logo-transparenthintergrund-centred

 

 

Die Dunstein Chroniken

 

Teil 2:

Das versteinerte Grauen

 

(von Eckhard Bausch)

 

 

IMG_20181016_152711 (5)


Deutsche Erstausgabe

2019

 

© Mystic Verlag

 

Text: Eckhard Bausch

Umschlagskonzept: Hans-Martin Knerr

 

Umschlaggestaltung:

Hans-Martin Knerr

Claudia Gornik

 

unter Verwendung von Fotos

 

Shutterstock / iStock

 

Satz: Helga Sadowski

 

Korrektur: Annika Bausch

 

ISBN: 978-3-947721-15-3

 

Interessierte Leser und Autoren finden weitere Informationen auf unserer Website.

 

www.mysticverlag.de

 

Geschäftsführer: Timo Arnold

Adolf-Ludwig-Ring 69

66955 Pirmasens


Für Christine,

Annika und Leonard

 

Hinweis des Autors

 

Dieses Buch ist die Fortsetzung der in Episode 1 der Dunstein-Chroniken („Die Spur der weißen Kreise“) begonnenen Geschichte eines kleinen, fiktiven Kontinents während einer schicksalhaften Epoche. Um jederzeit einen schnellen Überblick und den Zugriff auf Namen und Zusammenhänge zu ermöglichen, gibt es im Anhang eine Karte des Kontinents und eine als „Orientierungshilfe“ bezeichnete Kurzbeschreibung der wichtigsten Handlungsorte und Personengruppen mit den ihr jeweils zugehörigen Protagonisten.

 

Ich wünsche den Lesern viel Spaß und Spannung!


Prolog

Kapitel 1 – Wege ins Ungewisse

Kapitel 2 – Das Elektral

Kapitel 3 – Bündnisse und Täuschungen

Kapitel 4 – Eine Lawine wird ausgelöst

Kapitel 5 – Spiralen der Vernichtung

Kapitel 6 – Verfluchte Vermächtnisse

Kapitel 7 – Neue Allianzen

Kapitel 08 – Schicksalhafte Begegnungen

Kapitel 09 – Siege und Niederlagen

Kapitel 10 – Nach dem Sturm

Kapitel 11 – Der Versuch eines Neuanfangs

Kapitel 12 – Drei Königinnen

Anhang: Orientierungshilfe

Prolog

 

Krieg ist das Spiel mit dem höchsten Einsatz und deshalb ist es das Spiel der Mächtigen.

Es begann mit einem harmlosen Gespräch zweier einander sehr nahestehenden Personen. Sie hatten die Entwicklung der Welt beleuchtet, in der sie lebten. Übereinstimmend kamen sie zu dem Ergebnis, dass die Schöpfung aus den Fugen geraten war. Am meisten erzürnte sie aber die Tatsache, dass sie selbst nur unbedeutende Spielfiguren darstellten. Es schien ihnen nicht vergönnt, die Dinge zu verstehen, die sich hinter der sichtbaren Oberfläche abspielten. Sie missbilligten die Entwicklung, die das Spiel des Lebens auf dem Kontinent genommen hatte. Daher beschlossen sie in ihrer Überheblichkeit, die Regeln des Spiels zu ändern und selbst zu Spielern zu werden. Ihr hehres Ziel war es, die Schöpfung wieder in Ordnung zu bringen. Dann entzündete sich jedoch der Streit an der Frage, wie dieses Ziel zu erreichen sei. Der edelste Ansatz schien zu sein, die Wucherungen des Bösen zu bekämpfen und bis zu dessen Wurzeln vorzudringen, gleichsam das Unkraut aus einem Acker herauszureißen. Bei diesem mühseligen Vorgehen bleibt es aber bisweilen nicht aus, dass schon wieder neues Unkraut sprießt bevor das alte vollständig entfernt ist. Der schnellere und vielleicht auch wirksamere Weg ist, den Acker abzubrennen, somit alles auszulöschen und auf einen Neubeginn zu setzen. Da sich die beiden Spieler nicht einigen konnten, vereinbarten sie, dass jeder so handeln sollte, wie er es für richtig halten würde. Dabei übersahen sie, dass die Welt vielschichtiger und wehrhafter ist als ein Acker.

Das harmlose Gespräch war beendet, und es begann ein Spiel, das den Kontinent erschütterte.

*

Dass in der Mitte des Raumes keine Flamme emporschoss, grenzte an ein Wunder. Die beiden glutroten Augenpaare hatten sich ineinander verbohrt als handele es sich um tödliche Waffen.

„Sie werden diesen Kampf gegen das Geflecht der alten Wesenheiten sofort beenden.“ Eine nüchterne Feststellung, nicht einmal ein Vorwurf. Der sachliche Ton und die unterkühlte Gelassenheit des Besuchers standen in krassem Gegensatz zu dem schwelenden Feuer in seinen Augen.

Zornig sprang der Hausherr auf. Zwei mit grauen und weißen Haaren durchsetzte, schwarze Strähnen fielen ihm in das scharf geschnittene Gesicht mit den tiefen Furchen.

„Wer sind Sie, dass Sie glauben, mir Befehle erteilen zu können?“ fauchte er ebenso wild wie der Brand, der in seinen Augen loderte.

„Ich erteile keine Befehle, sondern nur gut gemeinte Ratschläge“, berichtigte der Besucher gleichmütig. „Sie wollen einen Krieg führen, den Sie nicht gewinnen können. Sie haben nicht die geringste Vorstellung davon, über welche Macht die alten Wesenheiten verfügen.“

Die Miene des Hausherrn verzerrte sich noch mehr, und in seinen Augen lag ein fanatischer Glanz als er trotzig entgegnete: „Genau das ist der Grund, weshalb ich dieses Geflecht bekämpfe. Es bedroht die Welt, in der wir leben, wie ein Pilz, der einen Baum befällt und zersetzt. Es mag sein, dass ich von den Machtmitteln dieses Feindes nur undeutliche Vorstellungen habe. Aber Sie haben anscheinend überhaupt keine Ahnung vom Ausmaß der Bedrohung, um die es hier geht. Als Rektor eines Monasteriums wäre es Ihre Aufgabe, gegen solche Bedrohungen anzukämpfen. Stattdessen unterstützen Sie den Feind.“

Ohne ein weiteres Wort stand der Besucher auf und ging zur Tür. Er hatte seine Botschaft überbracht. Was der Sprecher des Ordens daraus machen würde, lag in dessen eigener Verantwortung.

 

IMG_20181016_152711 (5)


Kapitel 1 – Wege ins Ungewisse

Zu spät hatten die Menschen des Nordens die dunklen Wolken bemerkt, die sich drohend über ihren Ländern zusammengeballt hatten. Sie waren daher nicht genügend vorbereitet gewesen, als das Gewitter über sie hereinbrach und zwei Eisgrafen sowie den Hüter der Flammen hinwegfegte. Nun schien sich der Sturm gelegt zu haben. Aber dieser Schein war trügerisch.

Noch immer hatte niemand die wahre Tragweite der Ereignisse und die wirklichen Feinde erkannt, die aus sicheren Tarnungen heraus die Fäden ihrer Intrigen spannen. Währenddessen bemühten sich die verbliebenen Eisgrafen, im Rahmen der immer noch geltenden Konventionen die Ordnung im Norden wiederherzustellen. Es handelte sich um einen Versuch, der von vornherein zum Scheitern verurteilt war.

