Marie Krüerke

Atemfreude

Schwungvolle und fröhliche Atemübungen mit Senioren anleiten

Marie Krüerke

Atemfreude

Schwungvolle und fröhliche Atemübungen mit Senioren anleiten

Inhalt

KAPITEL I
Lustvoll bewegen statt pflichtbewusst turnen

Willkommen

Wie die Atemfreude entstand

Mehr als Gymnastik für Senioren

Wer besucht die Atemfreude? Vier exemplarische Teilnehmende stellen sich vor

Spielerisch mit SeniorInnen – gelingt das? Erfahrungen aus der Praxis

KAPITEL II
Die Atmung – Welche Organe sind beteiligt, wie funktioniert sie?

Die Funktionen der Atmung

Die Atemorgane

Das Atemvolumen

Der Weg des Atems

Risiken während der Atemübungen

KAPITEL III
Grundprinzipien der Atemfreude

Gleichberechtigtes Miteinander erleben

Freude an der Bewegung spüren

Positive Erinnerungen aktivieren

Den Moment genießen

Körper und Seele verbinden

KAPITEL IV
Aufbau der Atemfreude

Den ganzen Körper in Bewegung bringen

Die Atmung vertiefen und verlängern

Atemwahrnehmung

Singen als Höhepunkt aus vertiefter Atmung und Wohlklang im Gemeinschaftserlebnis

Ein philosophischer Impuls als Abschiedsgeschenk

KAPITEL V
Das Bühnenbild

Wozu dient das Bühnenbild?

Aufbau des Bühnenbilds

KAPITEL V
Vom Stundenentwurf zur Durchführung

Praktische Tipps für die Kursleitung vor der Stunde

Ablauf einer exemplarischen Atemfreude

Zeitmanagement

Materialien

KAPITEL VII
Praktischer Teil des Buchs: Die Stundenkonzepte

Im Freibad / am Badesee

Frühlingsputz im ganzen Haus

Am Meer

Im Zirkus

Auf dem Bauernhof

Auf der Blumenwiese

Geburtstag feiern

Ausflug in den Zoo

Unterwegs im Zug

Unterwegs mit dem Flugzeug

Auf dem Wochenmarkt

Im Künstler-Atelier

Advent und Weihnachten

Silvester

KAPITEL VIII
Übungssammlung nach ihrem therapeutischen Ziel

Generelle Übungen für den ganzen Körper

Recken und Strecken des ganzen Körpers

Verbesserung der Durchblutung in den Füßen, Förderung eines guten Bodenkontakts

Lockerung der Knie für eine gute Aufrichtung

Training des Rückens

Förderung des Gleichgewichts

Beweglichkeit des Beckens

Training des Zwerchfells und der Bauchmuskulatur

Dehnung und Öffnung des Brustkorbs

Lockerung von Schultern und Nacken

Übungen für die Gesichtsmuskulatur und den Mundraum

Atemübungen

Stimmübungen

Anhang

Literaturverzeichnis

Quelle der Bilder

Danksagungen

Zur Autorin

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Buch-Code: AH1100

Willkommen

Herzlich willkommen heiße ich alle Personen, die in der Betreuung und Therapie von SeniorInnen arbeiten. Dabei möchte ich SozialpädagogInnen und AltenpflegerInnen ebenso ansprechen wie LogopädInnen, PhysiotherapeutInnen und ErgotherapeutInnen. Auch die Fachkräfte, die im Quereinstieg zur Beschäftigung mit alten Menschen gefunden haben, hatte ich beim Schreiben dieses Praxisbuchs vor Augen.

Die Theorie ist so knapp und verständlich wie möglich zusammengefasst. Das Buch soll dazu einladen, hochaltrigen Menschen spaßbetonte Gymnastik anzubieten und dabei den Atem zu vertiefen. Bereits das Lesen soll Lust auf die Umsetzung wecken. Entsprechend reduziert sind fachspezifische Diskussionen, um möglichst viele praktische Ideen und komplette Stundenentwürfe weiterzugeben, die mit geringem Arbeitsaufwand direkt umgesetzt werden können.

Das Kapitel über den Atem und seine Funktionsweise stellt die Grundlagen dar, um ein Verständnis für einen der wichtigsten Motoren unseres Körpers zu entwickeln. Dabei verzichtet das Buch bewusst auf Fachwörter und lateinische Bezeichnungen von Muskeln und Knochen, um ein grundlegendes Verständnis auch für fachfremde Personen schnell zu ermöglichen.

Das Konzept der Atemfreude soll das Verbindende für alle sozialen und therapeutischen Fachrichtungen in den Vordergrund stellen: Zwischen den Berufsgruppen, die mein Konzept lesen, ebenso wie zwischen der Anleitenden und den anwesenden SeniorInnen. Daher ist der Text in der „Wir“-Form verfasst. Damit meine ich die LeserInnen und mich, die wir gemeinsam das Wohl der SeniorInnen in den Mittelpunkt stellen. Auch die Gruppenstunden leben vom Wir-Gefühl und von der Basisdemokratie: Jede neue Bewegung der Teilnehmenden wird aufgenommen, jeder Kommentar fließt direkt in die Moderation ein.

