Nachtruhe
BDSM-Geschichten von strengen Frauen
Von Gregor Dunajew
Schwarze-Zeilen Verlag
Reichenaustr. 81c
78467 Konstanz
leser@schwarze-zeilen.de
http://schwarze-zeilen.de
1. Auflage, 2019
© 2019 Schwarze-Zeilen Verlag – alle Rechte vorbehalten.
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78467 Konstanz
Schwarze-Zeilen Verlag, Konstanz
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Coverfoto:
© Frank Eckgold – stock.adobe.com
ISBN: 978-3-94596-771-3
Ich probiere die Kürbissuppe. Nicht ganz perfekt. Vielleicht sollte noch ein wenig Butter dazu.
Eine letzte Kontrolle. Habe ich alles für das Hauptgericht auf der Arbeitsplatte?
Für zwei abgehangene Rindersteaks stehen Pfeffer und Salz in ihren Mühlen bereit. Kartoffelspalten bräunen bereits im Ofen. Auf ihnen glänzt der gemahlene Rosmarin unter einem Hauch Sesamöl. Meine Beilage aus Tomaten, Paprika und Zwiebeln werde ich später kurz schmoren. Auch die Steaks darf ich noch nicht braten. Sie müssen direkt aus der heißen Pfanne auf die Teller. Jedes Warmhalten mindert die Qualität.
Mist! Wie überbrücke ich die Zeit zwischen Suppe und Hauptgang? Darf ich zwischen den Gängen aufstehen? Ich muss, bin Kellner, Unterhalter, Koch. Zehn lange Minuten werde ich brauchen, um die Steaks auf den Tisch zu bringen. Das bedeutet, Martina sitzt in dieser Zeit allein am Tisch, während ich am Herd stehe.
Im Kühlschrank liegt der Weißwein. Vier Grad? Der muss raus. Das ist zu kühl.
Geschliffene Gläser glänzen auf meinem weißen Tischtuch. Noch einige Minuten. Wenn Martina den Raum betritt, wird das Kristall im Licht der Kerzen funkeln. Alles ist perfekt.
***
Zwanzig Uhr. Jeden Moment muss Martina kommen. Noch sitzt sie beim Friseur. Heute Morgen sprach sie von einer kleinen Änderung. Ich bin gespannt.
***
Im Korridor prüfe ich mein Aussehen. Helles Hemd, dunkle Hose, gründliche Rasur, dazu ein Hauch dieses neuen Duftes, der an einen Spaziergang am Meer erinnert.
***
Ich höre das Auto in der Einfahrt, öffne die Haustür. Martina hat tatsächlich etwas geändert. Ihre Haare sind bedeutend kürzer, rahmen das Gesicht etwas strenger. Darauf stehe ich.
Sie schließt die Autotür, kommt auf mich zu, dreht sich einmal um ihre Achse.
»Perfekt«, sage ich bewundernd. »Sogar im Nacken ein wenig ausrasiert.«
»Gefällt es dir tatsächlich?«, fragt sie, sieht mich forschend an. »Ehrlich, was denkst du?«
»Du solltest dein Haar immer so tragen«, antworte ich. »Es fügt deiner femininen Ausstrahlung einen Hauch maskulinen Charakters hinzu. Darf ich deinen Mantel abnehmen?«
»Wollen wir gleich unsere Runde gehen oder verdirbt das Essen?«, fragt sie, reicht mir ihre Handtasche.
Ich bin sicher, dass sie nach ihrem Arbeitstag vor dem Essen eine halbe Stunde Bewegung und frische Luft braucht.
»Wir gehen«, sage ich, eile in die Küche, decke meine Kartoffelspalten im Herd ab, reguliere die Temperatur, ziehe Schuhe und Jacke an.
Vor der Tür nehme ich Martina in den Arm. Ich küsse sie auf die Stirn, streiche mit meiner Hand über ihren Nacken. Sie entzieht sich, wie immer nach einiger Zeit.
»Nicht zu viel«, lacht sie. »Der Kuss auf die Stirn, ein kurzes Festhalten. Keine Vereinnahmung. Wie fühlen sich meine Haare im Nacken an?«
»Rau«, antworte ich, »leicht kratzig, mutig, ungewöhnlich, reizend.«
***
Seit Martina aus ihrem Schichtdienst ausgestiegen ist, nehmen wir uns am Abend Zeit für eine Runde. Meist gehen wir an den letzten Häusern am Rande unserer kleinen Stadt entlang bis zu den Gärten, hinüber in den Wald zur Försterei, im Anschluss über die Wiesen zurück.
