Der Autor

Robert Prosser – Foto © Gerald von Foris

Robert Prosser, geboren 1983 in Alpbach/Tirol, lebt dort und in Wien. Er studierte Komparatistik und Kulturund Sozialanthropologie. Der Autor ist Träger etlicher Auszeichnungen, unter anderem des Grenzgänger Stipendiums der Robert Bosch Stiftung und des Aufenthaltsstipendiums am Literarischen Colloquium Berlin LCB. Sein zweiter Roman »Phantome« war auf der Longlist des Deutschen Buchpreises 2017.
www.robertprosser.at

Das Buch

»Der Marsch zählte mehr als Hunderttausend, unterm Banner von Refugees Welcome die Mariahilfer hinab, zur Ringstraße, zum Parlament. Um uns Plakate, Europa ohne Mauer, per Megafon postulierte Forderungen, Es ist genug für alle da. Elena neigte sich vor, die rechte Hand um das schwarze Gehäuse der Kamera geschlossen, die Finger der linken am Objektiv. Ein blitzschnelles Ergreifen der Gegenwart, als würde sie mit ihrem ganzen Denken und Fühlen aus der Linse heraus den Moment am Genick packen. Ein dunkelgrünes Schlauchboot wurde vorbeigetragen, daran die Aufschrift: Keine Toten im Mittelmeer. Warst du auch auf so einem?, fragte ich Z. Nein, erwiderte er, meines war kleiner.«

Robert Prosser

Gemma Habibi

Roman

Ullstein

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Ullstein fünf ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin

ISBN 978-3-8437-2178-3

© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2019
Umschlaggestaltung: semper smile, München
Foto des Autors: Gerald von Foris
Titelabbildung: © Compartments 2, 1979 (acrylic on canvas),
Dean, Graham / ING Art Collection, Amsterdam,
Autorenfoto: © Gerald von ForisThe Netherlands / Bridgeman Images
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1.

Links, rechts. Simon bandagiert meine Hände, führt das schwarze Band abwechselnd ums Gelenk und zwischen den Fingern hindurch, fest genug, um Schutz zu sein für die Knochen unter der Haut. Langsam, gewissenhaft, er hält die Augen auf meine Linke, meine Rechte, ich weiß, dass in seinem Blick eine besondere Zärtlichkeit liegt.

Simon tippt mir auf die Schulter, und zur Antwort forme ich eine Faust. Es ist ein stummer, einzig aus Berührung bestehender Dialog. Er kontrolliert sein Werk, blickt hoch. Keine Zuneigung mehr in seinen Augen, nur Kalkül, mit diesen Augen wird er bald in der Ecke stehen. Du machst ihn fertig, kein Problem, sagt er und zieht meinen Kopf zu sich, Stirn an Stirn sagt er: Du hast Herz, Junge.

Alter Boxer-Sprech, dein Herz, mein Herz, vor jedem Kampf eine Anrufung dieses besonderen Organs, Metapher für Willen oder Irrsinn, was auch immer dich gegen einen übermächtigen Gegner durchhalten lässt; eine Litanei, die in jeder Umkleide jeder Mehrzweckhalle millionenfach geflüstert oder rausposaunt wurde, vor jedem Fight, der je zwischen hier und Kapstadt oder Reykjavík stattgefunden hat. Der Raum ist erfüllt von den zischenden Atemstößen schattenboxender Gestalten. Österreichische Staatsmeisterschaft 2015, zweiter Tag. Aus dem Saal dringt Geschrei, aufgrund eines Knock-outs vielleicht, dessen Anblick das Publikum von den Plätzen gerissen hat. Alle horchen auf. Auch Simon hält inne, sagt: Christine ist gerade dran.

Als ich zu boxen anfing, bläute sie mir das Wichtigste ein, mich bei einem Angriff nicht wegzudrehen, die Augen auf den Gegner zu halten und ständig eine Hand zur Deckung am Gesicht. In ihrer ruhigen Art wies sie mich auf falsch ausgeführte Haken oder schlampige Schritte hin; als ich sie erstmals bei einem Turnier sah, überraschte mich die nahezu halsbrecherische, jagende Kampfweise, die sie innerhalb der Seile zeigte. Hoffentlich bedeutet das Schreien nicht, dass sie am Boden liegt.


Jetzt, mit bandagierten Händen, ist es definitiv, unausweichlich. Nervosität, Vorfreude, kribblige Mischung, mein Körper muss warm werden, mein Kopf kühl bleiben. Jemand fährt mir von hinten durch die Haare, es ist Z, ganz aufgeregt: Mann, Halbfinale, zeig, wie gut du bist. Z kann nicht ruhig bleiben, keine Chance, nicht jetzt, nicht, wenn er selbst unbedingt in den Ring will. Er läuft Idris entgegen, ruft: Bruder, ich wäre heiß auf die Show. Idris hat Kopfhörer auf, bekommt nichts mit. Sein Oberkörper pendelt, die Fäuste deuten Schläge an. Simon sieht Z kopfschüttelnd nach, sagt: Der ist wie ein junger Hund.

