Alexander Pollozek/Sandra Grünes

AYURVEDA HEILRITUALE

Wie man die Magie des Alltags entdeckt

Inhaltsverzeichnis

Danksagungen

Vorwort von Dr. Vasant Lad

Ayurveda - Megatrend der Zukunft?

Die ganzheitliche, spirituelle Wissenschaft vom Leben

Einführung

1. Alles Leben ist Rhythmus

2. Tridosha – Der Schlüssel zum eigenen genetischen Code

3. Einführung in die Ayurvedische Konstitutionslehre

4. Die biogenetischen Vorläufer

I. Der Ursprung von Schöpfung und Krankheit

1. Ätiologische Faktoren (Rogya Karana)

1.1. Die Unterscheidung verschiedener Ursachen (Karana)

1.1.1. Inhärente, untrennbar materielle Ursache (Samavayi-Karana)

1.1.2. Nicht-inhärente, trennbare, nicht-materielle Ursache (Asamavayi-Karana)

1.1.3. Instrumentelle Ursache (Nimitta-Karana)

1.2. Die drei Faktoren für die Entstehung körperlicher Erkrankungen

1.2.1. Schädlicher Umgang mit den
Sinnesorganen (Asatmendriartha Samyoga)

1.2.2. Unerwartete klimatische und Zeit bedingte
Einflüsse (Parinama/Kala)

1.2.3. Versagen der Intelligenz (Prajnyaparadha)

2.0. Mentale Voraussetzungen für die Entstehung von Krankheiten

2.1. Die vier geistigen Ebenen und ihre Funktionen

2.1.1. Die Ebene der Erinnerung oder die
„karmische Lagerstelle“ (Citta)

2.1.2. Die Ebene des Ich-Bewusstseins (Ahamkara)

2.1.3. Die Ebene des Geistes oder Denkorgans (Manas)

2.1.4. Die Ebene der Intelligenz (Buddhi)

2.2. Die geistigen Ursachen aller Leiden

3.0. Der Krankheitsprozess (Samprapti)

3.1. Die sechs Krankheitsstadien

3.2. Die drei grundsätzlichen Therapieebenen

II. Grundregeln zur Erhaltung der Gesundheit

1.0. Die vier biologischen Lebensziele (Purushartha)

1.1. Besitzerwerb (Artha)

1.2. Genussfreude (Kama)

1.3. Gesellschaftliche Verpflichtungen (Dharma)

1.4. Befreiung (Moksha)

2.0. Die drei Stützpfeiler des Lebens (Upasthambha)

2.1. Nahrung (Ahara)

2.2. Schlaf (Nidra)

2.3. Sexualität/Enthaltsamkeit (Brahmacharya)

III. Selbstheilungsrituale für eine gesunde Lebensführung

1.0. Die Medizinethik nach vedischem Vorbild (Sadvritta)

1.2. Die „Zehn Sünden“ im Ayurveda

1.3. Die Befolgung der körperlichen Dränge (Vegasamdharana)

1.4. Die Kontrolle geistiger Schwächen (Manasika Vegas)

1.5. Soziale Umgangsformen für körperlich-seelische Gesundheit

2.1. Grundzüge ayurvedischer Ernährung (Ahara Chikitsa)

2.2. Grundzüge gesunder Lebensführung (Vihara Chikitsa)

2.2.1. Kapha-gemäßer Lebensstil

2.2.2. Pitta-gemäßer Lebensstil

2.2.3. Vata-gemäßer Lebensstil

2.3. Vikruti-Test – mein Krankheitsgrad

2.3.1. Wie provoziere ich durch mein Verhalten Vata-Störungen? 196

2.3.2. Wie provoziere ich durch mein Verhalten Pitta-Störungen? 197

2.3.3. Wie provoziere ich durch mein Verhalten Kapha-Störungen? 198

2.4. Die großen Ziele des Ayurveda

2.5. Was hält uns von einem gesunden Lebensstil ab?

3.0. Die Zeit als Qualitäts- und pathologischer Faktor (Kala)

4.0. Rituale & Techniken zur Selbstheilung (Svasthavritta)

4.1. Das morgendliche Selbstheilungsritual (Dinacharya)

4.2. Das allabendliche Einschlafritual (Ratricharya)

5.0. Jahreszeitliche Einflüsse und Rituale (Rtucharya)

