46

2. Wissenschaft

3. Sonette

4. Fernweh

5. Humphrey Japhet

6. Endstation Quickborn

Der Dichter und sein Redakteur

1. Karl Müllenhoff, Leben und Werk

2. Müllenhoffs Beitrag zum Quickborn

a) Der Ausbau des Quickborn

b) Orthographie und Glossar

c) Die Übersetzung ins Hochdeutsche

d) Literarischer Einfluß

e) Groths Produktionsweise

3. Der Bruch zwischen Groth und Müllenhoff

Volksdichter gegen Volksdichtung

1. Brief an Ernst Friedrich Christian Griebel vom
11. September und 1. Oktober 1852.

2. Vorworte (1852–1855)

3. Briefe über Hochdeutsch und Plattdeutsch (1858)

4. Poetik des Heimwehs

Idylle und Sturm

1. Die einleitenden Gedichte

2. Die epischen Langgedichte

3. Die Balladen

4. Die lyrischen Zyklen

5. Ut den Swanenweg

Anhang

1. Chronologie der Quickborn-Gedichte

2. Auflagen des Quickborn mit Inhaltsverzeichnis
1.–7. Auflage

3. Chronologie der hochdeutschen Gedichte nach der „größeren Kladde“

Zitierweisen

Einleitung

Im November 1852 erschien im Hamburger Verlag Perthes-Besser & Mauke, vordatiert auf das Jahr 1853, ein Gedichtband mit dem Titel „Quickborn. Volksleben in plattdeutschen Gedichten dithmarscher Mundart“ von Klaus Groth. Trotz des seltsamen und unverständlichen Titels, trotz eines Untertitels, der eher nach einer ethnographischen oder sprachwissenschaftlichen Untersuchung klang, trotz eines völlig unbekannten Verfassers, der sich später als gescheiterter Mädchenschullehrer aus dem holsteinischen Heide entpuppte, trotz dessen Befürchtungen, die Kritik würde sich „hämische Angriffe oder noch mehr erniedrigende Vergleichungen mit neueren Dilettantenversuchen“ erlauben, 1 trotz der Tatsache schließlich, daß die lyrischen Texte, die der Band beinhaltete, in einer Mundart verfaßt sind, die den meisten gebildeten Lesern nicht vertraut war – trotz all dieser Umstände, die das Buch eigentlich von vornherein zur literarischen Makulatur hätten machen müssen, geschah das Unglaubliche, Unmögliche und im höchsten Grad Unwahrscheinliche: Das Buch wurde ein Erfolg! Ein halbes Jahr später schon kam eine zweite Auflage heraus, 1854 die dritte, und im Jahre 1856 wurden gleich drei Auflagen parallel veröffentlicht: eine prachtvoll aufgemachte illustrierte Ausgabe mit 136 Zeichnungen und Initialen des Hamburger Malers Otto Speckter, eine zweisprachige Ausgabe, in der neben dem niederdeutschen Original eine hochdeutsche Übersetzung steht, sowie eine „reguläre“ Ausgabe mit ausführlichem wissenschaftlichen Anhang des Kieler Germanisten Karl Müllenhoff. 1864 wußte Groth mit hörbarem Stolz zu berichten, „dass 16000 Exemplare im Volke […] verbreitet sind“, 2 und als der Autor 1899 starb, erschienen gerade die 22. bis 24. Auflagen, was bei einer durchschnittlichen Auflagenhöhe von je 2.000 Stück 48.000 Exemplare bedeuten würde. Die 46. und 47. Auflage von 1923 ist die letzte im Originalverlag nachweisbare. Hinzu kommen die 1893 erstmals edierten „Gesammelten Werke“, in denen der Quickborn natürlich ebenfalls die zentrale Stelle einnimmt und von denen bis 1920 immerhin noch 8.000 Exemplare verkauft wurden. Im 20. Jahrhundert kommen Nachdrucke und Auswahlausgaben hinzu, die letzte vollständige Ausgabe erschien 1998 (in 4. Auflage 2016). Es ist zu merken, daß das Interesse seit den 1920er Jahren deutlich abgenommen hat. Das ändert aber nichts an der Tatsache, daß ein mundartlicher Lyrikband, dessen Verbreitung schon aus Gründen der Verständlichkeit eng begrenzt sein sollte, in schätzungsweise 100.000 Exemplaren verkauft wurde. Ein plattdeutscher Gedichtband als Bestseller! Dieses Faktum allein ist schon ein Rätsel und wird es umso mehr, wenn man bedenkt, daß der Leserkreis nachweislich über die Niederdeutsch-Muttersprachler weit hinaus ging und das Buch auch im Süddeutschen, sogar im Österreichischen wahrgenommen wurde.3 Und wie krass sticht es erst von der Situation in der Gegenwart ab, wo Mundartdichter nicht einmal in der eigenen Sprachgruppe mit einer hinreichend großen Leserzahl rechnen können, um die Veröffentlichung eines eigenständigen Gedichtbandes sinnvoll und möglich erscheinen zu lassen!

Es ist ein Rätsel, und wo ein Rätsel ist, da ist die Wissenschaft aufgefordert, es zu lösen. Erstaunlicherweise ist in dieser Hinsicht bisher wenig geschehen. Eine alle zentralen Themen zusammenfassende Monographie fehlt ganz, die Handvoll Dissertationen (die letzte 1955 erschienen) beschäftigen sich auf überwiegend positivistische Weise mit formalen Problemen, während viele kürzere Aufsätze, besonders älteren Datums, in folkloristischen Tönen schwelgen und Groth als Bewahrer niederdeutschen Volkstums feiern, was heute bestenfalls naiv, schlimmstenfalls nach nationalsozialistischer Blut-und-Boden-Ideologie klingt.4 In dem seit 1958 kontinuierlich erscheinenden Jahrbuch der Klaus Groth-Gesellschaft5 finden sich eine Fülle von Detailuntersuchungen und Einzelinterpretationen zu Leben und Werk des Namensgebers. Aber auch hier kann man Gesamtwürdigungen, wie etwa von Ludwig Wolff6 oder Heinrich Detering7 an den Fingern einer Hand abzählen. Dem Rätsel, daß ein mundartlicher Text einen solchen Erfolg hatte, folgt also, sozusagen auf dem Fuß, das nächste Rätsel, nämlich warum die Wissenschaft von ihm keine Notiz genommen hat, obwohl in eben diesem Erfolg ein wissenschaftliches Problem verborgen liegt, das eine Untersuchung dringend einfordert.

Die Lösung dieses zweiten Rätsels ist einerseits einfach und offensichtlich, andererseits sehr komplex. Die einfachen Gründe sind erstens die Verständnisschwierigkeiten, die ein niederdeutscher Text einem nur sehr selten niederdeutsch sozialisierten Literaturwissenschaftler entgegensetzt; zweitens, daß die niederdeutsche Philologie ein eigenständiges Fach bildet, das meistens sprachwissenschaftlich ausgerichtet ist und an den wenigen Universitäten, an denen es überhaupt existiert, ein Nischendasein fristet; und drittens schließlich, daß mit der Arbeit an einem weitgehend vergessenen Text eines weitgehend vergessenen Autors in einer weitgehend vergessenen Sprache wenig akademischer Ruhm zu ernten ist.