 

*

 

Üblicherweise traf das Trio der Weisen einmal jährlich abwechselnd in den drei größten Städten Gatyas zusammen, um Angelegenheiten von landesweiter Bedeutung zu erörtern. Dabei war es dem Vertreter von Jakodan, der größten Hafenstadt Gatyas, vorbehalten, für die Küstenbewohner zu sprechen, während die Weisen aus den Städten Orondinur und Gatas für die Belange des östlichen und des westlichen Landesteils eintraten.

Dass die drei Weisen nun in Orondinur zusammengetroffen waren, entsprach aber nicht diesem festen Zeitplan, sondern hatte seine Ursache in dem bevorstehenden Elektral. Eisgräfin Octora, die Oberste Strategin der Vereinten Nordlande, hatte nach ihrem Aufbruch aus dem Quaralpalast zunächst mit ihren fünfzig Reitern die Hauptstadt Gatyas aufgesucht. Dort war sie mit dem hochbetagten Ratsmitglied Gordin-Gatas zusammengetroffen, dem Großvater des verschollenen Eisgrafen Novotor. Sie überbrachte ihm die Nachricht, dass alle stimmberechtigten Mitglieder des Elektrals zum Quaralpalast kommen sollten, um dort entsprechend dem von der Konstitution vorgesehenen Ritual aus ihrer Mitte einen neuen Hüter der Flammen zu wählen. Octora hatte die Absicht gehabt, Gordin direkt von Gatas aus auf dem Landweg über Mithrien zum Quaralpalast zu bringen. Die beiden anderen Weisen sollten wie bei früheren Wahlzeremonien mit dem Schiff von Jakodan anreisen. Der greise Gordin zeigte sich jedoch nicht besonders glücklich über diesen Vorschlag und bat Octora, ihn stattdessen zunächst nach Orondinur zu eskortieren. Dort sollten mit den Ratsmitgliedern aus Orondinur und Jakodan Vorgespräche stattfinden. Octora beugte sich diesem Wunsch und begleitete mit der Hälfte ihrer Truppe das Pferdegespann, das Gordin-Gatas nach Orondinur brachte. Gleichzeitig holten die restlichen fünfundzwanzig Reiter unter der Führung von Dryd Wantari in Jakodan das Ratsmitglied Dolmand ab und brachten ihn ebenfalls nach Orondinur.

Der Ratssaal im Gemeinschaftshaus von Orondinur war verhältnismäßig klein, andererseits aber für eine Versammlung von nur drei Personen viel zu groß. In längst vergangener Zeit hatten die Ratssäle als Audienz- und Besprechungsräume der Könige gedient. Schon damals war jedoch der Rat der Weisen das eigentlich beherrschende Gremium in Gatya, während die von ihm ernannten Könige nur mehr oder weniger das Land nach außen repräsentierten. Es entsprach dem tief verwurzelten Selbstverständnis der freigeistigen Gatyer, nur eine Führung durch Personen zu akzeptieren, die sich durch außergewöhnliche Intelligenz, selbstlosen Einsatz und herausragende Verdienste um die Gemeinschaft ausgezeichnet hatten.

In der Mitte des holzgetäfelten Raumes stand ein dreieckiger Tisch, an dem die drei Weisen auf Polstersesseln mit überhohen Lehnen Platz nahmen. In den oberen Teil der nahezu zwei Meter hohen Lehnen waren die Stadtwappen von Orondinur, Gatas und Jakodan eingewirkt. Die voll beladenen Bücherregale an den Wänden ringsum reichten bis zur Decke. Eine gleichartige Einrichtung fand sich auch in den Ratssälen der beiden anderen Städte.

Es war nicht üblich, das Abstimmungsverhalten beim Elektral im Rahmen einer Ratssitzung vorab zu besprechen. Diesmal gab es aber einen bestimmten Grund, warum Gordin-Gatas dies ausnahmsweise gewünscht hatte: Er war bereits über achtzig Jahre alt, und es stand zu befürchten, dass er die lange Anreise zum Quaralpalast in diesem eisigen Winter möglicherweise nicht lebend überstehen würde. Deshalb suchte er gemeinsam mit den beiden anderen Weisen, Tansil-Orondinur und Dolmand-Jakodan, verbissen nach einer Lösung.

„Wäre es möglich, Gordin durch die Eisgräfin Octora vertreten zu lassen?“, fragte Dolmand-Jakodan.

„Das geht schon deshalb nicht, weil sie keine Gatyerin ist. Aber auch in der Konstitution ist die Vertretung eines stimmberechtigten Mitglieds nicht vorgesehen“, erklärte Gordin-Gatas.

„Das Trio der Weisen kann als höchstes Gremium des Landes für einzelne Angelegenheiten einen Sprecher bestellen. Das ist jedenfalls in unserer Verfassung so vorgesehen und müsste demnach auch für die Konstitution der Vereinten Nordlande und das Elektral gelten“, meinte Tansil-Orondinur.

„Nein“, widersprach Gordin-Gatas. „Für das Elektral ist ausdrücklich geregelt, dass nicht einmal ein stimmberechtigtes Mitglied eine Wahlstimme für ein anderes Mitglied abgeben darf.“ Er zeigte ostentativ auf ein in Leder gebundenes, aufwändig verziertes Dokument in einem der Bücherregale, welches die Konstitution der Vereinten Nordlande enthielt.

„Das ist die Lösung!“, rief Tansil-Orondinur aus. „Niemand darf für einen anderen eine Wahlstimme abgeben. Aber wenn ein gewählter Sprecher dieses Rates erklärt, dass kein Ratsmitglied eine Stimme abgibt, muss das nach der Konstitution zulässig sein.“

Tansil-Orondinur und Dolmand-Jakodan sahen Gordin-Gatas erwartungsvoll an. Der Alte wiegte eine Weile den Kopf und schließlich nickte er bedächtig:

„Eine Enthaltung gilt nach der Konstitution nicht als Stimmabgabe. Allerdings müsste der Beschluss, durch den ein Sprecher bestellt und zu dieser Erklärung ermächtigt wird, von einer neutralen Person bezeugt werden. Diese muss ihrerseits die Befugnis haben, vor dem Elektral sprechen zu dürfen.“

„Octora“, schlug Tansil-Orondinur vor. „Sie hat als Eisgräfin und Oberste Strategin das Rederecht.“

„Und wir umgehen damit auch das Problem, uns zwischen Mithrien und Zogh entscheiden zu müssen“, freute sich Dolmand-Jakodan. „Denn wenn die Gerüchte stimmen, die ich gehört habe, werden der Fürst zu Drinh und die Königin von Zogh vorgeschlagen werden.“

„Dann kann ich also davon ausgehen, dass jeder von euch sich bei der Wahl enthalten will?“, fragte Tansil-Orondinur und blickte die beiden anderen an. Gordin und Dolmand nickten zustimmend.

„Dann rufe ich jetzt Octora, damit sie die Ordnungsgemäßheit dieses Beschlusses beim Elektral bezeugen kann“, kündigte er an. „Ich erkläre mich freiwillig bereit, zum Quaralpalast zu reisen und dort als Sprecher unsere Erklärung abzugeben, falls ihr auch damit einverstanden seid.“

Wieder nickten beide und fanden sich nur allzugern bereit zu glauben, dass in diesem Fall der einfache Weg auch der richtige war.

