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Bernd Dörries

Der lachende Kontinent

Expeditionen ins unbekannte Afrika

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Quelle zum Wirtschaftswachstum: Statistikdatenbank www.statista.com

Die Anzahl der chin. Restaurants ist einer online Touristikwebsite entnommen, es wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben.

Sämtliche Angaben in diesem Werk erfolgen trotz sorgfältiger

Bearbeitung ohne Gewähr. Eine Haftung der Autoren bzw.

Herausgeber und des Verlages ist ausgeschlossen.

1. Auflage

© 2019 TERRA MATER BOOKS bei Benevento Publishing Salzburg – München, eine Marke der Red Bull Media House GmbH, Wals bei Salzburg

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Medieninhaber, Verleger und Herausgeber:

Red Bull Media House GmbH

Oberst-Lepperdinger-Straße 11–15

5071 Wals bei Salzburg, Österreich

Satz: MEDIA DESIGN: RIZNER.AT

Umschlaggestaltung: Hauptmann & Kompanie Werbeagentur, Zürich

ISBN 978-3-99055-020-5

eISBN 978-3-99055-512-5

Inhalt

Einleitung

Angola

Es riecht nach Öl.

Äquatorialguinea

Wieso lacht hier keiner? Besuch in einem Land, das verschlossener ist als Nordkorea.

Äthiopien

Im Wein liegt die Wahrheit – selbst Bob Geldof hat es nun verstanden: Investieren ist die bessere Entwicklungshilfe. Besuch auf seinem Weingut, das einen guten Rotwein keltert.

Benin

Wiedersehen – Boris war mein einziger schwarzer Freund in Deutschland. Nach dem Kindergarten ging er zurück. Erst jetzt treffen wir uns wieder.

Botswana

Das Musterland Afrikas, in dem es kaum Korruption gibt und sogar die Krankenversicherung umsonst ist. Das nun aber auch die Jagd auf Elefanten wieder erlauben will.

Burkina Faso

Burkina was? Die Hauptstadt Ouagadougou ist für viele das afrikanische Buxtehude, hat aber das größte Filmfestival des Kontinents.

Demokratische Republik Kongo

Das große Missverständnis – eine Bootsfahrt in Joseph Conrads Herz der Finsternis, das erstaunlich heiter ist.

Elfenbeinküste

Mitten im Dschungel steht die größte Kirche der Welt, die dem Petersdom erstaunlich ähnlich ist.

Eritrea

Schöner Wohnen – Asmara ist die angenehmste Hauptstadt Afrikas. Trotzdem wollen viele weg.

Eswatini

Warum Swasiland seinen Namen änderte, ansonsten aber alles gleich blieb.

Gabun

Auf den Spuren Albert Schweitzers.

The Gambia

Achtung Kehrmaschine – als ich einmal fast von der Wagenkolonne des Diktators überrollt wurde.

Ghana

Nachspielzeit – Warten auf eine Audienz bei Sammy Kuffour.

Guinea

Puh, die Hauptstadt Conakry macht es den Besuchern nicht einfach.

Kamerun

Die Deutschen sind seit hundert Jahren weg, dennoch hätten manche gerne die Kolonialzeit zurück.

Kenia

Africa Online – die Start-up-Szene in Nairobi bringt Erfindungen hervor, die nun nach Europa kommen.

Lesotho

Einkehrschwung – ein Österreicher baut das größte Skigebiet Afrikas.

Liberia

Das Land hat die schlimmsten Kriege des Kontinents erlebt – besitzt aber auch die schönsten Surfspots.

Malawi

Die Ärmel hoch – warum Eltern in Afrika tagelang anstehen, um eine Impfung zu bekommen. Und europäische Impfverweigerer für verrückt halten.

Mali

Von Brandenburg nach Bamako – wie Bundeswehrsoldaten über ihre Mission in Afrika denken.

Mauritius

Steueroasen gelten im Westen als verwerflich – auf der Insel fragen sie sich, was sie sonst machen sollen, um zu überleben.

Mosambik

Zur Kasse bitte – in keinem anderen Land Afrikas wird man so stilvoll übers Ohr gehauen.

Namibia

Früher war nicht alles schlecht. Die Deutschnamibier konservieren ein Deutschland, das es so gar nicht mehr gibt.

Nigeria

Warum nur sind alle in Nigeria so verrückt nach Scrabble?

Republik Kongo

Falsche Adresse – die Republik Kongo leidet darunter, immer mit dem großen Nachbarn verwechselt zu werden.

Ruanda

Wie daheim. Ruanda ist die Schwäbische Alb Afrikas. Alles ist sauber, alle sind pünktlich. Nicht mal den Rasen darf man betreten. Ist das überhaupt noch Afrika?

Sambia

Nirgendwo in Afrika gibt es so viele Chinesen, das gefällt nicht allen.

Senegal

Die hohe Kunst des Improvisierens. Warum es in Afrika kaum Adressen gibt, man aber doch meist zum Ziel findet.

Sierra Leone

In Gottes Hand. Auf einem chinesischen Motorrad unterwegs zu den Diamantenminen im Urwald.

Simbabwe

Etwas mehr Begeisterung. Ein Putsch, der sich nicht wie einer anfühlt – mit Soldaten, die die Bürger auffordern, ihre Fähnchen zu schwenken.

Südafrika

In Kapstadt wird man von vorn bis hinten bedient.

