Für Toni
Carlos atmete.
Er trug eine Sauerstoffmaske, und der Schlauch einer Infusionsflasche führte in seine Armbeuge. Kabel eines EKGs waren an seinem Körper befestigt und eine Sauerstoffklemme an seinem Zeigefinger. Am linken Oberarm trug er die Manschette eines Blutdruckmessgeräts. An der Seitenwand des Krankenwagens blinkten digitale Anzeigen. Ein Sanitäter saß auf dem zweiten Stuhl und überwachte den Patienten und seine Überwachungsgeräte.
Jetzt öffnete Carlos die Augen ein bisschen, sah Allmen, brachte so etwas wie ein Lächeln zustande und schloss sie wieder.
Das Blut war aus seinem Gesicht gewichen, was seiner Hautfarbe einen Stich ins Gelbliche gab. Er trug einen Kopfverband, der auch das rechte Ohr umfasste. An zwei Stellen drang etwas Blut durch das Textilgewebe.
Es herrschte Discoverkehr auf der Autobahn. Viele Taxis und Mopeds waren unterwegs, die dem Krankenwagen trotz Sirene und Blaulicht kaum Platz machten.
»Gleich sind wir da«, sagte Allmen immer wieder, »gleich!«
Carlos’ Blutdruck war sehr niedrig, und die Herzstromkurve sah unregelmäßig aus. Der Pfleger wurde nervös. Er zog eine Spritze auf und machte eine Injektion in Carlos’ freien Oberarm. Dann telefonierte er. Allmen entnahm dem Gespräch, dass Carlos’ Zustand kritisch war. Der Pfleger bat wiederholt eindringlich, dass man ein Team zum Notfalleingang schickte und den Patienten abholte.
Allmen nannte mehrmals Carlos’ Namen, aber sein Partner war jetzt nicht mehr ansprechbar.
Er wusste nicht, wohin die Reise ging, aber er hätte sich etwas Exotischeres gewünscht.
Die Dassault Falcon 2000LXS hätte ihn locker nach Rio, Windhoek oder Bombay geflogen, und er hatte seine Reisegarderobe auch solchen Destinationen angepasst. Deshalb war er etwas enttäuscht, als die japanische Flugbegleiterin ihn schon wieder darauf aufmerksam machte, dass sie den Sinkflug begonnen hätten. Sie waren kaum mehr als eine gute Stunde unterwegs gewesen.
Allmen erhob sich von dem Sofa, auf dem er es sich bequem gemacht hatte, und ging zu einem der breiten Ledersitze, wo er auch während des Starts gesessen hatte.
Er brauchte sich nicht zu bücken, der Passagierraum war beinahe eins neunzig hoch. Er hatte normalerweise zehn Sitzplätze, aber bei dieser Ausführung waren es nur vier. Der Rest wurde gebraucht für einen mit feinen Bambuslamellen abgetrennten Schlafraum.
Auch sonst war der Passagierraum japanisch eingerichtet. Die neun Fenster besaßen Shoji-Jalousien, der Boden war mit Tatami-Matten ausgelegt, die Tische mit kostbarem Urushi-Lack behandelt, und die goldenen Tapeten an den Wänden waren mit bunten Zierfischen bemalt.
Auch die Galley und der kleine Raum für die Flugbegleitung waren im japanischen Stil gehalten. Allmen fiel auf, dass Bad und Toilette behindertengerecht ausgestattet waren, mit Wandklappsitz in der Dusche und überall Klappgriffen.
Eine weitere Ungewöhnlichkeit in der Ausstattung dieses Privatjets war die Musikanlage. In der ganzen Kabine waren Ultra-High-End-Lautsprecher eingelassen, die das Geräusch der ohnehin leisen Triebwerke spielend übertönten und eine Klangqualität boten, wie sie Allmen selten gehört hatte.
Allmens geheimnisvoller Gastgeber war vielleicht ein behinderter japanischer Musikfreund.
Vor zwei Tagen kam der Anruf einer gewissen Frau Kellerhals von Koller, Bertram und Schmidbauer. Sie wollte María nicht verraten, worum es sich handelte, und bestand darauf, mit dem Inhaber, Herrn von Allmen, verbunden zu werden.