Martina hat sich bei mir eingehakt.
»Ich bin froh, dass Freitag ist«, sagt sie. »Die Schichtpläne für den nächsten Monat habe ich fertig. Diesmal gab es kaum Theater. Und endlich bekommen wir drei neue Kräfte.«
»Gute Leute?«, frage ich.
Sie zieht ihre Schultern etwas nach oben.
»Ich hoffe«, antwortet sie. »Eine Schwester ausschließlich für den Nachtdienst und zwei im Wechseldienst.«
»Ich bin froh, dass du keine Schichten mehr arbeitest«, sage ich.
»Und ich erst«, entgegnet sie. »Aber der Bürodienst setzt an. Bin ich dir zu fett?«
Ich stelle mich vor sie, umfasse ihre Hüften, hebe sie hoch.
»Genau richtig«, erwidere ich. »Ich mag keine dünnen Gestelle.«
»Du bist übergriffig«, sagt sie. »Habe ich das gestattet?«
»Entschuldigung«, sage ich. »Es ist so über mich gekommen.«
»Neunzig Kilo bei einem Meter fünfundsiebzig«, stellt sie fest. »Unterdessen trage ich Konfektionsgröße 50. Das ist fett.«
Schnell trete ich zwei Meter zurück, betrachte Martina. Sie trägt einen dunkelgrünen Cordrock, schwarze Strumpfhosen, hohe, braune Stiefel mit flacher Sohle, dazu eine Jacke aus dickem Flanell.
»Genau richtig«, lobe ich. »Du bist die perfekte Frau.«
»Danke«, antwortet sie, hängt sich wieder bei mir ein.
Ich erzähle ihr von meinem Tag, von den sechs Stunden, die ich mit der Wartung von Computersystemen zugebracht habe, von zwei Stunden Sport in meinem Fitnessraum, einem entspannten Saunagang.
»Also hast du die Fenster heute nicht geputzt«, stellt Martina bedauernd fest. »Und lag da nicht eine alte Zeitung in unserer Einfahrt? Bist du etwas nachlässig, Henry?«
Ich hatte tatsächlich die Fenster vergessen.
»Entschuldigung«, sage ich. »Das hole ich am Montag nach.«
»Zwei Mal hast du dich in der letzten halben Stunde entschuldigt«, sagt Martina scharf. »Du bist übergriffig, du bist faul. Du denkst, mit halbherzigen Entschuldigungen ist das abgetan? Wir reden nachher über deine freien Kapazitäten an diesem Wochenende. Und nun möchte ich nichts mehr hören.«
Wir gehen weiter. Ich rede nicht, Martina sagt nichts. Es ist kein unangenehmes Schweigen. In solchen Minuten gehe ich wie durch ein Spannungsfeld.
***
Eine halbe Stunde später halte ich Martina die Pforte auf, nehme ihr im Haus den Mantel ab. Ich bringe die Kürbissuppe auf Temperatur, öffne den Wein, zünde zwei Kerzen an.
»Fein hast du den Tisch gedeckt«, sagt Martina. »Der Wein schwimmt wie helles Gold in den Gläsern. Aber dort auf meinem Messer ist eine Stelle am Griff nicht ganz blank.« Sie haucht auf den Griff, reibt ihn mit der Serviette glänzend, legt das Messer ab, nimmt ihr Weinglas.
»Auf unser Wochenende«, sagt sie.
Ein Klang wie aus einer anderen Welt, hell, himmlisch. Wir trinken.
***
Martina probiert meine Kürbissuppe.
»Der Ingwer dominiert nicht«, lobt sie. »Du hast sehr gut püriert, zumindest das hat geklappt.«
»Danke, Martina«, freue ich mich. Sie schaltet um.
»Du sagst, dass du mich liebst?«, fragt sie etwas lauter.
»Sehr, Martina«, antworte ich.
»Du bist nur dauergeil«, widerspricht sie. »Ich habe mir die Attribute gemerkt, mit denen du mich seit einer Stunde bezeichnet hast. Es begann mit rasiert, dann folgte eine feminine Ausstrahlung, ein maskuliner Charakter. Du hast die Worte rau, kratzig, mutig, ungewöhnlich, reizend benutzt.«
»Ich habe dich nur gelobt«, werfe ich ein.
»Du hast mich geküsst, mich angehoben. Ich habe deine Erregung gespürt«, zischt sie scharf.
Ich sehe auf meinen Teller, widerspreche nicht. Sie hebt ihr Glas.
»Ein wenig Butter hätte die Suppe perfekt gemacht.«
»Ich wollte, aber da habe ich dich kommen gehört«, verteidige ich mich.
