ROY JACOBSEN
DIE UNSICHTBAREN
Eine Insel-Saga
Aus dem Norwegischen von
Gabriele Haefs und
Andreas Brunstermann
C.H.BECK
Auf einer Insel inmitten der atemberaubenden Küstenlandschaft Norwegens wächst Ingrid Barrøy auf. Das raue Inselleben hat seine eigenen Gesetze, bestimmt von weiten Horizonten und vom Meer, von harten Wintern und leuchtenden Sommern. Ein Leben, das, wie die Landschaft selbst, durchwoben ist von einer fesselnden, spröden Schönheit, fernab der übrigen Welt.
Eines Tages spült das Meer den jungen russischen Kriegsgefangenen Alexander an Barrøys Strände und mit ihm die große Geschichte, den Zweiten Weltkrieg. Zwischen Ingrid und Alexander entspinnt sich eine kurze sprachlose Liebe, bevor die deutsche Besatzung Norwegens sie auseinandertreibt. Neun Monate später bekommt Ingrid eine Tochter. Mit Kaja vor den Bauch gebunden, folgt Ingrid Alexanders Spuren durch einen frischen Frieden, in einem Nachkriegs-Norwegen, das nichts anderes will als vergessen …
Roy Jacobsens Insel-Saga erzählt, auch vor dem Hintergrund deutscher Geschichte, mit außergewöhnlichem Sog vom Leben einer Familie in überwältigender Natur, von starken, eigenwilligen Frauen, von Schuld und Kollaboration.
Roy Jacobsen, geboren 1954, schreibt Romane, Erzählungen und Kinderbücher und gilt als einer der wichtigsten Autoren Norwegens. «Die Unsichtbaren» wurde in mehr als 20 Sprachen übersetzt und war auf der Shortlist des Man Booker International und des Dublin Awards. Der Autor schrieb außerdem zusammen mit Nicolas Winding Refn das Drehbuch von «Walhalla Rising» (2009). Er lebt in Oslo.
Gabriele Haefs, geboren 1953, Autorin, Herausgeberin und Übersetzerin, erhielt u.a. den Deutschen Jugendliteraturpreis (zusammen mit Jostein Gaarder) und den Königlich Norwegischen Verdienstorden, Ritter 1. Klasse. Sie übersetzte u.a. Karin Fossum, Jostein Gaarder, Elin Brodin, Åsa Larssson, Lena Andersson und die Werke ihres Mannes Ingvar Ambjørnsen.
Andreas Brunstermann, geboren 1960, übersetzt Belletristik und Sachbücher aus dem Norwegischen, Schwedischen und Englischen.
DIE UNSICHTBAREN
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WEISSES MEER
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II
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DIE AUGEN DER RIGEL
Prolog
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Epilog
An einem windstillen Tag im Juli steigt der Rauch senkrecht empor. Pastor Johannes Malmberget wird auf die Insel hinausgerudert und vom Bauern und Fischer Hans Barrøy empfangen, dem rechtmäßigen Besitzer der Insel und Oberhaupt der einzigen dort lebenden Familie. Er steht auf dem Anleger, den seine Vorfahren aus Ufersteinen errichtet haben, und betrachtet das ankommende Boot, die gebeugten Rücken der beiden Ruderer und, hinter ihren schwarzen Schiebermützen, das lächelnde und frisch rasierte Gesicht des Pastors. Als sie nahe genug herangekommen sind, ruft er: «Sieh an, da kommen ja feine Leut.»
Der Pastor steht auf und lässt den Blick über das Ufer gleiten, über die Wiesen, die sich zu der kleinen Ansammlung von Holzhäusern hinaufziehen, er lauscht dem Geschrei der Möwen, die auf jedem Fels ihr gänseartiges Quack-Quack ertönen lassen, er lauscht den Seeschwalben und den herumstolzierenden Austernfischern, die im scharfen Sonnenlicht ihre Schnäbel in den Sand der weißen Strände bohren.
Als er das Boot verlässt und mit unsicheren Schritten den Steg erklimmt, entdeckt er, was er noch nie zuvor gesehen hat; seine eigene Heimat am Fuße der Felsen auf der Hauptinsel, wie sie von Barrøy betrachtet aussieht, die Handelsstation und die Schuppen, die kleinen Höfe, die Wäldchen und die Boote.
«Nicht zu glauben, wie klein das ist. Die Häuser sind ja kaum zu sehen.»
Hans Barrøy erwidert: «Ach, ich kann sie gut sehn.»
«Du hast wohl bessere Augen als ich», sagt der Pastor und starrt hinüber zu der kleinen Gemeinde, in der er seit dreißig Jahren seinem Amte nachgeht, die er jedoch noch nie zuvor von solch einem irrsinnigen Standort aus betrachtet hat.
«Ja, Ihr seid hier noch nie gewesen», sagt Hans Barrøy.
«Es sind auch zwei Stunden zu rudern.»
«Ihr habt doch wohl Segel.»