María versprach einen Rückruf in zwei Stunden, denn Herr von Allmen befinde sich in einer externen Besprechung. In Wirklichkeit lag er noch im Bett. Es war morgens um halb neun.
Am nächsten Tag um zehn sprach Allmen in der Kanzlei vor, die drei ganze Etagen eines Hauses aus den Gründerjahren in bester Lage an der Bahnhofstraße einnahm. Er wurde von Frau Kellerhals über ein poliertes knarrendes Parkett in einen mit Vintage-Designermöbeln eingerichteten Salon geführt, wo man ihn ein wenig warten ließ und schließlich zu Dr. Bertram führte.
Dr. Bertram war ein kleiner, hagerer Mann von etwa fünfzig. Er trug einen – nach Allmens Urteil – englischen Maßanzug, in dessen handgesäumtem Knopfloch die winzigste Version des Rotarierabzeichens steckte.
Es dauerte einen Moment, bis er sich von seinem Bildschirm losreißen konnte, die Lesebrille abnahm, sich erhob, Allmen begrüßte und zu der Corbusier-Sitzgruppe führte, über der ein Ölbild von Cuno Amiet hing, ein Gehöft in einer bunten Sommerlandschaft.
Frau Kellerhals hatte offenbar Anweisungen, dem Besucher nichts anzubieten, und verließ das Büro.
»Wie flexibel sind Sie?«, fragte Dr. Bertram.
»In welcher Hinsicht?«
»In zeitlicher.«
Allmen war momentan äußerst flexibel, die Auftragslage von Allmen International Inquiries war angespannt und das seit, nun ja, nicht erst gestern. »Wir versuchen, uns in puncto Flexibilität nach Möglichkeit situativ den Bedürfnissen unserer Mandantschaft anzupassen«, erwiderte Allmen.
Dr. Bertram nickte. »Sehr gut. Die Situation würde nämlich Ihre sofortige Abreise und temporäre Ortsabwesenheit erfordern.«
»Sofortige?«
»Morgige.«
»Wohin?«, erkundigte sich Allmen.
»Das beträfe dann den zweiten Punkt, für den Ihre Flexibilität erforderlich wäre: Ich kann Ihnen das Ziel aus Diskretionsgründen nicht nennen.«
»Verstehe.«
»Richten Sie sich für einen Aufenthalt in südlichen Wetterverhältnissen ein. Und sehen Sie garderobenmäßig auch etwas für den Abend vor. Wie berechnen Sie Ihre Dienste?«
Allmen hatte gehofft, dieses Thema komme nicht zur Sprache, aber er hatte Carlos und María versprochen, ihm nicht auszuweichen. So gab er denn nach kurzem Zögern die Antwort, die sie mit ihm eingeübt hatten: »Die Agentur verrechnet eine Tagespauschale und im Falle eines Erfolgs eine Erfolsprämie.«
Dr. Bertram wartete.
Allmen hatte auch die Zahlen geübt, aber er tat so, als wüsste er nicht, worauf Bertram wartete.
»In welcher Höhe«, half dieser schließlich etwas gereizt nach.
»Zweitausend«, ließ Allmen möglichst beiläufig verlauten.
Dr. Bertram machte sich eine Notiz mit der Nonchalance eines Mannes, dessen Tage ein Vielfaches davon kosteten. »Plus Spesen, nehme ich an.«
Allmen konnte nicht umhin zu antworten: »Davon gehe ich aus, aber das Pekuniäre überlasse ich offen gestanden dem Accounting. Es wird sich mit Ihnen in Verbindung setzen.«
»Aber die Höhe der Erfolgsprämie dürfte Ihnen bekannt sein.« Dr. Bertrams Stimme besaß nun einen ironischen Unterton.
»Zwanzig Prozent des Wertes des Wiederzubeschaffenden«, sagte Allmen leichthin und wechselte im selben Atemzug das Thema. »Haben Sie eine Ahnung, wie lange die Ortsabwesenheit dauern könnte?«
Dr. Bertram hatte sich eine weitere Notiz gemacht und sah nun auf. »Das liegt ganz an Ihnen, Herr von Allmen.«
Er sah aus dem Fenster auf das wirre Muster der Gischtspuren, die die Speedboote in das Meer zogen. Bald würde die Küste zu sehen sein. Von Korsika? Sardinien? Sizilien? Malta? Mallorca? Ibiza?
