MICOL OSTOW
TOD AUF DEM FESTIVAL
Aus dem amerikanischen Englisch
von Doris Attwood
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© 2019 Archie Comics Publications, Inc.
All Rights Reserved. Riverdale and Archie Comics are
trademarks and/or registered trademarks of Archie Comics
in the US and/or other countries. German-language edition
published by Verlagsgruppe Random House GmbH/
cbj Verlag, by arrangement with Scholastic Inc.,
557 Broadway, New York, NY 10012, USA.
Die amerikanische Originalausgabe erschien unter dem Titel
»Riverdale. The Maple Murders« bei Scholastic Inc., New York.
© 2019 für die deutschsprachige Ausgabe
cbj Kinder- und Jugendbuchverlag
in der Verlagsgruppe Random House GmbH,
Neumarkter Straße 28, 81673 München
Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten
Aus dem amerikanischen Englisch von Doris Attwood
Lektorat: Catherine Beck
Umschlaggestaltung: init | Kommunikationsdesgin, Bad Oeynhausen
Umschlagmotive: © Archie Comics Publications, Inc. All Rights Reserved.
Cover art by David Curtis
he · Herstellung: UK
Satz: KompetenzCenter, Mönchengladbach
ISBN 978-3-641-25534-3
V001
www.cbj-verlag.de
PROLOG
JUGHEAD
Riverdale: unsere Stadt. Frei übersetzt bedeutet ihr Name »das Tal am Fluss«, und tatsächlich schmiegt sie sich an den sich dahinschlängelnden Sweetwater River, der auf seinen Stromschnellen die aufdringlich süßen, klebrigen Reste der Ahornsirup-Ernte davonträgt.
Was der Fluss noch mit sich trägt? Geheimnisse.
Wenn wir seit Jason Blossoms Verschwinden damals eines gelernt hatten, dann dass der Sweetwater River Geheimnisse für ein ganzes Leben birgt.
Mehrere Leben, um genau zu sein.
Unsere Stadt wurde offiziell vor fünfundsiebzig Jahren gegründet, doch wie auch die Gründerfamilien wissen, existierte die erste Siedlung hier schon lange zuvor. Unser Land, seine Erde, bewahrt ein jahrhundertealtes Erbe – und ein Großteil davon ist, wie wir nach und nach erkennen mussten, widerlich faul und vernichtend. Die düsteren Geheimnisse und blutgetränkten Seiten unserer Geschichtsbücher reichen bis zu den allerersten Bewohnern zurück: von der Capulet-und-Montague-artigen Familienfehde zwischen den Coopers und Blossoms – ein Cousin erschießt den anderen, ein Bruder mit dem Blut seines Bruders an den Händen – bis hin zur Auslöschung der Ureinwohner.
Unsere Stadt kennt Finsternis, Gewalt und Leid, meist ausgelöst durch ihre eigenen Bewohner. Durch die Menschen hier – falls man sie überhaupt noch so nennen will, nach allem, was in letzter Zeit ans Licht gekommen ist.
Wir, die Jugend von Riverdale, haben gelernt, dass ein Echo lange nachhallt, durch den Mord an Jason Blossom – nur eins der jüngsten Anzeichen dafür, dass vielleicht doch ein Fluch auf unserer Stadt liegt – und, natürlich, Black Hood, einen Sünder verfolgenden Serienkiller.
Und erst vor Kurzem durch eine örtliche Einrichtung mit dornenreicher Vergangenheit, in die man einst mehrere unserer Mitschüler eingesperrt und gezwungen hatte, traumatisierende »Therapien« zu durchleiden. Oder durch Griffins und Gargoyles, ein Rollenspiel mit extremem Suchtpotenzial, das seine Spieler zu Opfern machte und viele von ihnen in eine zwanghafte Selbstzerstörung trieb.
Und durch einen Neuankömmling, der uns ein herzliches Willkommen und offene Akzeptanz auf seiner Farm versprach, die er allen als Zufluchtsort anbot – mit einer Anhängerschar, deren Absichten vollkommen unklar und höchst suspekt waren.
Diese geheimnisvolle, vielschichtige Dynamik spannte einen Bogen zurück zu den frühesten Anfängen unserer Stadt und erwies sich als das Fundament, auf dem sie errichtet worden war. Aus dem unsere Legenden und unsere Geschichte erwuchsen, verworren und verwoben wie dichte Kletterranken. Ein verrottendes Fundament und rissige Bruchstellen – das war das Riverdale, das sich uns allmählich immer deutlicher zeigte.
Doch die Schatten unserer eigenen Geschichte offenbaren sich uns nur langsam, in einer Enthüllung nach der anderen: Die heutige Rivalität zwischen den Blossoms und den Coopers geht auf eine gewalttätige, tödliche Fehde zurück, in der sich Bruder gegen Bruder stellte, und die gegnerischen Seiten sehnen sich noch immer nach Blut – verlangen bis zum heutigen Tag danach.
Barnabas B. Blossom schlachtete einst vierhundert Angehörige des eingeborenen Stamms der Uktena ab, um sein eigenes Imperium zu bewahren. Die Ureinwohner mussten die Gewalt und die Demütigung durch ihr Niederlage und Vertreibung über sich ergehen lassen – von dem bis heute andauernden Schmerz der nahezu völligen Auslöschung ihrer Kultur durch den weißen Mann und der Entziehung ihres gemeinsamen Geburtsrechts ganz zu schweigen.