Die komplexen Gründe liegen in dem affirmativen und teleologischen Charakter der Geschichtsschreibung – was auch die Literaturgeschichtsschreibung mit einbezieht. Weniger hochtrabend ausgedrückt: Die Geschichte wird immer von der Gegenwart aus gedacht, in der der Historiker lebt, und bewußt oder unbewußt betrachtet er diese Gegenwart immer als Produkt der Geschichte und interpretiert in einem bedenklichen Umkehrschluß alles historische Geschehen als Vorbereitung der Gegenwart. Es geht ausschließlich darum, „wie wir wurden, was wir sind“. Der Strom der Geschichte wird demzufolge als schnurgerader Kanal gedacht, in dem jede einzelne Welle auf direktem Weg der Mündung, d. h. der Gegenwart zufließt. In Wahrheit aber ist Geschichte ein sehr viel unübersichtlicherer, vielschichtigerer Vorgang, ihr Strom hat Strudel und Wasserfälle, Überschwemmungen und Niedrigwasser, Zuströme und Abzweigungen, Totwasser und Sumpfgebiete, Biegungen und Flußauen. Konkret gesprochen kennt die Geschichte des 19. Jahrhunderts zwei große Konfliktfelder, die sie prägen: Am Anfang ist es die Auseinandersetzung zwischen Monarchie und Bürgertum, 8 am Ende die zwischen Bürgertum und Industrieproletariat. Das Bürgertum ist der große Sieger, die Monarchie führt erfolgreiche Rückzugsgefechte, und das Proletariat gewinnt immerhin eine eigene soziale und kulturelle Identität.

Es gibt aber auch einen großen Verlierer, der in den Epochendarstellungen von Franz Schnabel, Thomas Nipperdey oder Heinrich August Winkler9 entweder gar nicht oder nur am Rande vorkommt. Dieser Verlierer ist das Land, „das Land“ verstanden als sozialer, wirtschaftlicher und kultureller Lebensraum. Am Anfang des Jahrhunderts leben neun Zehntel der Bevölkerung auf dem Land.10 „Die alte Welt ist agrarisch geprägt, die Gesamtwirtschaft hängt von der Landwirtschaft ab, Herrschafts- und Lebensordnung, ja Normensysteme existieren im Rahmen und auf der Basis der Agrarwelt.“11 Das alles wird sich bis zum Ende des Jahrhunderts so radikal geändert haben wie seit der neolithischen Revolution nicht mehr. Der Strom der Geschichte rauscht an der Landbevölkerung vorbei, als beträfe sie nichts davon. „Die liberalen oder demokratischen Parolen – Bürgerrechte, Konstitution, Nation – berührten sie nicht.“12 Das Land ist für Historiker kein Thema – eher für Volkskundler. Und in deren Darstellung spielt die „große“ Geschichte – Kriege, Revolutionen, Entdeckungen – keine Rolle, sie untersuchen stattdessen die sozialen Strukturen des Dorflebens, wie sie sich seit dem Mittelalter entwickelt und nicht verändert haben.13 Es ist, als ob das Land einer anderen Welt angehört, fremd, exotisch, unverstanden. Ein alter Flußarm, der neben dem begradigten Strom träge dahinfließt, Rückzugsort gefährdeter Lebensarten, ökologisches Habitat vergessener Kulturen. Daß der Verlust an realer Bedeutung einhergeht mit einem Zugewinn an ideeller Bedeutung als utopischer Raum für lebensferne Landidyllik und Ausflugsziel für gestresste Großstädter, ist, geschichtlich gesehen, nur ein schwacher Trost.

Die Untersuchung von Klaus Groths Quickborn führt mitten hinein in die geschichtliche Dialektik des 19. Jahrhunderts und macht aufmerksam auf Kräfte und Konflikte, die dem Blick des Historikers sonst entgehen – oder die ihm gleichgültig sind, weil sie seinem Begradigungsstreben entgegen stehen. Das ist der komplexe Grund, warum eine solche Untersuchung bisher nicht angegangen wurde. Aber gerade dieser tiefe Blick in die Komplexität historischer Bewegungen sollte Grund und Anlaß sein, sich dem Thema eben doch zu widmen. Die Frage: „wie wir wurden, was wir sind“ beinhaltet implizit auch die Frage: „wie wir verloren haben, was wir waren“. Denn Geschichte ist immer ein dialektischer Vorgang, in dem jeder Fortschritt auch irgendwo anders einen Rückschritt, jeder Gewinn an anderer Stelle einen Verlust bedeutet. Die daraus sich ergebenden Wachstumsschmerzen der Moderne quälen und beunruhigen unsere Gesellschaft noch bis heute. Aus der Rückschau ist die Moderne nichts anderes als eine konsequente Vereinheitlichung – der Wirtschaft, der sozialen Klassen, der nationalen Staaten und Sprachen, der Bildung und des Wissens (heute faßt man all dies unter dem Begriff „Globalisierung“ zusammen). Mundartliteratur und -kultur steht dagegen für wirtschaftlichen, sozialen, politischen, sprachlichen, pädagogischen Partikularismus – und wissenschaftliche Rückständigkeit; daß sie trotzdem im 19. Jahrhundert enorm erfolgreich war, steht für eine Quer- oder Seiten- oder Gegenbewegung, die Teil des gesamten Modernisierungsprozesses ist, der sich vom 18. Jahrhundert bis in unsere Gegenwart zieht. Und daraus folgt: Der Quickborn und seine Erfolgsgeschichte ist kein Kuriosum oder Betriebsunfall der Literaturgeschichte, noch ist er ein langweiliges Stück Literaturfolklore aus der schimmelbedrohten Vitrine eines muffig riechenden Heimatmuseums. Er steht im Gegenteil mitten auf dem Kreuzweg, wo sich die unterschiedlichsten Kräfte kultureller, sozialer und politischer Art begegnen, sich verknoten, miteinander ringen, verschmelzen oder sich abstoßen. Und ganz nebenbei ist er große Literatur, Weltliteratur.14

Das vorliegende Buch will den Versuch unternehmen, das Interesse an einem leider fast vergessenen Meisterwerk der deutschen Literatur neu zu erwecken. Es soll dargestellt werden als ein Werk nicht nur der niederdeutschen, sondern der deutschen, ja sogar der europäischen Literatur. Es soll dargestellt werden, daß die Problemlage, aus der heraus es entstand, seinen lokalen norddeutschen Entstehungskreis sprengt und im Grunde bis heute fortbesteht. Es soll dargestellt werden, daß der Autor als ein Mensch des 19. Jahrhunderts bewegt und zerrissen war von den widerstreitenden Strömungen des 19. Jahrhunderts. Und es soll dargestellt werden, warum der Quickborn ein Stück großer Literatur ist und warum es sich auch heute lohnt, die Sprachbarriere zu überwinden und ihn zu lesen.

