Wissenschaftliche Schriftenreihe des Anagarika Govinda
Instituts für buddhistische Studien

Herausgegeben von Volker Zotz

Band 1

Benedikt Maria Trappen

Luise Rinser und
Lama Anagarika Govinda

Analyse und Dokumente ihrer Begegnung

Edition Habermann

München 2019

INHALT

Volker Zotz

Vorwort des Herausgebers

Benedikt Maria Trappen

„Sie wissen doch alles selber“
Luise Rinser und Lama Anagarika Govinda

Luise Rinser (1973)

Lama Govinda als Gast

Luise Rinser (1978)

Besuch aus Tibet

Anagarika Govinda, Luise Rinser

Briefwechsel

Luise Rinser

Briefe an Wieland Schmid und Karl-Heinz Gottmann

Anagarika Govinda

Die Antwort des Buddhismus

Danksagung

Vorwort des Herausgebers

Anagarika Govinda lebte die meisten Jahre seines Lebens zurückgezogen, um zu meditieren, zu schreiben und zu malen. Am Tor seines indischen Ashrams bat ein Schild in mehreren Sprachen, man möge umkehren und den Frieden des Lama nicht stören. Unmittelbare Unterweisungen beschränkte er auf wenige langjährige Schüler, von denen er ein großes Maß an Selbstständigkeit forderte. Seine Frau Li Gotami ließ er die Zeiten, in denen er zugänglich war, strikt begrenzen. In dieser beabsichtigten Abgeschiedenheit widmete Govinda einen großen Teil seiner Zeit anderen Menschen. Dies betrifft nicht nur die an eine weitgehend anonyme Leserschaft gerichteten Veröffentlichungen. Auch persönliche Kontakte pflegte Govinda, seit seinen Jugendtagen ein unermüdlicher Korrespondent, auf schriftlichem Weg. Tausende im Nachlass erhaltene Seiten belegen, wie er an durchschnittlichen Tagen mehrere Stunden mit dem Verfassen von Briefen an Schüler, Freunde und Leser zubrachte, von denen er in der Regel Abschriften oder Durchschläge aufbewahrte.

Neben Schreiben an Menschen, mit denen er über Jahre und Jahrzehnte Verbindungen pflegte, stehen solche an Ratsuchende aus aller Welt, denen er geduldig Auskunft gab. Erst als seit den späten 1960er Jahren durch die Wirkungen des internationalen Bestsellers Der Weg der weißen Wolken die Masse Fragender seine Kapazitäten zum Antworten weit überschritt, reagierte er zunehmend mit einem Vordruck, in dem er bedauerte, nicht mehr individuell zurückschreiben zu können.

Bis zu seinem oder deren Tod blieb Govinda Briefpartnern verbunden, mit denen er in persönlichem Austausch stand. Erst ein geringer Teil der Korrespondenzen wurde untersucht oder publiziert, so Govindas Verhältnis zu Jean Gebser (1905-1973)1 und zu dem deutschen buddhistischen Mönch Nyanaponika (Siegmund Feniger, 1901-1994).2

Unter den noch unerforschten Beziehungen war jene zur Schriftstellerin Luise Rinser. Benedikt M. Trappen, der schon Rinsers Verbindung zu Ernst Jünger3 untersuchte, schließt im vorliegenden Band mit seiner Analyse „Sie wissen doch alles selber“ diese Lücke. Bislang nahm sich weder die Literatur zu Luise Rinser noch jene zu Govinda des Themas an. Das ist einerseits verständlich, denn die Begegnung macht in den an Kontakten reichen Biografien beider Persönlichkeiten jeweils nur eine Facette aus. Andererseits erlauben auch Facetten oft wertvolle Aufschlüsse, und Rinser wie Govinda maßen ihrer Begegnung offenbar eine Bedeutung bei.

So schrieb Luise Rinser, sie habe in Govinda „einen geistesmächtigen Freund gefunden, der mich aus der Ferne leise lenkt […] ich fühle, daß er jeden meiner stummen Anrufe aufnimmt und stumm beantwortet. Er hat mir viel Gutes getan: er hat mich über die harte, hohe Ich-Schwelle getragen.“ Govinda seinerseits teilte Luise Rinser mit, „daß ich Ihnen oft nahe bin und daß ich unsere Begegnung als mehr als einen bloßen Zufall halte.“4

Der Analyse der Beziehung Rinsers zu Govinda durch Benedikt Maria Trappen folgen für das Dargestellte relevante Textdokumente.