Doch das sind nur die bis heute Schicht für Schicht enthüllten Wahrheiten.
Dem einen oder anderen kommen diese Wahrheiten vielleicht unglaublich vor. Für Hobbyhistoriker klingen sie womöglich eher nach Legenden als nach harten Fakten. Tja, Tatsache ist allerdings, dass die Legenden noch viel weiter reichen, bis tief ins Erdreich der Stadt, bis ins Mark unserer eigenen Knochen.
Der Sugarman zum Beispiel: Cheryl Blossom hielt ihn für eine Schreckgestalt, einen von niemand anderem als ihrer eigenen Mutter erfundenen Dämon, der ihr und ihrem Bruder nur Angst machen sollte, damit sie nicht aus der Reihe tanzten. »Benehmt euch anständig, sonst holt euch der Sugarman.«
Sie hatte ja keine Ahnung, dass selbst die düstersten Märchen zumindest ein Körnchen Wahrheit in sich tragen. Dass der Sugarman nicht nur ein einziger Mann war, sondern viele, eine endlos fortdauernde Reihe. Dass er – oder vielmehr sie – kein Bösewicht aus dem Märchen war, sondern eine Bande von Kriminellen.
Kriminelle, die für ihren Vater arbeiteten.
Noch so eine Lagerfeuergestalt: der Maple Man. Das abschreckende Beispiel der sprichwörtlichen Bestie in Menschengestalt. Der Sugarman kommt und holt dich, entführt dich in sein finsteres Reich. Aber der Maple Man? Der Maple Man verschlingt dich bei lebendigem Leib.
Einige taten auch diese Geschichte als reine urbane Legende ab. Andere hielten sie nur für eine Variation der Sugarman-Sage – Ahornsirup oder Zucker, wo liegt da schon der süße Unterschied? Aber wieder andere – ich würde sogar behaupten: die meisten von uns – hatten noch nie etwas vom Maple Man gehört. Nicht bis das Festival kam. Irgendwie war dieser Teil der mündlich überlieferten Geschichte unserer Stadt unter dem Schleier des Vergessens verborgen geblieben und hatte eine ganze Generation der Riverdale-Jugend übersprungen.
Eins hatten wir alle gelernt: Auch wenn diese Märchen selbst vielleicht nicht wahr sind, der Wolf steht trotzdem immer vor der Tür. Und das nicht nur im metaphorischen Sinne.
Jedenfalls nicht in Riverdale. Vor allem nicht in Riverdale.
In unserer Stadt lauert hinter jeder Lüge immer eine hässliche Wahrheit.
Nun, da Archie Andrews der jüngsten Gefahr noch einmal um Haaresbreite entkommen ist, wünschten wir – Archie, Betty, Veronica und ich – uns einfach nur, dass alles wieder zur »Normalität« zurückkehrte, oder zumindest zu so etwas Ähnlichem. Wir wünschten uns das Leben, das uns die Geschichtsbücher von Riverdale und die mündlichen Überlieferungen der Stadt versprachen. Ahornsirup am Sonntagmorgen und Milchshakes im Pop’s nach der Schule.
Und wir vier waren nicht die Einzigen. Jeder Schüler der Riverdale High sehnte sich nach Normalität. Nach Normalität – und nach einer Verschnaufpause von der Realität, in der sich selbst unsere eigenen Eltern gegen uns wenden konnten, sei es, um uns zu verstoßen, uns zwangseinweisen zu lassen, uns zu verraten, uns im Stich zu lassen … oder uns, mal wieder, zu enttäuschen. In der sich unsere Lehrer und all die anderen, deren Aufgabe es war, uns zu beschützen, hin und wieder als die abscheulichsten Ungeheuer von allen erwiesen. In der das Böse einer vielköpfigen Hydra glich und die Vorstellung, es zu besiegen, fantastischer war als die Ursprünge der mythologischen Bestie selbst.
Völlige Sicherheit und ein Sieg über das Böse? Wir wussten, dass dies niemals passieren würde. Niemals passieren konnte. Die Vergangenheit und Gegenwart unserer Stadt waren in einem dichten Netz so hoffnungslos ineinander verwoben, das wir in unserem ganzen Leben keinen Frieden finden würden.
Aber trotzdem hofften wir weiter. Wir klammerten uns an einen letzten Funken Optimismus. Daran, dass wir eines Tages, irgendwie, den Weg zurück in die Stadt finden würden, die Riverdale einmal hätte sein sollen. Riverdales Geschichte war nicht nur schäbig und beschmutzt. Sicher, unsere Stadt kannte Leid und Schmerz. Das wurde uns immer wieder aufs Neue bewusst, während unsere Unschuld dabei auf der Strecke blieb.
Aber Riverdale kannte auch Ausgelassenheit und Freude.
Und einige von uns – diejenigen, vielleicht, denen die Dunkelheit so vertraut war, dass sie sich in diesem lebendigen Albtraum bereits wie zu Hause fühlten – waren wild entschlossen, den Weg zurück dorthin zu finden.
Ganz gleich, was es kostete.