* * * * *

Anlaß dieses Buches ist der 200. Geburtstag Klaus Groths am 24. April 2019. Die Anregung dazu entstand aus Gesprächen im Vorstand der Klaus Groth-Gesellschaft in Groths Geburtsort Heide. Den Mitgliedern des Vorstandes, insbesondere Bernd Rachuth und Robert Langhanke, danke ich für die bereitwillige Unterstützung und Förderung meiner Arbeit. In deren Verlauf habe ich auch Groths Nachlaß untersuchen dürfen, der in der Schleswig-Holsteinischen Landesbibliothek in Kiel aufbewahrt wird; auch bisher unveröffentlichte Texte kamen dabei zum Vorschein, die zeigen, wie lange Groth gebraucht hat, bis er im Quickborn zu seinem ureigenenen Stil gefunden hatte. Der Leiterin der Handschriftenabteilung, Maike Manske, danke ich für die stets freundliche Hilfestellung und die großzügigen Arbeitsbedingungen in Kiel. Weiterhin danke ich Telse Lubitz und der Mannschaft des Klaus Groth-Museums in Heide, die mich mitten im Museumsbetrieb an den verschiedenen Auflagen des Quickborn forschen ließen, die dort zur Verfügung stehen. Mein Dank gilt auch dem Verein der Freunde und Förderer des Klaus Groth-Museums für die bereitwillige Unterstützung meiner Arbeit.

Ein Manko der Untersuchung besteht darin, daß sie auf einer unzureichenden textphilologischen Grundlage aufbauen muß. Eine historisch-kritische Ausgabe des Quickborn existiert nicht, die verfügbaren Handschriften sind also nie in Hinblick auf den Entstehungsprozeß der Sammlung untersucht und ausgewertet worden – wofür diese Arbeit Anregungen, jedoch keinen Ersatz liefern kann. Die beiden Gesamtausgaben Grothscher Werke, die Gesammelten Werke (GW) von 1893 und die Sämtlichen Werke (SW) von 1954-65 sind beide nicht vollständig, jede enthält Material, das die andere nicht hat, so daß also aus beiden zitiert werden muß. Zudem sind die SW nach Prinzipien gestaltet, die als problematisch angesehen werden müssen, weil sie sich Eingriffe in Text und Zusammenstellung erlauben, die nach heutigen philologischen Maßstäben unerlaubt sind. Auch Groths Briefwechsel ist nur in Teilen publiziert, so daß man davon ausgehen muß, daß wichtige Dokumente der Forschung schlichtweg nicht zur Verfügung stehen. All das ist Arbeit, die von der Forschung noch geleistet werden muß, Arbeit, auf deren Notwendigkeit hier eindringlich verwiesen sei. Viele Fragen werden ungeklärt bleiben müssen, solange diese Arbeit nicht getan ist!

Zur Rechtschreibung: In diesem Buch wird aus Texten zitiert, die z.T. in alter (bis 2005 gültiger), historischer (d.h. im 19. Jahrhundert üblicher) und niederdeutscher Orthographie verfaßt sind. Da die neue Rechtschreibung diese orthografische Konfusion nur noch vergrößert hätte, ist das Buch in alter Rechtschreibung abgefaßt.

Schließlich noch ein Wort zur terminologischen Verständigung. Groth spricht von „plattdeutschen Gedichten dithmarscher Mundart“. Wie er in den Briefen über Hochdeutsch und Plattdeutsch (1858) theoretisch dargelegt hat, geht er davon aus, daß Hoch- und Niederdeutsch eigenständige Sprachen sind, von denen es jeweils verschiedene Sprachvarianten – Mundarten – gibt. Demzufolge sind das Mecklenburgische, Westfälische oder Dithmarsische Mundarten des Niederdeutschen, so wie das Alemannische, Bairische oder Österreichische Mundarten des Hochdeutschen sind. Inwieweit das dem heutigen Forschungsstand entspricht, spielt hier keine Rolle.15 Es geht nur darum, sich auf einen praktikablen Begriff festzulegen, und es scheint angemessen, sich dem Wortgebrauch unseres Autors anzuschließen. Eine weitere terminologische Differenzierung in „Dialekt“ und „Mundart“ würde dagegen zu nichts führen, und was Groth selbst darüber schreibt (im 5. der Briefe über Hochdeutsch und Plattdeutsch), ist mehr spitzfindig als hilfreich. „Die Dialekte“, heißt es dort „unterscheiden sich hauptsächlich durch die verschiedene Aussprache desselben Wortstoffs, die Mundarten mehr durch die Verschiedenheit des Wortstoffes selbst.“16 Im Allgemeinen aber „werden heute beide Termini synonym verwendet“, 17 wie der Brockhaus nüchtern feststellt. In diesem Buch, das sich der Untersuchung von „plattdeutschen Gedichten dithmarscher Mundart“ widmet, soll der Einfachheit halber der Ausdruck „Mundart“ für alles regionalsprachliche Sprechen und Schreiben benutzt werden.

Es ist die Hoffnung und der Wunsch des Autors, daß sein Buch eine neue Beschäftigung mit Klaus Groths Quickborn anregen wird, sowohl bei Lesern wie bei Wissenschaftlern. Ich hoffe, daß man es weder ignorieren noch als Standardwerk auf ein Podest stellen wird, denn im Grunde ist das eine so schlimm wie das andere. Beides führt zu Stillstand. In der Forschung muß jede Arbeit als eine Stufe betrachtet werden, auf der man weiter in die Höhe steigt, und in diesem Sinne hätte ich gar nichts dagegen, wenn man über mein Buch hinwegginge zu anderen, besser argumentierenden Positionen, besser erforschten Vorgängen und besser begründeten Ergebnissen. Stillstand hat es in der Groth-Forschung lange genug gegeben, nun ist es Zeit für Bewegung!

Anmerkungen

Briefe S. 30 bzw. UdQ S. 2. Brief an Karl Müllenhoff vom 6. November 1852.

Memoiren S. 85.

Als Beispiel sei auf den österreichischen Literaturkritiker Emil Kuh hingewiesen, der 1864 in der Wiener „Presse“ einen Aufsatz mit dem Titel Der Dichter der Dithmarschen publizierte (wiederveröffentlicht in: Emil Kuh’s kritische und literarhistorische Aufsätze (1863-1876). Hg. von Alfred Schaer. Wien 1910, S. 49-58). Allerdings hatte Kuh die Quickborn-Gedichte auch aus dem Mund eines geborenen Dithmarschers gehört, des mit ihm eng befreundeten Friedrich Hebbel.

Ein besonders abschreckendes Beispiel dafür ist Adolf Bartels, kämpferischer Repräsentant einer völkisch-antisemitischen Literaturwissenschaft, in dessen Schriften zu Groth es von Phrasen wimmelt wie „uralter freier germanischer Volksgeist“ oder Sätzen wie: „Wie alle Herrenrassen haben die freien Dithmarscher Bauern auf ihr gutes Blut viel gehalten …“ (Adolf Bartels: Klaus Groth. Sein Leben und seine Werke. 2. Aufl. Heide o.J. [ca. 1940], S. 24, S. 2).