Sudan

Das erste Haus am Platz – drei Griechen betreiben ein Hotel in Khartum, das schon Leni Riefenstahl besuchte.

Togo

Wünsch dir was – in Lomé gibt es den größten Voodoo-Markt der Welt.

Uganda

Mama Africa – zu Besuch bei der Mutter von 38 Kindern.

Einleitung

An Schlangen hatte ich gedacht, an große gefährliche Tiere und kleine sehr giftige. Ich hatte mir die Kriminalitätsstatistiken Südafrikas angeschaut und nach Stadtteilen gesucht, in denen möglichst wenig Menschen umgebracht wurden, wo man leben und überleben kann. Ich bin an manchen Sonntagmorgen mit einem leichten Ziehen in der Brust aufgewacht und habe gegoogelt, wie viele Journalisten denn in Afrika ums Leben gekommen sind in den vergangenen Jahren. Ich habe mich Afrika letztlich so genähert, wie viele andere auch, mit Respekt, manchmal auch mit Angst.

Nach zwei Jahren kann ich sagen, es geht mir gut, besser denn je vielleicht. Seit zwei Jahren bin ich jetzt hier, in Afrika, genau genommen in Südafrika, und berichte für die Süddeutsche Zeitung über Subsahara-Afrika, über 49 Staaten, von denen ich bereits mehr als zwei Drittel selbst besucht habe und die ich in diesem Buch vorstelle.

Ich habe auf meinen Reisen manchmal eine Schlange gesehen und Schüsse gehört, es gab brenzlige Situationen. Ich habe mich aber nie wirklich unwohl gefühlt, auch ein Putsch, wie ich ihn in Simbabwe erlebt habe, fühlt sich erstaunlich normal an.

Wenn ich Afrika mit einem Geräusch verbinde, dann mit einem ständigen »He, he, he«, einer steten Salve des Lachens, die ich immer irgendwo im Nacken habe. Auch wenn es manchmal wenig zu lachen gibt.

Jede Stadt war besser, als ich gedachte habe, jedes Land anders. Freunden empfehle ich, doch mal nach Addis Abeba oder Nairobi zu fahren, auch Kinshasa ist einen Besuch wert. »Du bist wohl verrückt«, sagen manche Freunde dann. Für viele ist Afrika der Kontinent der gefährlichen Tiere und noch gefährlicheren Menschen. Es ist ein Bild, das in vielen Medien gerne transportiert wird, weil es den Erwartungen entspricht. Was wäre aber, wenn Afrika sehr oft ganz anders ist?

Wenn man sich einen großen Teil der Afrika-Berichterstattung der vergangenen Jahre anschaut, dann geht es immer darum, warum es dem Kontinent so schlecht geht oder wie es ihm besser gehen könnte. Es geht um Zahlen, Statistiken und hin und wieder um ein Einzelschicksal. Was jedoch fehlt, ist, dass es in vielen Ländern auch viel Normalität gibt. Es wird in Afrika mehr gelacht als geschossen. In Kinshasa gibt es fantastische Baguettes. In Mosambik die besten Krabben. Nigeria hat die besten Scrabble-Spieler der Welt. Und eine Bevölkerung, die wahrscheinlich auch im Schlaf noch Witze reißt.

Die Menschen sind nicht nur Kranke, Arme und Flüchtlinge, die den ganzen Tag an Europa denken. Es sind Menschen mit guten und mit schlechten Tagen, die oft einen Alltag haben, der sich von unserem nicht so sehr unterscheidet und der in den Medien und Köpfen in Europa aber überhaupt keinen Platz findet. Auch nicht in der Zeitung, in der es oft um Politik geht, in der manchmal der Alltag zu kurz kommt. Und dieser Alltag ist oft erstaunlich angenehm, auch wenn es mal wieder keinen Strom oder kein Wasser gibt. Aber immer gibt es jemanden, der einem helfen möchte, der ein Schwätzchen sucht oder neugierig ist. Ich hatte in fast jedem Land immer sofort das Gefühl, mittendrin zu sein. Manche Protagonisten tauchten auch schon in meinen Reportagen für die SZ auf, sehr viele Länder habe ich aber nur für dieses Buch besucht. Zu jedem Land gibt es ein paar Dinge, die man wissen sollte: Historisches oder Skurriles, dazu die Zahl der chinesischen Restaurants, an der man ablesen kann, wie aktiv China im jeweiligen Staat ist. Kein Kapitel ist vollständig, es wird immer etwas fehlen, Putsche oder Revolution bleiben unerwähnt. Dafür beschreibt das Buch hoffentlich einiges, was sonst fehlt, wenn wir über Afrika reden: Freude und Normalität, Gastfreundschaft und die Kunst der Improvisation. Es wird nicht immer gelacht, aber erstaunlich oft.

Angola

Es riecht nach Öl.

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Einwohner: 29 Millionen

Wirtschaftswachstum: −1,7 Prozent

Unabhängigkeit: 1975

Anzahl chinesischer Restaurants: Fünf.

Nationalgericht: Chouriço, eine sehr grobe Bratwurst.

Das sollte man gesehen haben: Die Ilha de Luanda, die Sandstrände vor der Hauptstadt.

Das muss man wissen: Die Portugiesen wollten in Angola einmal eine Kolonie für europäische Juden gründen.

Darüber redet das Land: Wann wird der Ölpreis wieder steigen?