«Heute ist es ja ganz windstill», sagt der Pastor und hält den Blick auf die Heimat gerichtet, denn die Wahrheit ist, dass er Angst vor dem Meer hat und nun ganz ergriffen und aufgeregt ist, nachdem er die friedliche Überfahrt überstanden hat.
Die Ruderer haben ihre Pfeifen hervorgeholt, sitzen abgewandt von den anderen da und rauchen. Endlich kann der Pastor Hans Barrøy die Hand geben und entdeckt im selben Moment den Rest der Familie, die ihm von den Häusern entgegenkommt, Hans’ alten Vater, Martin, der seit dem Tod seiner Frau vor fast zehn Jahren Witwer ist, Hans’ unverheiratete und viel jüngere Schwester Barbro. Und die Herrscherin der Insel, Maria, die die dreijährige Ingrid an der Hand hält, alle im Sonntagsstaat, wie der Pastor zufrieden feststellen kann, sie haben das Boot wohl schon entdeckt, als es Oterholmen umrundete, jetzt nur noch ein schwarzer Hut im Meer, dort im Norden.
Er geht der kleinen Schar entgegen, die jetzt stehen geblieben ist, mit gesenkten Köpfen, den Blick auf das Gras gerichtet, und reicht einem nach dem anderen die Hand, keiner wagt es, zu ihm aufzusehen, nicht einmal der alte Martin, er hat die rote Mütze abgenommen, und schließlich Ingrid, die, wie der Pastor bemerkt, saubere, weiße Hände hat, nicht einmal Trauerränder unter den Nägeln, die auch nicht abgebissen sind, sondern kurz geschnitten, und dann die kleinen Grübchen, unter denen die Knochen nach und nach hervortreten werden.
Er hält dieses kleine Wunderwerk fest und denkt, dass es sich schon bald in eine hart arbeitende Frauenhand verwandelt, eine sehnige, erdfarbene und schwielige Hand, die Hand eines Mannes, dieses Holzstück, zu dem früher oder später alle Hände hier draußen werden, er sagt: «Schau an, da ist ja die Kleine, sag mir, glaubst du an Gott?»
Ingrid antwortet nicht.
«Natürlich tut sie das», sagt Maria, die Erste, die den Gast direkt anblickt. Doch in diesem Moment macht der Pastor dieselbe Entdeckung noch einmal und geht eiligen Schrittes am Bootshaus vorbei, das wie eine Stufe in die Landschaft eingefügt ist, und hinauf auf eine Anhöhe mit noch besserer Aussicht.
«Donnerkeil, jetzt sehe ich auch den Pfarrhof.»
Hans Barrøy tritt an ihm vorbei und sagt: «Und von hier aus seht Ihr die Kirche.»
Der Pastor eilt ihm nach, bleibt stehen und bewundert die weiß gekalkte Kirche, die wie eine ausgebleichte Briefmarke unterhalb der schwarzen Felsen zum Vorschein kommt, auf denen die letzten Schneeflächen leuchten, wie Zähne in einem verfaulten Maul.
Sie gehen weiter hinauf und reden über Taufen und Fischfang und Daunen, und der Pastor ist regelrecht erheitert angesichts der Insel, die von zu Hause aus betrachtet einem schwarzen Stein am Horizont ähnelt, sich jedoch als der grünste Garten erweist, wie er in Gottes Namen einräumen muss, so wie vermutlich viele der Inseln hier draußen, mit nur einer oder zwei Familien, Stangholmen, Sveinsøya, Lutvær, Skarven, Måsvær, Havstein, auf jeder eine Handvoll Menschen, die eine dünne Schicht aus Erde beackern und in der Tiefe des Meeres fischen und Kinder gebären, die aufwachsen und dieselbe Erde beackern und in derselben Tiefe fischen; dies ist keine unfruchtbare und karge Küste, sondern eine Perlenschnur und Goldkette, wie er in seinen beseeltesten Predigten zu unterstreichen pflegt. Die Frage ist, wieso kommt er nicht öfter hierher?
Und die Antwort ist das Meer.
Der Pastor ist eine Landratte, und nur wenige Tage des Jahres sind so ruhig wie dieser, auf den er den ganzen Sommer lang gewartet hat. Doch als er hier am Fuße einer grasbewachsenen Scheunenrampe steht und auf seinen ewigen Pfarrbezirk blickt, wo Gott schon seit dem Mittelalter standgehalten hat, wird ihm plötzlich klar, dass er nicht wusste, wie der Bezirk aussieht, bis jetzt, es ist geradezu verstörend, als hätte er in all diesen Jahren einen Schleier vor den Augen gehabt oder wäre Opfer eines lebenslangen Schwindels gewesen, nicht nur, was die Größe seiner Pfarrgemeinde betrifft, sondern womöglich auch sein geistiges Wirken, ist das wirklich nicht größer?