Wie die Atemfreude entstand

Um zu erklären, wie sich das Konzept entwickelte, stelle ich mich und den Weg der Atemfreude vor: Sechs Jahre lang arbeitete ich in einer logopädischen Praxis. Da ich die Arbeitsbedingungen als sehr unbefriedigend erlebte, suchte ich nach einer Möglichkeit, meine Begabungen umfassender einzubringen. Ich kündigte und nahm mir Zeit, meine Lebensträume und Berufswünsche ganz neu zu erforschen. Schnell wurde deutlich, dass ich gerne Menschen zusammenbringe und mit ihnen gemeinsam positive Momente gestalte. Nach zwei Jahren selbstständiger Tätigkeit in vier Eventagenturen lernte ich auf einem Seminar eine Quereinsteigerin kennen, die in der sozialen Betreuung einer Seniorenresidenz arbeitete. Dort entdeckte ich einen großen Spielraum an Möglichkeiten. Zu Beginn meiner Tätigkeit Stand das Interesse der BewohnerInnen und Kolleginnen an meinem logopädischen Fachwissen sehr im Vordergrund. Daraus entstand die Idee, in einem wöchentlichen Angebot Bewegung und Atmung miteinander zu verbinden. Weder vor Ort noch in der Fachliteratur fand ich entsprechende Konzepte. So entwickelte ich die Atemfreude, um spielerisch und indirekt den Atem zu vertiefen. Eine begleitende Geschichte motiviert zum Mitmachen und hält durch den „roten Faden“ der erzählten Handlung die Konzentration der Teilnehmenden aufrecht. Besonders Menschen mit Demenz profitieren von der anschaulichen Anleitung, die greifbarer und intuitiver ist als gymnastische Anweisungen für einzelne Körperteile.

Mehr als Gymnastik für Senioren

Sitzen, sitzen, sitzen: Ein Großteil des Tages von SeniorInnen besteht aus sitzen. Während der Mahlzeiten, vor dem Fernseher, beim Zeitunglesen, in der Tagespflege oder dem Betreuungsangebot des Seniorenheims. Dabei sinken die Schultern nach vorn, der Nacken versteift, der Brustkorb verengt sich und der Rücken entwickelt eine runde und krumme Haltung. Wer unterwegs ist, schiebt meist einen Rollator vor sich her: Mit vorgewölbten Schultern und einer gestauchten Wirbelsäule.

„Drei Dinge braucht der Mensch: Eine Höhle, eine Spielwiese und ein Morgenrot.“

Sprichwort

Dagegen hilft Gymnastik, die von offenen Kursen in Stadtteilzentren bis zur vollstationären Abteilung angeboten werden. Wegen Schmerzen, Kreislaufproblemen, Rheuma und Arthritis „pausieren“ viele hochaltrige Personen und besuchen „nur heute“ den Sportkurs nicht. So ziehen die Wochen ins Land, während die Kondition abbaut und die Befürchtung wächst, zwischen all den „Sportlichen“ eine schlechte Figur abzugeben. So verraten es mir Betroffene, bei denen ich frage, wann wir uns wieder in der Atemfreude sehen. Innerhalb weniger Monate scheint die Hemmschwelle unüberwindlich hoch, die Anforderungen der Gymnastikstunde erfolgreich zu meistern.

Mögliche Hinderungsgründe, warum SeniorInnen keine sportlichen Angebote nutzen

„Atemfreude“ stellt die Leichtigkeit des Seins in den Vordergrund. Wir beginnen mit einem Gedicht, das uns auf die Stunde einstimmt. Im Zentrum steht das gemeinsame Erlebnis: In einem Stundenkonzept versetzen wir uns innerlich auf einen Bauernhof und erfüllen durch entsprechende Übungen alle Arbeiten, die auf dem Land anfallen. Eine Woche später bewegen wir uns gedanklich durch den botanischen Garten und entdecken den Frühling. Wir bereiten das Zimmer eines neuen Erdenbürgers vor, besuchen den Jahrmarkt, verreisen mit dem Schiff und leben uns als exzentrische KünstlerInnen aus. Alles gemeinsam im Stuhlkreis, ohne den Raum zu verlassen. Wer mag, steht während der Übungen. Wer lieber sitzt, kann die Übungen ebenso gut auf der Stuhlkante ausführen. Teilnehmende mit dementiellen Veränderungen und Personen im Rollstuhl profitieren durch den Fokus auf die eigene Fantasie und die biografischen Erinnerungen genauso wie die scheinbar Gesunden. Dabei sein ist alles, allein das fröhliche Gruppenerlebnis ist für viele TeilnehmerInnen ein Höhepunkt der Woche.

Atemfreude verbindet folgende Schnittstellen: Erstens soziale und kulturelle Angebote, die den Alltag strukturieren und die BesucherInnen anregen sollen. Dabei liegt der Fokus auf einem offenen Gruppenangebot, das zu Gesprächen anregt und Gemeinschaft ermöglicht.