*

Nur kurze Zeit nach Octora traf eine weitere Eisgräfin in Gatya ein. Sie suchte den Ort ihrer Geburt auf, hatte aber nicht die Absicht, dort längere Zeit zu verweilen. Orondinur bildete nur den Wendepunkt ihres Weges, der sie zurück in die Arme des Hochkönigs von Sindra führen sollte.

Duotora hatte sich zuerst zu dem mächtigen Eisbaum begeben, bevor sie in die Stadt weitergeritten war. Eigentlich wollte sie länger bei dem Baum bleiben und dessen geheimnisvolle Kräfte auf sich einwirken lassen. Es blieb ihr jedoch nicht verborgen, dass ihr Begleiter trotz seines dicken Pelzmantels immer schlechter mit der eisigen Kälte zurechtkam. Bereits kurz nachdem sie die Grenze von Lumbur-Seyth überschritten und die Ausläufer des Hügellandes von Orondinur erreicht hatten, brachte ein frostiger Nordwind zunächst Graupelschauer und schließlich ein heftiges Schneegestöber, bei dem man kaum noch die Hand vor den Augen sehen konnte.

Argo a Narga saß wie angefroren auf seinem klapprigen Pferd, beschwerte sich aber nie. Dennoch konnte Duotora den Anblick dieses geduldig ertragenen Leidens zuletzt nicht mehr verkraften und hatte daher ihr Pferd abgewendet. Ohnehin konnte sie sich nicht des Eindrucks erwehren, dass der Eisbaum ihr die gewohnte innere Zwiesprache dieses Mal verwehrte. Mühsam kämpften sich die beiden einsamen Reiter durch den Schnee bis sie endlich Orondinur erreichten.

Orondinur stellte eine in jeder Hinsicht außergewöhnliche Stadt dar. Sie war auf einem schräg ansteigenden Hügel errichtet, der auf drei Seiten von einer hufeisenförmigen Schlucht umschlossen wurde. Das aus rötlichem Stein in ovaler Form erbaute Gemeinschaftshaus der Stadt thronte auf dem Scheitelpunkt des Hügels. Viele Bewohner hatten diese ovale Form bei der Errichtung ihrer eigenen Häuser aufgegriffen. Wegen der gewölbten Dächer wirkte die Stadt jetzt im Winter vom höchsten Punkt aus betrachtet wie das zur Seite geneigte Gelege eines Riesenvogels mit unzähligen Eiern.

Hier überkam Duotora das Gefühl, zu Hause zu sein. Sogar bei dem Pylax, der in der prächtigen Stadt Zitaxon aufgewachsen war, schien sich ein anerkennendes Lächeln auf die eingefrorenen Lippen geschlichen zu haben. Die beiden Ankömmlinge benutzten die breite Straße, die in der Mitte des Hügels in Serpentinen zum Gemeinschaftshaus führte.

Einige Meter von der Treppe zum Eingang des Gebäudes entfernt waren eiserne Ringe in die Wand eingelassen. Dort banden Duotora und Argo a Narga ihre Pferde fest. Als sich Duotora der Treppe zuwandte, stand dort bereits Tansil-Orondinur. Duotora rannte auf ihn zu und fiel ihm um den Hals, wobei sie voller Fröhlichkeit ausrief: „Es tut so gut, dich endlich wiederzusehen.“

„Meine Tochter“, war alles, was der Weise von Orondinur mit Freudentränen in den Augen herausbrachte.

Nach einer langen Umarmung sagte Duotora: „Mein Begleiter ist Argo a Narga aus Sindra. Dort ist es viel wärmer als hier bei uns. Er verträgt daher die Kälte nicht sonderlich gut. Können wir hineingehen?“

„Aber natürlich.“ Tansil-Orondinur führte seine Tochter und ihren Begleiter in den großen Eingangsbereich des Gemeinschaftshauses, wo kräftige, schmucklose Steinsäulen die Kreuzgewölbe der Decke trugen. Zwei Treppen und drei Türen führten an der gegenüberliegenden Wand aus der Eingangshalle hinaus. Tansil-Orondinur wählte die rechte Treppe, die in einen Korridor mündete, von dem wiederum mehrere Türen abzweigten. Er geleitete seine Besucher in ein kleines Zimmer mit einigen Sitzgelegenheiten und einem niedrigen Tisch. In einer Ecke des Zimmers flackerte im Kamin ein knisterndes Feuer und erfüllte den Raum mit behaglicher Wärme.

„Ich werde euch etwas Brot und Käse holen. Außerdem habe ich eine Überraschung für dich“, sagte Tansil-Orondinur an seine Tochter gewandt. Dann verließ er den Raum und kehrte wenig später mit Brot, Käse, Früchten und Ziegenmilch in Begleitung einer Frau zurück.

„Octora!“, rief Duotora erstaunt.

„Sie ist wegen des Elektrals hier“, erklärte Tansil-Orondinur.

„Eine schlimme Sache“, meinte Duotora. „Ich habe vom Tod des Hüters der Flammen gehört. Bisher weiß ich nicht, was wirklich vorgefallen ist. Es gibt aber auch noch so viele andere, drängende Fragen. Ich habe zwei verlöschende Flammen gesehen. Wer ist tot?“

„Tritor wurde in Modonos ermordet als er Unitor befreien wollte“, antwortete Octora bedrückt. „Auch ich konnte noch nicht in Erfahrung bringen, wer die zweite Flamme war.“

„Weißt du etwas über Novotor?“, erkundigte sich Duotora daraufhin. „Man sagte mir, er sei wegen einer dringenden Angelegenheit aus Sindra weggerufen worden.“

„Auch davon weiß ich leider nichts“, entgegnete Octora bedauernd. „Aber was führt dich hierher?“

„Bitte erzählt mir zuerst, was sich hier in der Heimat zugetragen hat“, bat Duotora ihren Vater und die Eisgräfin aus Zogh.

Octora setzte sich und berichtete über die Eroberung des Stützpunkts von Doront, die Geschichte Unitors und was sie im Quaralpalast alles erlebt hatte. Sie war gekommen, um mit ihrer kleinen Streitmacht von fünfzig Berittenen das Trio der Weisen zum Elektral zu begleiten; aber aufgrund des Beschlusses würde nun allein Tansil-Orondinur mit ihr kommen. Als Octora geendet hatte, sagte Duotora traurig zu ihrem Vater:

„Du musst also zum Quaralpalast. Ich hatte gehofft, dass du mich vielleicht zu einer Hochzeit hättest begleiten können.“

Sie stand auf und ging zum Fenster. Im dichten Treiben der weißen Flocken hatte sie erst jetzt bemerkt, dass der weiße Rabe auf dem Fenstersims draußen gelandet war. Nachdem er ein paar Minuten gewartet hatte, klopfte er schließlich ungeduldig mit dem Schnabel gegen die angelaufene Scheibe.

Duotora öffnete das Fenster. Der Wind heulte kurz herein und blies dem Vogel einen weißen Schneewirbel hinterher. Während sie scheppernd den Fensterflügel wieder schloss, landete der Rabe auf ihrer Schulter und schüttelte einen Schwall nasser Flocken aus seinem Gefieder. Dann kaute er zärtlich an ihren Haaren herum.

