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Klaus Paulitsch,
Dr., ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin; Oberarzt an der psychiatrischen Abteilung im Kaiser-Franz-Josef-Spital in Wien; Psychiater und Psychotherapeut in freier Praxis; Lehr- und Vortragstätigkeit im Gesundheits- und Sozialbereich.
Andreas Karwautz,
Univ.-Prof. Dr., ist Oberarzt an der Wiener Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie; Psychotherapeut in freier Praxis; Forschungstätigkeit im Bereich von Essstörungen bei Jugendlichen, Epidemiologie, Ätiologie, Prävention und Therapie kinder- und jugendpsychiatrischer Störungen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
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2. Auflage 2019
Copyright © 2019 Facultas Verlags- und Buchhandels AG
facultas Universitätsverlag, Stolberggasse 26, 1050 Wien, Österreich
Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und der Verbreitung sowie das der Übersetzung, sind vorbehalten.
Umschlagfoto: agsandrew / iStock by Getty Images
Fotografien im Innenteil: Daniel Berg, Wien
Lektorat: Marietta Böning, Wien
Satz: Wandl Multimedia-Agentur
Druck und Bindung: CPI – Ebner & Spiegel, Ulm
Einbandgestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart
Printed in Germany
ISBN 978-3-8252-5247-2
UTB-Nummer: 3080
ISBN Online-Leserecht 978-3-8385-5247-7
eISBN 978-3-8463-5247-2
Die Nachfrage und der Erfolg des Lehrbuches machten nun eine Neuauflage notwendig. Die meisten Kapitel wurden überarbeitet, aktualisiert und mit neuen epidemiologischen Daten ergänzt. Die Grundstruktur des Buches konnte allerdings erhalten bleiben und die Störungen wurden nach dem auch in den nächsten Jahren gültigen Diagnosesystem ICD-10 gruppiert. Der biopsychosoziale Aspekt ist wesentlich in der Psychiatrie und erfordert weiterhin eine gute Zusammenarbeit aller Berufsgruppen.
Wichtig war uns, auf neue Begrifflichkeiten und Diagnosen, wie Transgender, Burnout oder ADHS, einzugehen. Unverändert elementar scheint uns eine differenzierte Sichtweise auf psychische Störungen im Hinblick auf biologische, psychodynamische und soziale Faktoren.
Wien, im März 2019 |
Klaus Paulitsch & Andreas Karwautz |
Das vorliegende Buch soll allen in der Psychiatrie tätigen Berufsgruppen eine Grundlage, einen Lernbehelf für die Ausbildung bieten und ein Nachschlagewerk für psychische Störungen sein. Lange Zeit waren in psychiatrischen Anstalten zum überwiegenden Teil ÄrztInnen und Pflegepersonen beschäftigt. Die Institutionen und mit ihnen die Berufsgruppen und deren Konzepte haben sich in den letzten Jahren jedoch deutlich verändert und inhaltlich eine Erweiterung erfahren. So findet die psychiatrische Behandlung mittlerweile nur mehr in geringem Ausmaß im Krankenhaus statt und wird von neu hinzugezogenen Berufsgruppen wie PsychotherapeutInnen, PsychologInnen, ErgotherapeutInnen, MusiktherapeutInnen oder PhysiotherapeutInnen dem Teamgedanken folgend fachgerecht betrieben. Für professionelle HelferInnen ist es wichtig, die Sprache der PsychiaterInnen zu verstehen, um in der Kooperation eine gleichwertige Stellung zu erlangen. Die Reduktion von Verständnisschwierigkeiten zwischen den Berufsgruppen ist ein wesentliches Anliegen dieses Buches.
Einleitend werden psychiatrische Begriffe, historische Aspekte, Versorgungsstrukturen, pharmakologische und psychotherapeutische Therapieverfahren, Ursachen von psychischen Störungen sowie Grundlagen der psychiatrischen Gesprächsführung und Diagnostik dargestellt. Anschließend erfolgt die Beschreibung von allen relevanten psychischen Störungen, wobei auf die häufigen Krankheitsbilder wie Depression, Schizophrenie, Panikstörung, Demenz, Abhängigkeitssyndrom oder Borderline-Persönlichkeitsstörung ebenso eingegangen wird wie auf Essstörungen und psychische Störungen des Kindes- und Jugendalters. Wichtig war uns, die einzelnen Störbilder anschaulich zu beschreiben und im Sinne der deskriptiven Psychopathologie und Klassifikation nach der ICD-10 (International Classification of Diseases, 10. Revision) zu ordnen. Da die Arbeitsinstrumente in der Psychiatrie neben der Gesprächsführung auch die Verhaltensbeobachtung und das Betrachten eines Menschen sind, haben wir zur Veranschaulichung von psychischen Störungen Fotos von Schauspielern, die psychisch leidende Personen darstellen, beigefügt. Damit wollen wir zeigen, dass die Beurteilung von menschlichen Ausdrucksformen wie Lachen, Weinen, Wut oder Trauer einen besonderen Stellenwert in der Psychiatrie hat und für das tiefgreifende Verstehen eines Menschen in seiner lebensgeschichtlichen Situation unerlässlich ist und die Grundlage für die richtige Diagnose und Therapie bildet.
