Alexander Newskij – der Schutzheilige von St. Petersburg
Ostereier für die Zarin
Deutsche in St. Petersburg
Katz und Maus im Palast
Anna Achmatowa (1889–1966)
Joseph Brodsky (1940–1996)
Der Turm der Intelligenzija
Fjodor Michailowitsch Dostojewskij (1821–1881)
Rasputin diniert bei Jussupow
Leblonds Masterplan
Aufstieg und Fall des Alexander Menschikow
Ohrenbetäubend
Die Beichte des Anarchisten
Das Bernsteinzimmer – eine deutsch-russische Geschichte
Warum man bei „woksal“ Bahnhof versteht …
Der Kronstädter Aufstand
Ilja Repin (1844–1930)
Ikonen
Kaviar (икра)
Wodka – eine politische Biographie
Wie der Tee nach Russland kam
Kwas – leicht gemacht
Geschichte der St. Petersburger Metro
„Boat Trip“
Wenn die Newa-Brücken hochgehen …
Klimadaten von St. Petersburg
Kartenverzeichnis
Tour 1: Newskij-Prospekt
Tour 2: Zwischen Erlöserkirche und Eremitage
Tour 3: Auf dem Weg zum Smolnyj
Tour 4: In Dostojewskijs Revier
Tour 5: Vom Sennaja-Platz zum Ehernen Reiter
Tour 6: Wassiljewskij-Insel
Tour 7: Petrograder Insel
Die Inseln Krestowskij, Jelagin und Kamennyj
Puschkin (Zarskoje Selo)
Übernachten in St. Petersburg
Eremitage
Peter-Paul-Festung
Peterhof Unterer Garten
Die Dynastie der Romanows
Zeichenerklärung
St. Petersburg
Metro
Unterwegs mit Marcus X. Schmid
Geboren und aufgewachsen in der Schweiz, im nicht sehr aufregenden Mittelland zwischen Zürich und Bern. Der fehlende Blick aufs Matterhorn oder in die Sonnenstube Tessin hat seine spätere Reisetätigkeit erheblich begünstigt. Studium in Basel, in Erlangen und im damaligen Westberlin, dortselbst die akademischen Weihen in Germanistik, Komparatistik und Politologie empfangen. Lebt und arbeitet freiberuflich als Autor und Übersetzer in der französischsprachigen Schweiz.
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
wie alle Touristen stehe ich am ersten Tag meines Besuchs auf dem Newskij-Prospekt. Der „Newskij“ ist die Hauptader von St. Petersburg, hier kann ich den Puls der Stadt am besten fühlen. Was hat sich verändert seit dem letzten Mal? Die Marschrutkas mit ihren K-Nummern, diese „Sammeltaxis“, verstopfen den Newskij nicht mehr, sie wurden offenbar aus dem Zentrum verbannt. Statt atemberaubend hoher Stöckelschuhe, denen jeder Ausländer, aber kein Russe hinterherschaut, tragen russische Schönheiten zunehmend Trash Look. Was geblieben ist: die Sandwich-Männer und Frauen, die stumm auf ein Restaurant, einen Boat-Trip oder ein Konzert aufmerksam machen, die Babuschkas, die einen dünnen Blumenstrauß feilbieten.
Und was ist aus den Großbaustellen der Stadt geworden? Das Fußballstadion wurde rechtzeitig zur Weltmeisterschaft 2018 fertig, die Insel Neu-Holland ist keine Baustelle mehr, sondern zur Flanierzone geworden, und im Norden ragt der neue Gazprom-Tower, vom schnellen Volksmund „Maiskolben“ genannt, in den Himmel. St. Petersburg verändert sich derzeit rasant, dem auf den Fersen zu bleiben, ist meine Aufgabe. Sicher hat sich auch die Gastro-Szene verändert, denke ich, auch das will recherchiert sein. Also an die Arbeit: Erst einmal gut russisch essen gehen ...