Das tiefe Blau des Meeres hellte sich auf, wurde smaragdgrün und transparent, dunkle Algenbänke waren zu erkennen und schwarze Riffe. Dann von gelben Sandstränden gesäumte Klippen, von weißen Kuben gescheckt.
Allmen wusste jetzt, wo er sich befand. Er sah die Bucht von Talamanca mit ihrem vollbesetzten Jachthafen, den Hafen, die Zitadelle, die Hotelkästen und überfüllten Strände von Figueretes und Playa d’en Bossa, den knallblauen Wasserpark, die rotbraunen Felder: Sie landeten auf Ibiza.
Der Pilot setzte ganz am Anfang der Landepiste auf und bremste so stark ab, dass es ihm noch reichte für die Abzweigung, die zum Vorfeld führte, an dem der kleine Terminal der General Aviation lag.
Es roch immer noch gleich im Terminal der General Aviation von Ibiza: nach feuchtem Mörtel.
Das letzte Mal war er in Freddy Turnbills angejahrter Hawker Beechcraft hier gelandet, einer gemütlichen, immer etwas muffigen Turboprop-Maschine, mit der ihn sein alter Schulfreund hatte abholen lassen.
Er kannte Freddy aus der Zeit der Charterhouse School und hatte ihn seither nie mehr ganz aus den Augen verloren. Sein Vater, George Turnbill, war ein Ibiza-Pionier gewesen. Er hatte in den sechziger Jahren auf einem bewaldeten Hügel eine große Finca gekauft und ein paar umliegende Hügel dazu. Freddy, der einzige Erbe, hatte das Anwesen geerbt und verbrachte dort einen Teil des Sommers. Den Rest des Jahres verteilte er auf die anderen Liegenschaften der internationalen Sammlung seines Vaters.
Ein alter Mann fuhr einen Gepäckwagen mit Allmens Koffern heran und lud sie auf das Förderband der Sicherheitskontrolle. Es waren viele Stücke. Allmen hatte zwar nur das Nötigste eingepackt, aber Allmen hatte nun einmal mehr nötig als andere Leute.
Eine junge Frau in der Uniform der Guardia Civil schwatzte, ohne auf den Bildschirm zu achten, mit einem hochgewachsenen athletischen Mann in schwarzer Hose und enganliegendem schwarzem T-Shirt. Er gab wortkarge Antworten und lud dabei beiläufig das durchleuchtete Gepäck vom Laufband wieder auf den Gepäckwagen.
Erst als das letzte Stück auf dem Wagen lag, blickte er Allmen an, kam auf ihn zu und begrüßte ihn. »Mein Name ist Bajrush. Ich bringe Sie zu Mister Garrett.«
Allmen folgte ihm. Der alte Mann mit dem Gepäckwagen kam nach.
Die Sonne brannte auf den fast leeren Parkplatz vor dem Terminal. Bajrush griff in die Hosentasche, und der Kofferraumdeckel einer weißen Limousine sprang auf. Als sie sie erreicht hatten, begann der alte Mann, Allmens Gepäck in den Kofferraum zu laden. Bajrush öffnete die Fahrertür und startete den Motor, dann schlug er die Tür wieder zu. Allmen nahm an, er habe die Klimaanlage eingeschaltet.
Der Kofferraum war zu klein für Allmens Gepäck, die beiden Männer mussten zwei Koffer auf dem Beifahrersitz verstauen.
Allmen steckte dem alten Mann einen Fünfzig-Euro-Schein zu und bekam ein zahnloses Lächeln geschenkt. Dann sank er in die weißen Lederpolster des Maybach. Die auf die Höchststufe eingestellte Klimaanlage hatte bereits einen angenehmen Temperaturunterschied zu draußen hergestellt.
Auf der vierspurigen Flughafenstraße staute sich der Hochsaisonverkehr. Bajrush brauchte eine halbe Stunde, bis er endlich den Kreisverkehr in Richtung Ibiza-Stadt erreicht hatte. Dort wählte er die Straße nach Norden. Der Verkehr wurde etwas flüssiger.