Zweitens die gezielte Seniorengymnastik im Sportverein oder die angeleitete Kurzaktivierung auf der Pflegestation. Hier liegt der Schwerpunkt auf der generellen körperlichen Fitness. Drittens die Therapie in Form von Logopädie und Physiotherapie, wo altersbedingte Veränderungen der Atmung und Körperhaltung sehr gezielt behandelt werden.

Atemfreude beginnt mit dem Weg in den eigenen Körper.

Die Übungen sollen Verspannungen lösen und steife Körperbereiche lockern. Die Flexibilität der Muskeln soll erhöht und das Gleichgewicht verbessert werden. Durch eine verstärkte Durchblutung, mehr Bewegungsspielraum und eine verbesserte Balance soll das Vertrauen in die Kraft und Belastbarkeit des eigenen Körpers wachsen.

Das Vertiefen der Atmung soll einerseits über die gezielte Wahrnehmung geschehen. Andererseits leiten wir direkte Übungen zur bewussten Atmung an. Auch indirekt sollen fließende Bewegungen den Atemfluss und die Öffnung des Brustkorbs unterstützen.

Atemfreude regt zum Eintauchen in die eigene Biografie ein.

Wir wollen positive Erinnerungen aktivieren: An einen Alltag „von damals“, an prägende Meilensteine und schöne Unternehmungen. Aber auch Alltagsthemen wie der Frühjahrsputz oder ein Spaziergang über den Wochenmarkt finden Raum: Denn viele hochaltrige Menschen verlassen ihr Zimmer oder Appartement kaum noch. Selbst Alltagsroutinen, die an gesunde Zeiten erinnern, entwickeln in der Gruppe ihren Charme. Themen wie Urlaube und Geburtstage bieten wir den Teilnehmenden an und geben während der Moderation Raum für persönliche Erinnerungen. Gedanklich und körperlich verbinden wir so die Vergangenheit mit der Gegenwart und schließen den oft schmerzlich empfundenen Graben zwischen „Damals“ und „Heute“.

Atemfreude ist eine Reise in eine Welt voller Möglichkeiten jenseits der momentanen Realität.

Während der Atemfreude sollen Handlungsspielräume eröffnet werden, die die Fantasie anregen und zu neuen Blickwinkeln verführen. In der Mitte des Stuhlkreises wird jedes Mal ein Bühnenbild zur Unterstützung der Vorstellungskraft aufgebaut. Es zeigt Gegenstände, die das Thema der aktuellen Stunde darstellen: Ein Badelaken, Sonnenhut, Eimerchen, Schaufel und Windräder aus Papier laden zu einer gedanklichen Reise zum Freibad oder ans Meer ein. Wenn wir alle mit Schwimmbewegungen den versteiften Brustkorb öffnen und gemeinsam einen imaginären Schwimmring aufblasen, entsteht für einen Moment eine gefühlte Realität jenseits der wirklichen Tatsachen.

Atemfreude lockt die Teilnehmenden aus der Einsamkeit in ein fröhliches Gruppengeschehen.

Freude an der Bewegung in Gemeinschaft steht im Vordergrund. Ob die Übungen korrekt ausgeführt werden, ist fast egal. Es zählt das Mitmachen, das Erleben des eigenen Körpers im Kreis der Teilnehmenden. Partnerübungen rücken die Nachbarin auf ihrem Stuhl in den Blick und verbinden die Individuen zu einer heiteren Gruppe. Am Ende singen wir zusammen, aus den einzelnen Stimmen entsteht ein harmonischer Klang.

Wer besucht die Atemfreude? Vier exemplarische Teilnehmende stellen sich vor

Damit wir beispielhafte BesucherInnen der Atemfreude und ihre individuelle Atmung kennenlernen, stelle ich vier Personen vor. Aus meiner Gruppe habe ich eine Handvoll möglichst unterschiedlicher Charaktere ausgewählt. Sie sollen uns dabei helfen, die Adressaten der Übungen eindrücklich vorstellen zu können.

FRAU KRAUSE: Nach mehreren Lungenentzündungen fehlt es Frau Krause nachhaltig an Energie. Sie bemüht sich sehr, mit ihrem Mann möglichst viele Angebote wahrzunehmen. Oft sieht sie dabei erschöpft und blass aus. Ihr Selbstbewusstsein hat durch die lange Krankheitsphase sehr gelitten, sie traut sich immer weniger zu. Häufig lässt sie den Kopf hängen, auch bei den Körperübungen. Als liebenswerte, freundliche Person wirkt sie dabei wie eine welke Blume.

In den Atemübungen pumpt Frau Krause viel Luft in den Bauch, das wirkt oft hektisch und angestrengt. Dabei möchte sie doch nur endlich wieder mehr Energie und Kraft erleben!

FRAU PETERSEN: Frau Petersen wird zunehmend dement, kann es aber im Alltag gut verdrängen. Sie ist sehr selbstständig und setzt sich dafür ein, dass im Haus „alles richtig abläuft“. Motorisch ist sie fit und gut aufgerichtet, dabei wirkt ihre Haltung manchmal steif. Während der „Atemfreude“ versteht sie überraschend schlecht, was sie tun soll. Die Bewegungsrichtung ist häufig unklar. Oft verheddert sie sich im Theraband und setzt Übungsmaterial „irgendwie“ ein. Manchmal bemerkt sie ihre Fehler nicht, an anderer Stelle beschwert sie sich lautstark über „alberne Aufgaben“.