Orientiert in St. Petersburg
Stadt und Stadtviertel
Die nördlichste Millionenstadt der Welt ist eine junge, planmäßig entstandene Stadt. Gebaut wurde das „Venedig des Nordens“, wie St. Petersburg wegen seiner vielen Kanäle und Brücken genannt wird, auf dem einst sumpfigen Gelände des Newa-Deltas. Eine Stadt ohne verwinkelte Gassen - der Besucher findet sich ohne Probleme zurecht.
Gegründet: 1703
Namen: 1703-1914 St. Petersburg, 1914-24 Petrograd, 1924-91 Leningrad, 1991 erneut St. Petersburg
Fläche: ca. 1400 km2
Einwohner: ca. 5,4 Millionen, damit die zweitgrößte Stadt Russlands
„Große Seite“ - die Festlandseite
Die von Kanälen durchzogene Festlandseite ist das Zentrum der Stadt. Hauptader ist der Newskij-Prospekt mit seinen Prunkbauten, der sich bis zur Newa zieht, wo - architektonischer Fluchtpunkt des Prospekts - die goldene Spitze der Admiralität in den Himmel ragt.
Hier auf dem „Newskij“ kommt alles zusammen: auf Stiletten stöckelnde Schönheiten, Geschäftsleute mit dem Smartphone am Ohr, Jugendliche mit Bierdose in der Hand, kamerabehangene Touristen. Auf die zentrale Prachtstraße und ihre Seitenstraßen kommt man, ob man will oder nicht, immer wieder zurück, weil man in der Regel hier seine Unterkunft hat, weil man hier die meisten Restaurants findet, weil hier auch nachts viel los ist.
Am unteren Ende des Newskij steht die wegen ihrer riesigen Kunstsammlung legendäre Eremitage. Der Palast ist, zusammen mit dem Schlossplatz, dem größten Platz der Stadt, Petersburgs Fotomotiv Nummer eins.
Doch auch abseits des Newskij gibt es auf der „Großen Seite“ viel zu sehen. Im eher plebejischen Viertel um dieWladimirkirche kann man anhand der genauen Angaben in Dostojewskijs „Verbrechen und Strafe“ auf den Spuren des nihilistischen Mörders Raskolnikoff wandeln, die Rubinsteinstraße, im selben Viertel gelegen, profiliert sich in jüngster Zeit als Kneipenmeile mit vegetarischer bis zur fleischreichen kubanischen Küche. Im Viertel um dieIsaakskathedrale wiederum lebten in Zarenzeiten die begüterten Geschlechter. Der Palast der schwerreichen Jussupows gehört heute zu den viel besuchten touristischen Attraktionen. Bescheidener ist die einstige Residenz der Nabokows, wo im Erdgeschoss ein kleines Museum an Vladimir Nabokov erinnert, der hier seine Jugend verbrachte und später im amerikanischen Exil mit seinem Roman „Lolita“ Furore machte.
Wassiljewskij-Insel
Die Wassiljewskij-Insel ist durch die Bolschaja Newa (Große Newa) von der Großen Seite getrennt. Peter I. hatte sie ursprünglich als Zentrum und Regierungssitz der neuen Hauptstadt vorgesehen. Später änderte er seine Pläne, machte die Insel aber immerhin zum Standort der Akademie der Wissenschaft und gründete darüber hinaus hier mit der „Kunstkamera“ das erste Museum Russlands.
Heute ist die Insel vor allem am Newa-Ufer ein Blickfang. Am östlichen Ende, der sogenannten Strelka, stehen die auffälligen Rostra-Säulen, Symbol für die Herrschaft über das Meer. Von den imposanten Gebäuden am Quai ist die Kunstkamera ein Publikumsrenner; sie beherbergt das Kuriositätenkabinett von Peter I., der für seine Sammlung in ganz Europa Beispiele menschlicher und tierischer Missbildungen zusammensuchte.