Die Fahne vor dem Jachtklub von Luanda hängt etwas schlapp im Wind, immer mal wieder kommt ein kleiner Windstoß vorbei, der das Tuch gerade weht, sodass man sie erkennen kann, die Nationalflagge Angolas: Die eine Hälfte ist rot, die andere schwarz. In der Mitte prangt ein fünfzackiger Stern, daneben eine Machete und ein halbes Zahnrad. Als das Land 1975 unabhängig wurde, stand es noch recht gut um den Kommunismus, beim großen Bruder in Moskau prangten noch stolz Hammer und Sichel auf den Fahnen der Sowjetunion, als Symbol der Eintracht zwischen Arbeitern und Bauern. So sollte es auch in Angola sein, wo auf dem Land das Zuckerrohr mit der Machete geschlagen wird.

Ein paar Jahre später ging das Sowjetreich unter und damit auch der Kommunismus, der Stern der sozialistischen Internationalen geriet ins Trudeln, was aber in Angola noch lange nicht zu einer Umgestaltung der Flagge führte. Das Rot, das früher einmal die marxistisch-leninistische Ideologie des Staates zur Geltung bringen sollte, sei nun einfach als das Blut zu verstehen, das im Freiheitskampf gegen die Kolonialisten aus Portugal vergossen wurde, teilte die allmächtige Partei mit. Weil das aber nicht alle Angolaner zufriedenstellte und manche schon länger damit haderten, dass das Zahnrad auf der Flagge irgendwie zerbrochen und kaputt aussah, gab es 2003 noch einen Versuch einiger Politiker, ein »optimistischeres« Landeswappen zu gestalten – Vorschläge mit einer großen Sonne wurden gemacht und wieder verworfen. Und so weht bis heute die sehr düster-kommunistisch wirkende Flagge vor dem Jachtklub von Luanda. Dahinter liegen die Boote der Superreichen, von denen es nicht wenige gibt im Land. Auf der Terrasse wird schon am frühen Nachmittag Champagner getrunken, Teller voller Meeresfrüchte liegen auf den Tischen. Wenn der Wind günstig steht, weht ein Ölgeruch herüber von den Verladeterminals in der Bucht. Das schwarze Gold, es ist auch hier mehr Fluch als Segen. Eine kleine und korrupte Elite hat sich viele Jahre lang einen großen Teil der Öleinnahmen in die eigene Tasche gesteckt, hat sich riesige Jachten gekauft, während Millionen Menschen auf dem Land leben wie vor 100 Jahren, in einfachen Hütten ohne Wasser und Strom. Hin und wieder hat sich die korrupte Regierung daran erinnert, dass man auch der Allgemeinheit ein bisschen etwas zugutekommen lassen muss. Luanda hat in den vergangenen Jahren eine Uferpromenade bekommen, die in Afrika ihresgleichen sucht. Jeden Abend flanieren Tausende entlang des Wassers, es gibt kleine Restaurants und Galerien, es gibt Spielplätze und den womöglich größten Fahrradweg des Kontinents. Nur Fahrräder gibt es nicht zu sehen, in einer Woche treffe ich ganze zwei Radfahrer, die durch die Stadt fahren. Ferraris sind da schon häufiger.

Luanda wird seit Jahren immer wieder zur teuersten Stadt der Welt gewählt, in der Hotelzimmer schnell mal 500 US-Dollar die Nacht kosten, wobei sich diese Listen immer an den Lebenshaltungskosten für Ausländer orientieren, die von ihren Unternehmen oder Regierungen dort hingeschickt werden und sich dann offenbar auch alle möglichen Preise andrehen lassen. Wenige Tage nach meinem Besuch meldete sich ein britischer Kollege in den sozialen Medien und berichtete davon, dass er für eine Taxifahrt vom Flughafen in die Innenstadt 100 US-Dollar gezahlt habe. Er habe den Fahrer aber zumindest von seinem ursprünglichen Preis von 200 US-Dollar herunterhandeln können, berichtete er stolz. Ich habe für ein Taxi auf derselben Strecke zwölf US-Dollar bezahlt, das ist der Festpreis der Taxiapp, die man sich einfach herunterladen kann. Außer, man möchte sich damit brüsten, übers Ohr gehauen worden zu sein, in der angeblich teuersten Stadt der Welt.

In die angeblich bald auch der britische Prinz Harry und seine Frau Meghan kommen wollen, um das Erbe von Prinzessin Diana fortzuführen, die sich gegen die Verbreitung von Landminen eingesetzt hatte. Die beiden jungen Adligen würden in ein vom »Krieg geschundenes Land« kommen, berichteten die britischen Zeitungen nach Bekanntgabe der Pläne, obwohl der Krieg in Angola bereits seit fast 20 Jahren zu Ende ist. Zumindest was die aktiven Kampfhandlungen angeht.

Im Sommer 2019 reiste ich aber auch deshalb ins Land, um mir die Beerdigung eines Mannes anzuschauen, der für die einen ein großer Unabhängigkeitskrieger war, für die anderen einer der übelsten Kriegstreiber.

In den Bäumen hängen riesige Plakate, die Jonas Savimbi mit den Großen dieser Welt zeigen und ihn so wohl selbst zu einem machen sollen. »Den alten Mann« haben sie ihn schon genannt, als er noch recht jung war, auf den Plakaten ist er im Weißen Haus mit Ronald Reagan und mit George Bush dem Älteren zu sehen. In den Archiven hätten sich womöglich auch Fotos gefunden, die Jonas Savimbi mit Franz Josef Strauß zeigen, die beiden in der Staatskanzlei in München. Aber vielleicht war das der Familie zu klein und provinziell für die letzte große Bühne für Jonas Savimbi, von der er ja eigentlich schon seit vielen Jahren verschwunden war.

