Das Buch
In dem Buch werden einunddreißig Romane Simenons eingehender besprochen, darunter die berühmten Gipfelwerke, Der Schnee war schmutzig, Der Präsident, Der Sohn, Die Glocken von Bicêtre, Der kleine Heilige, aber auch weniger bekannte exzellente Titel und eine Reihe solider Erzählungen mittleren Ranges. Die Romane werden aber nicht als Serienprodukte behandelt; vielmehr wird jeder Roman als originelles, in sich bestehendes und für sich einnehmendes Werk betrachtet und als solches gewürdigt. Der Bericht über die Lektüre schließt mit einem Aufsatz, der zu begründen versucht, warum uns Simenons traurige Geschichten gefallen.
Der Autor
Josef Quack, Jg. 1944, Dr. phil., Publikationen:
Bemerkungen zum Sprachverständnis von Karl Kraus. 1976.
Die fragwürdige Identifikation. Studien zur Literatur. 1991.
Künstlerische Selbsterkenntnis. Über E.T.A Hoffmann. 1993.
Wolfgang Koeppen, Erzähler der Zeit. 1997.
Die Grenzen des Menschlichen. Über Simenon & Co. 2000.
Geschichtsroman und Geschichtskritik. Döblins „Wallenstein“. 2004.
Diskurs der Redlichkeit. Döblins „Hamlet“. 2011.
Wenn das Denken feiert. Philosophische Rezensionen. 2013.
Zur christlichen Literatur im 20. Jahrhundert. (2014.
Über das authentische Selbstbild. Zum Tagebuch. .2016.
Über die Rückschritte der Poesie dieser Zeit .2017.
Lehrjahre in St. Wendel und St. Augustin. 2018.
(www.j-quack.homepage.t-online.de)
Über
Simenons traurige Geschichten
Bemerkungen
© 2019 Josef Quack
ISBN 978-3-7497-1433-9 (Paperback)
ISBN 978-3-7497-1434-6 (Hardcover)
ISBN 978-3-7497-1435-3 (e-Book)
Verlag und Druck: tredition GmbH
Halenreie 40-44, 22359 Hamburg
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Inhalt
Vorbemerkung
I. Verfehltes Leben
Die schielende Marie
Maigret und die junge Tote
Zum Film
Schlußlichter
Ein Neuer in der Stadt
Der kleine Mann aus Archangelsk
Die Alte
Der Mann mit dem kleinen Hund
November
II. Finstere Zeiten
Der Schnee war schmutzig
III. Moralische Geschichten
Die Zeugen
Maigret vor den Geschworenen
Die Komplizen
Unbestraftes Verbrechen
Die Anderen
IV. Mißgeschick
Der Sohn
V. Warum ein Mensch zum Mörder wird
Der Mann aus London
Die Wahrheit über Bébé Donge
Der Plüschbär
VI. Geschichten der Flucht
Der ältere Bruder der Ferchaux
Der Mann, der den Zügen nachsah
Die Flucht von M. Monde
Nachtzug nach Lissabon (P. Mercier)
VII. Politiker literarisch betrachtet
Der Präsident
Maigret beim Minister
Das Treibhaus (W. Koeppen)
Bericht über Bruno (J. Breitbach)
Schlußbemerkung
VIII. Randfiguren der Gesellschaft
Am Ende der Kunst
Der blinde Passagier
Striptease
Ausgestoßen
Antoine und Julie
Maigret und der Clochard
IX. Jenseits des Engagements
Die Glocken von Bicêtre
X. „Eine Art Hymne an das Leben“
Der kleine Heilige
Warum uns Simenons traurige Geschichten gefallen
Literatur
Vorbemerkung
Man kennt das Verhalten passionierter Simenon-Leser, das André Gide wohl als erster beschrieben hat: Wenn sie mit der Lektüre eines Romans beginnen, erfaßt sie ein Lesefieber, das erst dann abklingt, wenn sie ein halbes Dutzend seiner Romane verschlungen haben. Es scheint, als teile die konzentrierte Leidenschaft, mit der die Werke geschrieben wurden, sich dem Leser unmittelbar mit.