Mit Fingerspitzen streicht er Vaseline über meine Stirn, Augenbrauen und Schläfen, die mit einem Tausendstel Adrenalin vermischte Salbe hilft, allfällige Blutungen zu stillen. Zweiter Tag, zweiter Auftritt. Nach der gestrigen Abwaage wurde mir für den Auftakt ein Salzburger zugelost. Bleiben wir locker, sagte er, Kohle gibt’s keine, also warum uns die Schädel einschlagen. Übern angebotenen Fistbump hinweg erwiderte ich: Klar, machen wir so. Plumpe Finte, kaum war der Kampf freigegeben, schlug er harte Geraden, um mich mit der ersten Attacke von den Füßen zu fegen. In der nächsten Runde erwischte ihn mein rechter Haken, ich glaubte die Wucht zu spüren, die durch ihn jagte, mit diesem Schlag holte ich den Sieg.

Die Metalltür in den Gang öffnet sich, Jubel, Klatschen, Christine bahnt sich ihren Weg, Umarmungen, anerkennendes Schulterklopfen. Knapp dahinter ihr Betreuerduo: Andi, ein vormaliger Kämpfer, und Jo, der Besitzer meines Gyms. Habt ihr sie gesehen, strahlt er uns entgegen, habt ihr gesehen, wie stark sie war? Sie löst den Knoten ihrer braunen Haare, fährt sich mit den Fingern durch die Strähnen. Der überstandene Kampf zeigt sich am linken verschwollenen Auge und dem leichten Zittern, das durch ihren Körper läuft. Simon wirft ihr ein Handtuch zu. Hör mal, wendet sich Andi an mich, der Boden ist hart, die Seile sind locker, vergiss das nicht. Ich nicke. Bei festem Grund musst du mehr Kraft für die federnden Schritte aufwenden, bei lockeren Seilen kannst du dich weit rauslehnen, hast aber wenig Spannung im Rücken. Glückwunsch, sage ich, und Christine wischt sich mit dem Handtuch übers gerötete Gesicht. Danke. Gleich bist du dran, das schaffst du. Sie tänzelt rückwärts, bis in die Haarspitzen erregt von ihrem Erfolg. Bleib in Bewegung, sagt Simon zu mir, ich hole dir was zu trinken.


Klipp klapp, die Springschnur knallt. Schnalzt übern Boden, klipp klapp, nur auf dem linken Fuß, an der Wand Poster vergangener Turniere, mit finsterer Visage verfolgen die Boxer mein Springen, den Wechsel auf den rechten Fuß, der Sekundenzeiger rennt, klipp tack, klapp tick. Linke Gerade, linker Haken, rechte Gerade. Jab Hook Punch. Der Spiegel zeigt 1,84 Meter und 75 Kilo in roten Shorts und rotem Leibchen. Endlich. Bald ist es vorbei. Jedes Mal überrascht es, wie schnell drei Runden vergehen. Um mich entspannte Großmäuler, die ihren Auftritt hinter sich haben – ich bin nicht zu schlagen, ich marschiere durch bis zum Titel –, die ihre Heldentaten oder die Niederlagen anderer kommentieren: Meine Fresse, Janko lag nach dreißig Sekunden.

Spiegel, komm, einmal noch, 1,84 Meter, 75 Kilo. In der nächsten Garderobe mein Gegner. Linksausleger wie ich, zwei Kilo leichter. Nachdem ich in der Sporthalle eingetroffen war, kam Simon mit der Liste der heutigen Paarungen zu mir. Deiner hat bereits 26 Kämpfe, sagte er, der hat Erfahrung, pass auf. 26 stehen meinen 18 gegenüber. Links, links und rechts, Jab, Jab und Punch, im Takt sag ich mir vor: Ich schick ihm Schock in den Kopf. Jab und Punch, Hook. Und: Er wird nur Schwarz vor den Augen haben.


Mehrere Wochen Vorbereitung liegen hinter mir, Wochen, in denen das Schnalzen der Springschnur den Takt vorgab. Sparring, Krafttraining, Laufrunden um den Block oder durch den Park. Es war, ehrlich gesagt, fürchterlich langweilig. Wenn Simon noch einmal verlangt hätte, diese oder jene Kombi auf die Pratzen zu knallen, ich hätte ihm den Zahnschutz vor die Füße geworfen und wäre abgehauen. In den Nächten träumte ich vom tickenden Sekundenzeiger, und wenn ich tagsüber durch die Stadt ging oder auf die Straßenbahn wartete und mich unbeobachtet glaubte, spielte ich schattenschlagend die Taktiken durch. Das Boxen übernahm mein Gehen, Reden, Denken. Das war’s wert, ich bin bereit für drei mal drei. Drei Runden à drei Minuten.