Petrograder Insel
Von verschiedenen Armen der Newa umspült, ist die Petrograder Insel mit ihren stattlichen Wohnhäusern heute ein beliebter Wohnbezirk mit einem regen Leben, das sich entlang der beiden Hauptachsen abspielt. Ausländer flanieren gelegentlich im Alexandergarten, machen vielleicht noch einen Spaziergang zur legendären Aurora, dem Panzerkreuzer, der einst den Startschuss zur Stürmung des Winterpalasts gab. Massen von Touristen hingegen sieht man auf der vorgelagerten Haseninsel, auf der die Peter-Paul-Festung steht: Die Kathedrale mit den Gräbern der Romanow-Zaren sowie die Trubezkoj-Bastion, Gefängnis der politischen Gegner der Romanows, sind hier die Hauptattraktionen. Die Einheimischen kennen sie längst und nehmen am Strand vor der Festung ein Sonnenbad.
Inseln zur Erholung
Die Inseln Krestowskij, Jelagin und Kamennyj, im Nordwesten der Petrograder Insel gelegen und mit dieser und untereinander mit Brücken verbunden, werden von Fremden nur selten aufgesucht. Die drei Inseln bieten viel Grün und Erholung vom Stadtlärm. An der westlichen Spitze der Krestowskij-Insel wurde, noch rechtzeitig zur Fußball-WM 2018, ein neues Stadion fertiggestellt. Am ruhigsten ist die Jelagin-Insel, einst Erholungsort für die Zarenfamilie, heute ein gepflegter Park und Paradies für Radfahrer, Jogger, Skater und Spaziergänger ohne Hunde. Letztere haben ebenso wenig Zutritt auf die Insel wie Autos. Auf der Kamennyj-Insel wiederum sichtet der Spaziergänger versteckte Datschen, auf dem zentralen Kanal paddeln Kanuten.
„Sich in einer Stadt nicht zurechtfinden heißt nicht viel. In einer Stadt sich aber zu verirren, wie man in einem Walde sich verirrt, braucht Schulung.“
Walter Benjamin, Berliner Kindheit um Neunzehnhundert
Sightseeing-Klassiker
Wer in St. Petersburg war, ohne die Eremitage besucht zu haben, war nicht in St. Petersburg. Es gibt offenbar so etwas wie ein touristisches Pflichtprogramm. Was da hineingehört, sieht man, wenn man auflistet, welche „Highlights“ die klassischen Reiseveranstalter für einen Aufenthalt von zwei Tagen vorschlagen.
Unter dem Schutz der UNESCO
St. Petersburgs historisches Zentrum mit seiner einzigartigen Architektur ist seit 1990 UNESCO-Weltkulturerbe. Das heißt nicht, dass in der Stadt die Uhren stehengeblieben sind. Moderne Architektur aus Glas und Beton ist kein Problem, wenn sie sich einfügt - die historischen Gebäude überragen darf sie nicht.
Museen
♦ Eremitage: Die von Zarin Katharina II. Mitte des 19. Jahrhunderts gegründete Kunstsammlung hat sich heute zu einem der weltweit größten Museen ausgewachsen. Doch sind die rund 60.000 Werke, die hier ausgestellt sind, kaum mehr als zwei Prozent dessen, was die Eremitage besitzt. Selbst wer für den Besuch der Eremitage einen ganzen Tag einplant, muss vorab überlegen, welche Abteilungen er sehen und welche er auslassen will.
♦ Russisches Museum: Bei Einheimischen ist das Museum, das der russischen Kunst von der alten Ikonenmalerei bis zur Revolution 1917 gewidmet ist, fast so beliebt wie die Eremitage. Einen besonderen Platz nimmt Ilja Repin ein, der bedeutendste Vertreter des russischen Realismus, der einst gegen den akademischen Betrieb in der altehrwürdigen Akademie der Künste rebellierte und heute zu den „Klassikern“ gehört.