Um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass in fast allen psychiatrischen Professionen mittlerweile Frauen überwiegen, haben wir uns bemüht, wo immer möglich den geschlechtsneutralen Plural unter Verwendung des Binnen-I zu benutzen. Wo die Formulierung dies nicht zuließ, haben wir uns im Sinne einer guten Lesbarkeit für den geschlechtsspezifischen Singular entschieden und dabei die männliche Form gewählt.
Wie immer sind an der Entstehung eines Buches mehr Personen als die Autoren beteiligt: Unserer Dank gilt zunächst Gerhard Lenz, der uns durch seine Idee, mit SchauspielerInnen in der psychiatrischen Ausbildung zu arbeiten, die Anregung gab, Fotos zur Veranschaulichung von psychiatrischen Zustandsbildern für das Buch herstellen zu lassen. Jene SchauspielerInnen, die im Rahmen eines Praktikums von Professor Lenz an der Universitätsklinik in Wien psychiatrische PatientInnen darstellten, konnten für diesen Band als „Models“ gewonnen werden: Eva Linder, Gabriela Hütter und Hagnot Elischka gilt unser besonderer Dank dafür, dass sie sich der ungewöhnlichen Aufgabe gestellt und sie bravourös gemeistert haben. Die eindrucksvollen Aufnahmen stammen von Daniel Berg, der für diese Arbeit ideale Voraussetzungen mitbrachte, nämlich sowohl Fotograf als auch Facharzt für Psychiatrie zu sein.
Dem Facultas Universitätsverlag/UTB danken wir für die Produktion des Buches, vor allem Sigrid Mannsberger-Nindl, die uns mit viel Engagement und Vertrauen zu vielen Verbesserungen anregte und uns während der gesamten Arbeitsphase hervorragend betreute.
Wien, im Jänner 2008 |
Klaus Paulitsch & Andreas Karwautz |
Ein einführendes Buch über Psychiatrie soll einerseits fachliche Informationen in gut verständlicher Form vermitteln und andererseits auch auf einer „Beziehungsebene“ Akzeptanz und Verständnis von Menschen mit solchen Problemen fördern. Dabei sollte nicht verloren gehen, dass Menschen mit psychischen Erkrankungen nicht nur in bestimmten Bereichen krank sind, sondern mit unterschiedlicher Gewichtung auch sehr viele gesunde Anteile haben, die für die Prognose und Behandlung von hoher Relevanz sind.
Mögliche Stigmatisierungen wirken sich aber nicht nur auf die Betroffenen, sondern auch auf die Behandelnden aus: „Psycho-Berufe“ wie der des Psychiaters, Psychologen oder Psychotherapeuten bzw. die Menschen, die diese Berufe ausüben, scheinen in der Öffentlichkeit starke und oft widersprüchliche Gefühle auszulösen.
Während die Psychotherapie nach verschiedenen Umfragen in der Allgemeinbevölkerung als die weitaus beliebteste Behandlungsmethode für psychische Erkrankungen gilt, wird eine psychopharmakologische Behandlung sogar da, wo sie klar indiziert ist – wie z. B. bei einer Schizophrenie oder einer schweren Depression – in der Öffentlichkeit oftmals als nicht nur nicht nützlich, sondern sogar als schädlich angesehen. Diese Public-Image-Probleme der Psychiatrie können nur durch kompetente und verständliche Aufklärung und Information verbessert werden. Die letzten 15 Jahre haben einen umwälzenden Erkenntnisprozess über die neuronalen Grundlagen unseres Erlebens und Verhaltens eingeleitet, medikamentöse und psychotherapeutische Behandlungen wurden weiterentwickelt und verfeinert und soziotherapeutische Strategien sind eine wichtige Grundlage vor allem im stationären und teilstationären Setting geworden. Durch das vorliegende Buch wird klar, dass in der Diagnostik und Behandlung von psychischen Erkrankungen biologische, psychologische und soziale Faktoren mit individuell unterschiedlicher Gewichtung Berücksichtigung finden müssen. Ich möchte den Autoren gratulieren, dass sie mit dieser Publikation zum besseren Verständnis und damit auch zur besseren Akzeptanz von psychisch kranken Menschen beitragen.