HERR HUBER: Herr Huber ist geistig und motorisch fit. Allerdings läuft und sitzt er sehr krumm, sodass der große Mann oft überraschend klein wirkt. Mit seinen Hausschuhen schlurft er relativ breitbeinig durch das Haus. Bei meinen Übungen zur Aufrichtung und für die Balance denke ich besonders an ihn, aber auch dabei steht er bemerkenswert eingesunken. Die Atemübungen führt Herr Huber meistens sehr lautstark aus: Er schnauft, stöhnt und prustet. Wie viel Atembewegung tatsächlich im Bauch ankommt, ist fraglich.

FRAU SCHULZ: Frau Schulz geht es gut. Sie genießt ihr Leben als Rentnerin und hat wenig körperlich zu klagen. Zur „Atemfreude“ kommt sie, weil sie die gute Stimmung in der Gruppe genießt und jedes Mal gespannt ist, wohin uns die gedankliche Reise heute führt. Nach der Stunde hilft sie, die Materialien einzusammeln und bedankt sich häufig für das abwechslungsreiche Programm.

So unterschiedlich die Teilnehmenden sind, bietet Atemfreude für jeden einen Ansatzpunkt, um die körperliche und geistige Fitness zu unterstützen.

Spielerisch mit SeniorInnen – gelingt das? Erfahrungen aus der Praxis

Überraschenderweise waren die ersten SeniorInnen, die meine Atemfreude besuchten, sehr offen für die spielerische Gestaltung der Stunde. Viele der BewohnerInnen der Residenz sind wohlhabend und geistig sehr fit. Entsprechend hoch sind die Anforderungen, ein ansprechendes und intellektuell interessantes Programm anzubieten. Die Damen und Herren haben ganz genaue Vorstellungen, welches Niveau die wöchentlichen Angebote haben müssen. Insofern bestand ein gewisses Risiko darin, eine interaktive Geschichte mit fantasievollen Bewegungen anzubieten.

Zu Beginn erklärte ich daher zwischen den Übungen immer wieder Wissenswertes zum Hintergrund der jeweiligen Bewegung und wie sie sich auf die Atmung auswirkt. Interessanterweise war die Aufmerksamkeit dafür sehr gering, dabei war mein Ziel, mehr Neugier der Atmung gegenüber zu wecken.

„Je länger ein Mensch Kind bleibt, desto älter wird er.“

Novalis

Offensichtlich störte der spielerische Charakter die gebildeten und weitgereisten SeniorInnen viel weniger als erwartet! Im Gegenteil, je plastischer ich die Szene in meiner Moderation beschrieb und je fröhlicher ich zu Bewegungen einlud, desto zufriedener schienen die TeilnehmerInnen und desto nachhaltiger wirkten die Übungen.

So ließ ich die Erklärungen bald weg und konzentrierte mich voll auf einen harmonischen Aufbau der Stunde. Bei Interesse bot ich nach der Stunde vertiefende Gespräche an oder vereinbarte Einzeltermine. Die meisten Teilnehmenden finden die Impulse aus der Stunde offensichtlich ausreichend: Stimulierend, aber indirekt - bis auf die Atemwahrnehmung, die in jeder Sitzung stattfindet und die Aufmerksamkeit beobachtend auf den eigenen Körper lenkt.

Bald fingen die SeniorInnen an, Bewegungen auszuschmücken, mit Geräuschen zu begleiten oder kreativ abzuwandeln. Der spielerische Charakter, der mir zu Beginn als Risiko erschien, wirkte seinen Zauber: Die Vorstellungskraft der Einzelnen trat an meiner Moderation vorbei in den Vordergrund. Schöne Erinnerungen stiegen aus dem Vergessen auf und wurden freudig begrüßt und genossen. Spontane Einfälle setzten die hochaltrigen Personen um, statt sie wie im Alltag zu zensieren und abzulehnen.

In der Atemfreude „Auf dem Jahrmarkt“ lud ich dazu ein, nach einigen „wilden“ Aktivitäten an den Rand des Festplatzes zu gehen, um etwas Ruhe zu finden. Ich erzählte, dass wir uns im Schatten eines Kirschbaums ausruhen und mit den Kirschen eine Runde „Kirschkern weitspucken“ spielen wollen. Daraufhin wies mich Frau Lorenzen auf Diebstahl hin und ich musste sofort klarstellen, dass wir nur eine Handvoll Kirschen als Mundraub pflücken. Frau Cronhagen rief, dass wir gar keine Kirschen essen könnten, solange wir nicht in den Baum gestiegen und sie mit langen Armen gepflückt hätten. Da wir bereits in einer früheren Atemfreude Kirschen geerntet hatten, wollte ich unnötige Wiederholungen vermeiden und hatte diese Aktivität absichtlich ausgelassen. Meine SeniorInnen erlebten die gemeinsamen Geschichten so intensiv mit, dass sie mir derartige „Fehler“ nicht durchgehen ließen. Was ich als positive Überraschung und als Bestätigung für mein Konzept erlebe.