5.1. Spätwinter/Frühlingszeit – das saisonale Kapha-Ritual

5.2. Sommerzeit – das saisonale Pitta-Ritual

5.3. Herbst/Frühwinter – das saisonale Vata-Ritual

6.0. Die ayurvedische Bewegungstherapie (Vyayama)

6.1. Beitrag von Sandra Grünes:
Yogarituale nach ayurvedischen Prinzipien (Ayuryoga)

6.2. Yogapraxis/-Unterricht nach ayurvedischen Kriterien

6.3. Die Atemkontrolle (Pranayama) aus ayurvedischer Sicht

6.4. Die typgemäße Meditation aus ayurvedischer Sicht

6.5. Yoga-Techniken nach typenspezifischen Gesichtspunkten

6.5.1 Yogatechniken für den Vata-Ausgleich

6.5.2 Yogatechniken für den Pitta-Ausgleich

6.5.3 Yogatechniken für den Kapha-Ausgleich

6.6 Allgemeine Tipps für eine erfolgreiche Übungspraxis

IV. Gesundheitstests

1. Der Swasthya-Test

2. Der Triguna-Test

3. Der Gewohnheits- und Suchttest

4. Die 15 Parameter für gute Gesundheit nach Nagarjuna

V. Maßnahmen zur Wiederherstellung der Gesundheit

1.0. Die Basis zum Verständnis von Prakruti und Vikruti

1.1. Die Behebung der Ursache (Nidana parivarjana)

1.2. Das Shamana-Ritual

1.3. Das Rasayana-Ritual – Elixiere mit dem „Anti-Aging-Effekt“

1.4. Universelle Heilrituale

1.5. Die letztendliche Befreiung (Moksha)

2.0. Der fünffache Pfad (Satya Dharma)

2.1. Das selbstlose Opfer für einen guten Zweck (Yagna)

2.2. Das rechte Schenken (Daan)

2.3. Die Selbstdisziplin (Tapa)

2.4. Rechtes Handeln (Karma)

2.5. Das Selbststudium (Swadhyaya)

VI. Gesunde Bezugsquellen für die Selbstheilung

1.0. Wasseraufbereitung & Energetisierung

2.0. Gesunde Nahrungsquellen

3.0. Dinacharya-Starterset

Nachwort

Bibliografie

Internetrecherchen

Sanskrit-Glossar

Abbildungsverzeichnis

Die Autoren und ihre Vita

 

Danksagungen

Besonderer Dank gilt von fachlicher Seite her zunächst unserem verehrten Lehrer Dr. Vasant Lad, dem wir auch das besondere Vorwort verdanken. Desweiteren Dr. Ramkumar Kutty und Dr. Ramadas aus Coimbatore, deren Geduld, Hingabe und Liebe für den Ayurveda beispielhaft sind. Meine kompetentesten und sehr geschätzten deutschen Kollegen, Dr. Hedwig Gupta und Ralph Steuernagel, unterstützten uns, in die letzten kniffligen und teils widersprüchlichen Themen, Klarheit zu bringen.

Von Herzen danke ich meiner Familie für ihre Geduld und Nachsicht, denn sie haben mich im letzten Jahr nur vor dem PC erlebt.

Was die Unterstützung im Bereich Yoga und Yoga-Philosophie angeht, gilt mein besonderer Dank Simone Gerisch-Zachmann, Dr. Hedwig Gupta, Marina Schlesinger, Robert Grislis, Madhuha Brünjes, Astrid Fischer und, last but not least, meiner geschätzten Kollegin und Co-Autorin Sandra Grünes, für die intensiven Fachgespräche, die professionelle Begleitung und die anregenden Diskussionen. Meinem Triguna-Team sowie Helmut Schelchshorn danken wir für ihre Bereitschaft, vor der Kamera zu stehen bzw. für jegliche Art der Unterstützung dafür.

Vorwort von Dr. Vasant Lad

„Ayurveda ist ein uraltes vedisches Heilsystem. Es umfasst den Menschen als Ganzes. Es repräsentiert nicht nur ein Medizinsystem, sondern darüber hinaus die Heilung von Körper, Geist und Bewusstsein.

