In vielen Büchern über den Mond erinnern sich die Autoren oder Autorinnen an die Mondlandung 1969. Als ich geboren wurde, war jedoch schon 14 Jahre lang kein Fuß mehr auf den Mond gesetzt worden. Trotzdem hat mich die Raumfahrt fasziniert, seit ich denken kann. Das Jahrzehnt meiner Kindheit waren die 90er-Jahre, die voller aufregender Nachrichten aus dem All waren: Space Shuttle in zweiter Blütezeit, „Apollo 13“ in den Kinosälen.
Aus Deutschland flogen unter anderem Ulf Merbold und Thomas Reiter zur russischen Raumstation Mir, dem ersten Langzeit-Außenposten der Menschheit im All. Als die Mir nach fast 15 Jahren ausgemustert wurde, begann die Ära der Internationalen Raumstation ISS. Bereits 1990 nahm außerdem das Hubble-Weltraumteleskop seine Arbeit auf und beobachtete z. B., wie der Komet Shoemaker-Levy 9 auf dem Gasplaneten Jupiter einschlug. Auf dem Mars setzte 1997 die Pathfinder-Sonde das kleine Fahrzeug Sojourner aus. Es bestand aus kaum mehr als einem Solarpanel auf sechs Rädern und legte ganze 100 Meter zurück. Dennoch war es der Auftakt einer jahrzehntelangen Erfolgsgeschichte von Mars-Fahrzeugen.
Die Vorstellung einer Reise ins All oder zu fremden Himmelskörper ist zweifellos aufregend. Auch die Technik ist atemberaubend – sie vereint das Filigrane eines Formel-1-Motors mit den Widrigkeiten einer Antarktis-Expedition und den enorm hohen Sicherheitsstandards der Luftfahrt. Für mich persönlich ist die Raumfahrt aber vor allem eines: überschaubar. Das Weltraumzeitalter begann kurz bevor meine Eltern geboren wurden und weniger als 600 Menschen waren jemals im All. Noch kleiner ist die Zahl der Raumsonden außerhalb der Erdumlaufbahn und kaum mehr als 40 Landungen auf anderen Himmelskörpern waren jemals erfolgreich. Im Vergleich dazu lassen sich Gebiete wie Kunst oder Sport unmöglich in Gänze erfassen. Die Raumfahrt hingegen ist noch jung, übersichtlich und hervorragend dokumentiert. Das wird nicht so bleiben: Immer mehr Staaten und Firmen gesellen sich zu denen, die erfolgreich Satelliten und Raumsonden ins All bringen wollen. Anfangs bestimmten weltpolitischer Geltungsdrang und Entdeckergeist die Raumfahrt, doch seit vielen Jahren spielen auch zunehmend kommerzielle Interessen eine große Rolle. Grund genug, die Raumfahrt zum Mond genauer zu beleuchten.
Der Weg der Menschheit zum Mond lässt sich in drei Schritte einteilen. Der erste Schritt begann mit dem Raumfahrtzeitalter zum Ende der 1950er-Jahre. In atemloser Folge und nur mäßigem Erfolg warfen die USA und die Sowjetunion einfachste Roboter in die grobe Richtung des Mondes. Bis Mitte der 1960er wurden die Raketen und Raumsonden immer ausgefeilter. Sie umkreisten erfolgreich den Mond, legten weiche Landungen hin und sammelten eine Fülle von Bildern und wissenschaftlichen Daten. Der zweite Schritt waren die sechs bemannten Mondlandungen von 1969–1972, die den Triumph der USA über die Sowjetunion im Wettlauf zum Mond markierten. Mit dem Ende dieser Mondflüge wurde die dafür entwickelte Technik ausgemustert und nie ersetzt – ein gewaltiger Rückschritt! Während sich die USA und die Sowjetunion auf Raumschiffe und Raumstationen in der Nähe der Erde konzentrierten, ging die Fähigkeit, Menschen zum Mond zu bringen, innerhalb kürzester Zeit verloren – und ist bis heute nicht wiedererlangt worden. Seit Mitte der 1970er wurden nicht einmal mehr Roboter zum Mond geschickt. Andere Planeten und Himmelskörper des Sonnensystems zogen die Aufmerksamkeit der Wissenschaftler auf sich. Erst im dritten Schritt ab 1990 kamen neue Raumsonden zur Erforschung des Mondes auf den Weg. Seither haben, neben amerikanischen, auch japanische, europäische, chinesische und indische Sonden den Mond erforscht. Aufsehen erregt heute vor allem das chinesische Raumfahrtprogramm, das im Jahr 2013 die erste weiche Landung auf dem Mond seit 1976 hinlegte. Weitere Landungen chinesischer Sonden sind für die nahe Zukunft geplant – und könnten sogar schon geschehen sein, wenn Sie dieses Buch in den Händen halten (Stand Oktober 2018).