Die Atemfreude „Wanderung durch die Berge“ fand wenige Tage nach dem Erscheinen eines Artikels über mein Konzept in Hamburgs größter Tageszeitung statt. Entsprechend quoll der Stuhlkreis im Gymnastiksaal vor Neugierigen über und wir brauchten eine ganze Weile, bis alle einen Platz gefunden hatten. Trotz dieser Verzögerung war ich mit meinem Programm überraschend schnell fertig und erschrak, als ich auf die Uhr sah: Es gab vor dem gemeinsamen Singen zum Abschluss noch jede Menge Zeit, die gefüllt werden wollte! Vor lauter Aufregung hatte ich wohl versehentlich ein zu hohes Tempo angeschlagen und überlegte nun auf die Schnelle, welche sinnvollen Übungen in den Ablauf der Bergwanderung passen könnten. Zum Glück fielen mir Übungen ein, die sowohl zur Geschichte passten als auch therapeutisch an dieser Stelle sinnvoll waren. Dennoch konnte ich die Stunde nicht genießen, da es einfach viel zu viel Teilnehmende waren, um auf die Einzelnen einzugehen und den Ablauf persönlich zu gestalten.

Bis es während meiner Moderation anhaltend klopfte. Ich war irritiert, da ich durch die Milchglasscheibe des Saals niemanden an der Tür stehen sah. Wer klopfte also und warum? Da entdeckte ich Frau Krause, die an die Säule neben sich klopfte und verstand, dass sie das Geräusch eines Spechts simulierte - passend zum aktuellen Inhalt der Geschichte. So nahm ich das Spechtklopfen direkt in die Moderation auf und dankte im Stillen Frau Krause, die mir geholfen hatte, mich wie im Wald zu fühlen, statt nur mit einem glimpflichen Ausgang der Stunde beschäftigt zu sein…

Auf diese Weise unterstützen die TeilnehmerInnen immer wieder die Atemfreude durch ihre eigenen Ideen. Gemeinsam regen sie die ganze Gruppe an, sich in die persönliche Vorstellungskraft zu vertiefen und die Bewegungen zu genießen. So viel Humor und Weisheit finden auf diese Weise ihren Weg in unseren Stuhlkreis und verstärken die eigene Identifikation mit dem aktuellen Geschehen.

Die Funktionen der Atmung

Vorrangig dient die Atmung der Lebenserhaltung. Die Luft wird durch die Nase eingesogen, strömt durch den Mundraum und Rachen, den Kehlkopf, die Luftröhre, die beiden Hauptbronchien und folgt den sich verästelnden kleineren Bronchien bis in die Lungenbläschen. Dort wird der Sauerstoff aus der Lunge an das Blut abgegeben, sodass die Organe des Körpers mit dem vorbei fließenden Blut den lebenswichtigen Sauerstoff erhalten. Ebenso nimmt das Blut den verbrauchten Sauerstoff, jetzt Kohlendioxid, auf und transportiert es zur Lunge, die wiederum den „Abfall“ des Stoffwechsels durch die Ausatmung abgibt.

Eine weitere Aufgabe der Atmung ist das Sprechen: Die (Ausatem-)Luft steigt die Lunge und die Luftröhre hinauf, streicht durch die Stimmlippen im Kehlkopf und setzt sie in Schwingung. Die Schwingung wird durch den Rachen und den darüber liegenden Mundraum zu einem Klang geformt. Im Mund entstehen aus dem Klang durch die Artikulationsbewegungen von Zunge, Gaumensegel (Zäpfchen), Zähnen und Lippen die sprachlichen Laute.

„Ich lasse meinen Atem kommen, ich lasse ihn gehen und warte, bis er von selber wieder kommt.“

Ilse Middendorf

Auch das Riechen hängt eng mit der Atmung zusammen, da die Duftmoleküle mit der Luft durch die Nase bis hinauf zum Riechepitel hochgesogen werden.

Außerdem dient die Atmung der Unterstützung von kraftvollen Bewegungen sowie dem Spannungsaufbau (zum Beispiel beim Pressen).

Die Atemorgane

Die Lunge fällt uns als Erstes ein, wenn wir an die Atemorgane denken. Sie besteht aus zwei Lungenflügeln, die nur oben durch die beiden Arme der Hauptbronchien mit einander verbunden sind. Die Hauptbronchien wiederum vereinen sich zur Luftröhre. Die beiden Lungenflügel füllen den Brustkorb und liegen innen am Brustfell an, das die Lungen von den Rippenknochen trennt. Von unten schmiegt sich das Zwerchfell an die Lunge. Der linke Lungenflügel ist etwas kleiner als der rechte, weil hier das Herz liegt.

Zur Atmung gehört neben der Lunge das Zwerchfell, das sich wie ein großes Trampolin unterhalb des Brustkorbs quer durch den Bauch spannt. Oberhalb des Zwerchfells befinden sich Lunge und Herz. Um das Zwerchfell wölben sich die Rippen, befestigt ist es rund um den Oberkörper am Bauchfell. Unterhalb des Zwerchfells liegen alle inneren Organe wie Magen, Leber, Galle, Milz, Blase usw.