Univ.-Prof. Dr. Gerhard Lenz
Oberarzt an der Universitätsklinik für Psychiatrie in Wien,
Leiter der Station für Kognitive Verhaltenstherapie
Vorwort zur 2. Auflage
Vorwort
Geleitwort
IEinführung
1Begriffsbestimmung
2Historische Aspekte
IIVersorgungsstrukturen in der Psychiatrie
1Reformen in der Psychiatrie
1.1Voraussetzungen
1.2Allgemeine Ziele von Reformen in der Psychiatrie
1.3Umsetzung der Reform
2Psychiatrische Einrichtungen
2.1Vollstationäre Einrichtungen
2.2Teilstationäre Einrichtungen
2.3Ambulante Einrichtungen
3Zwangsmaßnahmen in der Psychiatrie und rechtliche Rahmenbedingungen
3.1Vorbemerkung
3.2Zwangsmaßnahmen und Unterbringung
III Therapieverfahren
1Psychopharmakotherapie
1.1Einleitung
1.2Antidepressiva
1.3Phasenprophylaktika
1.4Tranquilizer
1.5Antipsychotika (Neuroleptika)
1.6Weitere Psychopharmaka
2Andere biologische Therapieverfahren
2.1Elektrokrampftherapie (EKT)
2.2Schlafentzugstherapie
2.3Lichttherapie
3Psychotherapie in der Psychiatrie
3.1Definition
3.2Wirkungsweise, Rahmenbedingungen, Indikationen der Psychotherapie
3.3Psychotherapeutische Schulen und Methoden
4Ergotherapie und Soziotherapie
4.1Ergotherapie
4.2Soziotherapie
IVUrsachen von psychischen Störungen
1Begriffsdefinition
2Risikofaktoren und prädisponierende Faktoren
2.1Genetik
2.2Neurobiologie
2.3Prä- und Perinatalfaktoren bzw. virale Infektionen
2.4Psychosoziale Ursachen
2.5Auslösende Faktoren
3Modelle psychischer Störungen
3.1Medizinisches Krankheitsmodell
3.2Psychodynamisches Modell
3.3Verhaltenstheoretisches Modell
3.4Kognitives Modell
3.5Sozialpsychiatrisches bzw. systemisches Modell
3.6Integratives Modell
3.7Zusammenfassung
VGrundlagen der psychiatrischen Diagnostik
1Einleitung
1.1Bedeutung der Diagnose in der Psychiatrie
1.2Diagnostische Ansätze
2Psychopathologie
2.1Symptom, Syndrom, Störung und Krankheit
2.2Der psychopathologische Status
2.3Syndrome
3Grundlagen von modernen Diagnosesystemen (ICD-10, DSM-5)
3.1Einleitung
3.2Deskriptiver diagnostischer Ansatz
3.3Komorbidität
3.4Multiaxiale Diagnostik
3.5Diagnosekategorien in der ICD-10
4Krankheitsanamnese und Exploration
4.1Hauptbeschwerden
4.2Aktuelle Vorgeschichte
4.3Psychiatrische Anamnese
4.4Somatische Anamnese
4.5Familienanamnese
4.6Biografie
4.7Beurteilung der prämorbiden Persönlichkeit
4.8Abschluss der Exploration und Zusammenfassung
5Zusatzbefunde in der Psychiatrie
5.1Elektroenzephalografie (EEG)
5.2Bildgebende Verfahren
5.3Blut- und Harnanalyse, Liquordiagnostik
5.4Psychologische Testverfahren
VISchizophrenie und sonstige psychotische Störungen
1Schizophrenie
1.1Einleitung
1.2Häufigkeit der Schizophrenie
1.3Ursachen der Schizophrenie
1.4Symptome der Schizophrenie
1.5Verlaufsformen, Klassifikation und Typen der Schizophrenie
1.6Abgrenzung zu anderen psychischen Störungen
1.7Therapie der Schizophrenie
2Schizoaffektive Störung
3Akute psychotische (schizophreniforme) Störung
4Schizotype Störung
5Wahnhafte Störung
6Puerperalpsychose (früher „Stillpsychose“)
VIIAffektive Störungen
1Depressionen
1.1Einleitung
1.2Häufigkeit und Ursachen von Depressionen
1.3Klinik der Depression
1.4Abgrenzung zu anderen Störungen
1.5Therapie der Depression
2Bipolare affektive Störungen
2.1Einleitung
2.2Häufigkeit und Ursachen der bipolaren affektiven Störung
2.3Klinik der bipolaren affektiven Störung
2.4Abgrenzung zu anderen Störungen
2.5Therapie der bipolaren affektiven Störung
VIIINeurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen
1Angststörungen
1.1Einleitung
1.2Häufigkeit und Ursachen von Angststörungen
1.3Klinik der Angststörungen
1.4Abgrenzung zu anderen psychischen Störungen
1.5Therapie von Angststörungen
2Zwangsstörung
2.1Einleitung
2.2Häufigkeit und Ursachen der Zwangsstörung
2.3Klinik der Zwangsstörung
2.4Abgrenzung zu anderen psychischen Störungen