Das vorliegende Buch von Dr. Alexander Pollozek mit dem Titel „Ayurveda-Rituale“ ist ein Meisterwerk praktischer Anwendung ayurvedischer Prinzipien des alltäglichen Lebens. Es ist ein einfacher Führer für Ayurveda-Studenten und interessierte Anwender gleichermaßen, um die alten Heilungsrituale praktisch zu nutzen. Der Autor spricht über die vier grundlegenden Krankheitsursachen einschließlich der mentalen Faktoren (Asatmendriartha Samyoga/Prajnyaparadha), die klimabedingten Einflüsse (Parinama) und den Faktor Zeit (Kala) als Krankheitsauslöser. All diese Faktoren werden im vorliegenden Buch wunderbar erklärt. Die mentalen Störungen des Intellekts (Dhi-bhramsha), der Willenskraft (Dhrti-bhramsha)und des Erinnerungsvermögens (Smrti-bhramsha) sind sehr anschaulich dargestellt in der Physiopathologie des Geistes. Dr. Alexander folgt der indisch-vedischen Denktradition und dem streng disziplinierten Lehrer-Schüler-Unterricht nach der Traditionslinie (Parampara). Seine Erläuterungen und die Anwendbarkeit der Heilrituale sind äußerst treffsicher.

Die ayurvedischen Krankheitsursachen (Nidan) und -vorzeichen (Purvarupa), die Symptome (Rupa) sowie die medizinischen Heilmaßnahmen (Upashaya) werden dem Leser wertfrei und sehr praxisnah dargelegt. Er stellt die typgemäße Lebensführung, das Morgen- und Abendritual sowie die Jahreszeitenroutine und -diät besonders heraus, um eine mögliche Krankheitsentstehung im Keim zu ersticken und so eine Balance zwischen den Regulationskräften (Doshas) und den Körpergeweben (Dhatus) herzustellen. Sein außergewöhnlicher Ansatz einer Eigendiagnose in Form eines körperlichen und psychischen Selbsttests ist sehr praxistauglich, seine klinische Sichtweise gut umsetzbar. Stück für Stück wird der Leser in weitere Rituale für perfekte Gesundheit eingeführt mit dem Ziel, möglichen Gesundheitsstörungen vorzubeugen. Das Ritual zur Stärkung der Konstitution (Samshamana) ist im Vergleich zur inneren Reinigung (Samshodana) sanft, Rasayana ein Ritual zur Verjüngung, die Feuerzeremonie (Puja) ein sehr spiritueller Weg zur Heilung.

Ich denke, Ayurveda-Studenten wie Anwender können getrost den Richtlinien dieses Buches folgen und werden dadurch den Horizont ihrer klinischen Fertigkeiten und der ayurvedischen Praxis erweitern.

Dr. Alexander reist häufig nach Indien und in andere Länder und integriert damit unterschiedliche praktische Aspekte ayurvedischer Medizin aus verschiedenen Denkschulen. Ich bewundere zutiefst seine Arbeit und sein aufrichtiges Bestreben, den Ayurveda in der westlichen Welt zu verbreiten.

God bless you, love & light

Bell, 30. Juli 2016

Ayurveda - Megatrend der Zukunft?

1996 schrieb der Zukunftsforscher Leo A. Nefiodow erstmals über die ganzheitliche Gesundheit als Auslöser und Träger des sogenannten 6. Kondratieffs. Woher, so fragt er sich, kommen die dringend gesuchten technologischen Durchbrüche und nachhaltigen ökonomischen Wachstumsimpulse? Eine Antwort liefert die so genannte „Theorie der langen Wellen“. Nach ihr entwickeln sich Wirtschaft und Gesellschaft in langen Innovationsschüben, die von bahnbrechenden Erfindungen ausgelöst werden. Diese haben eine Dauer von ca. 40-60 Jahren und werden Kondratieffzyklen1 genannt. Mit den späten 1990er Jahren ist die Weltwirtschaft in eine neue lange Welle eingetreten – in den 6. Kondratieffzyklus. (s. Abb.1 unten) Antriebsmotor des 6. Kondratieffs ist das Gesundheitswesen. Seine Basisinnovationen sind die psychosoziale Gesundheit und die Biotechnologie, die Komplementärmedizin und somit auch der Ayurveda. Die Länder, Regionen, Unternehmen und Personen, die sich rechtzeitig auf den sechsten Kondratieff ausrichten – so der Autor – werden im 21. Jahrhundert zu den Gewinnern gehören.2