Glücklicherweise ist der Gedanke eher beunruhigend als bedrohlich, eine Metaphysik des Meeres, bei der alle Abstände lügen, und er ist kurz davor, wieder abzuschweifen, aber da kommt die Familie, der Alte hat jetzt die Mütze auf dem Kopf, gleich hinter ihm die hochgewachsene Maria und die robuste Barbro, die der Pastor seinerzeit nicht konfirmieren konnte, aus verschiedenen und ungeklärten Gründen, Gottes wortkarge Kinder auf einer Felseninsel im Meer, die sich also als ein Juwel erweist.
Er bespricht die bevorstehende Taufe mit ihnen, die Taufe der dreijährigen Ingrid mit dem langen, pechschwarzen Haar und den glänzenden Augen und den Füßen, die vor Oktober wohl kaum in einem Paar Schuhe stecken werden; wo hat sie nur die Augen her, denen die träge Dummheit der Armut gänzlich fehlt?
Im selben euphorischen Atemzug erwähnt er, dass er Barbro bei der Taufe gern singen hören würde, sie hat doch eine schöne Stimme, soweit er sich erinnert …?
Eine gewisse Verlegenheit breitet sich in der Familie aus.
Hans Barrøy nimmt den Pastor beiseite und erklärt, dass Barbro wohl eine Stimme hat, ja, durchaus, doch dass sie die Wörter dieser Choräle nicht kennt, nur die Töne singt, und das war auch der Grund, aus dem sie seinerzeit nicht konfirmiert wurde, abgesehen von einigen anderen Ursachen, wie der Pastor sicher noch weiß.
Johannes Malmberget lässt es dabei bewenden, es gibt allerdings noch eine Frage, die er mit Hans Barrøy zu erörtern wünscht, es geht um die kryptische Grabinschrift, die ihn bekümmert, seit Hans’ Mutter dort begraben wurde, ein Vers auf ihrem Stein, gemäß ihrem eigenen Wunsch, der eignet sich nicht für einen Grabstein, er ist zweideutig und predigt nahezu, dass das Leben nicht lebenswert sei. Doch als Hans auch hierauf nichts Besonderes erwidert, kommt der Pastor wieder auf die Daunen zu sprechen und fragt, ob sie welche zu verkaufen haben, er braucht zwei neue Federbetten für sein Haus und bezahlt mehr, als sie auf dem Markt oder von der Handelsstation bekommen würden, Daunenschwere ist Goldschwere, wie man hier draußen sagt …
Endlich haben sie etwas Handfestes und Greifbares zu besprechen und betreten das Wohnhaus, wo Maria in der guten Stube eine Tischdecke ausgebreitet hat, und nach Kuchen und Kaffee und beschlossenem Handel überkommt den Pastor eine tiefe Ruhe, und er spürt, wie der Schlaf nun die größte Gnade ist, die ihm widerfahren kann, woraufhin seine Augen zufallen und seine Atemzüge schwerer und länger werden. Mit den Händen im Schoß sitzt er in Martins Schaukelstuhl, ein schlafender Pastor in ihrem Heim, ein sowohl beeindruckender als auch lächerlicher Anblick. Sitzend und stehend bleiben sie so lange bei ihm, bis er die Augen öffnet und schmatzt und aufsteht und so aussieht, als wüsste er nicht, wo er ist. Aber dann erkennt er sie wieder und verneigt sich, wie zum Dank. Sie wissen nicht, wofür er sich bedankt, und er sagt kein Wort, während sie ihn hinunter zum Boot begleiten und sehen, wie er sich neben einem Sack Daunen und einem kleinen Fass Möweneiern im Achtersteven auf einen Haufen Netze legt, um gleich darauf wieder die Augen zu schließen, sodass es aussieht, als schliefe er auch, während er sie verlässt. Noch immer ragt der Rauch wie eine senkrechte Säule in den Himmel.
Alles Wertvolle auf einer Insel kommt von außen, abgesehen von der Erde, aber deswegen sie sind nicht hier, das ist den Inselbewohnern peinlich bewusst. Hans Barrøy hat seinen letzten Sensenschaft zerbrochen und muss die Heuernte einstellen. Er kann sich keine neue Sense schnitzen und dazu Holz benutzen, das auf der Insel wächst, denn es muss eigentlich Eschenholz sein, das er von der Handelsstation kaufen kann, oder er muss ein anderes Holz benutzen, das er sich dann selbst beschaffen kann, gratis.
Er hängt das Sensenblatt an einen Heureuter, läuft über den grasbewachsenen Weg zum Anlegeplatz, schiebt das Boot hinaus ins smaragdgrüne Meer und will gerade an Bord gehen, besinnt sich jedoch anders und geht wieder hinauf zu den Häusern, wo Maria an der Sonnenwand sitzt und eine Hose flickt und aufschaut, als er gerade um die Ecke biegt.
«Wo ist die Kleine?», fragt er übertrieben laut, er weiß, dass Ingrid ihn gesehen und sich versteckt hat, weil er sie suchen und herumwirbeln soll.