Quer durch den Raum Simons Stimme: Lorenz, es geht los. Ein aufmunternder Blick von Christine, Z ruft: Gemma habibi. Simon folgt mir in den Kellergang, hinter ihm Jo; die beiden werden in meiner Ecke sein. Am Ende des Flurs die Metalltür.

Nichts ist heftiger als das, sagte Z, als wir darüber sprachen, was für uns am Boxen das Einmalige, das Unübertreffliche, das Allerbeste ist, nichts ist heftiger, als zuzugehen auf dieses Schreien und Stampfen. Die Metalltür vibriert vom Bass eines Lieds, ein Security drückt die Klinke, der Lärm wird zu Applaus und aus dem Wummern ein Klassiker von Wu-Tang: Cash rules everything around me. Vor mir die Halle mit Sprossenwänden, Basketballkörben, Spielfeldmarkierungen, auf der Tribüne verstreut die Zuschauer. Im Gegensatz zu Z stört mich das Treiben um den Ring. Aber mich fasziniert, was innerhalb der Seile passieren wird. Ich treffe auf einen, den ich nicht kenne, dem ich höchstwahrscheinlich nie wieder begegne, und für drei Runden wird er das einzig Bedeutsame sein. Z hielt mich für verrückt, als ich ihm erzählte, dass ich am liebsten ohne Publikum boxen würde. Nur der Ring und der Gegner, aber kein Johlen und Klatschen und Pfeifen, keine Zeltfest-Atmosphäre. Nur das Wesentliche. Zwei Typen, einer rot gekleidet, der andere blau, links und rechts, Sieg oder Niederlage, ein simples System, das eindeutig klärt, auf welchem Level du kämpfst. Ich halte den Blick unten, auf meiner Schulter Simons Hand. Sein fester Griff gibt mir die Gewissheit, dass er bei mir ist, als wir die Stufen hoch zum Ring nehmen; er spannt die Seile, und ich gleite hindurch, lasse die Dreifaltigkeit los, Jap Cross Hook, eins zwei drei. Auf dem Boden dunkle Flecken, Spuren der vorigen Kämpfe. Der andere beobachtet mich aus der Ecke. Er ist kleiner, stämmiger, tritt für einen Bregenzer Club an. Blonde Haare, braun gebrannte Haut, Schublade Sonnyboy: Ich werde mir dein Herz schnappen. Zahnschutz rein, der Schiedsrichter holt uns in die Mitte, wir stehen uns gegenüber, und an seinem starren Blick errate ich, dass er mehr zu bieten hat als ein Sportstudent, der gern Surflehrer wäre. 26 Kämpfe, ich muss vorsichtig sein. Ich werde mir dein Herz schnappen, werde über dich kommen wie ein Aztekenpriester. Ich spüre seine lauernde Gewalt und bin bereit dafür. In meinen Augen ein kaltes Fuck you. Da endlich: der Gong.


In der Pause massiert Jo mir die Schultern, Hammer Doublette, sagt er, richtig gut. Eine Linke auf den Körper und Kopfhaken sofort nachgelegt. Erst traf ich den Bregenzer unterhalb der Rippen in die Leber. Kein Organ ist anfälliger, die Übelkeit, die der Schlag hervorrief, brachte ihn ins Wanken, seine schützende Rechte sank herab und gab die Schläfe frei. Simon hält mir den Trinkbecher hin, ich schnappe mit den Lippen nach dem Strohhalm, mir ist kalt und gleichzeitig schwitze ich und zieh die Schultern hoch, Gänsehaut am Buckel. Mein Körper unentschieden, heiß, kalt, ich spüre, dass noch beides möglich ist: den Blonden zu besiegen oder von ihm überrannt zu werden. Setz die Rechte ein, bamm, die muss öfter kommen, sagt Simon, verstehst du, eins zwei, links rechts, und dann dein rechter Haken, Lorenz, den will ich heute noch sehen. Er sagt: Treib ihn vor dir her, nütz deine Größe aus. In dieser ersten Runde traf mich eine Gerade, wie ich sie gerne abgefeuert hätte, ich liebe solche Schläge, die für Sekunden bis ins Innerste erschüttern, und ich spannte mich mit aller Kraft an, um nicht zu fallen, sondern die Gewalt durch die Füße aus dem Körper zu scheuchen; der Kampf war ernst geworden und dadurch schneller, wilder. Das Rundenmädchen trippelt im goldglitzernden Kleid vorbei, es ist die Nichte des Bezirksvorstehers, die als Geschenk zum Achtzehnten einen Abend lang den Applaus genießen darf. Der Trainer des Blonden macht einen Schritt zur Seite, fächelt ihm Luft zu, ich sehe, dass er den Blick auf mich gerichtet hält. Ich warte auf die Glocke, wie lange noch, ich will los, ja.