»Aber, aber! Ich will kein ›Aber‹ hören!«, schimpft sie. »Und ich bin auch nicht gekommen. Das hättest du gern. Ich bin auf den Hof gefahren. Jetzt mach das Essen fertig. Ab sofort ziehe ich andere Seiten auf. Los, das Hauptgericht!«
***
Während ich Öl in der Pfanne erhitze, spüre ich dieses besondere Kribbeln in meinem Unterleib. Wir immer in solchen Situationen stehe ich etwas weicher auf meinen Beinen. Heute ist es wieder so weit. Meine Freude auf ein ganz besonderes Wochenende verberge ich.
Das Fleisch zischt. Ich brate es kurz bei sehr großer Hitze von beiden Seiten an, karamellisiere es, salze, reduziere die Hitze. Fünf Minuten braucht es bis zur zartrosa Färbung.
»Du fegst morgen die Straße, machst den Vorgarten«, bestimmt Martina, während sie mich beim Braten des Fleisches betrachtet.
»Ich habe doch erst vorgestern gefegt«, werfe ich ein, um zu provozieren.
»Zehn auf die Fußsohlen«, sagt sie wie nebenbei mit gelangweilter Stimme. »Ich diskutiere das nicht. Du putzt die Fenster zur Gartenseite. Und beide Bäder möchte ich wirklich sauber vorfinden. Im Anschluss werde ich entscheiden, was du weiter tust. Hast du das verstanden?«
»Natürlich«, antworte ich. Dann hole ich die Kartoffelspalten aus der Röhre und richte sie mit dem Gemüse auf zwei Tellern an. Ich nehme das Fleisch aus der abgedeckten Pfanne, pfeffere frisch aus der Mühle, stelle die Teller auf den Tisch.
»Gut sieht das aus«, lobt Martina, schneidet das Fleisch an. Sie schiebt ein Stück in den Mund, prüft, kaut, lächelt.
»Perfekt«, sagt sie. »Wenn du nicht so widerborstig wärst, hätte ich einen perfekten Mann.«
Wieder hebt sie ihr Glas.
»Für dich mache ich alles, meine kleine Maus«, sage ich, warte auf ihre Reaktion. Sie kaut, schneidet sich ein weiteres Stück ab, isst, lächelt noch immer.
Ich sage nichts, spüre Spannung, die unsere Küche füllt, sich zwischen uns aufbaut.
***
Martina schiebt ihren Teller zur Seite.
»Das war gut«, lobt sie, hebt erneut ihr Glas. »Trink noch einen Schluck, der Rest ist für mich.«
Ich trinke, sie lächelt.
»Kleine Maus hast du mich genannt«, sagt sie tonlos. »Dabei bin ich eine ausgewachsene Ratte. Ab sofort wirst du mich wieder ordentlich ansprechen. Du gehst jetzt nach oben. Ich möchte, dass du die Hantelbank im Schlafzimmer neben das Bett stellst. Du duschst, putzt dir die Zähne. Du legst Manschetten um deine Hand- und Fußgelenke. Im Anschluss stellst du dich hinter die Bank, Beine leicht auseinander, Hände in den Nacken und wartest. Hast du verstanden?«
»Ich habe Sie verstanden« antworte ich. »Soll ich hier noch aufräumen oder gleich nach oben gehen?«
»Nach oben«, bestimmt sie. »Das hier hat Zeit bis morgen.«
Ich warte wie befohlen. Unten höre ich Martina telefonieren. Wahrscheinlich redet sie mit ihrer Schwester. Während sie telefoniert, muss ich hier nicht wie ein Idiot stehen. Ich setze mich auf die Bank, höre in das Treppenhaus. Als ich Martinas Schritte höre, stehe ich leise auf, stelle mich hinter die Bank.
»Mit dem Rücken auf die Bank, die Füße auf den Boden, Arme an die Seitenstreben!«, befiehlt sie.
Ich gehorche. Im Gestell der Bank sind ausreichend Ösen und Ringe vorhanden. Ich durfte in den letzten Monaten viele Fixierungen in verschiedenen Stellungen erdulden.
Martina befestigt Karabinerhaken an meinen Manschetten, verbindet sie mit der Hantelbank.
»Was denkst du, was jetzt passiert?«, fragt sie, geht zum Schrank.
Schläge auf die Fußsohlen kann sie mir nicht verabreichen.
»Sie möchten noch ein wenig Wein trinken und mich im Anschluss oral befriedigen«, sage ich, um das Maß vollzumachen.