Paläste
♦ Jussupow-Palast: Nach dem Winterpalast, der heute von der Eremitage in Beschlag genommen ist, der prunkvollste Palast der Stadt. Die Gemäldesammlung der steinreichen Jussupows fand den Weg in die Eremitage. Geblieben sind zahlreiche Prunksäle und ein hauseigenes Theater, ein wahres Schmuckstück. Zum Schluss des Besuchs ab in den Keller: Dort wird in einer etwas makabren Installation Rasputin - Wanderprediger und Wüstling - ermordet.
♦ Katharinenpalast: Der 300 Meter lange Palast in Blau und Weiß ist ein Meisterstück des russischen Barocks. Im Inneren beherbergt er eine der größten Touristenattraktionen, das legendäre Bernsteinzimmer. Das Original ist zwar seit dem Zweiten Weltkrieg verschollen, die 2003 eingeweihte Kopie überzeugt aber. Auch der Spaziergang durch den Katharinenpark ist lohnenswert: eine ruhige Anlage mit Teichen und wunderbar verspielten, bizarren architektonischen Einsprengseln.
Kathedralen/Kirchen
♦ Isaakskathedrale: Als Gotteshaus dient die Kathedrale mit der wuchtigen Kuppel, für die 100 Kilo pures Gold verwendet wurden, heute nur noch bei besonderen Anlässen. Im Inneren ist eine gute Dokumentation über ihre Baugeschichte zu sehen. Aufregender ist der Rundblick, den man oben vom Säulengang aus genießt. Trotzdem: Wir ziehen das Panorama von den Türmen der Smolnij-Kathedrale vor.
♦ Erlöserkirche: Die Kirche mit den farbigen Zwiebelkuppeln erinnert stark an die Moskauer Basiliuskathedrale. So schön die Erlöserkirche auch ist, sie bleibt ein architektonischer Fremdkörper in der Stadt, der neo-altrussische Stil passt nicht nach St. Petersburg. Im Inneren ist die Kirche vollständig mit feinen Mosaiken ausgekleidet, weshalb sie offiziell als „Mosaikenmuseum“ geführt wird.
Gärten
♦ Sommergarten: Die Gründung des Sommergartens geht auf Peter den Großen zurück, der auch das Wohl der Hauptstadtbewohner im Sinn hatte und nebenbei für sich selber einen bescheidenen Sommerpalast in den Garten stellte. Katharina die Große gestaltete die Anlage neu - ungefähr so, wie sie sich heute präsentiert. Seit einer letzten Überarbeitung 2012 können sich die Besucher wieder zwischen den über 200 italienischen Statuen (Kopien) und wunderbaren Springbrunnen ergehen.
♦ Peterhof: Zum Palast Peters des Großen am Finnischen Meerbusen gehören zwei Gartenanlagen. Die untere mit ihren vielen Kaskaden, Springbrunnen und Scherzfontänen stellt selbst ihr Versailler Pendant in den Schatten. Spektakulär ist die „Große Kaskade“, eine hydraulisch exakt durchkomponierte Symphonie aus weißem Marmor und goldenen Figuren, zwischen denen das silberne Wasser in die Höhe schießt.
Festungsanlagen
♦ Peter-Paul-Festung: Die beeindruckende Festung auf der „Haseninsel“ steht am Anfang der Stadtgeschichte; weit sichtbar ragt die von einem Engel gekrönte goldene Spitze der Peter-Paul-Kathedrale in den Petersburger Himmel. Im Inneren der Kathedrale ruhen die Überreste der Romanows, von Stadtgründer Peter I. bis Nikolaus II., dem letzten Zaren.
Sightseeing-Alternativen
Die „Klassiker“ sind Pflicht, die „Alternativen“ sind Kür. Aus den über hundert Museen der Stadt wird der Historiker das Museum der politischen Geschichte heraussuchen, der Psychoanalytiker das Freud-Museum, der Spieler das Spielautomaten-Museum. Die folgenden Kür-Vorschläge sind insofern nicht frei von einer gewissen Willkür.