Vor 17 Jahren wurde der Unabhängigkeitskrieger von angolanischen Regierungssoldaten erschossen und unter einem Baum verscharrt. Erst im Juni 2019 durfte ihn die Familie beisetzen. Etwa 20 000 Menschen sind in sein Heimatdorf Lopitanga gekommen. In einer Feldküche gibt es wässrige Suppe aus riesigen Töpfen und warmes Bier. Zwei Brunnen wurden gebaut, weil es hier in der tiefsten Provinz Angolas kein fließendes Wasser gibt und keinen Strom. Auf dem großen Platz des Dorfes exerzieren junge Frauen und singen revolutionäre Lieder, auf großen Transparenten wird die Revolution gepriesen. Savimbi hätte es wahrscheinlich gefallen. Der »ewige Rebell« wurde er auch genannt, weil er den größten Teil seines Lebens im Busch verbrachte, Lager aufschlagen, Brunnen bohren und seine Leute exerzieren ließ – alles für den großen Kampf ums Vaterland. Bis zu 70 000 Leute hatte seine UNITA, erst führte er Krieg gegen die portugiesischen Kolonialisten und nach der Unabhängigkeit 1975 noch 27 Jahre gegen das kommunistische Regime, Angolaner gegen Angolaner. Es war Afrikas Dreißigjähriger Krieg, mit einer halben Million Toten.

»Wir können endlich ein Kapitel schließen«, sagt Rafael Savimbi. Er trägt ein T-Shirt mit dem Foto seines Vaters, wie viele der Trauergäste, die sich an diesem Samstag zu Fuß auf den Weg durch den Busch gemacht haben oder auf den Ladeflächen von Lkws hierhergekommen sind. Sie singen, sie lachen, sie tanzen den halben Tag, und immer wieder wischen sie sich die Tränen aus den Augen. »Es ist alles sehr emotional«, sagt Rafael Savimbi. In der afrikanischen Kultur sei es die schlimmstmögliche Demütigung, den Angehörigen den Leichnam eines der ihren vorzuenthalten: Ohne Beerdigung in der Heimat können sie keinen Kontakt zu den Geistern der Vorfahren aufnehmen. »17 Jahre haben wir es versucht, aber die Regierung hat uns nicht gelassen, so groß war der Hass«, sagt Rafael Savimbi.

Angola war eine der Gegenden auf der Welt, die der Kalte Krieg zu einem ziemlich heißen Ort gemacht hat. Die beiden Blöcke kämpften auf dem ganzen Kontinent um Einfluss, Angola war durch seine späte Unabhängigkeit ein Land, das sich noch auf keine der beiden Seiten geschlagen hatte. Jonas Savimbi ließ sich einst in China zum maoistischen Buschkrieger ausbilden und nahm dann den Kampf gegen die portugiesischen Kolonialisten auf. Weil es aber bereits eine andere marxistische Befreiungsbewegung gab, die MPLA, die Waffen, Soldaten und Geld aus dem Ostblock bekam, wurde Savimbi halt Antikommunist und treuer Gefährte Washingtons im Kampf gegen das Böse aus Moskau. Auch er bekam Waffen und Geld. Beide Seiten rüsteten sich wie in einen Wahn, Kuba schickte 50 000 Soldaten über das Meer, die südafrikanische Armee rückte mit Panzern und Militärgeheimdienstlern ein.

»Es war eine unglaublich schöne Zeit«, sagt Daniel de la Rey, 69, über die damalige Zeit. Er hat einen schwarzen Anzug an und sitzt in der ersten Reihe der Trauergäste, an seiner Brust baumeln ein paar Dutzend Orden: 1979 hat ihn die südafrikanische Armee in den Krieg geschickt, 1981 riss ihm eine Mine beide Arme ab. Die Armee wollte ihn nach Hause holen und entlassen, Savimbi wollte ihn aber bei sich behalten, und ein paar Monate später war er wieder im Dienst. Im Jahr 1983 heiratete er seine Frau, die dann in den Lagern der UNITA die Verletzten pflegte. Ein weißes Ehepaar aus der Apartheidarmee verfällt den schwarzen Unabhängigkeitskriegern. »Es gab einen ungeheuren Zusammenhalt, die UNITA-Anhänger kamen aus den Dörfern und wollten lernen, wollten ihr Land verändern und in den Kampf ziehen. Ich bin wegen der Menschen geblieben.« Zusammen mit sieben weiteren Veteranen ist de la Rey am Samstag zur Beerdigung gekommen. Drei von ihnen wurden schwer verwundet, aber alle sagen: »Angola ist ein Teil von uns. Es war die Zeit unseres Lebens.« Sie waren jung, es war ein Abenteuer. Und in der Mitte stand Jonas Savimbi, ein Mann, der auf den Bildern eher wie ein Discogänger aussieht, den breiten weißen Hemdkragen immer über Jacken oder Anzug geschlagen. Er hat uns in die Augen gesehen und in seinen Bann gezogen, sagen viele Kämpfer und Sympathisanten von damals.

In den 1980er-Jahren hatte die Linke in Europa und den USA Che Guevara und Thomas Sankara als revolutionäre Ikonen, Rechte und Konservative hielten sich gerne Savimbi als afrikanischen Hausrevolutionär. Zumindest solange es Sinn hatte. Solange der Kalte Krieg tobte und manchmal überhitzte.