Maria deutet mit dem Blick in Richtung Kartoffelkeller, und sogleich ruft der Vater mit lauter Stimme, dass sie nun wohl nicht mitkommen kann, wenn er hinüber nach Skogsholmen fährt, und dann bewegt er sich wieder zum Ufer hinunter, kaum hat er ein paar Meter zurückgelegt, als er schon ihre Schritte hört und sich im passenden Moment hinunterbeugt, damit sie auf ihn springen und die Arme um seinen Hals legen und johlen kann, während er wie ein Pferd weitertrabt und Geräusche macht, die er nur hervorbringt, wenn sie beide allein sind.
Dieses Lachen.
Er fragt, ob sie das Schaffell mitnehmen sollen.
«Ja», sagt sie und klatscht in die Hände.
Er geht ins Bootshaus und holt eines der Schaffelle und legt es in den Achtersteven des Bootes, sodass es wie ein Bett aussieht, geht wieder an Land und trägt sie an Bord, und sie schmiegt sich mit dem Rücken an den Steven, damit sie ihm beim Rudern zusehen und über den Rand des Dollbords lugen und den Kopf hin und her werfen kann, die kleinen Finger wie weiße Sandwürmer auf der pechschwarzen Reling.
Dieses Lachen.
Er rudert um die Landzunge, durch ein Gewirr aus Felsen und Schären, und wählt den übersichtlichsten Weg nach Skogsholmen, während er über die Taufe vor drei Wochen redet, über die Kirche, die für nicht weniger als acht Kinder von den Inseln so prachtvoll geschmückt war, und doch war es nur sie allein, die auf eigenen Füßen ans Taufbecken treten und ihren Namen nennen konnte, als der Pastor fragte, wie das Kind heißen solle, und der Vater sagt, dass sie allmählich zu groß ist, um dort wie eine Leiche auf dem Schaffell zu liegen, anstatt sich nützlich zu machen, zu rudern oder eine Angelschnur zu halten, damit sie einen oder zwei Köhler mitbringen können und nicht nur die Sensenschäfte.
Sie erwidert, dass sie gar nicht größer werden muss, und beugt sich erst zur einen und dann zur anderen Seite hinaus, obwohl er sagt, dass sie in der Mitte des Boots sitzen soll.
Bei Oterholmen lenkt er das Boot zu den Laichgründen an der Südspitze von Moltholmen, ändert nach achtzig Schlägen erneut den Kurs und rudert zwischen den Lundeschären hindurch, wo das Meer bei diesem Wasserstand gerade tief genug ist, bevor er schließlich das Boot mit einem geschickten Manöver in eine Bucht an der Innenseite der Insel steuert, wo er einen Pflock in den Fels geschlagen hat.
Er sagt ihr, dass sie die Vertäuung an Land ziehen soll, und sie steht da und hält das Boot wie eine Kuh am Strick, während er aufsteht und umherblickt, als ob es dort etwas zu sehen gäbe, die Vögel am Himmel, die Felsen dort hinter seiner eigenen Insel, Barrøy, und die lauten Seeschwalbenschreie, ein weißes und schwarzes Blinken, das den Luftraum über ihnen durchpflügt.
Er klettert an Land und zeigt ihr, wie man einen halben Stek bindet. Sie schafft es nicht und wird wütend, er zeigt es ihr, sie machen es zusammen, sie lacht, ein halber Stek um einen Pflock. Er sagt, dass sie im Gletschertopf baden kann, während er in den Wald geht, dort gibt es zu viele Insekten.
«Vergiss nicht, dich auszuziehen.»
In dem kleinen Wald der von Nord nach Süd verlaufenden Talsenke der Insel findet er vier passende Stämme, keine Esche, aber etwas, das so weit im Norden gar nicht wachsen dürfte, einer davon mit einer Krümmung oberhalb der Wurzel, er wird gut auf der Schulter liegen, das ist mehr, als er erwarten durfte.
Er legt sich die Stangen auf die Schulter, klettert wieder den Felsen hinauf und lässt sich neben dem Gletschertopf fallen, in dem sie bis zu den Achseln im Wasser sitzt und ihre Hände betrachtet, sie ineinander verschränkt und auf die Oberfläche klatscht, sodass das Regenwasser ihr Gesicht bespritzt und sie jauchzen und Grimassen schneiden lässt. Dieses Lachen. Und seine Unruhe, die da ist, seitdem die Kleine geboren wurde.
Er lehnt sich zurück und fällt mit den Schultern auf den rauen Fels, stößt sich den Hinterkopf an einem Stein, liegt da und blickt hinauf zu dem Seeschwalbenschwarm und hört sie Fragen stellen, wie jedes Kind sie stellt, sie will, dass er auch ins Wasser kommt, die Platschgeräusche und der kühle Ostwind, das Salz auf den Lippen, der Schweiß und das Meer, er versinkt in einem Wirbel aus Licht und Schatten, steigt wieder empor und späht zu ihr, die jetzt splitternackt im Sonnenlicht steht und fragt, ob sie sich mit ihren Kleidern abtrocknen darf.