Das Zwerchfell ist das „Kraftwerk“ der Atmung: Zur Einatmung zieht es sich nach unten und gibt den beiden Lungenflügeln mehr Raum. Dadurch entsteht ein Unterdruck, der sich durch alle Atemwege fortsetzt, sodass Luft eingesogen wird. Wenn sich das Zwerchfell nach unten zieht, werden die inneren Organe nach unten und nach vorn geschoben – sie haben weniger Platz im Bauchraum. Als Folge lässt sich ein Vorwölben der Bauchdecke beim Einatmen beobachten. Auch die Bewegung der Flanken (der weiche, seitliche Bereich des Bauchs in der Taille) entsteht durch das Ausweichen der inneren Organe nach außen. Absichtliches Vorwölben des Bauchs, um die Atmung zu kräftigen, hat keine Funktion und sollte während der Übungen vermieden werden!

Parallel heben sich die Rippen, um der Lunge Platz nach vorn für den Einatem zu geben. So dehnen sich die Lungenflügel einerseits mit dem Zwerchfell nach unten, andererseits heben sich die Rippenbögen leicht, um den Brustraum für die Einatmung zu erweitern.

Dadurch entstehen die äußerlich spürbaren Atembewegungen in Brustraum, Bauch und Flanken. Wer häufiger konzentriert auf den Atem achtet, kann bis in den unteren Rücken Ausläufer der Atmung wahrnehmen.

Zur Ausatmung lässt das Zwerchfell locker und rutscht entspannt an seinen Platz zurück: Es steigt aus dem Bauchraum wieder an den unteren Rand der Rippen. Damit schiebt es passiv die Luft aus der Lunge, indem es die nach unten gedehnten Lungenflügel wieder verkleinert. Dabei flacht die Bauchdecke wieder ab.

Parallel arbeiten die Muskeln zwischen den Rippen: Sie ziehen sich diagonal jeweils von einer Rippe zur benachbarten Rippe darunter. Die äußeren Zwischenrippenmuskeln heben die Rippen an und schaffen so mehr Platz im Brustkorb. Dadurch kann sich die Lunge nach vorn mehr ausdehnen. Äußerlich lässt sich das Anheben des Brustkorbs beobachten, bei kräftigen Atemzügen mehr als bei flacher Atmung.

Die inneren Zwischenrippenmuskeln verlaufen ebenfalls zwischen den Rippen und ihren jeweils darunterliegenden Nachbarn. Auch sie sind diagonal angeordnet, aber in der Gegenrichtung zu den äußeren Zwischenrippenmuskeln. Bei einer verstärkten Ausatmung durch intensive körperliche Anstrengung setzen unterstützend die inneren Zwischenrippenmuskeln ein und verkleinern den Brustkorb zusätzlich, um die Luft aus der Lunge zu treiben.

Nach Ein- und Ausatmung folgt die Atempause, die vielen Menschen unbekannt ist. Vielfach werden Zeiten angegeben, wie lang die Einatmung im Vergleich zur Ausatmung dauern soll und wie lang die Atempause gehalten werden soll. Meine praktischen Erfahrungen zeigen, dass der Atemrhythmus so individuell ist wie jeder Mensch. Wie lang oder tief wir einatmen, wie kräftig oder schnell wir ausatmen, ob und wie deutlich die Atempause erkennbar ist: All das ist so unterschiedlich wie unsere Fingerabdrücke oder unser Gangmuster. Entsprechend ist das Ziel der Atemübungen nie, einen bestimmten Atemrhythmus zu erreichen: Denn es gibt nicht „den einen“ richtigen Atemrhythmus. Vielmehr sollen die SeniorInnen sich Zeit nehmen, auf ihren individuellen Atemfluss zu achten.

Das Atemvolumen

Das Atemvolumen ist die Luftmenge, die bei jedem Ein- und Ausatem bewegt und ausgetauscht wird. Dabei kann grundsätzlich noch mehr Luft aufgenommen werden als bei einem „normalen“ Einatmen. Ebenso kann auch mehr Luft abgegeben werden als bei einem „normalen“ Ausatmen. Zusammen mit der Flexibilität des Brustkorbs erklärt dies, wie vertiefte Atemzüge und verstärktes Ausatmen, wie wir es in den Übungen kennenlernen werden, möglich sind. Wer intensiv atmet, bewegt mehr Luft. Besonders die Lungenbläschen, die den Sauerstoff an das vorbei fließende Blut abgeben, werden vollständiger gefüllt als bei einem „normalen“ Atemzug. Die flache Atmung, die durch einen eingesunkenen Brustkorb entsteht, bewegt die Luft in den Atemräumen hingegen oft nur oberflächlich. Der verbrauchte Sauerstoff, der über die Lungenbläschen als Kohlendioxid zurück in die Lunge gelangt, wird dadurch nur eingeschränkt ausgeatmet. Einerseits gelangt bei der flachen Einatmung nur wenig Frischluft in die Lunge, andererseits trägt ein schwacher Ausatem die Restluft nicht komplett aus der Lunge. Es bleibt ein gewisses Luftvolumen, das „steht“, statt zu fließen: Ähnlich wie Wasser in einem abgestandenen Tümpel.1 Daraus ergibt sich, dass besonders ältere Personen mit Lungenentzündung oder hartnäckiger Bronchitis von einer vertieften Atmung profitieren, die alle verbrauchte Luft gegen frischen Sauerstoff austauscht. Krankheitserreger können sich dadurch im feucht-warmen Klima der unteren Lungenlappen weniger wohlfühlen, und die reich mit Sauerstoff gefüllten Blutkörper versorgen den Körper besser mit Energie.