»Sicher nicht«, antwortet sie. »Aber eines hast du mit deinen Provokationen nicht erreicht. Du machst mich weder wütend noch scharf. Du hast keinen Einfluss. Ich mache mein Ding, nicht dein Ding. Das werde ich unabhängig von deinen Frechheiten tun und dir beweisen, dass dein Einfluss auf meinen Willen unerheblich ist. Wie fühlst du dich? Wirst du es ein Weilchen in dieser Lage aushalten?«
»Es reizt mich«, antworte ich.
»Das sehe ich«, sagt sie lakonisch. »Du hast eine Erektion. Ich hatte vor, mir heute die Füße von dir verwöhnen zu lassen. Meine Strumpfhosen trage ich seit Montag, die Stiefel jeden Tag. Vielleicht darfst du das morgen nach dem Frühstück tun.«
Sie hebt ihren Rock, zieht ihren Slip aus.
»Als ausgewachsene Ratte habe ich seit Montag nicht geduscht«, sagt sie, zeigt mir ihren Slip. »Ich habe ihn nicht gewechselt. Siehst du, dass dein Gestammel keinen Einfluss auf mich hat? Meine Befriedigung habe ich seit Montag im Kopf. Du hast dir deine Zähne geputzt? Bist du sauber für mich?«
»Ja, Herrin«, antworte ich.
»Neunzig Kilo«, sagt sie, geht zum Kopfteil der Bank. »Du meintest, das ist perfekt. Ich beginne jetzt. Alle dreißig Sekunden bekommst du fünf Sekunden Luft.«
Ich sehe die Schäfte ihrer Stiefel, unter dem Rock ihre halterlosen Strumpfhosen, die sie ein wenig herabzieht. Sie steht jetzt über der Bank. An meinen Wangen spüre ich weich ihre Oberschenkel. Über mir glänzt ihre rasierte Scham, die vollen, geschwungenen Lippen in dunklem Rot, ihre rosa Rosette. Ich rieche sie, denke an die Spuren einer intensiven Arbeitswoche, bekomme keine Luft. Martina ist tatsächlich eine Ratte, denke ich, als sie ihre Rosette über meine Nase schiebt, sich auf mich drückt. Meine Zunge reicht an ihre Lippen. Ich lasse mich fallen, genieße die Länge von dreißig Sekunden, atme heftig und tief, drei Mal, spüre erneut ihren Schließmuskel über meiner Nase. Pervers ist sie, denke ich, sie genießt, lässt sich Zeit. Während einer Atempause dreht sie sich. Meine Nasenflügel spüren ihre Schamlippen. Sie mag meine Zunge an ihrer Rosette, legt Wert auf Gründlichkeit. Sie befiehlt mir, mich mehr anzustrengen. Ich dringe tiefer, spüre ihren Schließmuskel wie einen warmen, festen Ring, der meine Zunge wie eine Faust umschließt. Hier ist mein Platz, denke ich. So ist es gut. Nach einiger Zeit wechselt sie erneut die Lage. Der Rhythmus zwischen Sauerstoffentzug und schneller Atmung führt mich in eine Entrücktheit. Mein Denken ist fort, ich fühle nur noch. Ihre Schamlippen, die Feuchtigkeit ihrer Vagina, ein warmer Sumpf. Ich ertrinke langsam, werde tief unter das weiche Wasser gepresst. Als ich ihre Klitoris vor meinen Lippen spüre, nehme ich ihr Bedürfnis instinktiv auf. Ich spüre ihren Wünschen nach, möchte mich mit ihr verbinden, ein Ding werden. Sie spürt meinen Rausch. Plötzlich fühle ich einen heftigen Schmerz im Unterleib. Es ist ihr besonderer Griff, mit dem sie meine Hoden umfasst, gleichzeitig zieht, presst. Ihre andere Hand drückt meinen Schaft. Sie zieht mir die Vorhaut zurück. Dabei bewegt sie ihre Hand kaum. Sie zieht so stark, dass ich das Gefühl habe, meine Penisspitze wird geweitet. Ihre Klitoris ist groß, fest, ich sauge sie an, massiere sie mit der Zunge. Sie vibriert über mir, hebt sich kurz für drei Atemzüge, senkt sich. Ich sauge ihre Klitoris intensiv. Plötzlich beginnt es, zieht sich über meiner Nase mehrere Male zusammen. Ich verharre, berühre ihre Klitoris nicht. Der Schmerz in meinem Unterleib lässt nach, die Spannung auf meiner Eichel verschwindet. Ich bekomme Luft.
Martina steht auf, sieht mich zufrieden an.