„Das ist Syx, mein treuer Freund“, stellte sie ihn vor und zwinkerte ihm kurz zu. Die Kälte hatte auch ihm stark zugesetzt. Offenbar war er nicht zu seinen üblichen Späßen aufgelegt. Deshalb streichelte sie ihm nur sanft über den Kopf. Anschließend erzählte sie in knappen Worten, was sie seit ihrer Ankunft in Borthul erlebt hatte. Als sie mit ihrer Schilderung eigentlich schon fertig war, aber dann die Sprachlosigkeit und das ungläubige Erstaunen ihres Vaters und Octoras gewahrte, fügte sie hinzu:

„Ich habe zuerst gedacht, dass ich hierhergekommen bin, um Ratschläge zu hören. Aber eigentlich habe ich mich schon entschieden. Ich weiß, dass ich wahrscheinlich die Fähigkeit des „vernichtenden Blicks“ verlieren werde. Ich habe den Eisbaum von Orondinur aufgesucht bevor ich hierherkam. Ich habe ein Gefühl der Enttäuschung und des Zweifels gespürt. Aber ich bin fest davon überzeugt, durch eine Vermählung mit dem Hochkönig von Sindra den Menschen des Nordens mehr nützen zu können als wenn ich seinen Antrag ablehnen würde. Jetzt weiß ich, dass ich gekommen bin, um eure Unterstützung zu erbitten.“

Octora spielte lange verlegen an ihrem Milchglas herum ehe sie schließlich den Blick hob und Duotora in die Augen sah.

„Ich werde deine Entscheidung respektieren“, versprach sie. „Aber ich möchte, dass du wenigstens den Grund meiner Zweifel kennst. Ich glaube, dass die Eisbäume die eigentlichen Wächter des Nordens sind. Wenn jemand unsere Länder erobern oder zerstören wollte, müsste er zuerst alle Eisbäume vernichten. Dies kann nur gelingen, wenn zuvor alle Eisgrafen beseitigt werden, die die Macht der Bäume in der Welt ausüben. Zwei von uns sind in kürzester Zeit gestorben. Wenn dir die Fähigkeit des „vernichtenden Blicks“ abhanden kommt, sind schon drei verloren.“

„Aber es sind immer noch sechs übrig. Und drei werden nachfolgen“, wandte Duotora ein.

„Bedenke bitte, dass es zwanzig Jahre dauert, bis ein neuer Eisgraf seine Aufgabe übernehmen kann“, hielt Octora ihr vor. „Der Feind hätte also zwanzig Jahre Zeit, um sechs Eisgrafen zu vernichten. Sollte dies nicht möglich sein, wenn in nur wenigen Monden drei von uns gegangen sind?“

„Woher willst du wissen, dass es überhaupt jemanden gibt, der die Bäume zerstören will?“, zweifelte Duotora.

„Der Berater glaubt es“, entgegnete Octora. „Aber ich weiß es, seit ich die unterirdische Festung der Obesier bei Doront gesehen habe.“

„Octora, diese Heirat ist nicht nur eine Sache des Herzens“, beschwor Duotora die andere Eisgräfin. „Ich bin überzeugt davon, dass in Sindra viel mehr Macht steckt als wir ahnen. Ich kann dort mehr bewirken als wenn ich versuchen würde, mich zwanzig Jahre vor einem Feind zu verstecken, den wir nicht einmal kennen.“

Octora sah auf ihre grauen, zierlichen Hände.

„Ja, wahrscheinlich hast du sogar recht“, gestand sie nachdenklich zu. „Jeder von uns muss das tun, was er selbst für richtig hält. Ich verspreche dir, dass ich immer für dich da sein werde, auch wenn du nicht mehr zu uns gehörst. Wie lautet eigentlich der Name, den dir deine Eltern gegeben haben?“

Duotora wusste genau, was Octora mit dieser Frage bezweckte. Aber sie versuchte gar nicht erst, einer unausweichlichen Erkenntnis auszuweichen.

„Er lautet Orandula-Orondinur“, murmelte sie.

Die beiden Frauen schauten sich ernst an, und in beider Augen begann es feucht zu schimmern.

„Es ist also bereits geschehen“, stellte Octora fest.

Eine Träne lief über Duotoras Wange. Wenn ein Eisgraf die Fähigkeit verloren hatte, den „vernichtenden Blick“ anzuwenden, handelte es sich um das untrügliche Zeichen, dass er von seinen Aufgaben entbunden war. Dann führte er wieder seinen Geburtsnamen und konnte ihn auch bereitwillig nennen. Das war jedoch seit unvordenklichen Zeiten nicht mehr geschehen.

„Ja“, bestätigte Orandula-Orondinur. „Ich hoffe, dass ich die richtige Entscheidung getroffen habe. Ich werde auch in Zukunft immer für dich da sein. Ich bin nicht so hilflos wie du vielleicht glaubst.“

„So ist es“, krächzte der weiße Rabe auf ihrer Schulter nachdrücklich. Argo a Narga stand auf und stellte sich neben Orandulas Sessel. Dabei schlug er seinen Leinen-Überwurf zurück und berührte zweimal vielsagend den Griff seines schmalen Schwerts. Niemand ahnte, dass nicht dieses todbringende, von allen Feinden gefürchtete Schwert des Pylax sondern der ulkige Rabe dazu ausersehen war, Duotoras Versprechen einzulösen.

*

Tulumath wirkte wie eines der typisch obesischen Heerlager. Es lag am Westrand der Obesischen Wüste und bestand aus den flachen Gebäuden der Unterkünfte sowie einem großen Verwaltungstrakt mit den Nahrungsmittellagern, mehreren Brunnen und staubigen Plätzen. Das einzig Auffällige an Tulumath war das große, obeliskenförmige Gebilde zwischen den Gebäuden und der Wüste, das wie ein überdimensionaler Termitenhügel aus der flachen Umgebung aufragte.

Der äußere Eindruck täuschte jedoch über die wahre Bedeutung Tulumaths. Kenner des obesischen Militärwesens hätte insoweit schon die Beflaggung des Verwaltungsgebäudes mit der Obesischen Viper nachdenklich gestimmt. Tulumath war der am besten gesicherte Ort in ganz Obesien. Nur wenige Personen wussten, dass es dieses Lager überhaupt gab. Tulumath beherbergte die Zentrale der Geheimen Schar und den Sitz ihres Ducarions, der aufgrund seiner Stellung gleichzeitig auch Mitglied des Kriegsrats von Obesien war. Aber jenseits dieser militärischen Strukturen barg der Ort ein schreckliches Geheimnis.

Seit kurzem war die Existenz Tulumaths auch einem einfachen Cinquon der Schildwache von Modonos bekannt. Das Kollektiv hatte ihn als einen Helden bezeichnet. Er hatte mit äußerster Verwegenheit bei der geplanten Hinrichtung des Eisgrafen Unitor auf dem „Platz der Einkehr“ nach dem Ausbruch des Tumults versucht, die Ordnung wiederherzustellen. Todesmutig hatte sich Rachnad fremden Aufrührern entgegengestellt, die offenbar bei der Befreiung des Eisgrafen mitwirkten. Dabei hatte er mehrere Verwundungen erlitten. Unter anderem hatte ihm ein Steppenmensch mit seinem Säbel Sehnen am rechten Arm durchtrennt, der nun seither nutzlos an seiner rechten Seite herunterbaumelte. Das Kollektiv hatte daraufhin beschlossen, Rachnad für seinen heldenhaften Einsatz zu ehren. Ehrungen dieser Art fanden üblicherweise in Tulumath statt.