Bis 2008 unter dem Titel „Jahresgabe der Klaus Groth-Gesellschaft“, ab 2009 als „Jahrbuch“, hier durchgehend abgekürzt als KGGJ mit der jeweiligen Jahreszahl und in Klammern der Jahrgangsnummer.

Ludwig Wolff: Der persönliche Grundton im Dichten von Klaus Groth. In: KGGJ 1975/6 (18), S. 7-24. Erstveröffentlichung 1931. – Ders.: Die Dichtung Klaus Groths in ihrer bleibenden Bedeutung. In: KGGJ 1966 (10), S. 10-28.

Heinrich Detering: Melancholie und Memoria: Klaus Groths Gedichte in ihrer Epoche. In: KGGJ 2000 (42), S. 11-30.

Oder „Monarchie und Volkssouveränität“, wie der 2. Band von Franz Schnabels Deutscher Geschichte im 19. Jahrhundert betitelt ist. Thomas Nipperdey stellt seine Deutsche Geschichte 1800-1866 unter das etwas neutralere Motto „Bürgerwelt und starker Staat“.

Heinrich August Winkler: Geschichte des Westens. Bd. 1: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert. München 2009.

10 Nipperdey S. 112.

11 Nipperdey S. 145.

12 Nipperdey S. 177.

13 Vgl. etwa Ingeborg Weber-Kellermann: Landleben im 19. Jahrhundert. München 1987.

14 Was übrigens eine Tautologie ist, denn große Literatur ist eben darum groß, weil sie widerstreitende Kräfte der menschlichen Gesellschaft zum Ausdruck bringt.

15 Vgl. den Artikel „deutsche Mundarten“ in Brockhaus Enzyklopädie in 24 Bd. 19. Aufl. 5. Bd. (1988), S. 375-379; dort wird zwischen niederdeutschen, mitteldeutschen und oberdeutschen Mundarten unterschieden, eine Einteilung, die sich nach dem Grad definiert, wie die Mundarten die hochdeutsche Lautverschiebung durchgeführt bzw. nicht durchgeführt haben.

16 SW 6, 81.

17 Brockhaus Enzyklopädie in 24 Bd. 19. Aufl. 15. Bd. (1991), S. 196.

„Volksleben“ – Die Entdeckung einer neuen Welt

1. Die ersten Landleute auf dem Parnaß

„Gestern Abend war ich bei Goethe bis 11 Uhr, und er laß mir aus den Alemannischen Gedichten vor, was nun aus seinem Munde gar herzig klingt. Göthe recensirt sie, u. Du wirst Dich des Werkes freuen.“1

So schrieb am 27. Januar 1805 Heinrich Voß an seinen Freund R. B. Abeken. Voß war der älteste Sohn des Homer-Übersetzers Johann Heinrich Voß (der mit zwei niederdeutschen Idyllen als Vorläufer Groths eine nicht unbedeutende Rolle spielt2) und lebte in den Jahren 1804 bis 1806 in Weimar, wo er klassische Sprachen am dortigen Gymnasium unterrichtete und fast täglich in Goethes Haus am Frauenplan verkehrte. Johann Wolfgang von Goethe, schon damals eine Institution der deutschen Kultur, deren Nimbus über das rein Persönliche weit hinausging, zog gern talentierte junge Leute in sein Haus und setzte sie bei Gelegenheit auch für literarische Hilfsarbeiten ein. So soll Voß jr. bei der Überprüfung der Metrik von Hermann und Dorothea, Goethes schon 1797 erstmals gedrucktem Hexameterepos, mitgeholfen haben.3 Voß erinnert sich noch 15 Jahre später (in einem Brief an denselben Adressaten) an jenen Abend im Januar 1805 und schmückt die Szene anekdotisch etwas aus:

„Ich wollte, Du hättest Göthe den Abend gesehen, als er Hebels Gedichte gelesen. Nach neun Uhr Abends lud er mich noch ein; ‚und wenn Sie im Schlafrock wären (sagte der Bediente), Sie sollten nur so zu meinem gnädigen Herrn kommen; er muß Sie noch sprechen.‘ Als ich kam, sprudelte ein serapiontischer Erguß über die Gedichte; der am anderen Morgen um 7 Uhr schon Recension war. Selige Zeit, da ich Goethes Wandnachbar war, u. er mich herbeiklopfen konnte!“4

Das Werk, das Goethes „serapiontische“ Begeisterung erregte, waren die Alemannischen Gedichte, zuerst 1803 anonym erschienen. Goethe las die zweite Auflage von 1804, in der der Autor sich erstmals nannte: Johann Peter Hebel, am 10. Mai 1760 in Basel geboren, aufgewachsen im badischen Hausen, im Tal der Wiese gelegen, eines Nebenflusses des Rheins, den er im ersten seiner Alemannischen Gedichte poetisch verewigen sollte. Zu der Zeit, als er seine Gedichte schrieb und veröffentlichte, lebte er als Gymnasialprofessor in Karlsruhe. Berühmt geworden durch die Alemannischen Gedichte ebenso wie durch die Kalendergeschichten aus dem Schatzkästlein des Rheinischen Hausfreunds (1811), beendete er seine berufliche Karriere als Prälat der lutherischen Landeskirche und Mitglied der ersten Kammer der badischen Ständeversammlung. Er starb am 22. September 1826 auf einer Dienstreise in Schwetzingen, wie die Obduktion ergab an Darmkrebs.

Goethes Rezension, laut Voß jr. sofort nach der Lektüre entstanden, erschien am 13. Februar 1805 in der „Jenaischen Allgemeinen Literaturzeitung“5 und ist in gewissem Sinne epochemachend gewesen, weil durch die Anerkennung der wichtigsten literarischen Autorität Deutschlands zum erstenmal ein mundartlicher Gedichtband zur Literatur geadelt wurde. Es ist nicht so, daß die Idee, in Mundart zu dichten, Hebels ureigenste Erfindung gewesen sei. Er hat Vorgänger gehabt, und einige davon hat auch Goethe rezensiert, z. B. Johann Konrad Grübels 1798 erschienene Gedichte in Nürnberger Mundart, 6 oder ein Lustspiel Der Pfingstmontag (1816) in Straßburger Mundart, 7 das Goethe, vielleicht in nostalgischer Erinnerung an seine Straßburger Studentenzeit, außerordentlich breit rezensiert. Ja, sogar ein niederdeutscher Dichter taucht in Goethes Schriften zur Literatur schon auf, der in Schwerin geborene und in Rostock lebende Diederich Georg Babst (1741–1800).8