«Nimm das hier», sagt er und zieht sich das Hemd aus und hört sie lachen, wie weiß sein Oberkörper doch ist, so kohlrabenschwarz der Hals und die Arme, er ähnelt einer Puppe, die er einmal für sie gemacht hat, aus Teilen, die nicht zusammenpassen, auch das der gewöhnliche Einfall eines Kindes, die Puppe heißt Oscar, manchmal heißt sie Anni.
Auf dem Rückweg angeln sie drei Köhler, die nebeneinander zu ihren Füßen liegen, während sie in sein Hemd gewickelt dasitzt. Er sagt, dass er es wiederhaben will, da es jetzt zum Abend hin kühler wird. Sie lässt sich rückwärts auf das Fell fallen, umfasst ihre Beine und blickt ihn über die Knie hinweg spöttisch an.
«Du lachst wohl über alles», sagt er und denkt, dass sie den Unterschied zwischen Spaß und Ernst versteht, dass sie selten weint, nicht trotzig ist oder sich verschließt, nie krank ist und lernt, was sie lernen soll, diese Unruhe, die er ablegen muss.
«Willste die nicht ausnehmen?», sagt er und deutet mit dem Kopf auf die Fische.
«Die sind schleimig.»
«Wo hast du das denn gelernt?»
«Bei Mama.»
«Mama ist wohl etwas etepetete. Das sind wir aber nicht, oder?»
Sie steckt zwei Finger in den Mund und überlegt.
«Die Möwen sind hungrig», sagt er.
Sie rammt die rechte Hand in den Bauch des größten Köhlers, reißt die Eingeweide heraus und hält sie mit Abscheu im Blick empor. Er rudert von einem Fischgrund zum anderen, während sie die Eingeweide über die Reling wirft und den Möwen dabei zusieht, wie sie sich auf die Reste stürzen und fressen und einander in einer Art Wirbel um Leben und Tod bekämpfen. Sie presst die Hand in den nächsten Fisch, wirft den Vögeln die Eingeweide zu, schließlich folgt der letzte, dann beugt sie sich über die Reling und spült die Fische einen nach dem anderen aus und legt sie nebeneinander auf die Planken, den größten nach Steuerbord, den mittleren in die Mitte und den kleinen nach Backbord. Danach wäscht sie sich lange und gründlich die Hände, der kindliche Geist scheint intakt, wie er mit halb geschlossenen Augen feststellt, während er an der Stellung des Boots bemerkt, dass sie weiter über der Reling hängt, um Schlangen ins Wasser zu zeichnen, und er muss ein schiefes Boot zurück an Land rudern, wo er es nur halbwegs hinaufzieht, um die Böcke unterzuschieben, denn die Ebbe hat eingesetzt.
Sie läuft ihm auf dem Weg voraus und schleppt die Fische mit sich, ein paar letzte Blutstropfen fließen an ihren dünnen Beinen herab. Auf seiner Schulter die vier Sensenschäfte, die Axt unter dem Arm, ihre trockenen Kleider in der Hand. Er bleibt stehen und sieht die Sonne im Nordwesten, sie ist matt und nebelverhangen, bald wird sie zu einem Mond werden, es geht auf die Nacht zu, er überlegt, ob er die Sense gleich reparieren oder sich ein paar Stunden Schlaf gönnen soll, bis der Morgentau den Rosengarten überzieht; immer hängt der Tau zuerst im Rosengarten, dort wächst ein seltsames rotes Gras.
Was auf einer Insel an Land getrieben wird, gehört denen, die es finden, und Inselbewohner finden vieles. Es kann sich um Kork und Tonnen und Hanf und Treibholz und Flottholz handeln – oder um grüne und braune Glaskugeln, die im Meer Fischernetze festhalten –, wie sie, wenn der Sturm sich ausgetobt hat, der alte Martin Barrøy aus den Tanghaufen wühlt und sich dann damit in das Bootshaus setzt, um sie mit neuen Netzen zu umwinden, sie werden dann wie neu. Es kann sich auch um ein hölzernes Spielzeug für Ingrid handeln, um Fischkästen und Ruder, Fischhaken, Schnurschnellen, Schöpfkellen, Bretter und Bootsreste. In einer Winternacht wurde ein ganzes Steuerhaus an Land geschwemmt. Sie zogen es mit dem Pferd nach oben und stellten es im Süden auf der Insel in den Garten, und nun kann Ingrid auf dem Stuhl des Kapitäns sitzen und am Steuerrad aus Messing und Mahagoni drehen, während sie auf die Wiesen und Mauern schaut, die sich in Wellen über die Insel ziehen.
Es sind nicht weniger als acht Mauern.