»Es war keine Freundschaft, nur Mittel zum Zweck«, sagt der Sohn Savimbis heute. Als die Sowjetunion zerbrach, wurde Angola uninteressant, Wahlen wurden abgehalten, Savimbi verlor. Womöglich weil der Urnengang gefälscht war und weil Savimbi den USA zu unabhängig war, die angolanischen Ölreserven nationalisieren wollte. Beweise gibt es keine. Aus dem charismatischen Freiheitskrieger wurde ein Tyrann, der Friedensverträge schloss und sie nicht einhielt, der einen sinnlosen Krieg immer länger machte und auch engste Vertraute hinrichten ließ, der Frauen angezündet haben soll, die ihm nicht willig genug waren. Auf der Bühne der Trauerfeier wird nur der Held besungen, der das Beste zum Wohle aller wollte. Der Sohn Savimbis sagt, vor allem junge Leute würden sich heute wieder für die Reden und Ziele seines Vaters interessieren. »Dem Land geht es miserabel, die vielen Milliarden aus dem Öl wurden von der korrupten Elite gestohlen.« Der Vater habe nie gestohlen. Savimbi junior ist bereits stellvertretender Generalsekretär der UNITA und will weiter nach oben. Wie seine Chancen dafür stehen, hängt auch von dem Blick auf die Vergangenheit ab, wie das Erbe seines Vaters gesehen wird. »Er hat auch Fehler gemacht und sich 2001 ein Jahr vor seinem Tod dafür entschuldigt«, sagt der Sohn.

Der Veteran Daniel de la Rey hat eine Savimbi-Biografie zur Trauerfeier gebracht, mit der Unterschrift des alten Mannes, die nun weitere Widmungen von Veteranen bekommt. Das Buch ist 1987 erschienen und wird von Savimbis Kritikern als eine naive Verehrung gesehen. Auch der Autor sagt mittlerweile, Savimbi habe eine psychopathische Seite gehabt. »Es hat mich traurig gemacht, als ich von diesen Vorwürfen gehört habe«, sagt de la Rey. Immer wieder habe er darüber nachgedacht, wie es dazu habe kommen können. »Auch Savimbi hat schlimme Massaker der anderen Seite erlebt, das hat ihn nicht kaltgelassen, das hat etwas mit ihm gemacht.« Er und seine Kameraden sagen, es seien die Politiker, die Kriege beginnen, nicht die Soldaten. Die wüssten, wie sich Krieg anfühlt.

Fast 20 Jahre ist der Bürgerkrieg in Angola nun vorbei, das Land ist »stabil«, wie es die westlichen Diplomaten nennen, was meist eine Chiffre dafür ist, dass eine reiche Clique an der Macht ist, die sich die Reichtümer unter den Nagel reißt, man sich aber nicht die Köpfe einschlägt. In Angola bestand die Hoffnung, dass die Beerdigung Savimbis dazu beiträgt, die verfeindeten Lager zu versöhnen. Die Beisetzung wurde erst möglich, nachdem Savimbis Gegenspieler Präsident José Eduardo dos Santos 2017 aus dem Amt geschieden war und sein Nachfolger willens schien, nach all den Jahren die Vergangenheit ruhen zu lassen.

Bei Hochzeiten weiß man manchmal nicht, ob beide Brautleute auch wirklich erscheinen, bei Beerdigungen ist zumindest davon auszugehen, dass die Teilnahme der Leiche gesichert ist: In den Tagen vor der Beisetzung begann die MPLA-Regierung aber eine Art Versteckspiel mit den sterblichen Überresten, sie waren nie an dem Ort, an dem die Übergabe vereinbart war. Savimbis Familie wollte einen kleinen Trauerzug durch die Region, die Regierung möglichst wenig Aufsehen. Erst in letzter Minute kam die Leiche an. Das Flugzeug, das von der Hauptstadt Luanda in die Provinz flog und mit dem ein Teil der ausländischen Delegation anreiste, wurde stundenlang am Boden gehalten. Ein niederländischer Geschäftsmann, der seit Jahrzehnten in Afrika Geschäfte machte und in Angola eine Landebahn gebaut hat, erinnert sich in der Abflughalle lachend daran, wie hier immer wieder Flugzeuge mit politischen Gegnern vom Himmel fielen – und nimmt dann lieber das Auto. Auf der Trauerfeier sagt er, Savimbi werde viel zu kritisch gesehen. Viele der Gegner seien einfach falsch informiert.

Angelino Cheia hat seine Informationen aus erster Hand, er steht vor der Beerdigung auf einem nahen Parkplatz, hat ein paar Gäste mit dem Auto gebracht, ist also beruflich hier. 1994 wurde seine Mutter erschossen, mit dem kleinen Bruder auf dem Rücken, erzählt er. »Es war ein sinnloser Tod, der vermeidbar gewesen wäre, wenn Savimbi nicht immer weitergekämpft hätte«, sagt Cheia. Wie es ihm gehe, wenn er die Reden auf Savimbi höre? »Es ist seltsam«, sagt Angelino Cheia. Aber vielleicht ist es ja doch ein Schritt zur Versöhnung. Irgendetwas müsse sich ja ändern in Angola.

Äquatorialguinea

Wieso lacht hier keiner? Besuch in einem Land, das verschlossener ist als Nordkorea.