„Feierliche oder merkwürdige Vorfälle besang er teils in hochdeutscher, teils in plattdeutscher Sprache. Im Jahr 1789 gab er eine Sammlung lustiger, aber wahrer Schwänke plattdeutsch in drei Teilen heraus, 9 verfaßte nachher noch manches kleine Gelegenheitsgedicht in beiden Mundarten, 10 worin er merkwürdige, für Rostocks Bewohner interessante Begebenheiten besang.“11

Was Goethe hier inhaltlich beschreibt, ist typisch für die ältere Mundartdichtung: Sie ist Gelegenheitsdichtung im eigentlichen Sinn des Wortes und auf lokale Interessen beschränkt. Auch Klaus Groth hat diese Art von Literatur gekannt und beschreibt sie in seiner Artikelreihe Über Mundart und mundartige Dichtung (1873):

„Wer nicht aus Neigung oder Beruf mit den Sachen zu tun hat, der macht sich keine Vorstellung von der Anzahl Schriftsteller in deutschen Mundarten, der Menge mundartiger Bücher, Broschüren und fliegender Blätter, meistens aus der Zeit nach Herder und Goethe, als ob man ihren Forderungen nach Natur und Laune, nach Idiotismen und Freiheit hätte nachkommen wollen. Wohl ein Beweis, daß die Forderung Herders eine wohlbegründete gewesen.12 Man kann Bibliotheken damit füllen. Gewöhnlich dringen sie nicht über ihr kleines Gebiet hinaus, in der Schweiz z. B. nicht über ihren Kanton oder – wie in Zürich, Basel, auch in Köln, Aachen, Nürnberg – nicht aus der Stadt. Sie behandeln oft ganz partikulare Interessen, die weiter hinaus keine Teilnahme finden, besingen einen verdienten Mann, das Lob der Heimat, oder sie geißeln Albernheiten und Mißbräuche und verlieren sich oft in Pasquillen.“13

Aus diesem gewissermaßen häuslichen Kreis bricht Hebel mit seinen Alemannischen Gedichten aus, und das mit einer mühelosen Selbstverständlichkeit, die heute noch erstaunt und Bewunderung erregt. Quasi ohne Anlauf, ohne vorherige theoretische Beschäftigung oder vorsichtige literarische Absicherung hebt er seine heimische Mundart auf weltliterarisches Niveau, indem er eine Welt zeit- und ortloser menschlicher Empfindungen in die niedrigen Bauernhütten des Breisgau holt – und damit die Bauernhütten zur Welt weitet. „Für Freunde ländlicher Natur und Sitten“ seien die Gedichte gedacht, behauptet der Untertitel, und weiter findet man keine Begründung. Das gerade einmal elfzeilige Vorwort hält sich nicht mit einem Warum oder Wozu oder „Darf man das überhaupt?“ auf, sondern bezeichnet nur knapp den geographischen Raum seiner alemannischen Mundart:

„Er herrscht in dem Winkel des Rheins zwischen dem Fricktal und ehemaligen Sundgau und weiterhin in mancherlei Abwandlungen bis an die Vogesen und Alpen und über den Schwarzwald hin in einem großen Teil von Schwaben.“14

Der eigentliche Kanon der Alemannischen Gedichte umfaßt nur 32 Stücke, die alle im Jahr 1801 gewissermaßen in einem Zug entstanden sind. Erst die 5. Auflage von 1820 bringt weitere, im Lauf der Jahre entstandene Gedichte, die aber nicht mehr die dichterische Kraft der ursprünglichen Sammlung haben. Es gelang Hebel nicht, Goethes Aufforderung „auf diesem Wege fortzufahren“15 zu folgen, die Alemannischen Gedichte blieben ein dichterischer Solitär, Hebel wußte das selbst und fügte sich demütig der Tatsache, daß die Inspiration nur für einen kurzen Zeitraum über ihn gekommen war. Er hütete sich, etwas erzwingen zu wollen, was nicht von selbst kam:

„Im 28st. Jahr, als ich Minnesänger las, versuchte ich den allemanischen Dialekt. Aber es wollte gar nicht gehen. Fast unwillkührlich, doch nicht ganz ohne Veranlassung fieng ich im 41ten Jahr wieder an. Nun gings ein Jahr freilich von statten. […] Aber seit die Gedichte gedruckt sind, tut die Muse wieder kalt, als ob ich wider ihren Willen das Geheimnis ihrer Gunst verrathen hätte. Wenn ich mich recht fühle und schätze, so kann ich seitdem nur noch mich selber nachahmen.“16

Aber dieser dichterische Monolith, der da so seltsam vereinzelt in der deutschen Literatur des klassischen Zeitalters liegt, war doch der Anstoß zu einer kleinen literarischen Revolution, er war der Beginn der modernen deutschen Mundartdichtung. Alle, die nach ihm gekommen sind, ob sie in einer ober-, mittel- oder niederdeutschen Mundart dichteten, waren sich dessen bewußt und haben Hebel als gemeinsamen Ahnen gewürdigt. Und wahrscheinlich hätte es ohne Hebel auch keinen Quickborn gegeben, daher ist es nur gerecht, wenn Klaus Groth ihm in Über Mundart und mundartige Dichtung nicht nur ein eigenes Kapitel widmet, 17 sondern auch in seinen autobiographischen Schriften mehrfach auf den Moment zu sprechen kommt, als er den Alemannischen Gedichten zum erstenmal begegnete, am ausführlichsten in seinen Lebenserinnerungen von 1891:

„Ich denke noch an den Tag als einen der wenigen, wo man bis ins Innere erschüttert wird. Es war im Hochsommer. Ich hatte die zwei Meilen von Heide aus einsam zurückgelegt und langte erhitzt in Tellingstedt an. Ich wandte mich sogleich zum ersten Haus rechts, da wohnte der Pastor, sagte ihm kurz Gutentag, kündigte meinen Besuch auf den Nachmittag und Abend an und erbat mir ein Buch, um mich bei meinem Vetter, der in meiner Mutter Stammhaus wohnte, zu erholen. Dann wandelte ich mit dem Buche, das mir der Pastor unter den Arm gesteckt hatte, an der Kirche vorbei dem bekannten Hause am Mühlbache zu, ging, nachdem ich den Vetter begrüßt, ins kühl überschattete sog. Comtor, mein gewohntes Zimmer, legte mich aufs Bett und las. ‚Die Wiese‘ las ich, oder nein, verschlang ich, las mit einem Rausch von Entzücken, wie mir noch kein dichterisches Kunstwerk verschafft hatte. Das war Fleisch von meinem Fleisch, das war Duft, wie Blumen duften aus einer höheren Welt, das war Verklärung des Wirklichen, Greifbaren, Sichtbaren durch die Macht der Dichtung. Damit war mein Los beschlossen. Es trieb mich durchaus nicht zur Nachahmung an, doch mein Traumbild war Wirklichkeit geworden, ich lustwandelte darin.“18

Es fällt auf, mit welcher Breite Groth diese Erinnerung ausmalt, wie er Details angibt, die man zum Verständnis der Situation gar nicht braucht, wie er eine minutiöse Chronologie aufbaut, als ob er jeden einzelnen Moment für die Ewigkeit festhalten wollte. So beschreibt man nur außerordentliche Vorkommnisse, Erweckungserlebnisse, die einen Wendepunkt im Leben darstellen. Einer Bemerkung in Sophie Dethlefs un ik zufolge gehört diese literarische Revelation in die 1840er Jahre, 19 also in die Zeit zwischen 1841 und 1847, als er als Lehrer in Heide arbeitete und im Sommer ausreichend Zeit hatte für Spaziergänge nach Tellingstedt, wo die Verwandten seiner Mutter lebten. Groth war zu der Zeit Mitte zwanzig und seit langem ein exzessiver Leser, erfahren und abgebrüht genug, sollte man denken, um von einem unbekannten Text nicht so ohne Weiteres überrascht werden zu können. Das für ihn so Erschütternde kann also nur darin gesucht werden, daß es ein Mundarttext war. Seine ganze Leseerfahrung hatte ihn nicht darauf vorbereitet, einem Gedicht zu begegnen, das Welten miteinander vereinigt, die bis dahin völlig getrennt waren.