Abb.1 Kondratieffwellen

So hoffen auch die Autoren dieses Buches, dass mit der praktischen Umsetzung dieses zeitlosen Wissens der/die geneigte LeserIn zu den persönlichen Gewinnern jenes Gesundheitstrends gehören.

Warum sind Rituale in der heutigen Zeit so wichtig?

Abb. 2 Traditionelle Feuerzeremonie (Puja)

Der bekannte Berliner Anthropologe Christoph Wulf definiert sie wie folgt: „Rituale erzeugen das Soziale; sie schaffen Ordnungen und ermöglichen Identifikation. Rituale schaffen Übergänge und erzeugen Erinnerungen; sie haben eine magische Komponente und eignen sich zur Differenzbearbeitung;3 sie fördern mimetische Lernprozesse und mit ihrer Hilfe die Entwicklung praktischen Wissens und tragen wesentlich zur Entwicklung sozial kompetenter Individuen bei.“4 Heilrituale sind, sich zu festgelegten Zeiten wiederholende, zeremonielle Handlungen nach einer bestimmten Abfolge und klaren Regeln welche für Außenstehende oft absurd oder irrational anmuten. Bei den hier aufgeführten Ritualen handelt es sich allerdings um zeitlos wirkende Selbstheilungsrituale, die für den Ausübenden alles andere als absurd sind. Jeder von uns wird sich eingestehen müssen, dass sich mehr oder weniger ungesunde Gewohnheiten und Denkmuster in seinen Tagesablauf eingeschlichen haben. Um auf immer mehr Ebenen Zugang zur inneren Kraft und Balance zu bekommen, gilt es, schrittweise jene schädlichen durch gesundheitsfördernde Gewohnheiten und heilsame Rituale zu ersetzen. In diesen turbulenten Zeiten setzen wir damit im Körper und im Unterbewusstsein so genannte „Ankerpunkte“. Je öfter wir diese Rituale zu festen Zeiten wiederholen, desto mehr verankern wir uns im Gewebe von Raum und Zeit. Das wiederum verleiht unserer Psyche und unserem Geist gleichsam Erdung und innere Stabilität. Sicherheit, Geborgenheit und ein Gefühl von Sinnhaftigkeit werden durch regelmäßige Praxis von Heilritualen verstärkt. Sie stellen daher die beste Vorbeugung gegen psychische Labilität, Depressionen und viele überflüssige Krankheiten dar.

Ayurveda als Lebenskunst erlernen und sinnlich erfahren

Das eingehende Studium der hier zitierten, zutiefst menschlichen, Erkenntnisse der ayurvedischen Klassiker, lässt schnell erkennen, dass es sich bei dieser Philosophie um eine Lebenskunst handelt:

• Die Kunst, sich in allen Lebensphasen ausgewogen und typgerecht zu ernähren

• die Kunst, den Schlaf als Quelle körperlicher Regeneration und spiritueller Kraft zu nutzen

• die Sexualkraft (Kundalini Shakti) als Essenz des Lebens zu bewahren und andererseits sich leidenschaftlich, aber maßvoll, den Sinnesfreuden hinzugeben