Sein oberster Vorgesetzter, der Ducarion der Schildwache, hatte ihn über die Existenz Tulumaths aufgeklärt und ihm unter dem Siegel der Verschwiegenheit erzählt, welche Freuden ihn nach dem offiziellen Teil der Auszeichnungszeremonie in den Katakomben erwarteten.

Das gesamte Kollektiv von Ares-1 bis Ares-7 war eigens aus Modonos angereist, um die Auszeichnung vorzunehmen. Der Ducarion der Geheimen Schar hatte jeweils fünfundzwanzig Stiftschützen, Schwertkämpfer, Bogenschützen und Reiter für die Zeremonie abgeordnet. Sie hatten nun auf dem großen Platz vor dem Verwaltungsgebäude Aufstellung genommen. Selbstverständlich durften auch die Fanfarenbläser nicht fehlen, die Beginn und Ende der eigentlichen Ordensverleihung markierten. Danach kam der Teil, auf den sich Rachnad am meisten freute: Der Gang durch die „Welt der Belohnungen“.

Nach den Schilderungen seines Ducarions gab es unterhalb der Festung von Tulumath ein auf das Volk von Dunstein zurückgehendes, weitverzweigtes System von Gängen und Räumen, deren Einrichtungen den Vergnügungen der vom Kollektiv ausgewählten Gäste dienen sollten. Es hieß, dass man dort jenseits jeglicher Vorstellungskraft die exotischsten Bedürfnisse befriedigen konnte.

Der Klang der Fanfaren riss die vorausgeeilten Gedanken Rachnads in die Gegenwart zurück. Seite an Seite mit dem gefürchteten Brondik, dem Ducarion der Geheimen Schar, schritt er zu der provisorischen Bühne, wo ihn das Kollektiv erwartete. Als die beiden Männer die Treppe zu dem Podium betraten, verstummten die Fanfaren. Ares-1, der Sprecher des Kollektivs, hielt eine kurze Ansprache, in der er die herausragende Umsicht, das beispielhafte Pflichtbewusstsein und die außergewöhnliche Tapferkeit Rachnads in einer außer Kontrolle geratenen Situation lobte. Lautstark verlieh er dem Wunsch Ausdruck, Rachnad möge für alle Soldaten Obesiens ein leuchtendes Vorbild sein. Seltsamerweise blieb das Opfer, das der neue Volksheld gebracht hatte, gänzlich unerwähnt.

Anschließend hängte Ares-2 dem ehemaligen Cinquon der Schildwache, der nun nicht mehr diensttauglich war, die goldene Tapferkeitskette um. Dann gab es einen Händedruck und anerkennende Worte von jedem einzelnen Mitglied des Kollektivs.

Nachdem die Fanfarenbläser den Schlussakkord gesetzt hatten, führte der Ducarion den Helden unter dem Beifall der ausgewählten Soldaten von der Bühne und begleitete ihn zum „Tor der Freuden“.

„Sie werden nun etwas kennenlernen, wonach sich alle Menschen sehnen“, versprach Brondik in vertraulichem Ton. „Sie gehören zu den wenigen Auserwählten, die schon von der „Welt der Belohnungen“ gehört haben. Aber Sie werden sehen, dass das, was Sie dort erwartet, Ihre kühnsten Erwartungen übersteigt.“

Der vergitterte Eingang befand sich in einem unauffälligen, quadratischen, nur etwa drei Meter hohen Kubus. In seinem Innenraum führte eine Treppe in die Tiefe.

„Die Kette der Tapferkeit müssen Sie mir in Verwahrung geben bis Sie zurückkehren. Sie dürfen so lange bleiben wie Sie wollen“, erklärte der Ducarion während er das Gittertor aufschloss.

Die Treppe endete nach zweiundzwanzig Stufen an einer massiven Bronzetür. Brondik händigte Rachnad einen Zweitschlüssel aus und schob den Cinquon sanft durch die Tür nachdem er sie geöffnet hatte.

„Viel Vergnügen!“ wünschte er dem Schildwächter und klopfte ihm auf die Schulter. Rachnad achtete kaum noch darauf und schritt in den Gang. Dabei hatte er das Gefühl, dass die letzten Erinnerungen wie Staub von ihm abfielen.

Hinter dem Cinquon fiel die schwere Tür ins Schloss. Finsternis umgab nun den verwundeten Helden, sodass er Einzelheiten in dem vor ihm liegenden Gang nicht erkennen konnte. Deshalb beschloss er, die Tür nochmals kurz zu öffnen, um sich mit Hilfe des von der Treppe hereinfallenden Lichts besser orientieren zu können. Er ertastete das Schloss. Mehrere Versuche, den Schlüssel hineinzustecken, blieben jedoch erfolglos. Es hatte den Anschein als würde der Schlüssel nicht passen. Während Rachnad sich auf diese Weise abmühte, stellte er fest, dass sich seine Augen inzwischen etwas besser an die Dunkelheit angepasst hatten. Schemenhaft konnte er die Umrissse der Tür erkennen und auch sehen, dass die Helligkeit im hinteren Bereich des Ganges zunahm. Beruhigt gab er seine Versuche zur Öffnung der Tür auf und ging tiefer in den Stollen hinein. Nach etwa einhundert Metern nahm das Licht tatsächlich deutlich zu. Rachnad vermutete, dass die Decke dort mit einem luminiszierenden Anstrich versehen war. Er wusste, dass für solche Zwecke in letzter Zeit häufig das von den Priestern des Wissens entwickelte Ralumon verwendet wurde. Bevor er die Lichtquelle erreichte, betrat er einen großen, rechteckigen Raum, von dem aus mehrere hohe Felskorridore abzweigten. Rachnad sah sich um, fand jedoch keinerlei Hinweise darauf, wo die Gänge hinführten. Wie sollte er sich hier zurechtfinden? Als er sich schon entschlossen hatte, geradeaus weiterzugehen, hörte er ein leises, schleifendes Geräusch. Es drang aus einer der großen, seitlichen Öffnungen an sein Ohr. Erleichtert nahm er zur Kenntnis, dass er sich offensichtlich im Empfangsraum befand, wo die Besucher von einer ortskundigen Person abgeholt wurden. Das Schleifgeräusch deutete sogar darauf hin, dass die Beförderung hier unten in einer Sänfte oder gar mit Hilfe eines noch außergewöhnlicheren Transportmittels erfolgte. Er wartete gespannt und schaute neugierig in den Gang, während sich das Geräusch näherte. Plötzlich tauchte über ihm in der Gangöffnung ein dunkler, kreisrunder Kopf auf, der den Durchmesser eines großen Wagenrades hatte. Zwei schwarze, handgroße Augen, die ihn in Form und Farbe an die Augen eines Mon’ghals erinnerten, starrten ihn an. Von dem spitzen Stachel auf dem Kopf des Wesens ging ein diffuses Leuchten aus. Rachnad konnte nun erkennen, dass es sich um ein gigantisches, raupenähnliches Tier handelte, das eine Länge von mindestens fünf Metern aufwies. Der Cinquon war begeistert: Schon die Begrüßung durch dieses gewaltige Beförderungswesen übertraf alle seine Erwartungen. Ehe er weitere Feststellungen treffen konnte, zuckte der Kopfstachel des Tieres auf ihn zu und traf ihn an der Schulter. Schlagartig setzte eine Lähmung ein, die aber das Bewusstsein des Obesiers unberührt ließ. Daher sah er auch noch, wie das Wesen ein rundes Maul mit zwei Reihen kleiner, messerscharfer Zähne aufriss. Dieser Rachen war größer als der Kopf des Soldaten. Er stülpte sich über Rachnad und verschlang ihn.