Sie sind aus Steinen gebaut, die aus dem Erdreich nach oben steigen wie die Glaskugeln aus dem Meer, nur viel langsamer, die Steine brauchen viele Winter dazu, und dann können sie sie im Frühjahr aufsammeln und auf die Mauern legen und sie noch höher machen, die Mauern, die die Insel in neun Wiesen einteilen, oder Gärten, wie sie das nennen. Der Südgarten wird am meisten heimgesucht, dort bricht das Meer mit seinem ganzen Ungestüm herein. Dann folgt der Busengarten, von dem niemand weiß, woher er seinen Namen hat, aber es kann an den grünen Graskuppen und den erhöhten Ackerstellen liegen, die großen und kleinen Frauenbrüsten ähneln und die die Schafe nach der Mahd rund und schön weiden. Dann der Steingarten, weil es dort mehr Steine gibt als anderswo. Der Rosengarten, weil das Gras dort rot ist wie unreife Vogelbeeren. Der Stallgarten umgibt die Häuser, der Garten Eden schaut nach Norden, ist aber trotzdem der fruchtbarste, wo die Kartoffeln angebaut werden, dann der Schorfgarten, der Nordgarten und der Notgarten, die alle ihren Namen verdient haben, auch wenn der Nordgarten der grünste von allen ist und Bootshaus und Landungsplatz umhüllt wie ein riesiger grüner Fäustling.
Sie finden tote Tümmler und Alken und von stinkenden Gasen zum Bersten gefüllte Kormorane, sie waten durch fauligen Tang und finden halbe Schuhe und einen Hut und einen Krug und Bruchstücke von fremden Leben, Zeugnisse von Überfluss, Schlendrian, Verlust und Verschwendung und von Unglücken, die Menschen getroffen haben, welche ihnen unbekannt sind und denen sie niemals begegnen werden. Ab und zu finden sie auch eine unfreiwillige Botschaft, die sich nicht entziffern lässt, einen Mantel aus England, die Taschen voller Zeitungen und Tabak, einen Kranz von einem feuchten Grab in der Tiefe des Meeres, die französische Trikolore an einer zersplitterten Fahnenstange und einen schleimigen Kasten mit den intimsten Besitztümern einer exotischen Frau.
Ein seltenes Mal finden sie auch eine Flaschenpost, die eine Mischung aus Sehnsüchten und Geständnissen enthält und an andere gerichtet ist als die, die sie finden, die aber, wäre sie an die richtige Adresse gekommen, die Empfänger dazu gebracht hätte, Blut zu weinen und Himmel und Erde in Bewegung zu setzen. Jetzt öffnen die Inselbewohner sie in ihrer ganzen Nüchternheit und ziehen die Briefe heraus und lesen sie, falls sie die Sprache verstehen, und machen sich auch Gedanken über den Inhalt, kleine, vage Gedanken – eine Flaschenpost ist eine geheimnisvolle Vermittlerin von Sehnsucht, Hoffnung und ungelebtem Leben –, und danach legen sie die Briefe in die Kiste für das, was weder besessen noch weggeworfen werden kann, und sie kochen die Flasche aus und füllen sie mit Johannisbeersaft, oder sie stellen sie einfach als Beweis für ihre eigene Leere auf die Fensterbank im Stall, sodass das Sonnenlicht hindurchscheint und grün wird, ehe es sich neigt und sich auf den trockenen Grashalmen auf dem Boden zurechtlegt.
Aber an einem Herbstmorgen findet Hans Barrøy einen ganzen Baum, den der Sturm hochgeschoben und an der Südspitze der Insel abgelegt hat. Einen riesigen Baum. Hans Barrøy traut seinen Augen nicht.
Jetzt senkt sich das Meer im Rhythmus des Windes, und der Baum liegt da wie das Skelett eines urzeitlichen Ungeheuers, ein Walrumpf, mit intakten Wurzeln und Zweigen, aber ohne Nadeln oder Rinde, die hat das Meer verzehrt, eine weiße Tonne Harz, so wertvoll draußen in der Welt, da man damit die Bögen berühmter Geiger einreiben kann, damit ihre Töne rein werden. Es ist eine russische Lärche, die durch Jahrhunderte am Ufer des Jenissei in der Einöde südlich von Krasnojarsk herangewachsen ist, in der die Taigawinde ihre Spuren hinterlassen haben wie ein Kamm in fettigem Haar, bis eine Frühlingsüberschwemmung mit Zähnen aus Eis den Baum in den Fluss warf und ihn mit sich führte, drei-, viertausend Kilometer nordwärts in die Karasee, und ihn in die Krallen der salzigen Ströme legte, die ihn nach Norden bis an den Rand des Eises brachten, und dann weiter nach Westen, vorbei an Nowaja Semlja und Spitzbergen und bis zu den Küsten von Grönland und Island, wo wärmere Strömungen ihn aus dem Griff der Kälte rissen und wieder nach Nordosten trieben, in einem mächtigen, die halbe Erde umfassenden Kreis, vollendet in einem Jahrzehnt oder zwei, ehe ein letzter Sturm ihn auf eine Insel an der norwegischen Küste warf, sodass er in einer Dämmerung im Oktober von Hans Barrøy gefunden werden kann, der ihn in stummem Staunen betrachtet.
