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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© 2019 Verlag Anton Pustet
5020 Salzburg, Bergstraße 12
Sämtliche Rechte vorbehalten.
Lektorat: Martina Schneider
Mitarbeit: Isabella Eckerstorfer
Grafik und Produktion: Nadine Kaschnig-Löbel
Cover: Tanja Kühnel
eISBN 978-3-7025-8067-4
auch als gedrucktes Buch erhältlich: ISBN 978-3-7025-0952-1
www.pustet.at
Einleitung
Erde und Mensch im Mittelpunkt
Was wir am Himmel beobachten
Chaos am Himmel?
Weltbild: Fantasie und Wirklichkeit
Weltbilder
Das Weltbild der Ägypter
Der Kalender – eine Einteilung der Zeit
Babylonisches Weltbild
Ist die Erde eine Scheibe? Das Weltbild der Griechen
Erste Vermessungen der Welt
Der Platz im Kosmos aus der Sicht der Antike
Alexander der Große
Das Weltbild im Mittelalter und in außereuropäischen Kulturkreisen
Basilius
Die biblische Schöpfungsgeschichte
Der Große Geist
Schöpfungsmythos der Hopi
Das Weltbild der Maya
Das Weltbild der Azteken
Das Weltbild der Inka
Kein Anfang und kein Ende: Hinduismus
Vom Mittelalter in die Neuzeit
Die Erde – doch nicht im Zentrum
Tod auf dem Scheiterhaufen
Die Entdeckung Amerikas
Nikolaus Kopernikus
Wegbereiter des Kopernikus
Einwände gegen das neue Weltbild
Sterne gehen früher auf
Planetenschleifen – einfach erklärt
Die Frage nach dem Warum der Planetenbewegungen
Tycho Brahe – der letzte Beobachter
Das Fernrohr wird erfunden: ein neues Tor in den Kosmos
Galileis Entdeckungen
Die Gesetze der Bewegung der Planeten
Die Entdeckung der Schwerkraft
Das Planetensystem – vollständig geklärt
Ist alles vorhersagbar?
Die Mechanik des Himmels
Neue Planeten im Sonnensystem
Von der Sonne zu den Sternen
Die Sonne – ein normaler Stern?
Die Welt der Sterne
Die Farben des Regenbogens
Die Entfernung der Sterne
Die Farben der Sterne
Die Welt im Kleinen
Das Atom und die Griechen
Materie und Geist
Was ist eigentlich Licht?
Die Geschwindigkeit des Lichtes
Erkenntnis
Atomtheorie
Das Wasserstoffatom
Das Atom als Miniaturplanetensystem
Die starke Kraft
Dimensionen der Atome
Chaos oder Ordnung?
Determinismus, alles ist vorhersagbar
Elektromagnetismus und Licht
Unser Sehorgan: Das Auge
Licht als Teilchen
Materie und Wellen
Alles unsicher: Die Heisenberg’sche Unschärferelation
Wie genau kann man messen?
Die Katze: Tot oder lebendig?
Einstein und seine Relativitätstheorie
Wir leben in einem gekrümmten Raum
Alles ist relativ
Das expandierende Universum und der Urknall
Die große Debatte
Edwin P. Hubble
Sind wir der Mittelpunkt des Universums?
Licht vom Rand der Welt
Die Entstehung der Elemente
Wir sind Sternenstaub
Der Urknall im Labor?
Quarks und das Standardmodell der Teilchenphysik
Von den Quarks zu den Galaxien
Dunkle Materie, dunkle Energie
Leben im Universum
Philosophie und die Entstehung des Lebens
Mikroorganismen
Die frühe Erde
Leben aus dem All?
Gibt es mehr als ein Universum?
Die kleinsten Teilchen als Fäden
Die Schleifengravitation
Paralleluniversen
Quantenphysik: Kollaps der Wellenfunktion oder viele Universen?
Quellen
Bildnachweis
Index
Haben Sie sich schon einmal gefragt, woher wir kommen, wohin wir gehen, was wir eigentlich wirklich wissen? Dies sind Grundfragen, die sich Menschen in allen Kulturen, zu allen Zeiten gestellt haben. Dieses Buch versucht, allgemein verständliche Antworten zu geben – doch Vorsicht. Nicht alle Fragen lassen sich mit modernen Erkenntnissen der Naturwissenschaften vollständig beantworten.