Damit habe ich auch angedeutet, wie diese Besprechungen zustande gekommen sind. Je nach Lust und Laune habe ich nach einem Roman gegriffen und dann ein paar weitere Bücher ausgewählt, von denen ich annahm, daß sie von ähnlichen Themen und Schicksalen handeln. Ich hatte nicht die geringste Absicht, die Non-Maigret-Romane Simenons in ähnlicher Weise, d.h. halbwegs systematisch, zu untersuchen, wie ich die Maigrets beschrieben habe. Es gibt längst Handbücher, die das Universum Simenons ausführlich präsentieren. Ich wollte nur von meinen Lektüre-Eindrücken berichten und den Gedanken, die ich mir darüber machte, unbekümmert um die Sekundärliteratur, nur gestützt auf meine Kenntnis seines Œuvres, seiner Memoiren und des verwunschenen Tagebuchs von 1960-63, von dem er die Passagen über seine Frau später widerrufen hat. Als nützlich erwies sich auch die Biographie von Pierre Assouline, eine sachlich-kritische Beschreibung seines Lebens. Zu den Rezensionen über Simenon sei nur noch angemerkt, daß das schulterklopfende Lob, mit dem manche Journalisten Simenon bedenken, nur ihre eigene Banausie verrät.
Was meine Auswahl der Romane angeht, so konnte ich die vielgerühmten Meisterwerke, herausragende Beispiele des modernen Romans, natürlich nicht übergehen: Der Schnee war schmutzig, Der Präsident, Der Sohn, Die Glocken von Bicêtre, Der kleine Heilige. Ich habe diese originellen Erzählwerke also mit einer Bewunderung gelesen, die an Ehrfurcht grenzt, und meine Meinung darüber gesagt. Ich habe aber auch andere Romane entdeckt, die es meines Erachtens verdienen, in diese erlesene Reihe aufgenommen zu werden: Der kleine Mann aus Archangelsk, Der Mann mit dem kleinen Hund, Die Komplizen, Der Mann, der den Zügen nachsah. Die Flucht von M Monde. Und dann habe ich noch einige Romane gefunden, die man, eine Wendung Arno Schmidts gebrauchend, unverächtliche Meisterwerke zweiten Ranges nennen könnte.
Nicht auslassen wollte ich den umstrittensten seiner Romane: Der Plüschbär. Hier fragt es sich, ob der große Menschenkenner sich in der Deutung eines Verbrechens geirrt hat, oder ob seine Erzählkunst an eine Grenze gekommen ist, so daß er einmal nicht darstellen konnte, was er darstellen wollte – und dies, obwohl das Werk in formaler Hinsicht nahezu vollkommen ist.
In der Literaturkritik hat man seine Romane meist als psychologische Romane oder Schicksalsromane bezeichnet, was, recht verstanden, wohl zutrifft, einen wesentlichen Aspekt aber nicht berücksichtigt. Es sind nämlich oft moralische Geschichten, die erzählen, wie Menschen schuldig werden und wie sie mit ihrer Schuld fertig zu werden versuchen. Diesen wenig gewürdigten Aspekt der Romane wollte ich betonten, so wie ich seinerzeit die Last der Verantwortung analysiert habe, die Maigret bedrückt.
Der abschließende Essay ist kein Resümee der Besprechungen, keine Zusammenfassung der Themen, Motive und Erzählweisen, nichts dergleichen, sondern eine Reflexion über die Frage, warum uns Simenons Romane gefallen, obwohl sie meist traurige Geschichten erzählen – in meinen Augen ein Paradox, das dringend nach einer Erklärung verlangt.
Schließlich noch ein Wort zu den Werkausgaben, die ich verwendet habe. Da Simenons Prosa im wesentlichen rhythmisch geprägt ist und die deutsche Sprache einen immanenten Rhythmus hat, der sich von dem Rhythmus des Französischen fundamental unterscheidet, habe ich meistens Originalausgaben benutzt und die Zitate so genau wie möglich übersetzt. Die Übersetzungen, die ich geprüft habe, erwiesen sich alle als ungenau und weit unter dem Niveau des Originals. So wurde mit dem deutschen Titel die Lösung des Rätsels eines Romans mitgeteilt und dem Leser die Spannung genommen – ein einmaliger Fall in der Kriminal-Literatur, der zeigt, wie lässig man Simenons Werk behandelt.
Ich habe nicht nur Bücher von Simenon besprochen, sondern auch das Treibhaus von Wolfgang Koeppen und den Bericht über Bruno von Joseph Breitbach herangezogen, um das politische Thema durch analoge Geschichten zu illustrieren. Auch habe ich den Nachtzug nach Lissabon von Pascal Mercier skizziert, um wenigstens ein renommiertes Buch aus der Wirkungsgeschichte Simenons vorzustellen.