TEIL I: DIE RIVERDALE REVELS
MONTAG
Vom Büro der Bürgermeisterin Hermione Lodge
Die Riverdale Revels
OFFIZIELLER VERANSTALTUNGSKALENDER
Montag, 18:00–18:30 Uhr:
Öffnung der Zeitkapsel, Pavillon im Pickens Park
• Afterparty im La Bonne Nuit.
Dienstag, 17:00–18:00 Uhr:
Parade der Haustiere, Riverdale Grundschule
• Bitte alle Haustiere im Sekretariat anmelden. Leinen erforderlich!
Mittwoch, 16:00–18:00 Uhr:
Bingo-Abend, Seniorenheim Riverdale
• Für Erfrischungen ist gesorgt.
Donnerstag, 18:00–19:30 Uhr:
Motoren und Musik
• Musikalische Darbietung von Josie McCoy beginnt um 18:00 Uhr; Rathaustreppe.
• Autokolonne setzt sich Punkt 18:15 Uhr am Rathaus in Bewegung. Konvoi über die Main Street zur Stadtgrenze und zurück.
• Genießen Sie nach der Autokolonne Musik und Erfrischungen dank freundlicher Unterstützung der Farm; Rathauspark.
Freitag, 19:30–21:30 Uhr:
Cocktails und Kanapees, Rathaus
• Wenn schon, denn schon – Abendgarderobe erwünscht!
Samstag, 10:00–18:00 Uhr:
Riverdale Block Party, Main Street
• Tombola mit fantastischen Preisen unserer Sponsoren, darunter: Andrews Construction, Lodge Enterprises, Le Bonne Nuit, WRIV, The Riverdale Record und mehr!
• Pop Tates Hamburger-Wettessen an Pop’s Pop-up-Stand, 12:00 Uhr.
• Ahorn-Testprodukte, darunter Sirup, Bonbons und Gebäck, von Maple Blossom Syrup. Nur solange der Vorrat reicht.
• Angelspiel in unserem Ahornteich-Planschbecken, mit der Chance auf den Gewinn eines Autopflege-Sets von Mantles’ Auto!
• Lustiges Schminken, Ponyreiten und Hüpfburg für unsere Kleinsten.
• Apfelessen für alle Altersgruppen.
• Nehmen Sie Direktor Weatherbee mit einer köstlichen Ahornsirup-Sahnetorte ins Visier (drei Würfe pro Person).
• GRATIS: Pop’s Chock’Lit Shoppe-T-Shirts im Retrostil (ein Shirt pro Kunde). Nur solange der Vorrat reicht.
Samstag, 19:00 Uhr:
Royal Maple Schönheitswettbewerb und Disco
• Schönheitswettbewerb findet in der Aula der Riverdale High statt.
• Disco direkt im Anschluss nach der Krönung in der Turnhalle.
• Einlass nur mit Ticket.
KAPITEL 1
FP Jones:
Bleibt’s dabei? Wir verkünden die Revels heute in der Schule?
Hermione Lodge:
Ich bin gerade auf dem Weg dorthin.
FP Jones:
Ich muss zugeben, Penelope war nicht unbedingt erfreut darüber, dass diese Tradition ein Comeback erlebt. Und sie war nicht die Einzige.
Hermione Lodge:
Der Tag, an dem ich anfange, mir Sorgen darüber zu machen, was Penelope Blossom denkt, ist der Tag, an dem ich freiwillig aus dem Amt scheide.
Hermione Lodge:
Du weißt doch, wie’s aussieht: Die Zeitkapsel sollte eigentlich bei den Feierlichkeiten zu Riverdales 75. Jahrestag geöffnet werden. Diese Gelegenheit haben wir verpasst. Aber ich glaube, das Timing für die Wiedergeburt dieser freudigen Tradition, mit der wir unsere Stadt FEIERN, ist trotzdem perfekt. Und nicht ein einziges Mitglied des Stadtrats konnte mir ein gutes Argument liefern, warum wir es nicht tun sollten.
FP Jones:
Du hast das Sagen, Madam Mayor.
Hermione Lodge:
In der Tat. Und ich wüsste deine Unterstützung sehr zu schätzen.
FP Jones:
Sie ist dir sicher.
CHERYL
»Oh, j’adore!« Ich klatschte freudestrahlend in die Hände. »Die Riverdale Revels! Der Royal-Maple-Schönheitswettbewerb! Da stehen uns wunderbar ausschweifende Feierlichkeiten ins Haus, meine liebe TeeTee.«
Es war Montagmorgen, und wir saßen gespannt vor der Schulaula, inmitten bunter Trauben aufgeregter Riverdale-High-Schüler, die es genau wie wir kaum erwarten konnten, mehr über die Riverdale Revels zu erfahren. Direktor Weatherbee hatte die Versammlung erst spät am gestrigen Abend in einer Sammelmail angekündigt, und seither fragten wir uns alle, was genau wir von diesem Festival zu erwarten hatten.
Ich hätte zwar auch sehr gut ohne die unzähligen verschwitzten Ellenbogen zwischen den Rippen leben können, aber ich hatte Toni gegenüber nicht übertrieben: Ich starb fast vor Neugier, mehr über die Revels zu erfahren, dieses spaßige Spektakel in unserer ach so idyllischen Kleinstadt. Daher war ich bereit, diesen Proleten gegenüber etwas geduldiger und toleranter zu sein als gewöhnlich.