Ein großer Psychoanalytiker, es war kein geringerer als Sigmund Freud, sprach einmal von den großen Kränkungen der Menschheit. In den alten Kulturen waren die Menschen sehr mit der Natur verbunden und betrachteten sich als Teil dieser. Dann entwickelte sich das Bewusstsein, dass wir vielleicht etwas Besonderes im Universum sind. Die Erde sollte der Mittelpunkt des Universums sein, alles bewegte sich um diese. Doch dies erwies sich als Irrtum. Heute wissen wir, dass wir uns an keiner ausgezeichneten Position im Universum befinden, die Erde ein Planet unter acht anderen im Sonnensystem ist, die Sonne ein Stern unter vielen Milliarden, möglicherwiese gibt es Leben anderswo … Gibt es überhaupt einen Mittelpunkt des Universums? Was war vor dem Urknall, was ist außerhalb des Universums? Vielleicht gibt es sogar mehr als nur ein Universum?
Der Weg zur Beantwortung dieser Fragen ist ein langer und spannender. Wir können nur einen kleinen Bruchteil direkt beobachten und möglicherweise Dinge nicht genau messen.
Die Erkenntnisse der modernen Physik und Astrophysik sind faszinierend, aufregend, klingen teilweise verrückt. Ich lade die Leserinnen und Leser ein, sich auf den Weg zu begeben, diese Erkenntnisse nachzuvollziehen und sich ein Bild der modernen Theorien über unser Universum und unseren Platz im Kosmos zu machen. Die Reise führt uns von den Vorstellungen der Menschen der Antike zu modernen Stringtheorien, wonach wir möglicherweise nur in einem von vielen Universen leben.
Die modernen Naturwissenschaften geben uns (Teil-)Antworten. Einige Fragen bleiben ungeklärt oder werden sich vielleicht nie beantworten lassen. Die Leserinnen und Leser dieses Buches finden sicherlich Anregungen für eigene Überlegungen zu solchen Fragen.
Ich bedanke mich beim Verlag Anton Pustet und vor allem bei Frau Martina Schneider für die ausgezeichnet Zusammenarbeit. Dieses Buch widme ich meiner am 5. August 2019 verstorbenen Großmutter bei der ich aufgewachsen bin und die mir mein Studium ermöglichte und meine Forschungen stets interessiert mitverfolgte.
Ist es nicht seltsam? Wenn wir etwas über uns und unsere Stellung im Universum erfahren möchten, dann müssen wir den Blick von uns weg richten und in den Himmel schauen. Erst dadurch bekommen wir eine Ahnung von der Stellung des Menschen und der Erde im Kosmos. Und genau dieser Blick zum Himmel – sei es, wenn wir die Sonne beobachten, den Lauf des Mondes, oder uns an einem dunklen Sternenhimmel erfreuen – hat zu allen Zeiten in allen Kulturen die Menschheit fasziniert. Aber was können wir aus der Beobachtung eines mit Sternen übersäten Nachthimmels lernen oder aus einer romantischen Vollmondnacht?
Schon im Altertum stellte man fest, dass es gewisse Regelmäßigkeiten im Lauf der Gestirne gibt. Hier spielte das Festhalten von Daten, zum Beispiel zu bestimmten Stellungen der Planeten oder Sonnen- und Mondfinsternissen, eine wesentliche Rolle. Dies führte in weiterer Folge zu einer der wichtigsten Errungenschaften der Menschheit: dem Kalender. Es gibt zahlreiche periodische Vorgänge am Himmel, die man zur Erstellung eines Kalenders verwenden kann, doch davon später.
Man erklärte sich Erscheinungen am Himmel durch Handlungen der Götter, die dort wohnen. Sterne wurden Göttern gleichgesetzt, besonders die Planeten, Sonne und Mond.
Betrachten wir als Beispiel die Milchstraße, die in dunklen Sommer- und Herbstnächten als zart schimmerndes Band den Himmel umspannt. Sie bestand nach den Vorstellungen der Griechen im Altertum aus Milch, die der Knabe Herakles, ein unehelicher Sohn Jupiters, durch sein ungestümes Saugen aus der Brust seiner Mutter Hera verspritzt hatte. Unsere moderne Vorstellung von der Milchstraße ist nicht weniger spannend: Sie besteht aus mehreren 100 Milliarden Sternen.
Doch was fasziniert uns eigentlich so, wenn wir den Himmel beobachten?