2.5Therapie der Zwangsstörung
3Psychische Reaktionen auf Belastungen
3.1Einleitung
3.2Häufigkeit und Ursachen von Belastungsreaktionen
3.3Klinik der Belastungsstörungen
3.4Abgrenzung zu anderen psychischen Störungen
3.5Therapie der Belastungsstörungen
3.6Burnout-Syndrom
4Dissoziative Störungen
4.1Einleitung
4.2Häufigkeit und Ursachen von dissoziativen Störungen
4.3Klinik der dissoziativen Störungen
4.4Abgrenzung zu anderen Störungen
4.5Therapie der dissoziativen Störungen
5Somatoforme Störungen
5.1Einleitung
5.2Häufigkeit und Ursachen von somatoformen Störungen
5.3Klinik der somatoformen Störungen
5.4Abgrenzung zu anderen Störungen
5.5Therapie der somatoformen Störungen
IXEssstörungen
1Einleitung
2Häufigkeit und Ursachen von Essstörungen
3Klinik und Klassifikation
3.1Anorexia nervosa
3.2Bulimia nervosa (Bulimie)
4Früherkennung und Warnsignale
5Therapie
5.1Therapie der Anorexia nervosa
5.2Therapie der Bulimia nervosa
6Prävention
XSchlafstörungen und sexuelle Störungen
1Schlafstörungen
1.1Einleitung
1.2Häufigkeit und Ursachen von Schlafstörungen
1.3Klinik der Schlafstörungen
1.4Abgrenzung zu anderen psychischen Störungen
1.5Therapie von Schlafstörungen
2Sexuelle Störungen
2.1Einleitung
2.2Häufigkeit und Ursachen von sexuellen Störungen
2.3Klinik und Formen von sexuellen Störungen
2.4Diagnostik und Abgrenzung von sexuellen Störungen
2.5Therapie von sexuellen Störungen
XIPersönlichkeits- und Verhaltensstörungen
1Spezifische Persönlichkeitsstörungen
1.1Einleitung
1.2Häufigkeit und Ursachen von Persönlichkeitsstörungen
1.3Klinik von spezifischen Persönlichkeitsstörungen
1.4Klinik der Borderline-Persönlichkeitsstörung
1.5Abgrenzung zu anderen psychischen Störungen
1.6Therapie von Persönlichkeitsstörungen
2Sonstige Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen
2.1Andauernde Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung
2.2Andauernde Persönlichkeitsveränderung nach psychischer Erkrankung
2.3Störung der Impulskontrolle
2.4Münchhausen-Syndrom
3ADHS bei Erwachsenen
XIISuizidalität
1Begriffsbestimmung
2Häufigkeit
3Ursächliche Faktoren von Suizidalität
3.1Neurobiologische Faktoren
3.2Psychische Störungen
3.3Risikogruppen und -merkmale
3.4Psychosoziale und psychodynamische Modelle von Suizidalität
4Beurteilung der Suizidalität
4.1Beurteilung nach Schemen
4.2Gesprächsführung zur Einschätzung der Suizidalität
5Therapie
5.1Psychosoziale Interventionen
5.2Pharmakotherapie
XIIIAlkohol-, Drogen- und Medikamentenabhängigkeit
1Begriffe und Klassifikation
2Alkoholabhängigkeit
2.1Einleitung
2.2Häufigkeit und Ursachen von Alkoholabhängigkeit
2.3Charakteristikum von Alkohol
2.4Klinik und Verlauf der Alkoholabhängigkeit
2.5Folgekrankheiten
2.6Therapie
3Drogenabhängigkeit
3.1Opiatabhängigkeit
3.2Cannabisabhängigkeit
3.3Kokainabhängigkeit
3.4Halluzinogenabhängigkeit
3.5Amphetaminabhängigkeit
4Benzodiazepinabhängigkeit
4.1Einleitung
4.2Pharmakologie und klinische Wirkung
4.3Therapie
5Nikotinabhängigkeit
5.1Einleitung
5.2Häufigkeit und Ursache von Nikotinabhängigkeit
5.3Klinische Wirkung
5.4Therapie
XIVOrganische psychische Störungen
1Demenz
1.1Einleitung
1.2Häufigkeit und Ursachen der Demenz
1.3Klinik und Typen der Demenz
1.4Diagnose und Abgrenzung zu anderen Störungen
1.5Therapie der Demenz
2Delir (Akute organische Störung)
2.1Einleitung
2.2Häufigkeit und Ursache des Delirs
2.3Klinik des Delirs
2.4Abgrenzung zu anderen Störungen
2.5Therapie des Delirs
3Organisches Psychosyndrom (OPS)
3.1Ursachen von organischen Psychosyndromen
3.2Klinik der organischen Psychosyndrome
3.3Therapie der organischen Psychosyndrome
XVIntelligenzminderung
1Einleitung
2Häufigkeit und Ursachen von Intelligenzminderung
3Klassifikation und Klinik
3.1Einteilung nach dem Intelligenzquotienten (IQ) (ICD-10)
3.2Diagnostik