Toni schien hingegen weit weniger überzeugt. Sie neigte den Kopf zur Seite und warf mir einen ziemlich elaborierten Seitenblick zu. »Ich versteh dich ja, Cher«, sagte sie. »Die Sache klingt erst mal ganz gut, ja. Aber … ein Schönheitswettbewerb?«
Ich beobachtete ihre Mimik, während sie darüber nachdachte. Nein, sie war ganz offensichtlich wenig begeistert. Sie ist insgesamt eher nicht der Typ für Wettbewerbe – ganz gleich, worum es dabei geht. Aber Gegensätze ziehen sich schließlich an.
»Versteh mich nicht falsch, bei den anderen Events bin ich sofort dabei. Hamburger-Wettessen? Klingt nach Spaß. Tortenwerfen? Auf jeden Fall. Aber mal ernsthaft: ein Schönheitswettbewerb?« Sie sah mich misstrauisch an.
»Ich weiß, ich weiß. Klingt erst mal nicht nach Girlpower.« Ich biss mir auf die Unterlippe und schmeckte Chanel Rouge Allure. »Aber Weatherbee hat ausdrücklich gesagt, dass er nicht geschlechterspezifisch ist. Und damit passt er doch perfekt zum Motto unserer neuen LGBTQIA-Gruppe, n’est-ce pas? Versprich mir, dass du es dir wenigstens mal ganz unvoreingenommen anhörst.«
Ich spürte, wie mich jemand am Unterarm packte.
»Wie soll man da unvoreingenommen bleiben? Das Ganze ist doch die reinste Farce. Wusstest du nicht, dass er früher mal Miss-Maple-Schönheitswettbewerb hieß? Aber sie haben den Namen in Royal Maple geändert, weil er sonst nicht mehr zu ihrem neuen ›Alle Teenager willkommen‹-Statement gepasst hätte.«
Es war Kevin Keller, strahlend wie immer. In seiner Schülerkadetten-Uniform sah er unglaublich seriös aus, wie der perfekte Streber. Ich bedachte ihn mit einem mahnenden Blick und zog den Arm aus seinem Griff. »Vorsicht, bitte. Meine Haut ist nicht nur so blass wie feinstes Porzellan, lieber Kevin, sondern auch ebenso zart. Ich bekomme sehr schnell blaue Flecken.« Der unzerbrechliche Fluch, ein echter Kupferrotschopf zu sein.
Er rollte mit den Augen. »Natürlich. Tut mir leid. Armes Kind.« Er tätschelte mir den Arm, diesmal ganz sanft. »Aber was für ein Spaß, oder? ›Nicht geschlechterspezifisch‹, in Anführungszeichen.« Er sagte tatsächlich »in Anführungszeichen«, während er die Anführungszeichen in die Luft malte. »Ich bin so was von dabei.«
Ich lächelte. Seine Begeisterung war geradezu ansteckend, aber ich war ohnehin bereits infiziert. »Da sind wir schon zwei, mon ami. Jetzt müssen wir nur noch dieses hinreißende Wesen davon überzeugen.« Ich gestikulierte in Tonis Richtung, die noch immer ihren neckischen Genervt-aber-amüsiert-Blick zeigte. Ich kannte ihn inzwischen nur allzu gut. »Ehrlich, ich bin so wild entschlossen, dafür zu sorgen, dass sie daran teilnimmt, dass ich bereit bin, mein eigenes Handtuch in den Ring zu werfen und diese atemberaubende Göttin mit all meiner Energie und Kraft zu unterstützen.
Du bist jetzt schon meine Königin«, versicherte ich Toni. »Es ist höchste Zeit, dass dich auch der Rest der Stadt als das majestätische Geschöpf erkennt, das du bist.«
Kevin wirkte aufrichtig entsetzt darüber, dass es tatsächlich Menschen gab, die man von der Teilnahme an irgendeinem Wettbewerb überzeugen musste. Es war erfrischend, wenigstens einen Bruder im Geiste an meiner Seite zu wissen.
»Moment mal, Toni – du zögerst noch? Ich meine, du tanzt Spitze – die Talentnummer hast du jetzt schon im Sack. Mal davon abgesehen, dass du total Hammer aussiehst.« Er schien noch einmal über die Sache nachzudenken. »Wenn ich’s mir recht überlege, sollte ich dich vielleicht doch nicht unbedingt dazu überreden mitzumachen. Nicht, wenn ich selbst den ersten Preis gewinnen will.«
»Sie überreden? Haben wir etwa noch eine Totalverweigerin in unserer Mitte?« Es war Veronica höchstpersönlich, strahlend schön, wie ich ehrlicherweise – wenn auch widerwillig – zugeben musste, Sie trug ein schwarzes A-Linien-Kleid mit Spitzensaum, das in Rot besser ausgesehen hätte – und an mir. Wie heißt es so schön? Schönheit ist wahr und Wahrheit schön.
»Mir ist egal, wie inklusiv diese ganze Veranstaltung angeblich ist. Wenn ihr mich fragt, wirkt sie trotzdem wie ein Schritt zurück zu den Neandertalern.« Veronica befand sich definitiv auf dem Kriegspfad, und das wegen einer so albernen Kleinigkeit.
»Dann willst du also ernsthaft behaupten, dass du nicht gern sehen würdest, wie Archie in der Bademoden-Runde im Scheinwerferlicht über die Bühne stolpert?«, neckte Kevin sie.