Ich glaube, es sind im Wesentlichen zwei Dinge. Auf der Erde ist alles vergänglich. Die Dinge, die uns umgeben, sind Änderungen unterworfen, die wir fast täglich beobachten können. Ein Fußabdruck im Meeressand wird bei der nächsten Flut verschwunden sein. Eine Eintagsfliege lebt nur wenige Stunden. Andere Dinge verändern sich langsamer. Ein von Menschen erbautes Haus wird meist nach wenigen Generationen zerfallen, die Pyramiden in Ägypten sind für Tausende von Jahren errichtet worden. Natürlich ist auch unser Leben endlich.
Wie groß ist jedoch der Gegensatz, wenn wir zum Himmel blicken. Die Sterne am Himmel scheinen ewig, jeden Tag geht die Sonne auf und unter. Jahr für Jahr kehren die Jahreszeiten wieder.
Bestimmte Sterngruppen fasste man schon im Altertum zu Sternbildern zusammen, die meist mit Mythen und Sagenfiguren in Verbindung gebracht wurden. So finden wir am Himmel den Perseus, der das Haupt der Medusa in Händen hält, die Kassiopeia, die Gattin des ägyptischen Königs Kepheus, deren Tochter Andromeda war. Kassiopeia zog den Zorn Poseidons auf sich, da sie behauptete, schöner als die Nymphen des Meeres zu sein. Deshalb musste ihre Tochter Andromeda dem Meeresungeheuer Keto (heutiges Sternbild Walfisch) ausgeliefert werden. Aber Perseus rettete Andromeda in letzter Sekunde.
Jupiter, der oberste römische Gott, Mars (griechisch Ares), der Kriegsgott … Die Götter schienen gleich den Sternen ewig zu sein, unabhängig von allen irdischen Vorgängen.
Ein weiterer Grund für die Faszination, die der Sternenhimmel auf uns ausübt, ist praktischer Natur. Vorgänge am Himmel spielen sich periodisch ab, wie die immer wiederkehrende Folge von Tag und Nacht, der Umlauf des Mondes um die Erde oder der Erde um die Sonne.
Der Himmel galt also seit jeher als etwas Unveränderliches, Erhabenes, Göttliches. Umso mehr waren die Menschen beunruhigt, wenn es am Himmel eine plötzliche Veränderung gab: Ein Komet taucht auf, eine Finsternis tritt ein, ein neuer Stern wird beobachtet. Dies galt vielfach als ein Zeichen des Zorns der Götter oder als Zeichen eines bevorstehenden Umsturzes der Ordnung, kommender Naturkatastrophen, für Krieg oder Krankheit. Noch bei der Erscheinung des alle 76 Jahre wiederkehrenden periodischen Kometen Halley im Jahr 1910 wurde Unheilvolles vorhergesagt. Astronomen berechneten sogar, dass die Erde durch den mehrere Millionen Kilometer ausgedehnten Schweif des Kometen hindurchgehen würde. Zu allem Überfluss hatte man durch Analyse des Lichtes giftige Gase in Kometenschweifen nachgewiesen. Es wurden viele Mittel verkauft, um die Folgen dieses Durchganges abzuschwächen, Pillen, Gasmasken und Ähnliches. Natürlich wussten auch die Astronomen damals, dass die Gasdichte in Kometenschweifen extrem gering sein muss, und der Durchgang der Erde durch den Kometenschweif keinerlei Auswirkungen auf die Erdatmosphäre haben würde. Dennoch blühte das Geschäft aufgrund der Unwissenheit der Bevölkerung.
Heute wissen wir, dass Kometen relativ kleine Himmelskörper mit einigen 10 Kilometern Ausdehnung sind. Die spektakuläre Schweiferscheinung entsteht durch verdampfende Gase, wenn sich ein Komet auf seiner Bahn der Sonne nähert. Der Komet Halley ist besonders bekannt, weil er bei seiner Wiederkehr alle 75,3 Jahre hell am Himmel leuchtet. Das letzte Mal konnte man ihn 1986 beobachten. Das nächste Mal erwartet man ihn für Juli 2061.