4Abgrenzung zu anderen Störungen
5Therapie
5.1Psychosoziale Maßnahmen
5.2Psychopharmaka
XVIKinder- und Jugendpsychiatrie
1Einleitung
2Ursachen kinderpsychiatrischer Störungen
2.1Grundlagen
2.2Entwicklungsaufgaben
3Diagnostik und Klassifikation von Störungen in der Kinder- und Jugendpsychiatrie
3.1Entwicklungsaspekte in der Diagnostik
3.2Multiaxiale Diagnostik
3.3Diagnostik und Klassifikation nach ICD-10
4Therapeutische Prinzipien
5Psychische Krankheiten und Störungen des Kindes- und Jugendalters
5.1Unspezifische psychische Störungen des Kindes- und Jugendalters
5.2Spezifische psychische Störungen des Kindes- und Jugendalters
Literatur
Sach- und Personenregister
Als Psychiatrie, abstammend von Seele (griech. psyche) und ärztliche Heilkunde (griech. iatreia), bezeichnet man die Lehre vom Erforschen, Diagnostizieren und Behandeln psychischer Störungen und Erkrankungen. Das früher auch als Seelenheilkunde bezeichnete medizinische Fach wird von ÄrztInnen praktiziert und steht in Beziehung zu anderen Disziplinen, wie Neurologie, Biologie, Genetik, Psychologie, Soziologie, Verhaltensforschung, Psychotherapie, Pflegewissenschaften etc. Die Berücksichtigung sowohl von biologischen als auch von psychosozialen Faktoren ist für das Wesen der Psychiatrie kennzeichnend. Dieser Ansatz wird u. a. als „mehrdimensional“, „biopsychosozial“ oder „pluridimensional“ bezeichnet. Jede „unidimensionale“ Arbeitsweise hat dennoch ihre Berechtigung und dient dazu, die verschiedenen Dimensionen und deren Beziehungen zueinander zu erfassen, statt sie zu verleugnen.
Folgende methodische Ansätze, Teilbereiche und Forschungsgegenstände können differenziert werden:
Die Psychopathologie ist die Lehre von der Beschreibung des gestörten Erlebens, Befindens und Verhaltens. Ihre Aufgaben sind das Erkennen, Ordnen und Beschreiben von psychischen Erkrankungen (deskriptive Psychopathologie), bezogen auf die inneren Zusammenhänge und zwischenmenschlichen Vorgänge (verstehende, dynamische Psychopathologie). Methoden der Psychopathologie sind das fachliche Gespräch und die genaue Verhaltensbeobachtung von Personen mit psychischen Störungen.
Die biologische Psychiatrie beschäftigt sich mit den biologischen Grundlagen von psychischen Störungen und bedient sich u. a. biochemischer, anatomischer, neurophysiologischer, psychophysiologischer, genetischer und chronobiologischer Ansätze. Dieser Teilbereich der Psychiatrie hat durch die Entdeckung der Neurotransmitter, die Entwicklung von Psychopharmaka und durch neue radiologische Darstellungen des Zentralnervensystems außerordentliche Fortschritte erzielt und gilt derzeit als größter psychiatrischer Forschungsbereich.
Die Sozialpsychiatrie befasst sich mit der Häufigkeit psychischer Störungen sowie deren soziokulturellen Bedingungen und richtet ihr Augenmerk auf die Beziehung zwischen Krankheit und Gesellschaft. Im besonderen Blickfeld des Interesses stehen die Auswirkungen von Familienstrukturen, Gewalt oder sozioökonomischen Verhältnissen auf die seelische Entwicklung.
Die Kinder- und Jugendpsychiatrie ist mit der Erforschung und Therapie von psychischen Störungen von Säuglingen, Kindern und Jugendlichen befasst und unterscheidet sich in deren Ansätzen nicht von jenen der übrigen Psychiatrie. Als mittlerweile selbstständiges medizinisches Fachgebiet wird sie in einem eigenen Kapitel dargestellt (siehe Kapitel XVI).
Die Gerontopsychiatrie (Alterspsychiatrie) ist die ärztliche Seelenheilkunde des höheren Lebensalters und beschäftigt sich mit den in diesem Alter besonders häufig auftretenden psychischen Krankheiten, wie demenzielle und delirante Syndrome oder depressive Störungen. Durch die gesteigerte Lebenserwartung des Menschen ist die Bedeutung dieses Teilbereichs in den letzten Jahren gestiegen.