Täglich in die eigene Gesundheit zu investieren lohnt sich

Die Verantwortung für den Erhalt der eigenen Gesundheit stellt heute jeden von uns vor wachsende Herausforderungen. Immer mehr Menschen fühlen sich den Anforderungen am Arbeitsplatz und der Doppelbelastung in ihrer Rolle als Eltern und Berufstätige immer weniger gewachsen. Burnout, Erschöpfungsdepression, Belastungssyndrome, Scheidung, Familientrennungen oder beruflicher Abstieg sind die vorprogrammierten Fallstricke unserer ach so modernen Gesellschaft. Gleichzeitig wachsen aber die Lebensansprüche und Freizeitausgaben. Um einen bestimmten Lebensstandard zu halten, werden die Menschen der westlichen Industrienationen förmlich dazu gezwungen, einen achtsameren Lebensstil zu pflegen. In der Zukunft geht es folglich darum, mit dem geringsten täglichen Aufwand mehr Energien, Motivationskräfte und Selbstheilungsimpulse zu generieren. Dieses Buch zeigt, dass wir für diesen Zweck aus dem unendlichen Fundus der alten vedischen Medizinschriften schöpfen können. Der Ayurveda hält erstaunlich zeitgemäße Antworten bereit. Nach 5000 Jahren Erfahrungstradition rückt die Forderung, die Gesundheit endlich wieder in die eigenen Hände zu nehmen, näher an jedes Individuum heran. Der Ayurveda liegt also voll im Trend zur „Präventivgesellschaft“ und „Do-It-Yourself-Medizin“.

s. Abb.

Quelle: www.kondratieff.net

Umgang mit Veränderungen, Konflikten, Krisen innerhalb einer Gemeinschaft

Zitat: www.christophwulf.de, Die Berliner Ritual- und Gestenstudie

Die ganzheitliche, spirituelle Wissenschaft vom Leben

Der spirituelle Heilaspekt fehlt im heutigen modernen Gesundheitsansatz teilweise oder sogar völlig. In der vedischen Tradition spielte der Ayurveda eine ergänzende Rolle in der spirituellen Ausrichtung des Individuums und der Gesellschaft.

Der Ayurveda hat sich als empirische Wissenschaft an der Natur, ja am Leben selbst, orientiert. Sie beschreibt sehr ausführlich folgende Bereiche:

1. Einen für die Gesundheit förderlichen bzw. nicht förderlichen 'Lebensstil'

2. Eine glückliche und eine glücklose Lebensführung

3. Das, was gut und was schlecht für unser Leben ist

4. Die Lebensspanne selbst, und was diese verlängert bzw. verkürzt

Doch wie definiert der Ayurveda „Leben (= Ayu)“ an sich?

„Das Leben ist die Verbindung von Körper, Sinnen und atman. Es ist unter den Synonymen dhari, jivita, nityaga und anubandha bekannt.“ (Ca. Sa. Su. 1: 42)5 Das Leben (Ayus) wird als 'vorübergehende Verbindung' (Samyoga) definiert. Somit ist das Leben eine Kombination aus Elementen, die in dieser Zusammensetzung zeitlich begrenzt ist.

Die Elemente dieser Verbindung sind:

1. Dharin – das was den Körper und seine vitalen Funktionen aufrecht erhält. Da ein lebender Organismus nicht zerfällt wird er „dhari“ genannt. Wenn hingegen das Leben aus dem Körper geht, beginnt er zu verfaulen.

2. Jivita – das Leben, Lebende oder die Lebensspanne.

3. Nitya-ga– bedeutet „ewig, beständig“. Gemäß den Veden währt das Leben ewig. Es hört nie auf zu existieren, sondern es lebt durch Inkarnationen hindurch kontinuierlich weiter fort. Nityaga bezieht sich auf diese Qualität von Ayu.

4. Anubandha– bedeutet „das, was von einem Körper zum nächsten wandert“, wörtlich eine 'Kette von Atomen'.

Das bedeutet folglich, dass Leben ewig existiert, von einem zum nächsten Körper wandert und in einem Menschen so lange erhalten bleibt, wie Ayu präsent in ihm ist. Ayurveda ist die Wissenschaft welche Ayu durch bestimmte Techniken und Rituale schützt, erhält und die Lebensspanne dadurch qualitativ verlängert. Gemäß Ayurveda ist das Leben eine Kombination aus Geist (Sattva), Körper (Sharira), Sinnen (Indrya) und Seele (Atman). Alle vier Faktoren müssen zusammenwirken, um in einem Organismus die Vital- oder Prana-Energie zu generieren (am 120. Tag der Schwangerschaft zieht Atman in den Körper ein) und diese in ihm aufrechtzuerhalten (= Lebensspanne). Fehlt ein Faktor, so ist Ayu nicht existent. Alle sichtbaren Handlungen, Glück, Trauer, Liebe, Festhalten, Intellekt, Geburt und Tod etc. sind in einem Individuum existent auf Grund dieser Viererkonstellation:

Diese Einheit von Geist, Körper, Sinnen und Seele wird Purusha genannt. Nur ihm gilt der ganzheitliche Heilansatz und nur aus diesem Grundverständnis heraus wird der geneigte Leser alle anderen pathogenetischen Faktoren und die weiteren Ausführungen in diesem Buch im rechten Lichte sehen.