Aufgezeichnet von chinesischen Astronomen wurde das Erscheinen eines Sternes im Sternbild des Stiers (Taurus) im Jahr 1054 n. Chr., der so hell strahlte, dass er auch mit bloßem Auge am Tageshimmel zu sehen war. Wir wissen heute, dass dies ein explodierender Stern am Ende seiner Entwicklung war, was als Supernova bezeichnet wird. Als Überrest dieser Explosion beobachtet man den berühmten Crabnebel, M1 genannt. Im Zentrum befindet sich der Überrest des Sternes, ein nur etwa 10 Kilometer großer Neutronenstern.
Die Beobachtung der periodischen Vorgänge am Himmel ermöglichte es den Astronomen, die damals meist Priester waren, im Altertum bereits einen Kalender zu erstellen. Wirklich erklären konnte man sich die Vorgänge am Himmel jedoch nicht. Es dauerte mehrere Jahrtausende, bis sich unser heutiges Weltbild entwickelte. Dies umfasst einen Zeitraum von mehr als 3 000 Jahren.
Welches Bild über unsere Welt, über den Kosmos, hatten die Kulturen des Altertums bis hinauf ins Mittelalter? Waren dies reine Fantasievorstellungen oder gab es bereits erste richtige Messungen?
Fantasievorstellungen gab es natürlich. So soll bei einer Sonnenfinsternis – nach den Vorstellungen im alten China – die Sonne von einem Drachen verschluckt worden sein, der sie dann nach wenigen Minuten wieder ausspeit. Das Ereignis wurden von den Chinesen „Shi“ genannt, was so viel wie „essen“ oder „fressen“ bedeutet. Heute wissen wir, dass Finsternisse nicht bedrohlich sind, sondern immer dann eintreten, wenn sich Sonne-Erde-Mond auf einer Linie befinden. Auch Kometen sind an sich harmlose verdampfende Gesteinsbrocken, die aus den äußeren Regionen des Sonnensystems kommen.
Es gab aber auch bereits systematische astronomische Beobachtungen und vor mehr als 2 500 Jahren war man in der Lage, Finsternisse oder die Stellung der Planeten vorherzusagen.
Man kann sich vorstellen, welche Autorität das denjenigen Priestern verlieh, die im Stande waren, solche Vorhersagen zu treffen. Umgekehrt konnte man auch leicht geköpft werden, wenn man ein derartiges bevorstehendes Ereignis nicht rechtzeitig dem Herrscher mitteilte.
Die ersten Vorstellungen von der Welt, vom Kosmos, waren stark mit dem Götterglauben verbunden und man dachte sich den ganzen Kosmos belebt.
Das Wort Weltbild enthält zwei Begriffe: „Welt“ und „Bild“. Es handelt sich also sozusagen um Abbildungen der Welt. Doch was verstehen wir unter dem Begriff „Welt“? Viele verstehen darunter unsere Erde, es kann aber auch für das gesamte Universum stehen oder es bezeichnet einen kleinen abgegrenzten Bereich, die „Welt“ der Bakterien beispielsweise.
Wir machen uns ein Bild der Welt, also eine Vorstellung. Diese hängt von vielen Faktoren ab. Von unseren Kenntnissen, von unserem geistigen Horizont, von unserer Kultur und Ähnlichem. Die alten Kulturvölker hatten ein vollkommen anderes Weltbild als wir es heute haben. Lassen Sie sich kurz mit den Vorstellungen dieser Kulturen vertraut machen. Wir werden sehen, dass manche dieser Vorstellungen kurios waren, andere sich aber durchaus in unserem modernen Weltbild widerspiegeln.
Wichtig ist es festzuhalten, dass das Bild der Welt kein statisches ist, sondern einer stetigen Wandlung unterworfen ist, da sich ja auch unser Wissen über die Welt ständig erweitert.
Als älteste Darstellung des Himmels gilt die Himmelsscheibe von Nebra, sie stammt aus der Bronzezeit. Es handelt sich dabei um eine kreisförmige Bronzeplatte mit Einlagen aus Gold, die zwei Mondphasen darstellen sowie einen Sternhaufen, die Plejaden, die der Mond von Zeit zu Zeit bedeckt, sowie die Sonne als Sonnenbarke.
Die ägyptische Kultur war eine der ersten Hochkulturen. Wir wissen viel über ihre Rituale, weil Bauwerke (Pyramiden) sowie Schriften erhalten geblieben sind. Eine sehr schöne Darstellung des ägyptischen Weltbildes findet sich auf einem Sarkophagdeckel.