Die forensische Psychiatrie gilt als Grenzgebiet zwischen Psychiatrie und Rechtsfragen und befasst sich mit juristischen Aspekten psychischer Erkrankungen. Im Zentrum stehen Fragen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit, Geschäfts- und Testierfähigkeit, freien Willensbestimmung (Erwachsenenvertretung, Vollsorgevollmacht, Sachwalterschaft) und der Unterbringung in eine psychiatrische Abteilung ohne Zustimmung des Betroffenen.
Die Neurologie ist die Lehre von organisch fassbaren Erkrankungen des Nervensystems, wie beispielsweise Schlaganfälle, Tumore des Gehirns, Multiple Sklerose oder Wurzelkompressionssyndrome nach Bandscheibenvorfällen. Neurologie und Psychiatrie fasste man bis vor wenigen Jahren als „Nervenheilkunde“ zusammen, da das Nervensystem des Menschen als der wesentliche Forschungsgegenstand verstanden wurde. Durch die Fülle der neuen Erkenntnisse und anderer Zugänge wurden die Fächer voneinander differenziert und zu eigenen medizinischen Bereichen.
Die Psychosomatik ist kein selbstständiges Fach, sondern eine ganzheitliche Betrachtungsweise, welche die körperlichen und seelischen Faktoren aller Erkrankungen des Patienten in ihrer Entstehung, Aufrechterhaltung und Behandlung umfasst. Neuere Erkenntnisse haben die Vorstellung von „psychosomatischen“ Erkrankungen relativiert, da seelische und biologische Faktoren bei allen Erkrankungen untrennbar miteinander verbunden sind.
Die Psychologie ist die Lehre von normalen seelischen Vorgängen, wie dem Erleben und Handeln des Menschen unter unterschiedlichen körperlichen, biografischen, soziologischen, ökologischen und kulturellen Bedingungen. Für die Psychiatrie sind Entwicklungspsychologie, Tiefenpsychologie und Psychodiagnostik von besonderem Interesse. Der Beruf der Psychologin/des Psychologen erfordert ein eigenes akademisches Studium.
Die Psychotherapie kann als Teilbereich der psychiatrischen Behandlung betrachtet werden und stellt eine Therapie von psychischen Störungen mit psychologischen Mitteln dar. Als ein bewusster und geplanter interaktiver Prozess zur Beeinflussung von Verhaltensstörungen oder Leidenszuständen aller Art hat sich die Psychotherapie in vielen Bereichen des Gesundheitswesens als wichtige Behandlungsform etabliert. Die Ausübung ist an eine spezielle Ausbildung gebunden und gesetzlich geregelt. Zu den einzelnen Verfahren und Schulen zählt man u. a. die Psychoanalyse, die Verhaltenstherapie oder die systemische Familientherapie (siehe Kapitel III, 3).
Die Epidemiologie beschäftigt sich als Grundlagenwissenschaft mit der Häufigkeit und den soziologischen Bedingungen von psychischen Störungen. Unter Prävalenz versteht man die Gesamtzahl aller Krankheiten oder Störungen einer definierten Gruppe zu einem bestimmten Zeitpunkt. Inzidenz definiert die Häufigkeit von neu aufgetretenen Krankheiten innerhalb eines bestimmten Zeitraums. Moderne Epidemiologie versucht, Untersuchungsergebnisse und Ansätze aus unterschiedlichen Forschungsgebieten zu integrieren.
Die ersten Aufzeichnungen über psychische Krankheiten reichen bis in die Antike zurück. Der griechische Arzt Hippokrates (460–370 v. Chr.) beschrieb bereits Krankheitsbilder, die mit heutigen psychischen Störungen vergleichbar sind, und gilt als Begründer der Vier-Säfte-Lehre. Diese humoralpathologische Vorstellung beschreibt beispielsweise bei Depressionen ein Überwiegen der „schwarzen Galle“. Die damaligen therapeutischen Maßnahmen beschränkten sich auf Diätvorschläge, Veränderung der Lebensgestaltung, Massagen etc., was einer materialistisch-biologischen Sichtweise von psychischen Störungen entspricht. Obwohl wenige Aufzeichnungen über die anschließenden Jahrhunderte vorliegen, geht man davon aus, dass psychische Krankheit häufig als Folgeerscheinung von Sünde oder Besessenheit von Teufeln, Hexen oder bösen Geistern angesehen wurde. Diese religiöse oder mystische Sichtweise bestimmte im Mittelalter die Vorstellung über psychische Auffälligkeiten und erforderte entsprechende Behandlungsformen. Exorzismus oder schwarze Magie waren bis in die Zeit der Aufklärung Bestandteil der „Therapie“ von psychiatrischen Krankheitsbildern, wobei die katholische Tradition in Hinblick auf Exorzismus in manchen Regionen Europas bis heute noch lebendig ist. Obgleich schon Paracelsus (1493–1541) biologische Ursachen von psychischen Krankheiten vermutete, wurden noch im 17. und 18. Jahrhundert psychisch auffällige