Der Weg des Atems

Jetzt kennen wir den „Motor“ der Atmung und können uns auf die Etappen der Luft bis zur Lunge konzentrieren:

Zu Beginn wird die Luft durch die Nase eingesogen. Die Nasenhaare am Eingang filtern grobe Schmutzpartikel aus. Die Nasenmuscheln rechts und links der Nase sind mit feuchter, warmer Schleimhaut ausgekleidet. Sie erwärmen und befeuchten die Luft, kleinere Fremdkörper werden durch den Schleim gebunden und abtransportiert. Dabei ist eine Nasenmuschel (zum Beispiel auf der rechten Seite der Nase in der Wange) besonders stark durchblutet und geschwollen, sie lässt eher wenig Luft passieren. Dafür befeuchtet und wärmt sie die eintretende Luft ausgesprochen gründlich. Die andere Nasenmuschel (zum Beispiel auf der linken Seite der Wange) ist deutlich flacher. Sie befeuchtet und wärmt weniger, dafür strömt besonders viel Luft hindurch.

Die beiden Nasenmuscheln wechseln sich ab: Beide Seiten sind abwechselnd besonders aktiv oder eher passiv. So lässt sich erklären, warum bei Übungen, in denen nur durch ein Nasenloch geatmet wird, die eine Seite freies und leichtes Einatmen ermöglicht und die andere Seite fast verstopft wirkt. Wären beide Seiten permanent angeschwollen, bekämen wir zu wenig Luft. Wären beide Seiten permanent flach, wäre die Luft zu kühl, zu trocken und zu schmutzig.

Hinter den Nasenmuscheln vereinigen sich beide Atemströme und fließen hinter dem Gaumensegel (Zäpfchen) an der hinteren Wand des Mundes (Mundrachen genannt) hinab. Durch den Kehlrachen tritt die Luft am geöffneten Kehldeckel vorbei in den Kehlkopf ein. Die Stimmlippen sind zum Atmen wie ein Dreieck weit geöffnet und lassen die Luft passieren. Unterhalb des Kehlkopfs schließt sich die Luftröhre an. Sie wird von Knorpelspangen durchgehend offen gehalten. Die Luftröhre endet in den beiden Hauptbronchien, die die Luft nach rechts und links in die beiden Lungenflügel leiten.

Nach der theoretischen Darstellung hilft ein Blick auf die BesucherInnen der Atemfreude: Welche Beobachtungen fallen auf, während sie die Atemübungen durchführen?

FRAU KRAUSE braucht Ruhe und Zeit, um alle Atemräume zu nutzen. Ihre Atmung findet vorrangig im Brustkorb statt, dabei sitzt sie meist eingesunken. Um vertieft zu atmen, pustet sie hektisch und pumpt mit viel Energie die Einatmung Richtung Bauch. Dabei würde sie von einer bewusst langsamen Atmung, die ihrem Körper Zeit und Raum zum Ausbreiten gibt, viel mehr profitieren. Wie viele Betroffene meint sie, „tiefe Bauchatmung“ lasse sich durch ein mehr an Aufwand erreichen. Dabei füllt der Atem von ganz allein nicht nur die Brust, sondern auch den Bauch, wenn ihm bewusst Zeit gegeben wird. Wenn ihre eingesunkene Haltung durch Lockerungsübungen gelöst wird, kann die Atemluft ungehindert bis in tiefere Regionen strömen.

FRAU PETERSEN sitzt aufrecht wie eine Soldatin. Dabei sind ihre Atembewegungen von außen nur schwer zu erkennen. Obwohl sie eine gute Haltung hat, scheint sich ihr Atem kaum im Körper auszubreiten. Ihr aufrechter Oberkörper wirkt steif, als ob sie innerlich die ganze Zeit festhält. „Aktive Entspannung“ ist das Zauberwort für Frau Petersen: Die Körperspannung loslassen, um sich fließend bewegen zu können. Dynamisch bewegen, um innerlich und äußerlich locker lassen zu können. Eine gute Mitte zwischen Anspannung und Entspannung gibt dem Körper eine tragfähige Basis für intensive Atemzüge. Wenn Frau Petersen das erreicht, wird eine aufgelegte Hand auf der Bauchdecke oder unterhalb der Rippen bereits genügen, um im Bauchraum und den Flanken Atembewegungen zu erspüren.