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Einwohner: 1 Million

Wirtschaftswachstum: –5,7 Prozent

Unabhängigkeit: 1968

Anzahl chinesischer Restaurants: Mindestens drei, in denen man auch noch rauchen darf, was die Chinesen gerne tun.

Nationalgericht: Paella.

Das sollte man gesehen haben: Im Restaurant Luna kann man der korrupten Elite beim Champagnertrinken am Pool zuschauen.

Das muss man wissen: Äquatorialguinea ist das reichste Land Afrikas.

Darüber redet das Land: Das Land redet nicht unbedingt mit Besuchern.

Es wird schnell klar, dass etwas nicht stimmt mit diesem Land, das fängt gleich am Flughafen an. Eine Truppe wichtiger VIP-Gestalten mit goldenen Sonnenbrillen wird von Polizisten an der Schlange vor den Grenzbeamten vorbeigeleitet, wer nicht gleich zur Seite springt, bekommt einen Ellbogen in die Rippen. Dann müssen für die Einreise verschiedene Dokumente ausgefüllt werden, denen, die gerade keinen Stift haben, bietet der Grenzbeamte an, ihnen seinen zu leihen, für zehn US-Dollar. Ein paar Meter weiter steht eine finster dreinschauende Zöllnerin, die fragt, ob man denn für die Einfuhr der Maske, die sie gerade im Koffer gefunden hat, auch eine entsprechende Einfuhrgenehmigung vorweisen kann. Die ist aus Kamerun und kostet fünf Euro, ich nehme sie auch wieder mit nach Hause, sage ich wütend zur Zöllnerin. Wut ist in solchen Momenten immer ein Fehler.

»Immer freundlich bleiben«, hatte der große Anthony Bourdain einmal als seine oberste Regel genannt. Der Koch und Entdecker Bourdain reiste für seine Fernsehserie auf CNN wie manisch um die Welt, er blieb immer freundlich, wenn mal etwas nicht so funktionierte, wie er es sich vorstellte. Nur so sei es erträglich, sagte er. Ich bin nicht Bourdain und neige dazu, hin und wieder etwas die Fassung zu verlieren. »Das macht 20.000 Franc«, sagt die Zöllnerin und hält ihre Hand auf. Natürlich gibt es keine Quittung, natürlich gab es auch überhaupt keine Genehmigungen für Fünf-Euro-Masken aus Kamerun. All das weiß natürlich auch die Zöllnerin, sie schiebt sich das Geld langsam in die Hosentasche, in aller Öffentlichkeit. Ich hatte bisher wenig Korruption erlebt in Afrika, so eine plumpe schon gar nicht. Die Zöllnerin grinst hämisch – hätte ich gewusst, dass es fast das einzige Lächeln meines ganzen Besuches sein würde, so hätte ich vielleicht zurückgelächelt. So aber war ich wütend, kurz vor der Schnappatmung.

So beginnt der Besuch in Äquatorialguinea, diesem seltsamen Land. In den Foren der Landhopper, jener Backpacker, die sich zum Ziel gesetzt haben, jedes Land der Welt zu bereisen, hat Äquatorialguinea einen ganz besonderen Ruf, als ein fast unbereisbares Land, das Visum zählt als so etwas wie die Blaue Mauritius unter den Einreisegenehmigungen, Nordkorea könne dagegen als offen wie ein Scheunentor gelten, so die Meinung zahlreicher Vielgereister. Ganz so schwierig war es dann nicht, überhaupt ins Land zu kommen, ganz einfach aber auch nicht. Äquatorialguinea verlangt als wohl einziges Land in Subsahara-Afrika ein polizeiliches Führungszeugnis für die Einreise, mit dem der Reisende seine Unbescholtenheit beweisen muss. Würde diese Regelung auch für den Sohn des lokalen Diktators gelten, er dürfte nicht mehr in sein eigenes Land. In Paris wurde er rechtskräftig verurteilt, weil er mehrere Hundert Millionen Euro aus dem Staatshaushalt abgezweigt und sich in Frankreich viele teure Autos und Wohnungen gekauft hat, wie auch in der Schweiz, wo die Behörden traditionell aber nachsichtiger sind, was das Vermögen von Diktatoren und ihren Söhnen angeht. Ich verfüge als Journalist nicht über große Immobilien im Ausland und habe ein blütenweißes Führungszeugnis, weshalb mir die Einreise nach einem freundlichen Telefonat mit der Botschaft dann doch gestattet wurde. »Ich möchte Ihr schönes Land kennenlernen«, hatte ich gesagt. Für die Botschaft klang das offenbar überzeugend.

Das Land hat in den vergangenen Jahren eine kleine Tourismusoffensive gestartet, möchte Besucher an seine schönen Strände und in den Regenwald locken. Bisher galt das Land eher nicht als Urlauberparadies, sondern als Prototyp der afrikanischen Bananenrepublik. Googelt man nach der Hauptstadt Malabo, dann schlägt einem die Suchmaschine »Black Beach« vor, ein berüchtigtes Foltergefängnis mit Meerblick, das in der tropischen Hitze vor sich hin modert.