Menschen weder als „krank“ angesehen noch ärztlich behandelt, sondern Verbrechern, Landstreichern und Prostituierten gleichgestellt, um sie in Zuchthäusern und Gefängnissen zu verwahren. Eine humanisierte Behandlung entwickelte sich vermutlich erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts durch die Aufklärung und eine veränderte christliche Haltung, die zunehmend durch Nächstenliebe bestimmt war. Philippe Pinel (1745–1826) und Jean-Etienne Esquirol (1772–1840) gelten als Begründer der klinischen europäisch orientierten Psychiatrie, die sich damals vorwiegend mit der Schilderung und Beschreibung von psychischen Auffälligkeiten befasste. Pinel gilt auch als „Befreier der Irren von ihren Ketten“, da er für humane Formen der psychiatrischen Unterbringung kämpfte, sein Schüler Esquirol begründete die französische Psychiatrie, gekennzeichnet durch psychohygienische Ideen. Angewendet wurden beispielsweise Kuren, Heilbäder, die Verabreichung von Kampfer oder Opium. Die bis dahin übliche Praxis der körperlichen Züchtigung, Zwangsmaßnahmen oder religiöse Riten wurden von Pinel und Esquirol und deren Anhängern abgelehnt. Im 18. Jahrhundert wurden Irrenanstalten im Sinne der Aufklärung gegründet, die aus heutiger Sichtweise eher skurrilen Gefängnissen als Heilstätten glichen, wie etwa der „Narrenturm“ in Wien (1784). Nach den Reformbewegungen von Pinel und Esquirol für eine Humanisierung der Behandlung von psychischen Erkrankungen gab es auch Rückschritte, wie etwa in der romantischen Epoche in Deutschland, in der man sich wieder mehr der religiösen bzw. Gefühlswelt zuwandte. Johann Christian Heinroth (1782–1862) etwa vertrat die spekulativ-psychologische Sichtweise, dass geistige Störungen die Folge von Sünde oder Schuld seien oder die Krankheit durch Freiheitsberaubung entstehe. Neben den psychologischen Hypothesen entwickelten sich auch nicht minder unausgereifte somatische Konstruktionen, welche die damalige Psychiatrie in zwei Gruppen spaltete: Die „Psychiker“ definierten Geisteskrankheiten als Krankheiten der Seele, hingegen favorisierten die „Somatiker“ – die als Vorläufer der biologisch orientierten PsychiaterInnen gelten – naturwissenschaftliche Ansätze. Eine eindeutige Trennlinie gab es auch damals nicht, so waren viele „Somatiker“ nicht frei von mystischen und naturphilosophischen Ansätzen, wie umgekehrt viele „Psychiker“ auch seelisches Leiden als körperliche Regelstörung verstanden. Dennoch durchziehen diese zwei Sichtweisen bis heute die Psychiatriegeschichte: Somatisch orientierte PsychiaterInnen sehen eine psychische Erkrankung als Störung oder Defekt, hingegen erscheint Vertretern der „romantischen“ Psychiatrie von einst bis heute die psychische Krankheit als Kehrseite der „Normalität“ bzw. als deren Verständnis. So leitete Sigmund Freud seine Vorstellungen des psychischen Apparats von neurotisch erkrankten PatientInnen ab. Die Erkenntnisse von naturwissenschaftlichen Forschungsergebnissen stärkten aber biologische Ansätze, mit denen zunehmend erhärtet werden konnte, dass Geisteskrankheiten mit direkten Organfunktionsstörungen des Gehirns einhergehen. Ein Vertreter dieser Richtung war Wilhelm Griesinger (1817–1868), der auch den diagnostischen Begriff der Einheitspsychose prägte. Er erlaubt keine klare Grenzziehung zwischen den einzelnen psychischen Krankheiten. Mit der neuropathologischen und anatomischen Erforschung bestimmter Hirnregionen beschäftigten sich Franz Nissl (1860–1919), Alois Alzheimer (1864–1915), Theodor Meynert (1833–1892) oder Carl Wernicke (1848–1905).
Emil Kraepelin (1856–1926) richtete sein Hauptaugenmerk auf die Zuordnung und Verlaufsbeobachtung bei psychiatrischen Erkrankungen, weswegen er als Begründer der nosologischen Klassifikation und Diagnostik gilt. Er unterschied exogene, endogene und psychogene Krankheiten („triadische Anordnung“, siehe Kapitel V, 3.1) und führte das dichotome System ein, das zwischen schizophrenen Störungen (von ihm „Dementia praecox“ genannt) und manisch-depressivem Kranksein differenziert. Eugen Bleuler (1857–1940), der den Begriff „Schizophrenie“ prägte, beschrieb dieses Krankheitsbild als eine Störung, die sich in verschiedenen Ausdrucksformen („Gruppe der Schizophrenien“) präsentiert und unterschiedliche Verläufe annehmen kann. Die Systematik von Kraepelin und Bleuler beeinflusste nachhaltig die weitere Entwicklung der psychiatrischen Krankheitslehre.