»Das kannst du dir sofort wieder abschminken, Kumpel.« Archie tauchte hinter Veronica auf und drückte ihr einen Kuss auf die Wange. »Tut mir leid, wenn ich dich enttäuschen muss.«
»Oh, mein Archiekins«, erwiderte Veronica und lächelte ihn an. »Bricht stets alle Herzen.«
»Es wird keine Bademoden-Runde geben.« Es war Betty – quelle surprise –, Veronica und Archie dicht auf den Fersen, mit fröhlich hüpfendem blonden Pferdeschwanz und in der typischen Melange aus Taubengrau und zartrosa Kaschmir. Sie drehte sich zu ihrem Hobo-Freund Jughead um. »Warte – oder doch?«
Jughead zuckte mit den Schultern. »Niemand weiß irgendwas über diese sogenannte Tradition. Im Moment kursieren nur alle möglichen Gerüchte.«
»Ein Schönheitswettbewerb ist schon schlimm genug, aber eine Bademoden-Runde? Mit dieser Degradierung der Teilnehmer zu Sexobjekten werden sie nicht durchkommen. Vergesst meine Totalverweigerung – ich gehe direkt zum offenen Protest über!«
»Oh, in dem Fall muss ich wohl zum Gegenprotest aufrufen«, erwiderte Reggie wie aufs Stichwort und grinste sie nur halb scherzhaft an.
Ich hob eine Hand, um ihm das Wort zu abzuschneiden, und schenkte meine volle Aufmerksamkeit Veronica. »Ein ehrenwertes Vorhaben, Norma Rae«, sagte ich. »Aber ich glaube, wir sollten nicht so vorschnell urteilen. Wie ich eben schon zu Toni sagte, geziemt es sich, unvoreingenommen an die ganze Sache heranzugehen. Ich möchte jedenfalls erst noch mehr über diese Riverdale Revels in Erfahrung bringen. Warum setzen wir uns nicht einfach und hören uns an, was unser geschätzter Direktor zu sagen hat?«
Die Luft in der Aula war stickig und schwer, der Saal zum Bersten gefüllt. Meine Vixens hatten für mich und Toni einen Platz freigehalten, natürlich in der ersten Reihe – sehen und gesehen werden. Wenigstens genossen wir in all dem Lärm und Chaos den bescheidenen Luxus von ein wenig Beinfreiheit.
Archie, Veronica und Reggie saßen ein paar Reihen hinter uns. Aus dem Augenwinkel konnte ich sehen, wie sich Betty und Jughead am Bühnenrand entlangschoben und sich auf zwei Stühle rechts neben Weatherbees Pult setzten. Die beiden waren immer so auffällig unauffällig unterwegs, selbst wenn sie überhaupt nichts Ungehöriges im Schilde führten. Aus Bettys Miene sprach schiere Bestürzung. Ich bezweifelte jedoch, dass es etwas mit der noch immer im Raum stehenden Frage der Bademoden-Runde zu tun hatte. Ich streckte den Arm aus, nahm TeeTees Hand und legte unsere gefalteten Hände auf meinen Schoß. Nachdem sich alle gesetzt hatten und das Geschnatter ringsum größtenteils zu leisem, nicht mehr störendem Gemurmel abgeflaut war, trat Direktor Weatherbee aus den Kulissen auf die Bühne und stellte sich an das direkt vor uns aufragende Pult.
»Guten Morgen«, begann er mit weicher Stimme. »Ich danke euch allen für euer Kommen.« Als sei die Teilnahme an dieser Veranstaltung nicht verpflichtend. Als brannten wir nicht darauf, mehr über diese sogenannten Revels zu erfahren.
»Inzwischen haben die meisten von euch sicher die E-Mail bezüglich der bevorstehenden Riverdale Revels gelesen, die in dieser Woche stattfinden werden. Sie beginnen heute Abend und dauern das ganze Wochenende an. Uns ist durchaus bewusst, dass diese Ankündigung sehr kurzfristig kommt, aber die Entscheidung, diese beliebte Tradition in unserer Stadt wiederaufleben zu lassen, wurde erst gestern bei unserer letzten Rathausversammlung beschlossen.«
»Direktor Weatherbee!« Es war Betty, die sich von ihrem Stuhl erhob und ihn in drängendem Ton unterbrach. »Wozu die Eile? Und könnten Sie uns erklären, warum wir von dieser Tradition, die Sie als ›beliebt‹ bezeichnen, vorher noch nie etwas gehört haben?«
Weatherbee schenkte ihr ein angespanntes Lächeln. »Ich verstehe, dass Sie Fragen haben, Miss Cooper.« Er blickte über die Menge in der Aula. »Dass ihr alle Fragen habt. Aber glücklicherweise dürfen wir heute Morgen einen Gast bei uns begrüßen, der euch liebend gern alles über die Riverdale Revels erzählen wird.« Er drehte sich zum Bühnenrand und winkte besagtem Gast zu, der hinter den Kulissen stand. »Bitte, einen herzlichen Willkommensapplaus für unsere Bürgermeisterin, Hermione Lodge.«
Ein Stück hinter mir hörte ich ein verächtliches Schnauben, das nur von Veronica stammen konnte.
Noch lauter als Veronicas Stöhnen waren jedoch die mörderischen Pfennigabsätze ihrer Mutter, die nun über die Bühne stolzierte. Ihr dichtes schwarzes Haar ergoss sich mit jeder Bewegung in perfekten Wellen über ihre Schultern.