Im Untergrund
Da das Newa-Delta stark vermoort ist, musste für den Bau der Petersburger Metro bis zu hundert Meter in die Tiefe gegraben werden. Die ersten acht Bahnhöfe, für die viel Marmor herbeigeschafft wurde, stammen aus den 1950er Jahren: sozialistische Monumentalarchitektur, vom frechen Volksmund als „Paläste des Volks“ verspottet. Sie sind einen Abstecher in den Untergrund wert.
Wohnhaus-Museen
♦ Anna-Achmatowa-Museum: Die Grande Dame der russischen Poesie wohnte von 1924 bis zu ihrer Evakuierung während der Leningrad-Blockade 1941 im bescheidenen „Fontänenhaus“. Das Museum dokumentiert, in welch beengten Verhältnissen die von Stalin als „Hure und Nonne“ beschimpfte Dichterin wohnte (zusammen mit ihrem dritten Mann, dessen Ex-Frau und deren gemeinsamer Tochter) und arbeitete.
♦ Schaljapin-Museum: Die geräumige Wohnung, in der Fjodor Schaljapin, dessen Bassstimme die berühmtesten Opernhäuser der Welt begeisterte, von 1914 bis 1921 lebte, ist ein Juwel unter den Petersburger Wohnhaus-Museen. Das Museum zeigt, mit welcher Akribie der Sänger sich in seine Rollen einarbeitete. Zum Abschluss eine akustische Kostprobe im hauseigenen Theatersaal.
♦ Repin-Museum:Ilja Repin (1844-1930), der berühmteste Vertreter der russischen realistischen Malerei, verbrachte die letzten 30 Jahre seines Lebens im finnischen Örtchen Kuokkala, das zehn Jahre nach seinem Tod als Folge des finnisch-russischen Winterkriegs an die Sowjetunion fiel und zu Ehren des Malers in Repino umbenannt wurde. Repins Wohnhaus überrascht den Besucher erst durch seine karnevaleske Architektur, dann durch zahlreiche Skurrilitäten im Inneren, die den Maler als Exzentriker ausweisen.
Gotteshäuser
♦ Alexander-Newskij-Kloster: Ein Ort der Stille. Das älteste Kloster der Stadt, von Domenico Trezzini, dem Hausarchitekten Peters des Großen entworfen, wird seit dem Zerfall der Sowjetunion wieder von der Russisch-Orthodoxen Kirche genutzt, Besucher sind angehalten, sich entsprechend diskret zu verhalten. Noch bevor man den Klosterbezirk betritt, sieht man links und rechts des Wegs die berühmtesten Friedhöfe der Stadt, den Lazarus-Friedhof und den Tichwiner Friedhof. Auf letzterem sind Dostojewskij, Mussorgskij und Tschaikowskij begraben.
♦ Smolnyj-Kloster: Die in einer Schlaufe der Newa gelegene Klosteranlage ist ein Musterbeispiel des russischen Barocks und wurde von Bartolomeo Rastrelli zur gleichen Zeit wie der Winterpalast gebaut. Religiösen Zwecken diente das Kloster nur kurz. Heute kommen Besucher hierher, um ein schönes Foto zu schießen und dann auf einen der beiden Türme zu steigen: Der Panoramablick über die Dächer der Stadt ist einmalig und stellt jenen der Isaakskathedrale in den Schatten.
Denkmäler
♦ Eherner Reiter: Irgendein posierendes Hochzeitspaar kriegt man bestimmt ins Bild, der Eherne Reiter ist nicht allein zu haben. Die berühmte Bronzestatue ist die verdichtete Symbolik der Geschichte der Stadt: Katharina die Große ehrt Peter den Großen. Der Stadtgründer weist auf dem sich aufbäumenden Pferd auf das Delta der Newa: Hier wird die Stadt gebaut. Wer sich dem Zaren in den Weg stellt, wird zertreten wie die Schlange unter dem Huf des Rosses.