Ägyptische Sarkophage bestehen meist aus Kalkstein oder Basalt. Bereits um 3200 v. Chr. wurden Hieroglyphen verwendet. Nach ägyptischer Vorstellung soll der Gott der Weisheit, Thot, die Hieroglyphen geschaffen haben. Man nannte sie daher auch Gottesworte. Lange Zeit blieben die Hieroglyphen vollkommen rätselhaft. Entziffern konnte man diese Zeichen erst durch den Stein von Rosetta, der bei Napoleons Ägyptenfeldzug (1798–1801) gefunden wurde. Bei diesem Feldzug wurde Napoleons Heer auch von einem Team bestehend aus 167 Wissenschaftlern, Ingenieuren und Künstlern begleitet (Commission des sciences et des arts).
Die große Bedeutung des Steins von Rosetta liegt darin, dass er ein Dekret aus der Ptolemäerzeit enthält, das in drei verschiedenen Schriften/Sprachen niedergeschrieben wurde, darunter in Griechisch, Demotisch und Hieroglyphen. Dieses Dekret stammt aus dem Jahr 196 v. Chr. Der Stein befindet sich seit 1802 im British Museum in London.
Der Sarkophagdeckel, auf dem sich die Darstellung des ägyptischen Welthauses befindet, stammt aus der Zeit der 30. Dynastie. Die 30. Dynastie gehört in die Spätzeit (664–322 v. Chr.).
Die Ägypter stellten sich die Erde als eine Scheibe vor. Über diese beugt sich die Himmelsgöttin Nut. Sie stellt den Himmel dar. Die Himmelsgöttin Nut hatte mehrere Bedeutungen für die Ägypter. Sie symbolisierte das Himmelsgewölbe, aus ihr stammt alles, der Donner war ihr Gelächter, der Regen ihre Tränen. Ihr Körper trennt den Kosmos vom Chaos. Chaos bedeutet formlose Masse und wird auch mit Nicht-Existenz gleichgesetzt. Nut trennt also die Mächte des Chaos vom geordneten Kosmos. Aus Nut kommen Sonne, Mond und Sterne hervor und abends verschlingt sie diese wieder.
Betrachten wir noch kurz den berühmtesten Mythos über diese Göttin, die Schöpfungsgeschichte von Heliopolis. Darin erscheint Nut als Kind des Gottes Schu (Gott der Luft) und Tefnut (Göttin der Feuchtigkeit). Sie liebte ihren Bruder Geb, was ihren Vater erzürnte. Deshalb wurde sie in den Himmel verbannt. Ihr Vater Schu war als Luftgott zwischen ihr und ihrem Geliebten Geb (Gott der Erde). Oft findet man folgende Darstellung: Schu stützt mit erhobenen Armen Nut, zu seinen Füssen liegt der Erdgott Geb. Als der Sonnengott Re bemerkte, dass Nut mit Geb verkehrte, verfluchte er sie und sie sollte an keinem der 360 Tage des Jahres Kinder gebären. Thot (Gott des Wissens, des Schreibens) half ihr und gab ihr noch 5 zusätzliche Tage, an denen ihre Kinder geboren wurden.
Dieses Beispiel zeigt sehr deutlich die Grundhaltung der Menschen in alten Kulturen gegenüber dem Kosmos. Man erklärte sich alle Vorgänge in der Natur als göttliche Handlungen. Tag und Nacht, Auf- und Untergang der Gestirne, der Sonne und des Mondes hingen mit göttlichen Aktivitäten zusammen. Die gesamte Natur, der gesamte Kosmos war erfüllt von Göttern. Besonders ausgeprägt sind diese Vorstellungen auch bei den amerikanischen Ureinwohnern. Der Westen, wo die Sonne untergeht, symbolisiert das Vergehen, das Sterben, der Osten die Geburt, hier geht die Sonne auf, der Tag beginnt.
Will man den Platz des Menschen im Kosmos verstehen, benötigt man einerseits eine Angabe seines Ortes, andererseits auch eine Größe, die uns allen sehr wichtig ist und von der man nie genug haben kann, die Zeit. Um diese einzuteilen, verwendet man einen Kalender. Daher ist es nicht verwunderlich, dass sich auch die alten Ägypter mit Kalenderrechnung beschäftigten.
Die ägyptischen Astronomen interessierten sich vor allem für den hellsten Fixstern Sirius, den man in mitteleuropäischen Breiten im Winter hell im Süden sieht. Sie beobachteten den heliakischen Aufgang dieses Sternes.