Nach etwa zwanzig Minuten auf der Hauptstraße bog Bajrush in ein unmarkiertes geteertes Sträßchen ein. Es führte sie über viele Kurven vorbei an Trockenmauern, Feldern mit Johannisbrotbäumen, fast kahlen Mandelbäumen und silbergrün glänzenden Olivenbäumen auf einen Hügel hinauf. Sie durchquerten ein schmales Pinienwäldchen, und als die Limousine dessen Schatten verließ, waren sie auf der Hügelkuppe angekommen. Auf ihr stand ein halbes Dutzend kalkweißer kubischer Gebäude. Weit unten lag still und mächtig das Meer.
Der Maybach fuhr auf das große Anwesen zu. Ein Gittertor öffnete sich und gab den Blick frei auf ein Pförtnerhaus, aus dessen Tür ein junger Mann trat und die Limousine durchwinkte. Sie bogen in eine Palmenallee ein, die in eine Vorfahrt mündete. Aber Bajrush fuhr am Eingang des größten Hauses vorbei und hielt vor einem kleineren Gebäude.
Ein Mann kam auf den Wagen zu und öffnete die Wagentür für Allmen. Er war gleich gekleidet wie der Pförtner, weiße Hosen und marineblaues T-Shirt mit der Aufschrift »Can Pes«. Wie ein Mitglied der Crew einer Jacht. Er begrüßte ihn auf Englisch und führte ihn ins Haus.
Die Räume waren weiß. Weiße Wände, weiße Decken, weiße Böden. Sie waren sparsam möbliert mit ausgesuchten ibizenkischen Antiquitäten und auf unter zwanzig Grad gekühlt.
Sein Begleiter öffnete eine weiße Tür zu einem Wohnraum mit weißen Polstermöbeln. Deckenhohe Schiebefenster gaben den Blick frei auf einen palmenbestandenen Vorgarten. Eine Verbindungstür führte zu einem Schlafzimmer mit einem zwei auf zwei Meter großen Bett und den gleichen Schiebefenstern wie im Wohnzimmer. Das En-Suite-Bad besaß ein Jacuzzi und eine Outdoor-Dusche im Schatten einer kleinen Gruppe Washington-Palmen.
Zwei Männer brachten das Gepäck und verließen das Appartement mit Allmens Begleiter. Kurz darauf klopfte es, und Bajrush betrat den Raum. »Bitte halten Sie sich um siebzehn Uhr bereit, ich werde Sie abholen und zu Mister Garrett bringen.«
»Indoor?«, fragte Allmen.
»Outdoor.«
»Formell?«
»Casual«, antwortete Bajrush. »Brauchen Sie Hilfe mit dem Gepäck?« Er schien überrascht, als er ein Ja zur Antwort bekam.
Allmen setzte sich in einen der Sessel aus Schlagsahne und schaute dem Hünen zu, wie er einen Koffer nach dem andern öffnete und seinen Inhalt etwas unbeholfen in die Schränke räumte. Als er den ersten Anzug aus seinem Kleidersack nahm, bat Allmen: »Glauben Sie, Sie könnten das ein wenig aufbügeln lassen?«
Bajrush nahm ein kleines Walkie-Talkie vom Gürtel und sprach einen leisen kurzen Befehl hinein. Kurz darauf brachte einer der Helfer einen fahrbaren Garderobenständer. Bajrush hängte die acht Anzüge daran, und sie wurden weggebracht.
Allmen blickte dem fahrenden Garderobenständer besorgt nach. Er hätte sich nur einen Teil seiner Garderobe aufbügeln lassen sollen. Normalerweise hätte er sich jetzt frischgemacht und umgezogen.
Allmen öffnete die hohe Glastür zum palmenbestandenen Vorgarten. Heiße Luft vermischte sich mit der fast kalten des Zimmers. Er trat hinaus. Ohne Jackett und Krawatte und mit hochgerollten Hemdsärmeln.
Die Sonne brannte unerbittlich auf die windstille, ausgetrocknete Insel herunter. Er war froh um seinen federleichten, zusammenrollbaren Panama. Und – wenn er ehrlich war – um die seltene Gelegenheit, einen Hut tragen zu dürfen. Er besaß eine Sammlung ausgesuchter Hüte, die er auf seinen Reisen überall in der Welt zusammengekauft hatte, in der Hoffnung, dass Hüte für den Mann wieder in Mode kamen. Aber bis jetzt hatte er zu seinem Bedauern erst das Comeback der gleichmacherischen Bärte erlebt.