Bürgermeisterin Lodge sah definitiv wie der Inbegriff einer seriösen Amtsträgerin aus: Ruhig und gelassen ging sie zum Bühnenrand und löste Direktor Weatherbee elegant am Rednerpult ab.
»Hallo«, begrüßte sie uns mit lauter, klarer Stimme. »Vielen Dank für die Einladung. Und danke an Direktor Weatherbee, dass er euch bereits vorab informiert hat. Und«, sie hob die Augenbrauen, als hätte sie sich gerade erst wieder an etwas erinnert, »an Evelyn Evernever für ihre Unterstützung bei der Wiederbelebung der Riverdale Revels. Evelyn war so freundlich, uns ihre Zeit zu opfern und den Veranstaltungskalender mit uns zu planen. Das eurer E-Mail angefügte Programm haben wir vor allem auch ihr zu verdanken.«
Ein ungläubiges Lachen – diesmal von Betty.
Natürlich war durchaus verständlich, dass diesem Festival alle mit einiger Skepsis begegneten – ich konnte mich kaum noch an ein Event in der jüngeren Geschichte dieser Stadt erinnern, das am Ende nicht durch ein spontanes Blutbad beschmutzt worden wäre. Aber … ich weiß auch nicht. Irgendetwas in mir sehnte sich einfach nach einem schlichten, altmodischen Fest. Es war schon viel zu lange her, dass diese Stadt wahre, unbändige Freude empfunden hatte. Ich für meinen Teil beschloss, sämtliche Bedenken in den Wind zu schlagen und mich von dieser Begeisterung mitreißen zu lassen.
»Normalerweise hätten wir eine solche Ankündigung persönlich vorgenommen statt nur per Internet. Aber in diesem Fall wurde unser Vorhaben erst gestern Abend bei der Rathausversammlung endgültig beschlossen, wie Direktor Weatherbee euch ja eben schon mitgeteilt hat. Eure Eltern haben bereits eine E-Mail aus meinem Büro erhalten, die über Einzelheiten zu den bevorstehenden Riverdale Revels informiert, einschließlich desselben Veranstaltungskalenders. Ich bin heute Morgen hier, um euch ein bisschen mehr über die Geschichte der Riverdale Revels zu erzählen, und darüber, warum wir sie nach einem Dreivierteljahrhundert wieder aufleben lassen, nachdem sie so lange in Vergessenheit geraten sind.
Wie ihr wisst, wurde unsere Stadt 1941 gegründet. Die ersten Siedler des Orts, den wir heute als Riverdale kennen, trafen jedoch schon viel früher hier ein. Obwohl wir die Traditionen in unserer Stadt schon immer sehr in Ehren gehalten haben, gibt es – ob ihr’s glaubt oder nicht – darunter doch einige, die schon vor einer ganzen Weile von unserem Radar verschwunden sind. Zu diesen Traditionen gehören auch die Riverdale Revels. Deshalb freuen wir uns umso mehr, sie nun wieder mit euch allen feiern zu können.
Als die ersten Siedler im frühen achtzehnten Jahrhundert in diese Gegend kamen, wussten sie nicht, wie urbar die Ufer des Sweetwater sein würden. Es gab für sie keine Garantie auf zukünftigen Reichtum. Die Winter – wie ihr sehr wohl wisst – waren brutal, und es bedurfte schwerer Arbeit, das Land jenseits des Fox Forest in nutzbares Farmland zu verwandeln.«
Ich unterdrückte ein Gähnen und hörte, wie einige andere der nicht sonderlich gebannten Zuhörer dasselbe taten. Ich wusste all das bereits – wir Blossoms nahmen diese Dinge mit der Muttermilch auf. Riverdale war die Familie Blossom. Die Geschichte der Stadt begann mit unserer eigenen. Aber was war mit diesen Revels? Warum hatte noch nie jemand etwas davon gehört? Es kam mir ziemlich unwahrscheinlich vor, dass noch nicht einmal meine eigene Familie wusste, was es damit auf sich hatte. Andererseits war es durchaus möglich, dass Mumsie doch Bescheid wusste und es mir nur verschwiegen hatte, aus ihren eigenen abscheulichen, unerfindlichen Gründen.
»Aber diese ersten Siedler harrten aus«, fuhr Bürgermeisterin Lodge fort. »Nach mehreren erfolgreichen Erntejahren beschlossen sie, den Reichtum und die Fülle des Landes mit einem Fest zu feiern. Sie sangen, tanzten und genossen ein Festmahl, und diese Feierlichkeiten wurden später als …«, sie legte eine dramatische Pause ein und holte tief Luft, »Riverdale Revels bekannt.«
»Extrapunkte für die Alliteration, immerhin«, flüsterte Toni mir zu. Ich drückte ihre Hand.