Die Wiese ist das erste und längste der Alemannischen Gedichte, es besteht aus 277 Hexameterversen und ist, in Goethes Worten, „ein sehr artiger Anthropomorphism“:

„Ein kleiner Fluß, die Wiese genannt, auf dem Feldberg […] entspringend, ist als ein immer fortschreitendes und wachsendes Bauernmädchen vorgestellt, das, nachdem es eine sehr bedeutende Berggegend durchlaufen hat, endlich in die Ebene kommt und sich zuletzt mit dem Rhein vermählt. Das Detail dieser Wanderung ist außerordentlich artig, geistreich und manigfaltig, und mit vollkommener, sich selbst immer erhöhender Stetigkeit ausgeführt.“20

Trotz aller „Artigkeit“ enthält das Gedicht doch einige Kühnheiten, beinahe schon Provokationen, die den zeitgenössischen Leser haben aufhorchen lassen. Da ist zum einen die Form, der Hexameter, das Versmaß der homerischen Epen, um dessen Übertragung und Verwendung im Deutschen Ende des 18. Jahrhunderts ein heftiger Streit ausgebrochen war, nachdem Friedrich Gottlieb Klopstock ihn zum erstenmal in seinem Messias für einen deutschen Text benutzt hatte und Johann Heinrich Voß, die Brüder Stolberg und Gottfried August Bürger erste Proben ihrer Homer-Übersetzungen veröffentlichten.21 Zwar hatten ihn Voß in seiner Luise (1795) und Goethe in Hermann und Dorothea (1797) schon gewissermaßen profaniert – und vermutlich auch als Anregung für Hebel gedient. Es blieb aber eine Versform mit einer gewissermaßen spirituellen Aura, an der der ganze Nimbus der Hochkultur haftete, einer Kultur, die sich durch den direkten Bezug zur Antike legitimierte – ein ungeheures ideologisches Gewicht also, das jeder schultern mußte, der den Hexameter auch nur anzutasten wagte.

Und da kommt nun Hebels Wiese, wirft den ganzen antiken Faltenwurf ab, tollt als übermütiges Bauernmädchen über Berg und Tal und schert sich nicht um Hochkultur, Feierlichkeit oder Homer:

Nai, se lueg me doch, wie cha mi Meidele springe!

„Chunnsch mi über?“ sait’s un lacht, „un witt mi, se hol mi!“

Allewiil en andere Weg un anderi Sprüngli!

Kei mer nit sell Rainli ab! – Do hemmers, i sag’s jo –

han i’s denn nit gsait? Doch pürzlisch wyters un wyters,

groblisch uf alle vieren un stellsch die wider uf d’Bainli,

schliefsch in d’Hürst – jetz suech mer’s ais! – Dört güggelt’s uuse!

Gugguus! Daß di Potz! Un het sy urige Phatest.22

(Nein, seht doch, wie mein Mädchen springen kann!

Fängst du mich? sagt’s und lacht, und willst du mich, so hol mich!

Immer ein anderer Weg und andere Sprünge!

Fall mir nicht die Böschung hinunter! – Da haben wir’s, ich sag’s doch!

Hab ich’s nicht gesagt? Doch du purzelst weiter und weiter,

krabbelst auf allen Vieren und stellst dich wieder auf die Beine,

schlüpfst in die Büsche – jetzt such mich mal! – Da guckt sie hindurch!

Such mich!23 Daß dich der …! Und hat einen Riesenspaß.)

Einen Riesenspaß hat die kindliche Wiese, wie sie als junger Bach hin und her springt, und der Dichter begleitet sie wie ein stolzer, aber besorgter Vater, der gegen den Übermut der Kleinen doch nichts ausrichten kann. Bald wächst das Kind zum jungen Mädchen heran und wechselt von katholischem in protestantisches Gebiet über, sie wird „e luthrische Chetzer“, was der Erzähler zwar mit Stirnrunzeln, aber letztlich doch wohlwollend hinnimmt: „Aber jetz isch’s so; was hilft jetzt balgen und schmäle! / Ändere chan i’s nit, se will i der lieber gar helfe.“24 Glaubensfragen werden hier nicht ausgefochten, der Dichter (immerhin protestantischer Geistlicher) ärgert sich über die katholische Herkunft seines Flusses so wenig, wie er über ihr Protestantischwerden triumphiert. Sie wird nun aber „lutherisch eingekleidet“.25 Die nächsten Verse (V. 93–121) sind einer der Höhepunkte des Gedichts, sie beschreiben detailliert die Tracht der Markgräflerinnen, von den „Strümpfli“ bis zum „Mailänder Halstuech“, das zwanzig Ellen lang und breit sei.26 „Jetz wärsch usstaffiert, as wenn de hofertig stoh wottsch, / un de g’fallsch mer selber wider, chan i der sage!“ (Jetzt wärst du fertig ausstaffiert und könntest Pate stehen, und jetzt gefällst du mir auch wieder, kann ich dir sagen!) Solche breiten Schilderungen gegenständlicher Details sind ein typisches Element epischen Dichtens; man ist versucht an die berühmte Stelle in der Illias zu denken, wo der Schild des Achill beschrieben wird.27 So wie auf diesem der Kosmos der griechischen Welt dargestellt ist, so flicht Hebel das menschliche Element der Kleidung, stellvertretend für die Geformtheit menschlicher Kultur, in das unaufhaltsame Fortschreiten des Flusses, stellvertretend für die Vitalkräfte der Natur. Das ist überhaupt das zentrale Element Hebelscher Dichtung, dieses Verflochtensein von Mensch und Natur, das zu einer unaufhebbaren Einheit wird. So wie der Fluß, die Wiese, vermenschlicht wird, so ist der Mensch unaufhebbar an die Kräfte der Natur gebunden, die das Getreide und die Feldfrüchte zum Wachsen bringen, von denen er sich ernährt.28 „Unser alemannischer Dichter“, sagt Jean Paul,