♦ Gedenkstätte der heldenhaften Verteidiger Leningrads: Das 1975 eingeweihte Memorial für die rund 800.000 Menschen, die vom September 1941 bis Januar 1944 in der von der deutschen Wehrmacht eingeschlossenen Stadt ihr Leben ließen, ist beeindruckend. Über die offene Vorhalle, die mit ihrer Architektur die Blockade symbolisiert, gelangt man in die von 900 Kerzen nur schwach beleuchtete unterirdische Gedenkhalle.
Kaufhaus/Markt
♦ Gostinyj Dwor: Das unter Katharina II. gebaute Kaufhaus ist das älteste ganz Russlands und wird, was seine Größe anbelangt, in Russland nur noch vom Moskauer GUM übertroffen. Knapp ein Kilometer lang ist der Umlauf unter den Arkaden des Gebäudes. Im Erdgeschoss reiht sich Geschäft an Geschäft: Juwelen, Schreibwaren, Schuhe, Kleider ... Man kann innen von einem Geschäft direkt ins nächste schlendern - oder draußen unter den Arkaden flanieren und mit den Augen shoppen.
♦ Apraksin Dwor: Die Geschichte dieses offenen Markts geht wie die des nahen Gostinyj Dwor auf Katharina II. zurück. Seit einigen Jahren ist ein Abriss im Gespräch und in Teilen auch vollzogen. Aber noch wird hier gefeilscht: Stoffe, Kleider, viel Ramsch und gefälschte Markenartikel - die Händler stammen meist aus dem Kaukasus. Der Apraksin Dwor ist ein höchst lebendiger Markt, hat aber nicht den besten Ruf. Vor Taschendieben wird gewarnt.
Essen gehen
Das Angebot ist groß, die Speisekarte nicht selten ein Buch mit den Kapiteln kalte Vorspeisen, warme Vorspeisen, Suppen, Salate, Fisch, Fleisch, Desserts - ganz zu schweigen vom Getränkeangebot, das stets auch Wodkas und Biere auflistet. Am besten, man bestellt sich erst einmal 50 Gramm Wodka und macht sich damit ans Studium.
Ausführliches zur russischen Küche siehe hier
Restaurants in den Stadtvierteln finden Sie am Ende der Stadttouren
Alle Restaurants kompakt und auf einen Blick siehe hier
Tipps zum Entziffern russischer Speisekarten siehe hier
Küchenvielfalt
Die russische Küche ist vielfältig, auch Vegetarier kommen auf ihre Kosten. Zusätzlich findet man in der Stadt zahlreiche andere Küchen: chinesische, italienische („Mama Roma“ mit vielen Ablegern), französische (meist teuer), und in neuester Zeit schießen Sushi-Bars wie Pilze aus dem Petersburger Boden. Bei Einheimischen sehr beliebt sind Restaurants mit Spezialitäten aus Georgien, Aserbaidschan und Armenien und den dort wachsenden Weinen.
Küchenrussisch
Lokale, die sich an den Tourismus gewöhnt haben, haben meist auch eine englischsprachige Speisekarte. In kleineren Gaststätten spricht vielleicht ein Kellner ein paar Brocken Englisch, sonst ist man auf Russischkenntnisse oder mimische Fähigkeiten angewiesen.
Restaurants (ресторан), Cafés (кафе)
Das klassische Speiselokal ist das Restaurant. Einen Tisch vorab zu reservieren, erweist sich oft als sinnvoll. Wer nicht reserviert hat, lässt sich vom Personal einen Tisch zuweisen oder macht das Personal mit einer sachten Geste auf seine Anwesenheit aufmerksam. Eine ebenso gute Verpflegungsmöglichkeit sind oft auch die Cafés, von denen sich etliche geradeso gut Restaurant nennen könnten. Einige kleinere Cafés bieten mittags einen billigen Business-Lunch an (бизнес ленч), der aus drei Gängen (keine große Auswahl) besteht und schnell serviert wird.
Self-Service-Restaurants,Stolowaja (cтоловая)
Die Atmosphäre ist nüchtern, Plastiktische sind die Regel. Insoweit sind russische Self-Service-Restaurants vergleichbar mit Fast-Food-Küchen im Westen, zeigen aber ein wesentlich größeres Angebot als diese. Zu den Self-Service-Restaurants gehört auch die Stolowaja, manchmal nur eine Art Kantine.