*

Die heiße Mittagssonne brannte unbarmherzig auf den kleinen Hafen von Tassivedes. Das unbewegte Meer wirkte wie ein blaues Brett, in dem die wenigen vor Anker liegenden Schiffe festzustecken schienen. Ein zufälliger Betrachter hätte den Eindruck gehabt, vor einem raumfüllenden Gemälde zu stehen. Aber es gab keinen Betrachter. Die Besatzungen der Schiffe hatten sich ebenso wie die Fischer und die Bewohner des Ortes vor der Hitze in die kühleren Innenhöfe der Gebäude geflüchtet, wo zahlreiche kleine Palmenhaine Schatten spendeten. Auch die vielen Hunde und Katzen hatten sich überall in Ecken verkrochen und dösten zu dieser Zeit des Tages vor sich hin. Selbst von den zahlreichen Vögeln, die die Insel bevölkerten, war nichts zu sehen und nichts zu hören.

Nur Denlaris, der Kommandant der Hafenwache, und die beiden Abgesandten des Hochkönigs waren hellwach und beobachteten mit gespannter Aufmerksamkeit die Hafeneinfahrt. Obwohl die Flaggen an den vier größten, im Hafenbecken ankernden Schiffen schlaff herabhingen, verriet die leuchtende Farbkombination aus grün und violett, dass es sich um Handelsschiffe aus Lumbur-Seyth handelte. Der Rest bestand aus Fischerbooten und drei älteren Schiffen, die jedenfalls für Seefahrer aufgrund ihrer Bauart als sindrische Transportkähne zu erkennen waren.

Denlaris hatte die noch weit entfernten, sechs großen Galeeren längst erspäht. Mit ihren langen Rudern sahen sie wie winzige Wasserläufer aus, die sich der Insel jedoch mit auffallender Schnelligkeit annäherten. Unter normalen Umständen hätte der Kommandant der Hafenwache Alarm geschlagen und einen berittenen Boten nach Nottikar geschickt, wo sich ein kleiner Teil der sindrischen Kriegsflotte befand. Die Orte Tassivedes und Nottikar lagen an der engsten Stelle der Insel Ludoi an genau entgegengesetzten Buchten. Sie waren durch eine nahezu kerzengerade Straße miteinander verbunden. Die eigentliche Verkehrsroute der Handelsschiffe vom westlichen zum südlichen Ozean und umgekehrt führte durch die Meerenge zwischen Ludoi und Dukhul. Deswegen war Nottikar auch der wesentlich größere und wichtigere Hafen. Tassivedes lag auf der Seite zum offenen Meer hin und hatte eigentlich nur für den Fischfang Bedeutung. Wieso die Galeeren sich anschickten, Tassivedes anzulaufen, erschien Denlaris rätselhaft. Deshalb hätte er es auch für angebracht gehalten, die Kriegsflotte zu verständigen. Aber die beiden Abgesandten von Gylbax XII. untersagten dies. Bei ihrer Ankunft hatten sie Denlaris ein Schreiben mit dem Siegel des Hochkönigs und dessen Unterschrift vorgelegt, das ihnen die vorübergehende Befehlsgewalt über die Hafenstadt Tassivedes übertrug. Der Hafenkommandant wagte natürlich nicht, sich gegen einen Befehl des Hochkönigs zu stellen. Das wäre Hochverrat gewesen und hätte aller Voraussicht nach seine sofortige Exekution zur Folge gehabt. So musste er tatenlos zusehen, wie die sechs Galeeren in seinen Hafen einliefen. Dass sie die Flagge von Borthul aufgezogen hatten, konnte seine Zweifel nicht beseitigen. Er wusste, dass dies auch die übliche Vorgehensweise der Piraten von Borgoi war. Und tatsächlich wurden im Hafenbecken die Banner Borthuls eingeholt und die gefürchteten Flaggen der Freibeuter gehisst, weiße Haifische mit bluttriefenden Zähnen auf blauem Grund.

Schon wenige Minuten später enterten die Freibeuter die ersten beiden Handelsschiffe aus Lumbur-Seyth. Da diese unbemannt waren, setzte niemand den Piraten in ihren bunten Seidengewändern Widerstand entgegen. Unmittelbar darauf begann das erste Schiff zu brennen.

Nachdem auch die anderen Feuer gefangen hatten und dichte Qualmwolken aufstiegen, zeigten sich die ersten Bewohner der Stadt. Aufgeregte Rufe wurden laut. Dies ermunterte einige der Piraten, in ihre Landungsboote zu klettern und auf den Hafenkai zuzusteuern.

Während sich die Menschen von Tassivedes schreiend ins Innere der Stadt zurückzogen, sagte einer der Abgesandten des Hochkönigs zu Denlaris:

„Jetzt können Sie die Alarmglocken läuten und Ihre Soldaten loslassen.“

Denlaris rannte zur nahegelegenen Garnison. Die beiden Gesandten des Hochkönigs zogen sich auf eine Anhöhe hinter dem Hafen zurück und beobachteten das Geschehen aus sicherer Entfernung.

In ihrer grellbunt schillernden Kleidung bewaffnet mit Säbeln, Äxten, Enterhaken und Schwertern waren die Freibeuter bereits über die ersten der kleinen Häuser hinter der Hafenmauer hergefallen. Sie traten die Türen ein und suchten fieberhaft nach Wertgegenständen und sonstigen für sie brauchbaren Waren. Keiner der Bewohner hatte den Mut, sich der Seeräuberhorde entgegenzustellen. Alle flüchteten in panischer Angst in den Wald hinter der Fischersiedlung.

Unmittelbar darauf läuteten die Alarmglocken der örtlichen Garnison, und wenig später ertönte ein langgezogenes Hornsignal. Für die Seeräuber bedeutete dies zugleich das Zeichen zum Rückzug. Beim Verlassen der geplünderten Häuser sahen die Piraten die ohne jegliche Schlachtordnung heranstürmenden Soldaten. Offenbar waren die Freibeuter von der zahlenmäßigen Stärke der heranrückenden Besatzung überrascht. Viele von ihnen entledigten sich bei der Flucht ihrer Beute. Den meisten gelang es, kampflos den Hafen zu erreichen. Nur vereinzelt kam es zu Scharmützeln. Fast allen Piraten gelang es, sich auf ihren Landungsbooten in Sicherheit zu bringen und durch das Hafenbecken zu ihren Schiffen zurück zu rudern.

