Über Oscar Wilde

Oscar Wilde wurde am 16. Oktober 1854 in Dublin geboren, besuchte das Trinity College und studierte klassische Literatur in Oxford. Im Alter von 25 Jahren zog er nach London, wo er zu den stadtbekannten Dandys zählte und für seinen extravaganten Lebensstil bewundert wurde. Später machte er sich einen Namen als Dramatiker und arbeitete für verschiedene Zeitschriften. 1890 veröffentlichte er seinen berühmten Roman Das Bildnis des Dorian Gray. 1895 wurde er wegen Unzucht und Homosexualität zu zwei Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Nach Verbüßung dieser Strafe verließ er England, finanziell ruiniert und gesundheitlich angeschlagen, und zog nach Paris. Wilde starb am 30. November 1900 in einem Pariser Hotel, das heute schlicht L’Hôtel heißt. Wer früh genug bucht und das nötige Kleingeld hat, kann in dem Zimmer übernachten, in dem Oscar Wilde verkannt, vereinsamt und verarmt aus dem Leben schied. Seine legendären letzten Worte galten angeblich der Inneneinrichtung: »Entweder geht diese scheußliche Tapete – oder ich.« Heute ist das Haus ein Designhotel.

Als Mr Hiram B. Otis, der amerikanische Gesandte, Schloss Canterville kaufte, sagte ihm ein jeder, dass er sehr töricht daran täte, da dieses Schloss ohne Zweifel verwünscht sei. Sogar Lord Canterville selbst, ein Mann von peinlichster Ehrlichkeit, hatte es als seine Pflicht betrachtet, diese Tatsache Mr Otis mitzuteilen, bevor sie den Verkauf abschlossen.

»Wir haben selbst nicht in dem Schloss gewohnt«, sagte Lord Canterville, »seit meine Großtante, die Herzoginmutter von Bolton, einst vor Schreck in Krämpfe verfiel, von denen sie sich nie wieder erholte, weil ein Skelett seine beiden Hände ihr auf die Schultern legte, als sie gerade beim Ankleiden war. Ich fühle mich verpflichtet, es Ihnen zu sagen, Mr Otis, dass der

»Mylord«, antwortete der Gesandte, »ich will die ganze Einrichtung und den Geist dazu kaufen. Ich komme aus einem modernen Lande, wo wir alles haben, was mit Geld zu bezahlen ist; und ich meine, mit all unsern smarten jungen Leuten, die Ihnen Ihre besten Tenöre und Primadonnen abspenstig machen, dass, gäbe es wirklich noch so etwas wie ein Gespenst in Europa, wir dieses in allerkürzester Zeit drüben haben würden, entweder bei Barnum oder auf dem Jahrmarkt.«

»Ich fürchte, das Gespenst existiert wirklich«,

»Nun, was das anbetrifft, das macht der Hausarzt gerade so, Lord Canterville. Aber es gibt ja doch gar keine Gespenster, und ich meine, dass die Gesetze der Natur sich nicht der britischen Aristokratie zuliebe aufheben lassen.«

»Sie sind jedenfalls sehr aufgeklärt in Amerika«, antwortete Lord Canterville, der Mr Otis’ letzte Bemerkung nicht ganz verstanden hatte, »und wenn das Gespenst im Haus Sie nicht weiter stört, so ist ja alles in Ordnung. Sie sollen nur nicht vergessen, dass ich Sie gewarnt habe.«

Wenige Wochen später war der Kauf abgeschlossen, und gegen Ende der Saison bezog der Gesandte mit seiner Familie Schloss Canterville. Mrs Otis, die als Miss Lucretia R. Tappan, W. 53. Straße, New York, für eine große Schönheit

Da Schloss Canterville acht Meilen von der nächsten Eisenbahnstation, Ascot, entfernt liegt, hatte Mr Otis den Wagen bestellt, sie da abzuholen, und die Familie befand sich in der

Auf der Freitreppe empfing sie eine alte Frau in schwarzer Seide mit weißer Haube und Schürze: Das war Mrs Umney, die Wirtschafterin, die Mrs Otis auf Lady Cantervilles