Teremok (Теремок)
Das Wort bedeutet so viel wie „Turmhäuschen“. In St. Petersburg steht der Name für eine Kette von Buden, die Bliny (das russische Pendant zur bretonischen Crêpe) mit allen denkbaren Füllungen anbieten. Sie sind eine preiswerte, ideale Schnellverpflegung für den Spaziergänger.
Bars (бар)
Hier wird getrunken, in erster Linie Shots, Longdrinks und Bier. Gelegentlich gibt’s auch ein Häppchen zu essen. Teurer ist in der Regel die Bar im Luxushotel, die Krone gebührt der Kaviar-Bar des Grand Hôtel Europe am Newskij-Prospekt.
Vom Aussterben bedroht
Nur noch selten trifft man auf diese Verköstigungs-Einrichtungen:
Tscheburetschnaja (чебуречная) - der Name leitet sich von tscheburek (mit Fleisch gefüllte Teigtaschen) ab, die dort angeboten werden.
Pischetschnaja (пышечная) - kleines Lokal, in dem pischki, eine Art (süßer) Krapfen aus Hefeteig, serviert werden. Dazu wird Kaffee getrunken.
5 Tipps für 5 Abende
♦ Mamaliga: Geräumig und doch stets voll, kaukasische Küche. Im Angebot sind Suppen, Eintöpfe, Salate, Chatschapuri (überbackenes Käsebrot) und, und, und - die Karte ist endlos.
♦ Korjuschka: Die Lage mit Blick auf die Eremitage und die Strelka ist unschlagbar. Gerichte quer durch die russische Küche. Im April/Mai kommt auch der namengebende Korjuschka auf den Tisch, ein kleiner Fisch aus dem Finnischen Meerbusen.
♦ Mickey & Monkeys: Großes, helles Lokal in der 1. Etage. Preiswerte 2- oder 3gängige Mittagsmenus (Salate, Suppe und Hauptgang zur Auswahl), die allerdings nur in Russisch auf der Karte stehen. Sonst à la carte (in English). Viel jugendliches Publikum.
♦ Mari Vanna: Der Gast fühlt sich in eine riesige russische Wohnstube aus der Nachkriegszeit versetzt. Die Küche ist durch und durch russisch: Borschtsch, hausgemachte Pelmeni, Schweinefleischspezialitäten. Eine hauseigene Spezialität ist der Meerrettich-Wodka, den man zum Abschied auch käuflich erwerben kann.
Ausgehen
Das Nachtleben in St. Petersburg braucht den Vergleich mit westeuropäischen Metropolen nicht zu scheuen. Discos und Clubs haben bis in den Morgen geöffnet. Besonders an Wochenenden während der Weißen Nächte, wenn die kaum untergegangene Sonne schon wieder aufgeht, sind die stets lauten Lokale oft brechend voll.
Mehr Clubs, Discos und Bars im Kapitel Nachtleben.
Newskij-Prospekt
Die zentrale Ader der Stadt pulsiert nicht nur tagsüber, sondern auch nachts. Gruppen von Jugendlichen - oft mit einer Bierdose in der Hand - schlendern über den Newskij und durch seine Seitenstraßen, konsultieren ihr Smartphone, um zu erfahren, wer gerade wo ist und wo was abgeht. Paare - die Dame oft mit einem geschenkten Blumenstrauß, den sie dann den ganzen Abend mit sich herumtragen muss - suchen eines der zahllosen Restaurants oder Cafés, Touristen buchen nicht selten einen nächtlichen Boat Trip durch die Kanäle der Stadt, um die berühmten Paläste in ihrer Illumination zu bewundern. Meist erst nach Mitternacht blüht das Leben in den Clubs und Discos auf, am heißesten und am lautesten geht es in der Ecke Dumskaja uliza/Lomonossowa uliza zu, wo trotz der homophoben staatlichen Politik die einheimische LGBT-Community mit der Central Station ein Refugium hat. Einige Clubs verlangen einen bescheidenen Eintritt, für Frauen weniger als für Männer, andere beschränken sich auf eine Gesichtskontrolle, die der Ausländer in der Regel problemlos besteht. Einzig zu den Nightclubs („adult pleasure“), die einsamen Männern erotischen Kitzel versprechen, ist der Eintritt hoch.