Karl Jaspers (1883–1962) gilt als psychopathologisch-beschreibender Phänomenologe, der 1913 mit der Veröffentlichung der „Allgemeinen Psychopathologie“ eine neue Schule psychopathologisch orientierter Psychiater prägte. Neben der Phänomenologie betonte er auch die lebensgeschichtliche Genese von psychischen Erkrankungen. Kurt Schneider (1887–1967) beschrieb charakteristische Krankheitssymptome, die Grundlage der modernen deskriptiven psychopathologischen Diagnostik sind. Besondere Bedeutung liegt in der Schizophreniediagnostik, wo Schneider „Symptome 1. Ranges“ und zusätzlich die weniger charakteristischen „Symptome 2. Ranges“ beschrieb. Sigmund Freud (1856–1939) entwickelte zeitgleich das psychoanalytische Denkmodell, welches großen Einfluss auch auf die Psychiatrie hat. Die Psychoanalyse etablierte sich als Erklärungsansatz für neurotische Störungen (u. a. Zwangsstörungen, Angststörungen und dissoziative Störungen) und stellt bis heute eine differenzierte Therapiemethode dar (siehe auch Kapitel III, 3.3.1). Iwan Petrowitsch Pawlow (1849–1936) und Burrhus Frederic Skinner (1904–1990) entwickelten die Lerntheorie, aus der die Verhaltenstherapie hervorging. In dieser Zeit wurden auch moderne Heil- und Pflegeanstalten („Nervenheilanstalten“) meist außerhalb von Ballungsräumen in großen Parkanlagen geschaffen, die psychisch Erkrankten aus damaliger Sicht eine fortschrittliche und humane Behandlung ermöglichten. Ein Beispiel ist die 1907 in Wien errichtete Nervenheilanstalt „Am Steinhof“. Sie galt als eine der weltweit modernsten Institutionen dieser Art.
Im 20. Jahrhundert ermöglichte ein besseres Verständnis der biologischen Krankheitsursachen wesentliche Fortschritte in den somatischen Behandlungsmethoden. Julius Wagner von Jauregg (1857–1940) entwickelte die Malariatherapie zur Behandlung der progressiven Paralyse (Syphilis) und erhielt dafür 1927 den Nobelpreis. Ihre Wirkung beruhte auf der Übertragung des Bluts von Malaria-Patienten auf an progressiver Paralyse Erkrankten. Die dadurch ausgelösten Fieberschübe bewirkten eine Besserung der psychischen Symptomatik. Ugo Cerletti (1877–1963) und Lucio Bini (1908–1964) führten 1938 die noch heute praktizierte Elektrokrampftherapie (EKT) für schwere psychischen Störungen ein (siehe Kapitel III, 2.1). Die Elektrokrampftherapie, auch früher „Elektroschocktherapie“, wurde ebenso wie die obsolete Insulinschocktherapie in den darauffolgenden Jahrzehnten teilweise undifferenziert und überschießend angewandt. Gemeinsam mit zweifelhaften neurochirurgischen Verfahren („Lobotomie“) haben diese Methoden dem Image der Psychiatrie als medizinisches Fach sehr geschadet.
Die Zeit des Nationalsozialismus ist ein besonders dunkles Kapitel der deutschen Psychiatrie, bei der es zu Verbrechen und Gräueltaten, u. a. systematische Ermordungen geistig behinderter und psychisch kranker Menschen und Zwangssterilisationen, kam. Die Psychiatrie war oft Dulder oder willfähriger Unterstützer solcher „Behandlungen“ und schwieg bis in die Nachkriegszeit nicht selten zu den Vorwürfen (siehe auch Kapitel II, 1). Der ideologische Hintergrund lässt sich teilweise auf die Degenerationslehre des 19. Jahrhunderts zurückführen, die eine fortschreitende Verschlechterung des menschlichen Erbguts für psychische Erkrankungen verantwortlich machte. Dieses Denken führte direkt zur Eugenik und Rassenhygiene der Nationalsozialisten, wobei die Rasse der „Arier“ als genetisch wertvoller als andere Rassen angesehen wurde. Anzumerken ist, dass neben den verbrecherischen Auswüchsen (z. B. die „T4-Aktion“ zur Tötung von behinderten und missgebildeten Kindern) die Degenerationslehre auch andere eigentümliche Theorien nach sich zog, wie die Annahme von „endogenen“ Störungen oder die Lehre von „degenerativen Charakteren“. Was in der derzeitigen Nomenklatur als „Persönlichkeitsstörung“ bezeichnet wird, erfuhr seine ersten Ansätze in der Lehre der abnormen Persönlichkeiten infolge von Degeneration.