Denlaris stellte fest, dass sämtliche Schiffe der Fangflotte aus Lumbur-Seyth und zwei sindrische Schiffe ein Raub der Flammen geworden waren. Drei brannten immer noch lichterloh.

Unangefochten begaben sich die Piraten auf ihre Galeeren, die anschließend Kurs auf das offene Meer nahmen. Denlaris sah ihnen gedankenverloren von der Kaimauer aus nach. Der ganze Vorfall hatte für ihn etwas Unwirkliches. Vor allem die Vernichtung der Fangflotte aus Lumbur-Seyth erschien ihm völlig sinnlos. Während er in den Ort zurücklief, sah er wie einer der Gesandten des Hochkönigs einen verwundeten Piraten erstach. Anschließend gab der Mann einigen Soldaten die Anweisung, einen Scheiterhaufen zu errichten und die Leichen der vier toten Piraten zu verbrennen. Denlaris zuckte zusammen, als er die Gesichtszüge der Toten sah. Ihre Haut war gelbbraun, die Augen sehr dunkel und die Haare glänzend schwarz. Es handelte sich eindeutig um Sindrier. Er machte die beiden Vertreter des Hochkönigs auf diesen Umstand aufmerksam. Während der eine dem anderen einen bedeutungsvollen Blick zuwarf, erklärte jener in abfälligem Ton:

„Bei den Piraten von Borgoi gibt es natürlich auch Leute aus Sindra. Das ist ein bunt zusammengewürfelter Haufen.“

„Die Flotte aus Nottikar hätte die Piraten allesamt vernichten können“, brummte Denlaris unzufrieden.

„Wozu?“ fragte der Gesandte. „Sie haben das Pack doch in die Flucht geschlagen, und jetzt können diese Verbrecher ihren Freunden berichten, dass wir nicht einmal die Kriegsflotte brauchen, um mit ihnen fertig zu werden.“

„Der Hochkönig wird mit Ihnen zufrieden sein“, lobte ihn der andere. „Wir werden Sie mitnehmen nach Dukhul und Sie dem Hafenmeister für eine Beförderung vorschlagen. Bei Leuten wie Ihnen, die zur richtigen Zeit das Richtige unternehmen und sich auch einmal bereitwillig in die Ordnung fügen können, dürfen solche Talente nicht in einem verschlafenen Fischerdorf verschwendet werden.“ Die Augen des Hafenkommandanten begannen zu leuchten.

Am Abend dieses Tages lief in Nottikar ein Schiff aus, das die beiden Gesandten des Hochkönigs nach Dukhul auf der gegenüberliegenden Seite der Meerenge von Ludoi bringen sollte. Ihr endgültiges Ziel war Zitaxon. An Bord befand sich auch Denlaris, der der Begegnung mit Jekisebek entgegenfieberte, dem Hafenmeister von Dukhul, einem der mächtigsten Männer des Reiches. Der ehemalige Kommandant von Tassivedes war insbesondere gespannt, welche neuen Aufgaben seine bevorstehende Beförderung mit sich bringen würde. Am allermeisten freute er sich aber auf das Wiedersehen mit seiner Familie, die immer noch auf dem Festland wohnte.

Er stand an der Reling des breiten Bugs und konnte in der Ferne bereits die schimmernden Lichter von Dukhul sehen. Fröhlich lachend unterhielten sich die beiden Gesandten als sie zu ihm herübergeschlendert kamen. Überschwänglich legte ihm einer der beiden den Arm um die Schulter. Denlaris zeigte auf die Lichter und versuchte, die Zeit bis zu seinem Eintreffen an Land abzuschätzen. Im gleichen Augenblick packte ihn der andere Gesandte an den Fußknöcheln und riss ihn hoch, sodass Denlaris den Stand verlor. Dann ergriffen ihn vier Hände und warfen ihn über Bord. Im Fallen prallte er gegen den Bug des Schiffes, der ihn anschließend unter sich in den Fluten des Meeres begrub.

Das Lachen der Gesandten verstummte. Versonnen sahen sie zu den Lichtern hinüber.

Manchmal müssen kleine Opfer gebracht werden, um große Opfer zu vermeiden“, pflegten Gylbax XII. und seine Vorfahren zu sagen. Die beiden Gesandten verspürten eine grenzenlose Erleichterung darüber, dass sie nicht die Opfer waren. Dafür nahmen sie auch gerne in Kauf, die Täter zu sein. Aber in Sindra konnte der Weg vom Täter zum Opfer bisweilen sehr kurz geraten.

Selazidang, der berühmte Gelehrte, hatte an einer versteckten Stelle seiner berühmten Schriften gewagt, dem geflügelten Wort der Hochkönige eine eigene Erkenntnis entgegenzusetzen: „Leider verhält es sich zumeist so, dass viele Leben nicht für das Gemeinwohl geopfert werden, sondern für das eitle Wohlergehen eines Einzelnen.“

*

Wie der Berater es fertiggebracht hatte, Quintora als Hilfskraft in die Akademie von Modonos einzuschleusen, wusste sie selbst nicht. Wunderlicherweise wies ihr Genehmigungsnachweis Unterschrift und Siegel genau derjenigen Person auf, die sie dort überwachen sollte: Saradur. Der Berater vermutete, dass der Ordenssprecher der Drahtzieher einer Verschwörung gegen die Nordlande war. Quintora sollte herausfinden, was er vorhatte und mit wem er zusammenarbeitete.

In den Wirren nach der fehlgeschlagenen Hinrichtung Unitors hatte sie es stattdessen übernommen, für einen reibungslosen Ablauf der Flucht des Eisgrafen aus Obesien zu sorgen. Ausgerechnet in dieser Zeit war Saradur mit unbekanntem Ziel aufgebrochen, so dass Quintora wohl oder übel nichts anderes übrigblieb, als bis zu seiner Rückkehr in der Akademie auszuharren. Dabei kam ihr zugute, dass Hilfskräfte mit Empfehlungsschreiben in der Gestaltung ihrer Tätigkeiten weitgehend frei waren. Sie hatte die Zeit genutzt, um die äußerst weitläufigen und verwinkelten Räumlichkeiten der Akademie zu erforschen, die bis an das unterirdische Kanalsystem der Hauptstadt heranreichten.

Vor zwei Tagen war Saradur dann endlich zurückgekehrt, jedoch nach dieser kurzen Ruhepause gleich erneut aufgebrochen. Diesmal sah sich Quintora nicht durch anderweitige Aufgaben gehindert und konnte ihm deshalb folgen, um ihn zu beschatten. In den engen Straßen und Gassen von Modonos gestaltete sich dies noch als vergleichsweise leichtes Unterfangen. Aber bereits in den Außenbezirken, wo die Häuser verstreut zwischen kahlen, staubigen Hügeln lagen, wurde die Verfolgung deutlich erschwert. Die Eisgräfin war gezwungen, den Abstand zwischen sich und dem Ordenssprecher erheblich zu vergrößern. Ihr kam jedoch zugute, dass sich Saradur offenbar völlig sicher fühlte. Nicht ein einziges Mal musste sie feststellen, dass er anhielt oder sich umsah. Er lenkte sein Pferd auf die Straße nach Tirestunom. Da diese Stadt abgesehen von dem dortigen Heerlager relativ unbedeutend war, musste sein Ziel also entweder in Gatya im Norden oder – was Quintora für wahrscheinlicher hielt – im Westen, in Surdyrien oder Lumbur-Seyth, liegen.