Ein so gewaltiger Baum ist in dieser Gegend noch nie angeschwemmt worden.
Hans Barrøy läuft nach Hause und holt die Familie.
Sie machen sich daran, die Beute zu teilen, sie entfernen die Zweige und zersägen Wurzeln und Äste und stapeln sie an der Nordwand des Stalles auf, als Brennholz, dann machen sie sich über den Stamm selbst her, Holzscheit um Holzscheit. Doch dann liegt da plötzlich eine römische Säule von gut dreizehn Metern, und sie können sie noch immer nicht mit Pferd und Flaschenzügen und der Kraft von fünf Menschen auf den Hof schaffen. Sie vertäuen die Säule und gehen nach Hause und überschlafen die Sache, erschöpft, müde und zufrieden.
Und bei der nächsten Springflut können sie den Baum noch einige Meter höher ziehen, doch da bleibt er dann liegen, eine umgestürzte Marmorsäule.
Hans und Martin schneiden noch zwei große Holzstücke zurecht, sie brauchen einen ganzen Tag dazu, und sie sehen, dass das mit Harz gefüllte Kernholz immer noch rot glühender wird, je näher sie dem Zentrum kommen, hart wie Glas und doch porös unter der Messerklinge. Sie schaben es ab und zerkrümeln es zwischen den Fingern und nehmen einen Geruch wahr, bei dem sie einsehen, dass es unmöglich wäre, dieses Wunderwerk zu zerhacken, nur um es in einem Ofen zu verbrennen. Der Baum ist eine Einheit, die bewahrt werden muss, irgendwann werden sie Verwendung dafür haben, in einer anderen Zeit, oder sie werden ihn verkaufen können, er muss doch ein Vermögen wert sein.
Mit einer letzten Kraftanstrengung wälzen sie ihn auf drei Laufrollen, damit er nicht das Gras berührt, schlagen auf jeder Seite vier Pfähle in den Boden, treiben Bolzen durch die Pfähle und ins Holz. Und da liegt die Säule noch heute, hundert Jahre später, eine weiße Walze vor dem Meer. Es mag aussehen, als habe jemand sie vergessen, es mag aussehen, als habe sie einmal eine Funktion gehabt, als sei sie unentbehrlich gewesen.
Niemand kann eine Insel verlassen, eine Insel ist ein Kosmos im Taschenformat, wo die Sterne im Gras unter dem Schnee schlafen. Aber es kommt vor, dass jemand es versucht. Und an einem solchen Tag weht ein sanfter Ostwind. Hans Barrøy hat Segel gesetzt, ein braun imprägniertes Schratsegel. Die ganze Familie ist dabei, außer dem alten Martin, der von dieser Reise nichts hält.
Sie wollen Barbro abliefern.
Barbro ist dreiundzwanzig und muss endlich in Dienst gehen. Sie haben ihr eine Stelle besorgt.
Nachdem sie am Kai bei der Handelsstation vertäut haben, geht Ingrid mit Barbro an der Hand hinauf zum Laden und zur Ortschaft, wo die Bäume in den Himmel wachsen und die Häuser angestrichen sind und so dicht nebeneinanderstehen, dass man ohne Mantel von einem zum anderen gehen kann.
Barbro will niemanden außer Ingrid an der Hand halten, denn sie weiß, was geschehen wird, und sie bleibt vor dem Laden stehen, und alle Blicke richten sich auf sie, die Inselbewohnerinnen, sie sind hier an Land so selten zu sehen.
Ingrid ist fein angezogen, mit blauem Kleid und grauer Strickjacke, mit grünen Eiskristallen an Kragen und Ärmeln. Barbro trägt ein gelbes Kleid und eine Friesjacke, die zu kurz ist, sie sagt, sie will Kandiszucker.
Hans ist ihr nachgelaufen und sagt ja, sie kann Kandiszucker bekommen. Aber nach dem Besuch im Laden will sie nicht weiter zum Hof gehen, wo die Hausfrau, Gretha Sabina Tommesen, versprochen hat, sie als Magd einzustellen, wenn es sie nicht mehr kostet als das Essen und ein Bett. Hans und Maria müssen Barbro weiterschleppen, während Ingrid ganz hinten geht und verstohlene Blicke auf die Kinderschar wirft, die ihnen in einiger Entfernung folgt. Sie hat schon einige von ihnen gesehen, aber nur kurz, in der Kirche und im Dorf, sie weiß den Namen von zweien, erkennt vier Gesichter, aber keins davon lächelt, und sie starrt nicht lange hin, dann läuft sie hinter den anderen her in den Garten, der das weiße Haus mit der schweren, dunklen Füllungstür umgibt, die sich nun öffnet und sie in einen anderen Erdteil eintreten lässt.
Aber dort schafft es Gretha Sabina Tommesen, Barbro dreimal «die Idiotin» zu nennen, während sie die Kammer zeigt, in der Barbro zusammen mit der anderen Magd schlafen soll, die ebenfalls von den Inseln stammt, nur ist sie viel jünger als Barbro. Sie erklärt, dass die Idiotin damit rechnen muss, zur Handelsstation geholt zu werden, wenn der Hering kommt, und sei es mitten in der Nacht, wie alle Frauen im Haus.