Die Quais der Newa
Vor allem in den Weißen Nächten, von Anfang Juni bis Mitte Juli, wenn die Sonne, kaum untergegangen, schon wieder aufgeht und die Temperaturen menschenfreundlich sind, flanieren die Petersburger gern an den Quais der Newa, am liebsten zwischen dem Winterpalast und dem berühmten Denkmal des Ehernen Reiters oder am Ufer der gegenüberliegenden Wassiljewskij-Insel, wo nachts die Ostspitze, die Strelka, mit ihrem angestrahlten Springbrunnen das optische Zentrum ist.
Spektakulär wird’s nach ein Uhr früh, dann gehen die ersten von insgesamt 13 Brücken der Stadt hoch. Zwischen der Schlossbrücke und der Blagoweschtschenski-Brücke strömen die Massen zusammen, Touristen zücken die Kamera und posieren für ein Selfie mit dem Hintergrund der beleuchteten, sich öffnenden Brücke. Ragt die Brücke dann zweigeteilt senkrecht in den Himmel, setzt sich eine schier endlose Karawane schwerer Schiffe mit dem Ziel Finnischer Meerbusen in Bewegung. Aufgepasst: Bevor die Brücken hochgehen, sich vergewissern, dass man auf der richtigen Flussseite steht, sonst kann der Nachhauseweg umständlich werden.
Wassiljewskij-Insel
Auch die Wassiljewskij-Insel hat ihre abendliche Ausgehmeile, selbst wenn sich diese auf das kurze Stück Fußgängerzone der 6./7. Linie zwischen der Metrostation Wassileostrowskaja und dem Bolschoi-Prospekt beschränkt. Touristen sind selten hier, meist sind es Inselbewohner, die zwischen Cafés und Schnellimbissen flanieren und einen Tisch im Freien suchen: sehen und gesehen werden.
5 Tipps für 5 Abende
♦ Zoom: Das Café ist seit Jahren ein Renner beim studentischen Publikum. Tagsüber sieht man Schachspieler, Zeitungsleser, Laptop-Arbeiter oder einfach Leute, die sich zu einem Bier treffen. Ab 19 Uhr ist in der Regel kein Platz mehr zu bekommen. Reservierung geboten, dann kann man hier bis weit in Nacht essen und zechen.
♦ Fidel: Ob’s dem Máximo Líder hier gefallen hätte, weiß man nicht. Jedenfalls wäre der Namensgeber des Clubs besser nicht vor Mitternacht gekommen, denn bis dahin ist im Fidel absolut nichts los, erst gegen 2 Uhr kommt der Laden in Schwung. Dann aber richtig. Wechselnde DJs legen Rock und Techno auf.
♦ Money Honey: Der Club am Rand des seit Jahren vom Abriss bedrohten Apraksin-Markts ist vor allem bei russischen Studentinnen und Studenten beliebt, die hier auf zwei Etagen zu Rockklängen, live oder vom DJ gesteuert durch die Nacht tanzen.
♦ Jazz Philharmonic Hall: Das 1989 vom Petersburger Jazzmusiker Dawid Semjonowitsch Goloschtschokin gegründete Lokal ist die Adresse für den gepflegten klassischen Jazz-Abend. Mit seinen über 70 Jahren bestimmt Goloschtschokin auch heute noch ein Programm, das sich durch hohe Qualität auszeichnet. Gelegentlich tritt der Meister auch selbst auf - mit Violine, Saxophon, Vibraphon, am Piano oder am Schlagzeug.