»Über die ersten Revels ist nicht viel bekannt. Die Aufzeichnungen darüber sind ziemlich spärlich und es sind nur wenige konkrete Einzelheiten überliefert. Was wir jedoch wissen, ist, dass die Tradition der Riverdale Revels bis zu den ersten Siedlern und damit weit vor die offizielle Gründung der Stadt zurückreicht. Außerdem dehnten sich die Feierlichkeiten im Laufe der Jahre zu einem länger andauernden Festival aus, das sich teilweise über eine ganze Woche erstreckte und mit köstlichem Essen, Konzerten und Tänzen im Rathaus begangen wurde.«
Aus dem hinteren Teil des Saals hörte ich Kevin Keller rufen: »Und mit einem Schönheitswettbewerb?« Die Hoffnung in seiner zitternden Stimme war einfach zauberhaft. Einige der anderen Schüler jubelten zur Antwort. Offensichtlich waren Kevin und ich nicht die Einzigen, die sich auf die Feierlichkeiten freuten.
Auch Bürgermeisterin Lodge schien uns da zuzustimmen. Mit einem Lächeln erwiderte sie: »Ja, und einem Schönheitswettbewerb. Er wurde erst später zu einem festen Bestandteil des Festivals. Aber ich finde, er ist wie geschaffen für die Schüler der Riverdale High. Ich bin mir sicher, dass ihr alle ganz erpicht darauf seid, mehr darüber zu erfahren.«
Kevin stimmte den nächsten aus der Menge aufbrandenden Jubel an. Ich schnipste höflich mit den Fingern Beifall, nicht gewillt, meine geliebte TeeTee loszulassen, nur um wie der Rest des Pöbels in die Hände zu klatschen.
»Im Zentrum der Feierlichkeiten stand früher der Miss-Maple-Schönheitswettbewerb. Ursprünglich handelte es sich dabei um einen traditionellen Schönheitswettbewerb, aber moderne Zeiten bringen natürlich moderne Ideale mit sich. Wir wollen unserem Miss-Maple-Wettbewerb unsere ganz persönliche Note verleihen. Wir haben die Veranstaltung daher in Royal Maple umbenannt – alle sind herzlich willkommen, daran teilzunehmen. Wir hoffen sehr, dass ihr zahlreich davon Gebrauch machen werdet.«
Das Gemurmel in der Menge wurde immer lauter. Viele Schüler begannen, mit ihren Sitznachbarn zu flüstern und erste Pläne zu schmieden.
Ich hob eine Hand.
»Ja, Cheryl?«, forderte Bürgermeisterin Lodge mich auf.
»Frau Bürgermeisterin, laut der E-Mail beginnen die Revels bereits heute Abend. Und der Wettbewerb wird am Samstag stattfinden – an diesem Samstag?«
Sie nickte kühl. »Korrekt. Heute Abend ist unsere große Eröffnungsveranstaltung, inklusive der Öffnung der Jubiläumszeitkapsel.«
Ich wedelte mit der Hand, noch immer auf meine eigene Frage konzentriert. »Das erscheint mir kaum genügend Zeit, um uns perfekt auf unsere Auftritte vorzubereiten. Und die passende Abendkleidung zu finden!«, protestierte ich.
Ringsum war ein zustimmendes Raunen zu hören.
Bürgermeisterin Lodge lächelte. »Ich verstehe deine Bedenken, Cheryl. Aber ich habe keinerlei Zweifel daran, dass vor allem du in der Lage sein wirst, in der entsprechenden Zeit etwas Unnachahmliches aus dem sprichwörtlichen Hut zu zaubern.«
»Wozu die Eile?«, rief Veronica hinter mir herausfordernd. »Das Stadtjubiläum ist doch ohnehin längst vorbei. Bisher hat die Zeitkapsel niemand erwähnt. Ich muss sagen, es kommt mir ein bisschen seltsam vor, dass wir alle erst so kurzfristig davon erfahren. Seltsam, und vielleicht sogar ein wenig … verdächtig.«
Die Bürgermeisterin holte tief Luft und schien gut über ihre Antwort nachzudenken. »Nun, Veronica, ich schätze, da hast du nicht ganz unrecht. 1941, bei der offiziellen Gründung unserer Stadt, versiegelte der Stadtrat eine Zeitkapsel, mit der Absicht, sie während der Feierlichkeiten zum fünfundsiebzigjährigen Jubiläum wieder zu öffnen. Dies geschah zu Ehren der bisher letzten Riverdale Revels.«
»Sie haben das alljährliche Festival einfach abgesägt?«, platzte Betty heraus, sah erst Jughead an und dann Veronica.
Bürgermeisterin Lodge strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr. »Sie haben sich weiterentwickelt«, antwortete sie entschlossen. »Mit den Revels wurde an harschere, strengere Zeiten erinnert. Doch da die Stadt, so die allgemeine Annahme, lebendigeren und weniger ungewissen Zeiten entgegensah, hielten sie die Zeitkapsel für ein angemessenes Andenken. Schon wenig später nahmen andere Traditionen den Platz der Revels ein. Unser mitternächtliches Pfannkuchenfrühstück, zum Beispiel.«
Ich erhob mich. Mir reichte es. »Und wer kann so einem heißen Ding direkt aus Pfanne schon widerstehen, hab ich recht? Aber mal ehrlich, meine lieben Mitschüler: Ich finde, wir sollten das Verhör an dieser Stelle beenden. Dieses Festival ist ein Geschenk – und wir sollten es dankbar annehmen.«
Rundum brandete erneut Jubel auf. Meine unnachgiebige, ach so brave Cousine und ihre Gang, die allesamt aussahen, als seien sie beim letzten Teenie-Film-Casting einstimmig abgelehnt worden, waren mit ihren Zweifeln und despektierlichen Andeutungen eindeutig in der Minderheit. Der Rest von uns Bulldogs war bereit, ausgelassen zu feiern.