Sirius ist in Mitteleuropa am Winterhimmel gut sichtbar, er ist der hellste Fixstern. In den Monaten Mai bis Juli steht er jedoch unsichtbar am Tageshimmel neben der Sonne. Danach taucht der Stern wieder am Morgenhimmel auf. „Heliakischer Aufgang“ bedeutet den Zeitpunkt, ab dem zum ersten Mal Sirius wieder am Morgenhimmel erscheint.
Doch weshalb beschäftigten sich die Ägypter so ausführlich mit Sirius und dessen heliakischem Aufgang? Das hat einen sehr praktischen Grund. Man stellte irgendwann einmal fest, dass bald nach dem heliakischen Aufgang des Sirius der Nil Hochwasser führte (wegen der starken Regenfälle am Ort seiner Entstehung). Das war für die Ägypter lebensnotwendig, denn die Nilüberschwemmungen ermöglichten in der Wüstengegend erst Ackerbau.
Zunächst verwendeten die Ägypter einen Kalender mit 365 Tagen. Da die wahre Jahreslänge 365,24219 Tage beträgt, ergibt sich alle vier Jahre ein Fehler von rund einem Tag (= 4 x 0,24219). Geht also beispielsweise Sirius im Jahr X am 1. August heliakisch auf, so geht er nach 40 Jahren bereits am 21. Juli heliakisch auf. Schon während eines Menschenlebens ist hier eine deutliche Verschiebung zu erkennen.
Erst im Lauf von 1 440 Jahren etwa passt dann der heliakische Aufgang des Sirius wieder mit dem 365-tägigen Kalender zusammen. Dies war jedoch äußerst unpraktisch für den täglichen Gebrauch. Man wollte einen Kalender so haben, dass der heliakische Aufgang des Sirius und die Nilüberschwemmung immer wieder zum gleichen Zeitpunkt des Jahres eintraten. Um 221 v. Chr. entschloss man sich daher zu einer Kalenderreform:
Das Jahr hatte nun 365 ¼ Tage. Man schob also alle vier Jahre einen Zusatztag ein. Damit stimmte der Kalender wesentlich besser mit der tatsächlichen Jahreslänge überein. 46 v. Chr. übernahm Julius Cäsar diesen ägyptischen Kalender und führte ihn ein, man spricht deshalb vom Julianischen Kalender. Dieser richtet sich nach dem Lauf der Sonne, die Römer hatten zuvor einen Mondkalender verwendet, der sich nach dem Mondlauf richtete.
Neben Sirius spielten auch andere Sterne eine wichtige Rolle für die Ägypter. Es gab zwölf Nachtsterne, die als Wächter des Nachthimmels galten. Auch den Göttern waren bestimmte Sterne zugeordnet.
Wenn wir von Weltbildern des Altertums sprechen, darf die babylonische Kultur nicht fehlen. Mesopotamien, das Zweistromland, befindet sich zwischen den beiden Flüssen Euphrat und Tigris, heute liegt es großteils auf irakischem Staatsgebiet.
Die Geschichte dieses fruchtbaren Gebietes ist äußerst unbeständig, verschiedene Herrschervölker wechselten einander ab. Die ersten waren die Sumerer, die bereits erstaunliche astronomische Kenntnisse hatten. Man kannte die fünf mit freiem Auge erkennbaren Planeten Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn und befasste sich mit der Erstellung eines Kalenders. Damit wurde die Zeit messbar und ähnlich wie bei den Ägyptern wurden Überschwemmungen durch die beiden Flüsse Euphrat und Tigris vorhersagbar. Eine der größten Leistungen der Sumerer war die Erfindung der Keilschrift. So konnte man Erscheinungen am Himmel aufzeichnen. Im dritten Jahrtausend v. Chr. drangen dann Semiten ein und Babylon wurde zur mächtigsten Stadt. Am Ende des zweiten Jahrtausends kam es zu Kämpfen mit der aufstrebenden Stadt Assur. Danach wurde das Gebiet von den Assyrern, Chaldern und Persern erobert und beherrscht. Im dritten Jahrhundert v. Chr. wurde Babylon vollständig zerstört.
Zwischen dem Zweistromland und Ägypten finden sich viele Parallelen. Es gibt lange Phasen für günstige astronomische Beobachtungen, das Land ist durch die beiden Flüsse fruchtbar. Im Frühjahr führen die beiden Ströme große Wassermassen.