»Gut war das«, sagt sie. »Bist du kurz davor?«
»Ja, bitte«, antworte ich. »Ich brauche höchstens zehn Sekunden.«
»Du bist sexbesessen«, lacht Martina. »Ich bin nicht deine Erfüllungsgehilfin.«
Sie zieht Stiefel, Rock und Strumpfhosen aus, legt sich in unser Bett. Ich warte auf unser nächstes Spiel, hoffe. Einige Bewegungen mit ihrer Hand, einige Sekunden.
»Ich lese noch eine halbe Stunde und schlafe dann«, sagt sie. »Du siehst zu, dass deine Erektion verschwindet. Denk an etwas Ekliges.«
Also bleibe ich auf der Bank? Mein Gesicht ist nass, mein Penis steif. Ich bin ganz sicher, Martina weiß genau, wie ich mich fühle. Langsam trocknet mein Gesicht. Ich liege still, strecke aber einen Fuß im Reflex. Ein kurzes metallisches Klingen.
»Zehn«, sagt Martina, blättert ihr Buch um.
»Herrin, darf ich sprechen?«, frage ich.
»Kurz«, antwortet sie.
»Ich müsste auf die Toilette.«
Martina seufzt, steht auf, geht zum Schrank.
»Ich habe keine Lust, dich loszuhaken, dann wieder festzuhaken und das vielleicht morgen früh zu wiederholen.«
Sie setzt sich auf meinen Bauch. Vor mir ist ihr Rücken. Ich höre, wie sie eine Packung aufreißt. Bitte nicht das, hoffe ich. Der Schlauch schiebt sich durch meine Harnröhre, über windet den leichten Widerstand der Prostata. Ich spüre, wie es läuft.
»Den lasse ich drin, der Beutel hängt an der Seite«, sagt sie, steht auf, geht zum Bett. Sie nimmt meine Decke, legt sie so über mich, dass ich vom Hals bis über die Füße bedeckt bin.
»Versuch zu schlafen«, schnurrt sie leise, beugt sich über mich. Ich spüre ihre Zunge, küsse, möchte immer weiter küssen. Sie streicht mir über den Kopf.
»Denk dran«, flüstert sie, »zehn mit dem Rohrstock für jedes Geräusch, das ich höre.«
Sie betrachtet mich, zögert einen Moment, nimmt ihren Slip vom Boden.
»Das hätte ich beinahe vergessen«, flüstert sie. »Noch ein Liebesbeweis. Du behältst das zarte Wäschestück im Mund. Sei über Nacht meine Miniwaschmaschine. Ich möchte, dass der Slip morgen wie frisch gewaschen riecht.«
Ich rieche das Wäschestück, gehorche. Martina sieht mich zufrieden an.
»Manchmal bekommt jeder, was er verdient«, sagt sie, legt sich in unser Bett, deckt sich zu, dreht sich auf die Seite, löscht das Licht.
***
Das Zimmer bekommt Konturen. Ich sehe das Fenster, einen leichten Schein Mondlicht. Die Nacht ist still. Nach einiger Zeit höre ich Martinas ruhige Atemzüge. Ganz ruhig liege ich, so wie Martina es für mich entschieden hat.
Als ich im Urlaub feststellte, dass ich meinen Tag mit Rotwein begann und mit Raki beendete, wurde mir klar, dass ich mein Leben ändern musste. Was hatte ich? Einen Golf, eine gut eingerichtete Mietwohnung, eine Dauerkarte für das Fitnessstudio, wechselnde Beziehungen, keine Kinder, keinen Mann. Ich arbeitete. Schichtdienst. Monat für Monat legte ich fünfhundert Euro auf ein Konto, das kaum Zinsen brachte. Mein Traum war eine eigene Wohnung. Ich suchte, rechnete, ließ es sein. Nach zwanzig Jahren Arbeit bekam ich für meine Ersparnisse nicht mal eine Einzimmerwohnung in Innenstadtlage.
An der Bar zog ich mir einen Rotwein. Zurück am Pool trank ich einen guten Schluck. Was bestimmte meinen Alltag? Die Arbeit? Zwei Mal im Jahr zwei Wochen Pauschalurlaub im Süden als Selbstbelohnung? Weshalb konnte ich mir nach zwanzig Jahren im Beruf keine Eigentumswohnung leisten? Ich hatte einen guten Schulabschluss gemacht, eine längere Ausbildung hinter mir. Als Krankenschwester im Schichtdienst verdiente ich ausreichend, aber nicht genug. Mein Geld reichte für Miete, Auto, Urlaub, Essen, Wein, Klamotten und Schuhe.