«Kann sie Fisch ausnehmen?»
«Sicher», sagt Maria. «Sie kann auch kochen und karden und spinnen und Socken stricken …»
«Ist sie reinlich?»
«Das sehn Sie doch.»
«Verstehst du, was ich sage, Barbro», ruft sie Barbro zu, die nickt und zu einer Kristalllampe hochschaut, die über ihrem Kopf hängt, ein Sternenhimmel, in dem die Blicke so tief versinken, dass sie dort bleiben und der Nacken steif wird. Als nun Gretha Sabina Tommesen zu Maria sagt, dass die Schwägerin nicht damit rechnen darf, andere Kleider zu bekommen, als sie selbst mitgebracht hat, sieht Hans die Schwester an – deren Blick noch immer auf das neue Sonnensystem gerichtet ist – und fasst einen Entschluss, nimmt sie an der einen Hand und ihren kleinen Koffer in die andere und geht wieder hinaus, macht auch jetzt den Umweg zum Laden und wartet, bis Maria und Ingrid sie eingeholt haben.
Die Eheleute wechseln einen Blick. Er nickt zur Tür hinüber. Sie nickt zurück. Sie gehen hinein und kaufen Zucker und Kaffee, zwei Packungen vierzöllige Nägel, einen Eimer Teer, Sago, Zimt, ein Fässchen Grobsalz, bestellen drei große Säcke Roggenmehl, die in vier Tagen abgeholt werden sollen, und gehen mit ihren Waren wieder hinaus und zum Anleger und steigen in ihr Boot und setzen Segel.
Über der See hängt ein feiner Dunst.
Aber Hans kann seine Schwester nicht ansehen. Er setzt sich auf die andere Seite der Ruderpinne, um das Segel zwischen sich und sie zu bringen. Aber deshalb ist er ja nicht Marias Blick entzogen, sie ist siebenundzwanzig Jahre alt, sie ist stark und kommt von einer anderen Insel, sie hat die Haushaltsschule besucht und hätte überall einen Dienst finden können, aber sie ist auf Barrøy, bei ihm, Hans Barrøy, der fünfunddreißig ist, als er hier versteckt sitzt, vor seiner eigenen Schwester und einer ärgerlichen Scham, sie gehören beide eng zusammen, Scham und Versteck, aber weiterhin ist er Marias Blick ausgesetzt, und der wird nicht weichen, bis Hans zugibt, dass er ein Trottel ist, ein Nicken würde reichen. Dann richtet sie ihren Blick auf die Wellen und hat dieses ärgerliche Lächeln auf den Lippen, das sie nur noch unbesiegbarer macht.
Der alte Martin steht am Steg und nimmt sie mit schrillem Lachen in Empfang.
«Hab ich’s nicht gleich gesagt!»
Er watet auf sie zu, hebt den Koffer an Land und führt seine Tochter zu den Häusern, während Ingrid nebenherläuft und vom Dorf erzählt, bis ihre Stimme im Geschrei der Möwen untergeht. Maria und Hans bleiben am Steg stehen und überlegen, ob sie die Karre holen oder die Einkäufe nach oben tragen sollen.
«Das können wir doch sicher tragen?»
Sie geht vor ihm her. Er lässt die Einkäufe fallen und packt sie bei den Hüften und wirft sie in das hohe Gras, wo nicht einmal Gott sie beide sehen oder Marias halb ersticktes Geheul hören kann, und wie sie ihm allerlei Namen gibt, während sie wieder dieses Lächeln hat, das vorhin noch in die Wellen gerichtet war, jetzt hat er es eigentlich wieder hochgeholt. Und danach haben sie keine Lust weiterzugehen, sondern bleiben liegen und schauen in den Himmel, während sie von einem Tag erzählt, als sie ein Kind auf Buøy war und ein Stall unter dem vielen Schnee auf dem Dach zusammenbrach. Er hört zu und fragt sich, worauf sie wohl hinauswill, wie er das immer tut, was meint Maria und worauf will sie hinaus. Bis Ingrid plötzlich über ihnen steht und fragt, wo sie denn bleiben, Barbro will wissen, was es zu essen geben soll, Hering oder Köhler oder den fetten Butt, den der Vater gestern erwischt hat.
«Ich schneid den Butt klein», sagt er und erhebt sich und holt doch die Karre und lädt die Einkäufe darauf und Ingrid noch dazu und schiebt die Karre bergauf, während Maria liegen bleibt. Sie ist die Philosophin auf der Insel, die mit dem schrägen Blick, da sie von einer anderen Insel kommt und Vergleiche hat, das nennt sich Erfahrung oder sogar Klugheit, aber es kann ihr auch ein gespaltenes Gemüt geben, es kommt darauf an, wie verschieden die Inseln sind.