Frederick Forsyth hatte hier einst einen Bestseller geschrieben, der dann mit Christopher Walken in der Hauptrolle verfilmt wurde. Die Hunde des Krieges handelt von einem Attentatsversuch auf den Präsidenten eines afrikanischen Landes – den es in Äquatorialguinea wirklich gab, der Sohn von Margaret Thatcher wollte mit einer Gruppe von Söldnern Staatschef Teodoro Obiang Nguema Mbasogo umbringen, um an die reichen Ölvorräte des Landes zu kommen. Der dilettantische Plan scheiterte, Margaret Thatcher musste für ihren Sohn eine Kaution von 200.000 Euro zahlen, später wurde er in Südafrika rechtskräftig verurteilt. Nichts scheint verrückt genug für dieses Land.

Das fängt schon bei der Geografie an, Äquatorialguinea liegt viele Kilometer vom Äquator entfernt, es ist auf mehrere Inseln und ein größeres Gebiet auf dem Festland verteilt. Die Hauptstadt Malabo ist auf der Hauptinsel, die wiederum näher an Kamerun liegt als am Rest Äquatorialguineas auf dem Kontinent. Diese seltsame Verteilung ist ein Erbe der Kolonialzeit, es ist die einzige ehemalige spanische Kolonie in Subsahara- Afrika, die Iberer kamen erst spät auf die Idee, Afrika zu kolonisieren, Äquatorialguinea ist der Rest, der noch übrig war, den niemand wollte, weil es dort kaum Rohstoffe gab, die man ausbeuten konnte.

Das änderte sich in den 1990er-Jahren, als riesige Ölvorkommen entdeckt wurden. Mittlerweile ist Äquatorialguinea das reichste Land Afrikas, mit einem geschätzten Bruttoinlandsprodukt von 20.000 US-Dollar pro Einwohner, so steht es zumindest auf den Papieren der Weltbank. In der Realität muss die Hälfte aller Einwohner mit weniger als zwei US-Dollar am Tag auskommen.

Die vielen Millionen aus den Ölverkäufen schiebt sich der Präsident und seine Clique in die Tasche, der Rest wird in seltsame Projekte gesteckt. Vom Flughafen Malabo aus fährt man auf einer sechsspurigen Straße in die Innenstadt, an diesem Tag sind wir fast das einzige Auto. 20 Kilometer von der Hauptstadt entfernt hat sich der Präsident einen neuen Stadtteil bauen lassen, Anlass war der Gipfel der Afrikanischen Union. Eine riesige sechsspurige Straße führt hinaus zu einem sehr großen Kongresszentrum, das genauso leer steht wie das Einkaufszentrum daneben. Ein paar Meter weiter langweilen sich die Portiers im Luxushotel, das so gut wie leer ist. Höhepunkt der ganzen Anlage sind die 54 mehrgeschossigen Villen, die der Präsident für die 54 zum AU-Gipfel angereisten Staatschefs hat bauen lassen, sie stehen nun seit Jahren leer und verfallen vor sich hin. Ein bisschen belebter ist es hier draußen nur am Sonntag, wenn die, die es sich leisten können, mit ihren Geländewagen zum Strand hinausfahren, die grimmigen Polizisten an den Straßensperren passieren und sich dann in den braunen Sand legen.

Alle paar Meter sind riesige Boxen aufgestellt, deren Musik so laut ist, dass jede Unterhaltung unmöglich ist. Tanzen tut trotzdem keiner, es wird herumgestanden und gesessen, hin und wieder trinkt jemand ein Bier oder holt sich einen gebratenen Hähnchenschlegel. Ansonsten schaut man auf das Meer, am Horizont ist ein Kriegsschiff zu sehen, so als sollten die Bewohner dieser Insel zu keinem Zeitpunkt vergessen, in welchem Staat sie leben.

»Das hier ist Malabo, das hat nichts mit dem Rest Afrikas zu tun. Haben Sie irgendjemand hier lächeln sehen?«, so zitiert ein Spiegel-Reporter im Jahr 2006 den Besitzer eines französischen Restaurants. Seitdem hat sich wenig geändert. Wenn ich mit meinem bisschen Spanisch versuche, Einheimische anzusprechen, werde ich im besten Fall grimmig und schweigend angeschaut. An einer Imbissbude nach dem Preis einer Cola zu fragen, scheint ein schweres Vergehen zu sein, das Geld wird einem wortlos aus der Hand gerissen. Diskussionen über den Zustand des Landes braucht man erst gar nicht anzufangen. Die Einzigen, die Lust haben, sich ein bisschen zu unterhalten, sind die vielen Migranten aus Nigeria und Kamerun, die dann gerne erzählen, wie seltsam sie dieses Land finden, wie unafrikanisch. Sonst sieht man überall auf dem Kontinent Gewusel, Menschen, die in Trauben zusammenstehen und diskutieren oder lachen. In Äquatorialguinea sind die Straßen ziemlich leer, die Leute ernst. Es gibt nicht einmal Bettler, weil betteln offenbar verboten ist.

Es ist wirklich seltsam, ein ganzes Land scheint schlechte Laune zu haben, jeden Tag. Wahrscheinlich würde es mir auch so gehen, müsste ich in Äquatorialguinea leben. Die Insel ist nett anzusehen, aber das Klima ziemlich schwül, in der trockenen Zeit weht aus der Sahara ein ständiger Sandwind herüber. Die Innenstadt liegt zwar sehr schön an der Küste, mit Bauten aus der spanischen Kolonialzeit, die meisten Bewohner müssen aber in recht ärmlichen Hütten hausen, während ihr Präsident sich gerade wieder seinen Palast erweitert. Auch eine neue Nationalbibliothek hat er bauen lassen, die während meines Besuches aber geschlossen ist. Lesen macht verdächtig in Malabo, einer Stadt, in der es keine Buchhandlung gibt und keine Zeitung. Im staatlichen Fernsehen laufen in Dauerschleife Lobpreisungen des Präsidenten, der so lange regiert wie kein anderer auf der Welt. An die Macht gekommen war er, indem er seinen Amtsvorgänger umbringen ließ, der auch sein Neffe war. 2019 feiert er sein 40-jähriges Jubiläum im Amt. Die Hoffnungen, er würde endlich seinem Prostataleiden erliegen, haben sich in den vergangenen Jahrzehnten als unbegründet erwiesen.