„hat für alles Leben und alles Sein das offne Herz, die offnen Arme der Liebe, und jeder Stern und jede Blume wird ihm ein Mensch. Durch alle seine Gedichte greift dieses schöne Zueignen der Natur, deren allegorisierende Personifikation er oft bis zur Kühnheit der Laune steigert. Die Dichtkunst ist nur ein anderes Wort für höhere weitere Liebe; sie scheidet und erlöset die Natur vom dienstbaren Tode und beseelt wie ein Gott, um nur zu lieben, und schmückt wie eine Mutter, um noch mehr zu lieben.“29

Dieses allbeseelte Natur- und Weltverständnis unterscheidet Hebel von den älteren Naturdichtern und Anakreontikern, die Naturkräfte „als Nymphen, Dryaden und Hamadryaden“30 künstlich-antikisch allegorisieren mußten, ebenso wie von den modernen Naturdichtern, für die zwischen Mensch und Natur immer der tiefe Graben verläuft, den die Moderne aufgerissen hat. Letzteres gilt auch für Groths Naturgedichte, in denen (wie in der Ballade Ol Büsum oder in Dat Moor) die Natur als Welt eigenen Rechts für sich steht, mit der eine Verständigung, geschweige denn Vereinigung, gar nicht mehr möglich zu sein scheint.

Hebel, und darin besteht die eigentlich historische Bedeutung seiner Alemannischen Gedichte, hat als erster die Landleute auf den Parnaß gehoben. Dort, wo in der griechischen Mythologie Apollon und die Musen tanzen und singen und diejenigen streng bestrafen, die glauben es mit ihnen aufnehmen zu können, 31 quartiert er seine Breisgauer Bauern, Handwerker und kleinen Händler ein und läßt sie ihre kleinen Geschäfte erledigen, ganz unheroisch und unspektakulär, ganz im Rhythmus der Jahreszeiten und Vegetationszyklen der Natur, mit Sonne und Mond als Zeitmesser, mit Fluß und Busch und Berg und Tal als Handlungsort. Anders als in Salomon Gessners Idyllen (1756) sind es nicht mehr Phillis und Chloe, Mirtil und Thyrsus, Damon und Daphne, die in blütenweißer antiker Gewandung ihre Schafherden auf olympischen Auen weiden und nichts anderes zu tun haben, als sich gegenseitig anakreontische Gesänge vorzutragen und um Erhörung anzuflehen, sondern es sind Hans und Verene, die zu sehr mit harter Landarbeit beschäftigt sind, als daß sie für langwierige Liebesqualen viel Zeit aufbringen könnten, weshalb ihre Werbung denn auch viel kürzer und bündiger ausfällt: „Do bin i jo, do hesch mi, / und wenn de mi denn witt!“32

Zwischen den Alemannischen Gedichten und dem Quickborn liegen genau 50 Jahre, ein halbes Jahrhundert geschichtlicher und kultureller Entwicklungen, die einiges verändert haben. Die Welt war nicht mehr so in sich geschlossen, so zufrieden in sich und mit sich, wie das bei Hebel der Fall war. Zum Beispiel gehören Eltern, die ihren Kindern nichts anbieten können als Habermus (Haferbrei), ganz sicher nicht zu den Bessergestellten, schicken sie bei Hebel aber mit einem genügsamen „Geltet, ’s isch guet gsi?“33 (nicht wahr, es hat geschmeckt?) zur Schule. Schon bei den jungdeutschen Literaten des Vormärz wäre das nicht mehr ohne einen Kommentar zur sozialen Lage abgegangen, und in Groths Rumpelkamer haben die Armenhäusler sich zwar resignativ in ihr Schicksal gefügt, aber ganz sicher nicht mit dem Glauben an eine gerechte Weltordnung. Hebels Welt ist sinnhaft metaphysisch überwölbt durch einen Gott, der zwar nicht namentlich angerufen wird, aber doch spürbar über allem thront. Selbst der Tod gehört in diese Welt mit hinein, ohne daß er wirklichen Schrecken bietet, ja sogar der Gedanke an die Vergänglichkeit allen Seins wird in dem gleichnamigen Gedicht mit unerschütterlicher Ruhe bis hin zum Jüngsten Gericht, zum Weltuntergang ausgebreitet – aber der Vater, der seinem schaudernden Sohn davon erzählt, lenkt das Gefährt, auf dem beide sitzen, gelassen weiter und meint nur, er hätte jetzt keine Zeit, das weiter auszuführen.34 Diese kosmische Perspektive hatten die Dichter in der Mitte des 19. Jahrhunderts nicht mehr, und speziell Groth war zu sehr durch den Geist der Naturwissenschaften geprägt, gleichsam gebeizt im Säurebad materialistischer Forschung, als daß eschatologische Denkmuster auf ihn noch Wirkung gehabt hätten.

Auch den pädagogischen Gestus Hebels findet man bei Groth nicht mehr. Hebel ist immer der Volksaufklärer, der mal das Wachstum der Pflanzen (Das Habermus), mal die Tätigkeit der Sonne (Der Sommerabend) anekdotisch erläutert, mal wahre von falscher Mutterliebe unterscheidet (Eine Frage) oder die Bestäubung der Pflanzen als Wirtshaustour eines Käfers schildert (Der Käfer), mal ganz plakativ eine Moral hintendran hängt (Der Karfunkel35) oder das Gedicht mit der mahnenden (und sogar gesperrt gedruckten) Frage: „Verstöhnt der mi?“ (habt ihr’s verstanden?) abschließt (Gespenst an der Kanderer Straße), damit nur ja niemand die Pointe verpaßt. Für Goethe ist gerade dieses fabula docet Kennzeichen der Volkspoesie, denn anders als der gebildete Leser, der „in einem höheren Sinne erbaut sein will, so verlangen Menschen auf einer niederen Stufe der Kultur die Nutzanwendung von jedem Einzelnen, um es auch sogleich zum Hausgebrauch benutzen zu können.“36 Groth fand diesen „selbstgemachten Begriff“ der Volkspoesie37 „schief und unwahr von einem Ende bis zum andern“38 und warf Goethe vor, er wolle Hebel nur einen kleinen, abseits gelegenen Platz auf dem Parnaß gönnen.