Luise Rinser trug 1973 zu dem Band Wege zur Ganzheit, einer Festschrift anlässlich Govindas 75. Geburtstag, den Artikel „Lama Govinda als Gast“ bei, der einen Aufenthalt des Lama und seiner Frau in Rom behandelt. 1978 reflektierte Rinser dasselbe Ereignis in ihrem Tagebuch Kriegsspielzeug als „Besuch aus Tibet“. Eine vergleichende Lektüre der beiden hier aufgenommenen Erinnerungstexte macht deutlich, dass in Rinsers spätere Darstellung Motive des inzwischen erfolgten Briefwechsels und weitere Reflexionen einflossen. Ihre Schilderung löst sich damit vom Faktischen und wird zur Dichtung.

Rinser verfährt hier wie Govinda in autobiografischen Texten. Seinem Weg der weißen Wolken stellte dieser ein Zitat Tagores voran: „In Tatsachen gekleidet fühlt sich die Wahrheit eingeengt. Im Gewand der Dichtung bewegt sie sich frei.“5 Peter van Ham wertet Govinda entsprechend als Autor, „der sich nicht scheut, seine persönliche Sicht der Dinge in den Mittelpunkt des Berichts zu stellen, der sich bewusst ist über die Subjektivität der Darstellung und diese auch bewusst wählt.“6 Ob ein literarisches Umbilden von Geschehenem und das Auslassen oder Retuschieren biografischer Details zu „spirituell überhöhten Ungereimtheiten“7 führen oder zur Demut, die den Autor auf „Einsicht in sein inneres Leben“8 beschränkt, liegt im Auge des Betrachters. Wichtig ist das Gewahrsein, dass Rinser und Govinda im Verständnis, dichtend der Wahrheit des Gewesenen näher zu kommen, zum Stilisieren neigten. Dies lässt den Grad der Faktizität einzelner Angeben offen, etwa bei Rinsers zitierter Ansicht, der Lama lenke sie aus der Ferne.

Der Briefwechsel Rinsers mit Govinda wird gleichfalls in diesem Band dokumentiert, nicht vollständig, aber soweit er sich bislang in Archiven auffinden ließ. Dem folgen Briefe Rinsers an den Verleger Wieland Schmid, der die Festschrift zu Govindas 75. Geburtstag vorbereitete, und an Karl-Heinz Gottmann, Govindas Hauptschüler und Nachfolger in der Leitung des Ordens Ārya Maitreya Ma??ala.

Abschließend finden sich als „Die Antwort des Buddhismus“ Govindas Beiträge zu Gerhard Szczesnys Band Die Antwort der Religionen (1964), von denen Rinser in „Lama Govinda als Gast“ schrieb, dass diese ihr unter allen Teilen des Bandes „den tiefsten Eindruck machten und die mir so entsprachen, als kämen sie aus mir selbst.“

So wirft vorliegender Band nicht nur Licht auf die Begegnung zweier Persönlichkeiten der jüngeren Geistesgeschichte, sondern macht auch eine zu ihrer Zeit stark beachtete Arbeit Govindas wieder zugänglich, die in einem halben Jahrhundert nichts an Aktualität einbüßte.

New Delhi, Februar 2019

Volker Zotz

Rudolf Hämmerli: „Jean Gebser und Lama Anagarika Govinda. Eine Freundschaft.“ In: Der Kreis 279/280 (November 2018), S. 4 – 12.

Lama Anagarika Govinda und Mahathera Nyanaponika: Briefe einer Freundschaft. München 1997. Die Zusammenstellung dieses Bandes nahm Miervaldis Millers vor.

Benedikt Maria Trappen: „Wem sonst als Ihnen?“ In: Luise Rinser, Ernst Jünger: Briefwechsel 1939 – 1944. Augsburg 2015.

Vgl. S. 54 und S. 61 in diesem Band

Lama Anagarika Govinda: Der Weg der weißen Wolken. Zürich und Stuttgart 1969, S. 19.

Peter van Ham: „Äußere Orte – Inneres Geschehen. Govinda auf dem Weg der weißen Wolken.“ In: Birgit Zotz (Hg.): Tibets Sachse. Ernst Hoffmann wird Lama Govinda. München 2016, S. 73-91, S. 75.

Van Ham, „Äußere Orte“, S. 81.

So meint Robert A. F. Thurman: „Introduction.“ In: Lama Anagarika Govinda: The Way of the White Clouds. S. 11-19, hier S. 14