Das altbabylonische Reich wurde um 1830 v. Chr. gegründet. Hammurapi (1792–1750) erließ in Keilschrift eine Sammlung von Gesetzen. Dies ist die älteste bis heute erhaltene Gesetzessammlung. Hammurapi vereinigte das Gebiet zwischen Persischem Golf und Syrischer Wüste. Es wurde ein Bewässerungssystem eingeführt sowie der Pflug. König Nebukadnezar II (604–562 v. Chr.) ordnete die Errichtung vieler Bauwerke an: Bekannt sind der Turm zu Babel, die Hängenden Gärten der Semiramis, das Ischtar-Tor und die Prozessionsstraße.
Astronomen im Zweistromland waren Priester und man verknüpfte astronomische Beobachtungen mit Sterndeutung (Astrologie). Wieder war der Grund, dass man vor allem die wiederkehrenden Überschwemmungen vorhersagen wollte. Der babylonische Kalender war zunächst ein Mondkalender. Der Mond wurde sorgfältig beobachtet. Besonders untersuchte man, wann der Mond nach der Phase Neumond zum ersten Mal wieder am Abendhimmel zu sehen war, was heute wie damals auch als „Neulicht“ bezeichnet wird.
Der Mondgott hieß Sin. Man stellte fest, dass der Zeitraum von einem „Neulicht“ zum nächsten etwa 30 Tage beträgt. So kam man auf die Einteilung des Jahres in 12 Monate zu je 30 Tagen. Das ergibt eine Jahreslänge von 360 Tagen, es fehlen also mehr als 5 Tage, bis der Sonnenstand wieder in etwa dem des Vorjahres entspricht. Das bemerkten auch die babylonischen Astronomen und man führte ein fünftägiges Zusatzfest ein. Wie schon beschrieben, beträgt die genaue Länge eines Jahres 365,24219052 Tage. Dies nennt man auch das „tropische Jahr“. In diesem Zeitraum wiederholt sich die Position der Sonne im sogenannten Frühlingspunkt am Himmel. Ein Kalender, der also auf lange Zeit mit den Jahreszeiten übereinstimmen soll, muss möglichst exakt die Länge des tropischen Jahres besitzen. Es wurden Schaltmonate eingeführt, anfangs jedoch willkürlich. Die Sieben-Tage-Woche hingegen geht auf die Assyrer zurück.
Durch ihre genauen Mondbeobachtungen fanden die babylonischen Astronomen auch die sogenannte Sarosperiode. Finsternisse wiederholen sich im Saroszyklus mit einer Periode von 6585 ⅓ Tagen = 18,03 Jahre. Jeder Saroszyklus besteht aus etwa 71 Finsternissen und ist damit 1 270 Jahre lang. Das Ganze wird noch verwirrender: Es gibt etwa 40 Zyklen zur gleichen Zeit. Thales von Milet, der griechische Naturphilosoph, soll mit dem Saroszyklus eine Finsternis vorhergesagt haben, die während einer kriegerischen Auseinandersetzung (Finsternis 585 v. Chr.) auftrat. Wir betrachten kurz, wie es zu diesem Zyklus kommt. Eine Finsternis tritt immer dann ein, wenn Erde, Sonne und Mond in einer Linie stehen:
Sonnenfinsternis: Mond steht genau zwischen Sonne und Erde – bei Neumond.
Mondfinsternis: Der Mond taucht in den Schatten der Erde ein – bei Vollmond.
Allerdings findet nicht bei jedem Neumond und jedem Vollmond eine Finsternis statt, da die Bahn des Mondes zur Erdbahnebene (Ekliptik) geneigt ist. Finsternisse treten nur ein, wenn der Mond bei der Phase Vollmond oder Neumond in der Ekliptik steht. Die Schnittpunkte der Mondbahn mit der Ekliptik nennt man auch Drachenpunkte. Diese Punkte verschieben sich mit einer Periode von etwa 18 Jahren. Das erklärt grob den Saroszyklus.
Neben dem Mond genoss bei den Babyloniern der Planet Venus eine besondere Verehrung. Man assoziierte diesen Planeten mit der Göttin Ishtar, der Göttin des Krieges und der Liebe. Es war auch bekannt, dass Venus als Morgen- oder Abendstern zu sehen ist.