Es war still. Nur die Zikaden vom nahen Pinienwald waren zu hören und das gelegentliche Plätschern, wenn er an einer Palme vorbeikam, in deren Bewässerungsfurche Wasser aus einem Schlauch floss.
Die Vegetation war tropisch. Keine der heimischen Pflanzen wie Mandel-, Oliven-, Johannisbrot-, Orangen- und Zitronenbäume, sondern Hibiskus, Tiaré, Frangipani, Guave, Elefantenohren, Riesenfarne, Kokospalmen und eine ganze Sammlung exotischer Palmen. Alles, was wächst bei viel Sonne, genug Wasser und Temperaturen, die nie unter null sinken.
Allmen wollte das Anwesen erkunden und danach die Zeit, bis seine Anzüge aufgebügelt waren, mit etwas Lektüre verbringen.
Vor dem Hauptgebäude, abgeschirmt durch eine blühende Hibiskushecke, lag ein Pool von olympischen Dimensionen. Sein überlaufender südlicher Rand verlor sich in der Unendlichkeit des Meeres.
Allmen setzte sich in einen weißen Korbsessel unter einem noch weißeren Sonnenschirm am Poolrand und zog das Paperback, das er gerade las, aus der Jacketttasche, Panikherz von Benjamin von Stuckrad-Barre.
Das Zirpen der Zikaden hörte abrupt auf, als hätte eine höhere Macht den Befehl dazu gegeben.
Allmen vertiefte sich in die Lektüre.
Er wusste nicht, wie lange er gelesen hatte, als er das Geräusch von Schritten hörte, etwas schlurfend, wie von Schlappen.
Er sah auf. Am schmalen Ende des Pools stand eine junge Frau mit schwarzglänzendem geradem Haar. Sie trug einen bunten, fast bodenlangen Sarong, und ihr Oberkörper war entblößt. Sie sah aus, als wäre sie einem Gemälde von Paul Gauguin entstiegen.
Sie beachtete ihn nicht, und Allmen vermutete, dass sie sich seiner Anwesenheit nicht bewusst war.
Er erhob sich von seinem Korbsessel, wandte sich diskret ab und wartete eine Weile, um ihr die Gelegenheit zu geben, sich zu bedecken.
Als er sich wieder umwandte, stand sie nackt am Poolrand, blickte kurz zu ihm herüber und sprang geschmeidig mit einem Kopfsprung ins türkisfarbene Wasser. Mit fast lautlosen Kraulzügen glitt sie an ihm vorbei.
Allmen setzte sich wieder und versuchte, sich auf seine Lektüre zu konzentrieren.
Aber er ertappte sich dabei, dass er ihre Bahnen zählte. Und dabei, dass er nach dreißig über den Buchrand schielte und zusah, wie sie aus dem Pool stieg und, ohne sich abzutrocknen, mit ausgebreiteten Armen begann, den Pool zu umrunden.
Er wusste nicht, ob er aufstehen oder sitzen bleiben sollte. Als sie ihn fast erreicht hatte, beschloss er, dass sitzen bleiben diskreter sei.
Und aufschauen höflicher als weiterlesen.
Allmen blickte auf und sah sie an.
Noch immer hatte sie die Arme ausgebreitet. Auf ihrer braunen Haut glitzerten nur noch vereinzelte Wassertropfen.
Er nickte ihr zu.
Sie nickte nicht zurück, sah ihm aber kurz in die Augen und lächelte.
Allmen fühlte sich ermutigt, ihr nachzuschauen.
Sie ging weiter, blieb kurz vor der Hibiskushecke stehen, riss eine Blüte ab, steckte sie sich hinter das rechte Ohr und schlenderte weiter bis zu der Stelle, wo ihr Sarong am Boden lag. Sie bückte sich, hob ihn auf, schlang ihn routiniert um die Hüfte und verschwand im Schatten dichtgepflanzter niedriger Palmen, die einen schmalen Weg säumten.
Allmen widmete sich wieder seiner Lektüre. Noch immer hatte er Mühe, sich darauf zu konzentrieren.