Zwischen Ring und erster Reihe steht Simon, er boxt in die Luft, ruft zu den Scheinwerfern hoch, er leidet, feuert an, er schreit: Fahr die Rechte aus, Lorenz, mach schon. Ich zähle mit. Drei Schläge, vier. Mein fünfter, ein linker Aufwärtshaken, trifft. Ein Punkt für mich. Der andere greift an, eins zwei, links rechts, ich wippe zur Seite, vorbei. Wir geraten zu nah aneinander, sein Arm um meinen Nacken, er versucht einen Schlag mit der freien Faust anzubringen, da trennt uns der Ringrichter, mahnt wegen Kopfstoß ab. Weiterhin 1 : 0 für mich, sagt das heimliche Metronom, das ting ting meine Schritte zählt, meine eigenen Schläge und die des Blonden, der ausweicht, kontert, trifft, shit, 1 : 1, hart auf meine Stirn. Die Vorstellung blitzt in mir auf, wie das Hirn im Schädel schwappt, als es meinen Kopf nach hinten reißt. Man hat mir davon erzählt, und ich werde das Bild nicht mehr los: Das eigentlich Gefährliche am Boxen ist die Bewegung, die ein Treffer im Kopf auslöst, wenn das Hirn an die Schädelinnenseiten stößt. Ich sauge Luft ein, beiße fester auf den Zahnschutz. Ich weiß, was kommt. Was in mir geschieht. Anstelle von Kopf und Hirn, der Gefühle, Gedanken und Träume, gibt es nun auch die Leber, die Nieren, Rippen, die Gelenke und Knöchel. Mein Bewusstsein verlagert sich in die Eingeweide und in die Muskeln, Sehnen, denn überall kann Schmerz sein. Ich in der Lunge als Brennen, im Magen als Übelkeit. Ich Pulsschlag. Ich Blut. Ich Adrenalin, Endorphin, Testosteron. Einer der Offiziellen klopft dreimal auf den Tisch, ich höre Simons Stimme, er schreit: Zehn! Zehn Sekunden bis zur Pause, die letzten zehn sind die wichtigsten, sie werden den fünf Kampfrichtern in Erinnerung bleiben, daran werden sie denken, wenn sie die Runde bewerten. Das Schnaufen meines Gegners, tsch tsch tsch, ich höre das Zischen einer beschleunigenden Lok, doch mein rechter Haken geht durch, ja, ich spüre die offene Stelle in seiner Deckung, und sein Kopf schnellt zur Seite und das Atmen klingt wie ein Winseln, vier drei zwei, da, der Gong. Wo ist meine Ecke? Ich spucke den Zahnschutz aus, ganz nah vor mir Simons Gesicht. Er begutachtet eine schmerzende Stelle über meinem linken Auge, sagt: Blondie hat mit links getäuscht, mit rechts getroffen, sah aber übler aus, als es ist. Er schmiert Vaseline auf die Wunde, such den Körper, sagt er, dem geht die Luft aus. Ja, bestätigt Jo, konzentriere dich auf die Leber und die Milz. Wieder Wasser, ausspucken, mein rechter Haken war gut, nicht?, frage ich und beide nicken, weiter so, sagt Jo und wirbelt mir mit einem Handtuch Luft zu. Simon wiederholt die Taktik: Infight, Leber, Milz. Pick an ihm, lass dich nicht abschütteln. Meine Lungen reichen, das weiß ich, es ist genug Atem in mir für die letzte Runde, ich kann, ich werde, ich …


Weg mit dem Zahnschutz und schnaufen, schnaufen. Um uns Pfiffe, Rufe, Applaus. Der Blonde hat sich unter meinem Haken weggerollt, eine alle Energie zusammenraffende Aktion, und zu einem Treffer durchgezogen. Ich wiederhole mir diesen Moment knapp vor Ende, zugegeben, die finalen Sekunden haben damit ihm gehört. Meine Augen brennen, nein, kein Blut, nein, sicher Schweiß, aber wie steht es um die Nase, die Wangen? Wo ist es am übelsten? Gut gemacht, sagt Jo, und seine Stimme zittert, als wäre er selbst im Ring gewesen. Der ist auf Straßenniveau, Schlägerei vorm Beisl, du hast ihn ausgelaugt. Ein Sieg ist drin, bitte, ich muss gewinnen. Der Kampfrichter winkt uns in die Mitte, er greift mein Handgelenk und das des Gegners, wir flankieren ihn. Aus den Lautsprechern dröhnt es: Der Sieg nach Punkten geht an … und ich will meine freie Faust hoch in die Luft reißen, der Ringsprecher wird meinen Namen rufen, komm, lass es mich sein.