HERR HUBER benötigt, wie Frau Krause, Übungen zur aufrechten Haltung. Durch seinen vorgebeugten Oberkörper kann die Luft unmöglich reibungsfrei durch den Hals in die Brust und den Bauchraum fließen. Das laute Schnauben während der Atemübungen beweist nicht, wie kräftig er alle Atemräume nutzt. Es deutet nur daraufhin, dass Kehlkopf und Rachen intensiv mitarbeiten. Beides geschieht unnötig und ohne Effekt auf die vertiefte Atmung. Für Herrn Huber heißt das Motto „Weniger ist mehr“: Weniger Lautstärke, mehr inneres Erspüren der Atembewegung. Weniger Krafteinsatz, mehr „Laufenlassen“ des Atemstroms.

FRAU SCHULZ erleben wir als aufgeschlossene, dankbare Teilnehmerin. Sie scheint kaum individuelle Betreuung zu benötigen. Wenn sie im ersten Teil der Stunde über Lockerung und Dehnung zu einer aufrechten Haltung findet, gelingen die anschließenden Atemübungen fast von allein. Damit sie zwischen den „schwierigen Kandidaten“ nicht untergeht, lohnt es sich, sie mit einer kleinen Abwandlung der Übung intensiver herauszufordern. Manchmal zeigt auch ein genaueres Hinschauen, dass Frau Schulz gar nicht so gesund und fröhlich ist, wie sie sich äußerlich gern den Anschein gibt. Dann hilft es, sich in einer ruhigen Minute offen für tiefergehende Gespräche zu zeigen. Denn nur das, was wir über die Teilnehmenden wissen, können wir als Übung oder gedanklichen Impuls zu ihrer Unterstützung anbieten.

Risiken während der Atemübungen

Wenn wir nur die Wahrnehmung auf den Atem richten, greifen wir bereits in einen automatisierten körperlichen Ablauf ein. Allein das Ziel unserer Gedanken verändert die Atmung: Wer an „Bauchatmung“ denkt, wird unbewusst tiefer atmen und mehr den Bauchraum nutzen. Wer „Atempause“ denkt, wird verstärkt auf die Atemruhe zwischen der Ausatmung und einer erneuten Einatmung achten und dadurch das Tempo der Atmung verlangsamen.

Alle Übungen werden mehrfach wiederholt, aber nicht länger als zwei, drei Minuten am Stück. Schließlich arbeiten wir mit SeniorInnen und nicht mit LeistungssportlerInnen.

Jede Pause ist angemessen. Egal, wer sich wie schnell nach einer schwungvollen Übung wieder hinsetzt. Und egal, wer wie oft zwischendurch ausruht: Jede Pause hat ihren Grund. Daher unterstützen wir die Teilnehmenden, ihrem eigenen Körper und Tempo gemäß mitzumachen. Anfeuernde Rufe wie beim Training im Fitness-Studio sind tabu. Durch den Spaßfaktor bewegen sich alle, so kräftig und dynamisch sie können. Das Gruppenerlebnis und die fröhliche Moderation reißen alle mit. Wer sich ausklinkt und pausiert, hat dafür gute Gründe.

Alle Übungen, bei denen wir intensiv pusten, begrenzen wir zeitlich stark:

Seifenblasen pusten, Wattebäusche blasen, intensive Zwerchfellimpulse – sie alle können durch ein „Zuviel“ zu Hyperventilation und Kreislaufproblemen führen. Fünf bis zehn Mal pusten reichen bereits, abhängig von der Gesundheit der Teilnehmenden. Nach einer kurzen Pause, in der der Atem wieder in seinen ursprünglichen Rhythmus findet, können noch drei bis fünf Wiederholungen stattfinden.

Eine Beobachtung aus der Praxis: Frau Hofmann gelang es nicht, so durch den Ring der Seifenblasen zu pusten, dass schillernde Blasen in die Luft stiegen. Sie wiederholte es hartnäckig so lange, bis ihr schwindelig wurde. Sie musste sich hinlegen und ich lagerte ihre Füße hoch, damit der Kreislauf sich stabilisierte. Wenn die Gruppe aus vielen TeilnehmerInnen besteht und wir abwechselnd Einzelnen helfen, passiert es häufiger, dass wir nicht alle parallel im Blick haben. Damit niemand verzweifelt bläst und bläst und anschließend der Ohnmacht nahe ist, hilft immer wieder eine Ansage an alle:

„Wir blasen nur so oft, wie wir es selbst angenehm finden. Alle machen dann Pause, wenn es ihnen selbst passt. Was einigen gut gelingt, kann anderen schwerfallen. Das ist ganz normal. Wichtig ist, dass wir rechtzeitig pausieren und auf die eigenen Bedürfnisse achten.“

Keine Anleiterin kann gleichzeitig allen Anwesenden helfen und jede Person gleich intensiv beobachten. Umso wichtiger ist es, dass die SeniorInnen gut auf ihren Körper achten. Ehrgeiz und Neid auf die Leistung anderer sollten gleich zu Beginn entschärft werden. Unser Ziel ist nicht der längste Atem, sondern das persönliche Wohlbefinden aller.