Purusha – die selbstbewusste, menschliche Persönlichkeit, wird aus Rasa geboren. Aus diesem Grund sollte ein intelligenter Mensch sehr sorgsam umgehen mit seinen Körpersäften, indem er eine angemessene Ernährungsweise kultiviert und ethisches Verhalten praktiziert.

Der Ayurveda als Wissenschaft (Veda = Wissen) vom langen, ausgeglichenen Leben, leistet seinen Beitrag dazu, dass unser Leben erfüllt, friedvoll, voller Glück, Genuss und Intensität auf allen Ebenen verläuft. Das Sanskritwort „Rasa“ bedeutet soviel wie „Saft“, „Geschmack“ oder „Aroma“. Es bezeichnet auch die ursprüngliche Nährsubstanz des menschlichen Organismus – das Fruchtwasser, welches in Verbindung steht mit Blutplasma, Lymphe und Chylus. Jede Körperzelle benötigt Rasa. Wenn der Rasa (= Chylus) gesund ist, verfügen wir über Vitalität, fühlen uns genährt, zufrieden und empfinden das Leben als erfüllt.

MERKE: Das gesamte ayurvedische Wissen gilt Purusha6, dem subjektiven Individuum als unteilbarer Einheit aus Geist, Körper, Sinnen und Seele. Wann immer wir die ayurvedischen Grundprinzipien anwenden wie Gesundheits- und Verhaltensregeln, Diätetik, Kräutertherapie etc., betrachten wir einen Menschen stets als Purusha, nicht als Körper oder bloßes Objekt. Das ist auch der Grund, weshalb in der modernen Medizin das Wort „Heilung“ tabu ist, denn sie kann gar nicht stattfinden in einer objektivierten, evidenz-basierten Apparatewelt welche das menschliche Individuum zum materiellen, seelenlosen Objekt degradiert.

Dinacharya – die Königin unter den ayurvedischen Selbstheilungsritualen

Eine effektive Methode, einen gesunden Rasa zu entwickeln, besteht im täglichen Gesundheitsritual - genannt Dinacharya. Diese Praxis zieht Vorteil aus dem Wechsel der Qualitäten des Tages, der Jahreszeit und unserem Lebensumfeld. Dinacharya gibt uns klar vor, welche Tätigkeiten für unsere individuelle Konstitution förderlich und welche unzuträglich sind.

Nehmen wir ein Beispiel: Nach dem ayurvedischen Lehrsatz „Gleiches verstärkt Gleiches“, beobachten wir in der Natur folgendes Phänomen: Zum Sonnenhöchststand um 12 Uhr Mittag wird in einem gesunden Organismus das Verdauungsfeuer Agni angeregt. Das bedeutet auch, dass die Mittagszeit (= Pitta-Zeit) die beste Zeit ist, um unsere Hauptmahlzeit einzunehmen. Insofern ziehen wir einen Vorteil aus der natürlichen Zunahme der Hitze während des Tages. Desgleichen können wir einen Vorteil ziehen aus der transformatorischen Kraft der Morgen- bzw. Abenddämmerung. Sie birgt durch ihren natürlichen Wechsel von Dunkelheit zu Licht und wiederum zur Dunkelheit einen Vata-Aspekt der Angst und Unsicherheit. Deshalb bietet sich zu diesen Zeiten Meditation als Methode an, um sich zu erden, Ruhe und Stabilität in Körper und Geist fließen zu lassen.

zit.n.Dr.H.Gupta: „Ayurveda-vijnana“, S. 9

Urquelle/Urkraft des Universums/Schöpfer