Erinnern Sie sich noch an den 11. August 1999, als eine totale Sonnenfinsternis über Süddeutschland erwartet wurde? Ein Jahrhundertereignis, das sich in Deutschland erst kurz vor meinem 95. Geburtstag wiederholen wird! Ich war damals am richtigen Ort – aber das war es auch schon. Schlecht gelaunt verbrachte ich meine erste und bisher einzige totale Sonnenfinsternis im Stau auf der Autobahn. Es war ein schwacher Trost, dass fast niemand in Deutschland die Sonnenfinsternis richtig genießen konnte, weil sie von einer dichten Wolkendecke erstickt wurde. Rückblickend hatte diese Jahrhundertenttäuschung aber ihr Gutes: Wenn heute seltene Himmelereignisse in meiner Reichweite liegen, lasse ich sie mir nicht so leicht entgehen, wie z. B. den letzten Venustransit (Vorbeizug vor der Sonne) dieses Jahrhunderts am 6. Juni 2012 im Hamburger Stadtpark. Aber wann genau kommt es zu einer Sonnenfinsternis und warum so selten? Knifflig, doch der Weg zur Antwort macht eine Menge Spaß. Wir werden in diesem Kapitel die wichtigsten Spielregeln der Himmelkörper kennenlernen und einige geometrische Kunststückchen vor unserem geistigen Auge vollführen. Wir selbst können dabei zum Glück wie gewohnt gemütlich sitzen oder liegen bleiben.

Sieben Meter bis zum Tennisball

Der Mond kreist um die Erde – so weit, so bekannt. Aber warum fliegt er eigentlich nicht davon, fällt herunter oder entscheidet sich, lieber den Mars zu umkreisen? Was also – Trommelwirbel, bitte – hält den Mond am Himmel?

Der Mond befindet sich seit Milliarden von Jahren in einer Umlaufbahn um unseren Planeten. Lange Zeit dürfte er dort der einzige natürliche Satellit der Erde gewesen sein. Doch seit den 1950er-Jahren hat der Mond reichlich Gesellschaft bekommen: Über 1700 aktive, von Menschen geschaffene Satelliten umkreisen heute die Erde. Einer davon ist sogar seit fast 20 Jahren ununterbrochen bewohnt: die Internationale Raumstation ISS. Und obwohl unsere menschengemachten Apparate wenig mit dem Mond gemein haben, sind die physikalischen Grundlagen für ihre Erdumlaufbahnen sehr ähnlich. Was aber genau ist eine Erdumlaufbahn eigentlich und wie erreicht man sie?

Gehen wir dieser Frage nach, indem wir ein Fußballspiel betrachten: Ein Abstoß im Fußball überfliegt meist einen guten Teil des Platzes und landet dann irgendwo im Mittelfeld, besonders kräftig getretene Bälle schaffen es bis in die gegnerische Hälfte, selten sogar ins Tor. Stellen wir uns nun einen theoretischen Abstoß mit übermenschlicher Kraft vor, der den Ball über die Zuschauerränge hinaus, bis in das nächste Stadion befördert und dort für Verwirrung sorgt. Spinnen wir die Sache weiter, stellt sich schnell die Frage: Wäre es auch möglich, dass der Ball nie wieder runterfällt? Ja! Dafür muss der übermenschlich getretene Ball nicht nur das Stadion verlassen, sondern bis zum Horizont fliegen. Und dort wird es interessant: Die Erdoberfläche ist bekanntlich gekrümmt, sodass der Ball – wenn er schnell genug ist – beim Herunterfallen „hinter“ den Horizont fällt, also der Erdkrümmung folgt. Dabei erreicht er nie mehr den Boden und ist in einer Erdumlaufbahn. Aus diesem Grund folgen Raketen, die die Erde umkreisen sollen, einer Bahn schräg nach oben. Die dazu nötige Geschwindigkeit beträgt etwa 28.500 Kilometer pro Stunde bzw. 7,9 Kilometer pro Sekunde. Da sehen selbst die kräftigsten Balltreter alt aus.

Ähnlich zu unserem Fußball kann man also auch für Satelliten in einer Erdumlaufbahn sagen, dass sie sich im freien Fall befinden, sofern ihre Triebwerke ausgeschaltet sind. Dann gibt es nämlich keine Kräfte, die gegen die Schwerkraft der Erde wirken. Entscheidend dabei ist aber die Richtung, in die sie fallen. Zeigt die nämlich in ausreichendem Maße seitwärts, kann der Satellit „an der Erde vorbei“ fallen. Eine wichtige Bedingung ist außerdem noch eine ausreichende Höhe. Zum einen möchte man natürlich keine Berge treffen, aber viel wichtiger: Man muss dem Luftwiderstand der Erdatmosphäre entkommen. Erst ein paar Hundert Kilometer über dem Boden ist die Luft dünn genug, damit Satelliten nicht von der Luft gebremst werden und nach kurzer Zeit doch wieder auf die Erde fallen. Nun gut: Raketen können wir also in die richtige Richtung auf eine ausreichende Geschwindigkeit bringen, um die Erde zu umkreisen. Aber was ist mit dem Mond? Der wurde ja nicht ins All geschossen und befindet sich trotzdem auf einer Umlaufbahn. Sagen wir fürs erste einfach: Er wurde in der Erdumlaufbahn geboren und „fällt“ daher schon sein ganzes Leben um die Erde.