Bürgermeisterin Lodge bat uns mit einer Geste, zur Ruhe zu kommen. Langsam breitete sich wieder Stille im Saal aus. »Eigentlich sollte die Zeitkapsel, wie bereits erwähnt, bei der 75. Jubiläumsfeier geöffnet werden. Aber, nun …« Sie unterbrach sich für einen Moment und schien über etwas nachzudenken.
Dann blickte sie mit entschlossener Miene wieder in die Menge. »Es ist kein Geheimnis, dass Riverdale rund um das Stadtjubiläum einige … turbulente Wochen erlebt hat. Damals wurde daher beschlossen, dass es nicht der richtige Zeitpunkt für die Öffnung der Kapsel war.«
»Interessante Verwendung des Passivs, oder?«, bemerkte Toni. Ich knuffte sie mit dem Ellenbogen in die Seite.
»Aber seither sind die …«, sie schien nach der richtigen Formulierung zu suchen, »Herausforderungen, denen sich unsere Stadt stellen musste, auch nicht geringer geworden.«
»Äh, Untertreibung«, rief jemand dazwischen. Gelächter brandete auf, aber es wirkte angespannt.
»Es gibt vieles, was uns Sorgen oder sogar Angst machen könnte«, fuhr die Bürgermeisterin mit ruhiger Stimme fort. »Deshalb waren wir uns im Rathaus einig: Was könnte es für einen besseren Zeitpunkt geben, einen Moment lang innezuhalten und sich wieder daran zu erinnern, was Riverdale zu einem so besonderen Ort macht? Wir haben es verpasst, dem Wunsch der Gründer unserer Stadt zu entsprechen, und es versäumt, diesen speziellen Meilenstein in unserer Geschichte zu erreichen. Aber jetzt setzen wir unseren eigenen Meilenstein. Dies ist der richtige Zeitpunkt, um die Revels nach Riverdale zurückzubringen.«
»Ich kann Ihnen da nur zustimmen, Bürgermeisterin Lodge«, sagte Direktor Weatherbee, gesellte sich zu ihr und übernahm geschickt das Rednerpult wieder. »Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, zu uns zu kommen und mit unseren Schülern zu sprechen. Also, liebe Schüler, zeigen wir unserer Bürgermeisterin, wie dankbar wir ihr sind, ja?«
Pflichtschuldig applaudierten wir.
»In der Mittagspause werden vor der Cafeteria Tische aufgestellt, an denen ihr euch für den Schönheitswettbewerb anmelden könnt«, fuhr Direktor Weatherbee fort. »Außerdem findet ihr dort Informationen zu anderen Veranstaltungen sowie Formulare für freiwillige Helfer. Außerdem steht auch alles in dem Willkommensschreiben, das euch heute Morgen zugegangen ist. Wir hoffen, dass ihr alle die Revels mit euren vielfältigen Talenten bereichern werdet.«
»Und falls ihr euch heute nicht an einem der Tische anmelden könnt, aber trotzdem an dem Wettbewerb teilnehmen wollt, dann kommt einfach zu mir!«, Evelyn Evernever sprang von ihrem Platz in der ersten Reihe auf. Ihre Stimme dröhnte förmlich vor Energie. Zumindest gab es eine Schülerin, bei der sich Bürgermeisterin Lodge keine Sorgen machen musste, ob sie sich wirklich für diese Feierlichkeiten begeistern würde.
Die Veranstaltung neigte sich dem Ende zu. Ich drehte mich wieder zu TeeTee um. »Du hast diesen Ausdruck in den Augen«, sagte sie und durchschaute mich wieder einmal völlig. »Den kenne ich doch.«
»Wer, ich?« Ich zwinkerte ihr zu. »Ich freue mich einfach nur auf die Revels.«
»Willst du wirklich so unbedingt, dass ich an diesem Wettbewerb teilnehme, dass du tatsächlich bereit bist, selbst darauf zu verzichten?«
Ich errötete. »Ehrlich, Antoinette, bin ich so durchschaubar?«
»Na schön«, seufzte sie. »Ich mach’s. Du kannst … ich weiß auch nicht, mich coachen oder meine Mentorin sein oder wie immer man es auch nennt, wenn man jemanden in die ›hohe Kunst der Schönheitswettbewerbe‹ einführt. Vorausgesetzt, du drehst deswegen nicht komplett durch.«
Ich kreischte begeistert. »Oh, merveilleux! Das wird fantastisch! Und außerdem wird es sich hervorragend auf deiner Collegebewerbung machen, wenn du als Siegerin hervorgehst.« Ich konnte es bereits vor mir sehen: meine Liebste auf der Bühne, strahlend mit ihrer Krone und diesem göttlichen Lächeln. »Ich ergreife liebend gern jede Gelegenheit zur Opulenz, die sich mir bietet. Ich verspreche dir, dass ich dich wie in einer modernen, sapphischen Version von Pygmalion formen werde.«
»Siehst du, genau das meine ich: Du drehst jetzt schon komplett durch. Ich bin zwar für alles offen, aber ich bin nicht Eliza Doolittle. Für niemanden.«
»Natürlich bist du das nicht«, erwiderte ich und küsste sie. »Aber du bist meine Fair Lady.«