Im Fernsehen wiederholen sich gerade Bilder, die sein jüngstes Großprojekt zeigen, eine neue Hauptstadt am Festland, mitten im Dschungel. Warum sie gebaut werden muss, ist ein Rätsel. Teodoro Obiang Nguema Mbasogo sagte in einem seiner seltenen Interviews, die neue Hauptstadt solle ihn vor weiteren Putschversuchen schützen. Eigentlich böte da doch die Insel besseren Schutz, aber der Präsident ist anderer Meinung, und so fahren mitten im Urwald Bagger durch die Gegend, planieren Raupen den gerodeten Urwald. Wieder wird ein riesiges Luxushotel gebaut, in dem keiner wohnen will. Wer überhaupt in diese Stadt mit geplanten 200 000 Einwohnern ziehen soll und will, ist ohnehin schleierhaft. Andererseits hat man in diesem Land keine große Wahl.

Äthiopien

Im Wein liegt die Wahrheit – selbst Bob Geldof hat es nun verstanden: Investieren ist die bessere Entwicklungshilfe. Besuch auf seinem Weingut, das einen guten Rotwein keltert.

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Einwohner: 94 Millionen

Wirtschaftswachstum: 7,7 Prozent

Unabhängigkeit: Nie kolonialisiert.

Anzahl chinesischer Restaurants: Elf.

Nationalgericht: Eintöpfe, Soßengerichte mit Injera, einem säuerlichen Fladenbrot.

Das muss man gesehen haben: In Harar kann man wilde Hyänen füttern.

Das muss man wissen: In Addis Abeba fährt die einzige Straßenbahn des Kontinents.

Darüber redet das Land: Nach Jahrzehnten herrscht endlich Frieden mit dem Nachbarn Eritrea.

Es dauerte ein bisschen, bis ich merkte, dass sie mich auslachen. Immer wieder, in jeder Runde, die ich drehte. Äthiopien ist das Land der Läufer, aber als solcher hat man es nicht leicht in der Hauptstadt Addis Abeba. Es gibt Straßenbahnen, Pizza Hut und riesige Autobahnen, alles also, was man in Europa eher nicht unbedingt von Afrika erwartet. Nur Platz zum Laufen gibt es nicht, der einzige Ort, an dem es ein bisschen Raum gibt, ein wenig Weite, ist die alte Pferderennbahn, die Kaiser Haile Selassie bauen ließ, hoch oben über der Stadt. Während sein Volk hungerte, tat der Kaiser hier so, als sei alles in Ordnung, lud seine adligen Freunde aus Europa ein, man trank Champagner und wettete ein wenig. Was dann auch ein Grund war, warum die Beliebtheit des Kaisers eher abnahm und die Pferderennbahn nach seinem Sturz dem Verfall überlassen wurde.

Heute rennen hier nur noch Menschen auf etwa 2700 Meter über dem Meeresspiegel, wer die Höhe nicht gewohnt ist, hat das Gefühl, sehr langsam von innen zu verbrennen, der Sauerstoff wird knapp, das Blut heiß, es setzt eine Schnappatmung ein. Anders als der Gast rennen die Äthiopier auf der Bahn meist nicht, um in Form zu bleiben oder zum Spaß, sie rennen für ein besseres Leben, dafür, einmal an den großen Rennen teilzunehmen. Sie rennen in Gruppen, wenn sie von hinten kommen, hört es sich so an wie der Galopp von Pferden, beim Überholen fangen sie an zu lachen, drehen sich prustend nach dem Fremden um, der mit hochrotem Kopf über die Rennbahn schleicht.

Äthiopier sind nicht besonders gut darin, ihre Gefühle zu verbergen oder sich gar zu verstellen, sie sind sehr direkt, ein stolzes Volk. Wenn man sich mit einem Äthiopier unterhält, dauert es in der Regel nicht länger als 80 Sekunden, bis man darauf hingewiesen wird, dass Äthiopien als einziges Land in Afrika nie kolonialisiert wurde. An dieser Stelle muss der Gast dann etwas Anerkennendes sagen.

Jedes Jahr wird der Jahrestag der großen Schlacht von Adua 1896 gefeiert, als die italienische Armee vernichtend geschlagen wurde, ein Datum, das in Äthiopien jedes Kind kennt. Was die Äthiopier einem nicht sofort sagen: Später siegten die Italiener dann doch noch, weil sie keine Skrupel hatten, auch Giftgas einzusetzen, aber mehr als ein paar Jahre konnten sie sich nicht halten, eine wirkliche Kolonialisierung gab es tatsächlich nicht.

Eine der wenigen Spuren der kurzen italienischen Zeit ist das Stadtviertel Piazza, die Altstadt von Addis Abeba, in der es weniger verspiegelte Hochhäuser gibt und mehr Bauten aus Stein, die ganz schwarz geworden sind mit der Zeit. In einem ist das CastelliCastelli