Nach einigen Stunden konnte die Eisgräfin von einer Anhöhe aus beobachten, wie ein anderer Reiter aus dem Gebüsch auf der rechten Straßenseite auftauchte und sich zu Saradur gesellte. Der Ordenssprecher hatte im Schatten einer ungewöhnlich großen Ulme auf ihn gewartet. Beide ritten dann gemeinsam weiter.

Entsprechend der Vermutung Quintoras führte der Weg Saradurs zum Grenzübergang von Bondras und von dort aus nach Dirtos, der Hauptstadt Surdyriens.

Gewissermaßen als Ersatz für die frühere Hauptstadt Lumbur-Seyth war Dirtos, die ehemalige Residenz der Könige, zum größten Handelsplatz in Surdyrien aufgestiegen. Den Ausschlag dafür gab außer den geschichtlichen Wurzeln die günstige Verkehrslage mitten in Surdyrien am schiffbaren Quorl, einem großen Nebenfluss des Lumbur. Gleichermaßen vorteilhaft hatte sich die Nähe zu den Hügeln von Albiros erwiesen, wo sich die größten Bergwerke des Landes befanden. Leider war Dirtos auch eine ziemlich verkommene Stadt. Sie stand in dem Ruf, das Zentrum des Verbrechens in Surdyrien zu sein. Anders als sonstwo im Land hatte es hier in der Vergangenheit sogar Anschläge auf geheime Einrichtungen der Obesier gegeben.

Dirtos und Lumbur-Seyth galten als die Orte, in denen man angeblich alles bekommen konnte, was man wollte. Daher wunderte sich Quintora nicht, dass Saradur und sein Begleiter die ehemalige Königsstadt aufsuchten. Dort begaben sich die beiden Männer zu einer vornehmen Unterkunft. Das deutete darauf hin, dass sie sich auf einen längeren Aufenthalt eingestellt hatten.

Während ihrer Zeit in der Akademie von Modonos hatte Quintora einen tiefen Einblick in die vielfältigen Tätigkeiten und Machenschaften des Priesterordens und seiner Mitglieder gewonnen. Jetzt wusste sie, dass der Orden keine homogene Institution darstellte, die ein bestimmtes Ziel verfolgte. Er war ein Sammelbecken hochintelligenter Individualisten, die fast ausnahmslos danach strebten, die Gemeinschaft für ihre eigenen Zwecke zu missbrauchen. Jedem einzelnen Priester des Wissens war dies durchaus bewusst. Aber gerade diese Erkenntnis, für die eigenen Belange auf die Gemeinschaft angewiesen zu sein, hielt den Orden zusammen und machte ihn nach außen stark. Dennoch gab es selbst in einer solchen Zweckgemeinschaft gelegentlich Individuen, die nicht mehr tragbar erschienen.

Zu diesen Ausgestoßenen gehörte Datiban. Er war sogar einer der Schlimmsten. Im Gegensatz zu den meisten anderen Ausgestoßenen hatte er nie die Hoffnung gehegt, irgendwann einmal wieder in den Schoß des Ordens zurückkehren zu dürfen. Sogleich nach seinem Ausschluss entschied er sich dafür, eine neue Existenz außerhalb der legalen Strukturen aufzubauen. Aus diesem Grund suchte er den Anschluss an Verbrecherbanden in Dirtos und Lumbur-Seyth. Dabei kam ihm zugute, dass er zwei andere Priester des Wissens umgebracht und deren Forschungsergebnisse gestohlen hatte.

Datiban war daher höchst überrascht, als er vom Sprecher des Ordens eine Botschaft erhalten hatte, wonach dieser ihn auf der Straße von Modonos nach Tirestunom treffen wollte. Und obwohl Datiban normalerweise ohne Bezahlung keinen Finger rührte, wäre er in diesem Fall schon allein aus reiner Neugierde um den halben Kontinent gereist. Nachdem er mit Saradur zusammengetroffen war, hatte dieser ihm unterwegs ohne große Umschweife erklärt, dass er ein paar „zuverlässige“ (also besonders skrupellose) „Personen“ (gemeint waren natürlich Verbrecher der übelsten Sorte) brauche, um drei Gefangene von Mithrien zu einem zentral gelegenen Stützpunkt in Obesien zu überführen, was ja wohl ein „ziemlich einfacher Auftrag“ sei (gewissermaßen ein Himmelfahrtskommando).

Datiban kannte einen Surdyrier, der in der Lage war, geeignete Männer für jeden Auftrag zu vermitteln. Saradurs Erstaunen hielt sich ziemlich in Grenzen, als der Ausgestoßene erwähnte, dass es sich um den „Blutwolf“, einen Vertrauten des Barons Schaddoch, handelte. Saradur kannte aus dem noch laufenden Geschäft den furchteinflößenden Vertrauten des Barons. Wenn man den Erzählungen jedoch glauben konnte, war Schaddoch selbst noch weitaus übler als der „Blutwolf“. Das „Phantom von Surdyrien“ hatte als Einziger eine Katastrophe auf hoher See überlebt, die das gesamte vormalige Königshaus Surdyriens dahingerafft hatte. Um ihn rankten sich zahlreiche Gerüchte und Legenden, allerdings keine guten. Als Einziger hatte er auf hoher See die Katastrophe überlebt, bei welcher der „Schwimmende Königspalast“ ausbrannte. Alle anderen Mitglieder der Königsfamilie fanden in den Flammen den Tod. Die Obesier verweigerten Schaddoch daraufhin die Besteigung des surdyrischen Throns. Sogar die heimlichen Besatzer des Landes sahen sich außerstande, gegen den Willen der einheimischen Bevölkerung einen Königsmörder zu stützen. Daraufhin tauchte Schaddoch in den Untergrund ab und erwarb sich auf seinem mit Leichen gepflasterten Weg bald die wenig schmeichelhafte Bezeichnung als „Phantom von Surdyrien“. Obwohl ihm als Sohn des Königs der Titel eines Prinzen zugestanden hätte, verlangte er von seinen eigenen Gefolgsleuten die Anrede „Baron“. Böse Zungen behaupteten, damit wollte er von seiner Abstammung und Nähe zu dem ausgelöschten Königshaus ablenken. Jahrelang hatten ihn die Obrigkeiten von Surdyrien und Obesien gejagt, dabei aber immer wieder deftige Schlappen erlitten. Schaddoch hatte es zwar nicht geschafft, als König den Thron von Surdyrien zu besteigen; dafür war er zum unumschränkten König der Unterwelt aufgestiegen, bei dem alle Fäden des Verbrechertums in Surdyrien und Lumbur-Seyth zusammenliefen. Saradur sah ein, dass ohne eine Genehmigung Schaddochs sein Vorhaben nicht möglich sein würde. Er hatte es allerdings nicht gewagt, selbst unmittelbar Kontakt mit dem Geächteten aufzunehmen. Vor allem bereitete dem Sprecher Bauchgrimmen, dass es bei der Herstellung der Schnelllader, die er dem Baron noch schuldete, zu Verzögerungen gekommen war. Deshalb hatte er sich an Datiban gewandt.