Nur einmal hat Groth sich – durch Hebels Vorbild verführt – darauf eingelassen, ein Gedicht mit einer Moral zu schreiben. Es ist De Krautfru, das ganz eindeutig auf Hebels Die Marktweiber in der Stadt zurückgeht. Wie hier die badischen Bauersfrauen ihre Waren in der großen Stadt Basel ausrufen, so ist es dort die Büsumer Krabbenverkäuferin, die frühmorgens barfuß durch Heide läuft. Beide sehen auf den Glanz der reichen Häuser und beneiden die gutgekleideten Städter, die bis weit in den Morgen hinein schlafen können, aber beide erkennen am Ende auch, daß hinter dieser glänzenden Fassade nicht alles zum besten steht:

Wa weer de Mann doch dodenblaß,
De dar ut Finster kik!
Bewahre! ik entzück mi fast
Un meen, ik seeg en Lik! –
Nę, lewer sund un guden Mot
As krank un in’e Heid.
Bewahr mi man de lewe Gott,
Dat mi’t nie slechter geit!39

Diese doch recht plakative Moral steht bei Groth erst in der letzten Strophe, nachdem seine Krautfru bis dahin alles, was sie gesehen hat, rückhaltlos bewunderte, während bei Hebel das Gegeneinander von einfachem Landleben und verdorbener Stadt durch alle 15 Strophen seines Gedichts geht. Ansonsten ist die Abhängigkeit augenfällig, was auch daran liegen mag, daß De Krautfru relativ früh entstanden ist (laut Handschrift am 25. März 1850), zu einer Zeit also, als Groth sich über seinen Weg bzw. über die Eigenart seines Dichtens noch nicht völlig klar war.40

„Es trieb mich durchaus nicht zur Nachahmung an“ resümierte Groth in der oben zitierten Schilderung seiner ersten Begegnung mit den Alemannischen Gedichten, und das mag sich auf die angedeuteten Unterschiede beziehen. Daß Hebels Einfluß dennoch eminent gewesen ist, liegt auf der Hand, und es ließen sich noch mancherlei Parallelen zeigen, auch ohne daß man immer wortwörtliche Übereinstimmungen angeben könnte. Vor allem aber mußte Groth wenigstens ein Gedicht in Hexametern schreiben, das war er jenem Nachmittag in Tellingstedt schuldig, als sich ihm eine neue poetische Welt auftat. Die Hanne ut Frankrik mußte geschrieben werden, um sich bei der Wiese zu bedanken!

2. Das goldene Zeitalter der Mundartdichtung

Bisher haben wir nur festgestellt, daß mit Hebel die deutsche Mundartdichtung beginnt. Im Grunde aber muß die Frage nach dem Warum im Mittelpunkt dieser Einleitung stehen. Und dazu genügt es nicht, Motive, Versmaße und mundartliche Ausdrücke zu vergleichen. Wir werden noch viel tiefer zu den Gründen tauchen müssen, auf denen das 19. Jahrhundert beruht. Denn wir haben es mit einem Phänomen zu tun, daß das 19. Jahrhundert prägt, auf seine grundlegenden Kräfte, aber auch auf seine Widersprüche hindeutet. Auf den folgenden Seiten soll daher versucht werden, in einem weiten Bogen all diese Kräfte einzubeziehen, die der Entwicklung einer Mundartliteratur förderlich – oder auch hinderlich waren. Wir werden uns dabei weit von Klaus Groth und seiner poetischen Welt entfernen und nur hin und wieder darauf hindeuten, daß er mit ihnen in Verbindung steht. Sinn und Zweck dieses Kapitels ist es, eine Grundlage zu schaffen, auf der ein besseres Verständnis des Quickborn möglich wird.

Streng betrachtet müßte man dazu eine Geschichte des 19. Jahrhunderts schreiben, denn es ist ja die These dieses Buches, daß der Quickborn ein Gesamt-Phänomen seiner Epoche ist. Das ist natürlich schon aus rein quantitativen Gründen nicht möglich. Außerdem läßt die Forschung in Sachen Mundartliteratur sehr zu wünschen übrig, es fehlt sogar an grundlegenden bibliographischen oder lexigraphischen Arbeiten. Die einzige Literaturgeschichte des Niederdeutschen stammt aus dem Jahr 1920 und umfaßt nur 128 Seiten – für über tausend Jahre Kulturgeschichte!41 Der Erforscher der Mundartliteratur hat also Pionierarbeit zu leisten und unerforschtes Gelände zu kartographieren. Aus diesem Grund wird Manches auf den folgenden Seiten eher essayistisch locker gefügt als wissenschaftlich in Stein gemeißelt erscheinen. Manches, was hier in zwei Sätzen abgetan wird, würde eine eingehende Arbeit erfordern. Das läßt sich aber unter den gegebenen Umständen nicht ändern. Ich kann nur hoffen, daß ich wichtige Fragen nicht bis ins Unverständliche hinein destilliert habe. Zu destillieren war aber nötig und unumgänglich.

Zunächst einmal drei Beobachtungen: Erstens wissen wir aus Groths Erinnerungen, daß der Pastor eines kleinen norddeutschen Kirchortes, der weit abseits der bedeutenden Kultur- und Bildungszentren seiner Zeit lebte, Hebels Alemannische Gedichte besaß. Zweitens führt der Leipziger Verlag Hesse & Becker, der um 1900 eine Klassikerbibliothek mit hervorragend edierten Leseausgaben vertrieb, in diesem Programm allein fünf Mundartdichter, nämlich den Österreicher Johann Gabriel Seidl, 42 den Bayer Karl Stieler, 43 die beiden Mecklenburger Fritz Reuter44 und John Brinckman, 45 sowie natürlich den Klassiker schlechthin unter den Mundartdichtern, Johann Peter Hebel.46 Und drittens konnte Fritz Reuter, der erfolgreichste unter den Mundartdichtern, sich vom Erlös seiner Romane eine prunkvolle Villa in Eisenach am Fuße der Wartburg bauen.47

Diese drei Beobachtungen sind Indizien, die pars pro toto auf die Bedeutung der Mundartdichtung im 19. Jahrhundert hinweisen: Die Reuter-Villa (heute als Reuter-Wagner-Museum öffentlich zugänglich) ist gewissermaßen das steingewordene Monument für den Verkaufserfolg, den man mit Mundartliteratur erzielen konnte. Die Aufnahme in eine Klassikerbibliothek, wo Mundartdichter wie Reuter und Brinckman neben Schiller und Goethe in prunkvollen Jugendstileinbänden prangten, sagt etwas über den Nimbus und das Prestige aus, das Mundartdichtung innerhalb weniger Jahrzehnte erlangt hatte und zu einer ebenbürtigen Behandlung mit den hochdeutschen Klassikern berechtigte. Die Aufnahme schließlich, die Mundartliteratur in die Bibliotheken gebildeter Männer (und Frauen) fand, beweist, daß sie nicht mehr als „Volksliteratur“ (im abwertenden Sinne) wahrgenommen wurde, daß eine Beschäftigung mit ihr in der kulturtragenden Schicht angekommen war. Alle drei Faktoren – der Erfolg, das Prestige und die Aufnahme in einen kulturellen Kanon – galten weder vorher, noch gelten sie heute. Sie galten vornehmlich in der Zeit von 1850 bis 1914. Diese Epoche kann man daher mit Fug und Recht als das goldene Zeitalter der Mundartliteratur bezeichnen.

Dabei sind die grundsätzlichen Bedingungen heute nicht viel anders als vor hundertfünfzig Jahren. Damals wie heute gilt, daß eine Literatur, die erfolgreich und anerkannt sein will, über den Kreis der eigentlichen Mundartsprecher hinausdringen muß. Wie auch andererseits gilt, daß nicht jeder Mundart-Sprecher auch ein Mundart-Leser  48