Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
1. Auflage 2019
© 2019 by Braumüller GmbH
Servitengasse 5, A-1090 Wien
www.braumueller.at
Coverbild: shutterstock | © Morphart Creation
Vor- und Nachsatzmotiv: shutterstock | © Morphart Creation
ISBN 978-3-99100-270-3
eISBN 978-3-99100-271-0
Vorrede des Verlegers
Aus Metternich’s nachgelassenen Papieren
Als Botschafter Oesterreichs am Hofe Napoleon’s
Fürst Metternich über Napoleon Bonaparte
Vorrede des Uebersetzers
I. Unterredung mit Napoleon zu Dresden am 23. Juni 1813
II. Denkschrift Metternich’s über den Charakter und die Eigenheiten Napoleon’s
Im Verlag Wilhelm Braumüller sind 1875 Aufzeichnungen von Fürst Clemens Wenzel Lothar von Metternich über Napoleon Bonaparte erschienen. Die beiden Kapitel des ersten nur vierzigseitigen Bändchens sind ursprünglich in französischer Sprache im zweiten Band des ersten Teils enthalten und wurden übersetzt von Dr. Hegewald. Ab 1880 sind dann Metternichs nachgelassene Papiere, herausgegeben von seinem Sohn Richard von Metternich-Winneburg, komplett in acht Bänden aufgelegt worden.
1. Teil, Bände 1 und 2 von 1773–1815;
2. Teil, Bände 3 bis 7 von 1816–1848;
3. Teil, Band 8 von 1848–1859.
Anlässlich des 250. Geburtstages von Napoleon Bonaparte (1769–1821) veröffentlicht der Braumüller Verlag nun Teile von Metternichs Aufzeichnungen in originaler Orthografie. Wir haben eine Passage aus dem ersten Band und zwei aus dem zweiten Band, jene bereits damals von Dr. Hegewald übersetzten, ausgewählt. Die erste Passage „Als Botschafter am Hofe Napoleons“ wurde in deutscher Sprache niedergeschrieben, die beiden anderen „Unterredung mit Napoleon zu Dresden am 23. Juni 1813“ und „Denkschrift Metternichs über den Charakter und die Eigenarten Napoleons“ in französischer. Fürst Metternich hat seine Gedanken abwechselnd in Deutsch und Französisch notiert. Metternichs nachgelassene Papiere sind derzeit nur gemischt in Deutsch und Französisch nachzulesen. Es gibt keine rein deutsche Fassung.
Wie kaum ein anderer hat der 1773 in Koblenz geborene und 1859 in Wien gestorbene Fürst Clemens Metternich die Entwicklungen in Europa gelenkt und mitbestimmt. 1806 ging Metternich als Gesandter Österreichs an den französischen Hof und zu Napoleon Bonaparte, um dort die Beziehungen zwischen Österreich und Frankreich zu entspannen. Aus dieser Zeit stammt auch der erste Text über Napoleon. Fürst Metternich, der einen sehr hohen Bildungsstand hatte, entwarf „in ruhigem Ton“, „mit der Sprache der Überzeugung“ (Zitate aus dem Vorwort des Übersetzers) ein sehr interessantes Portrait von Napoleon Bonaparte. Auf diesen wenigen Seiten ist zu erkennen, dass Napoleon Bonaparte „kein Mann der Wissenschaft“ war, wie Metternich schreibt. „Seine natürlichen Anlagen ersetzten ihm oft den Mangel an Wissen. Durch sein Genie ist er Gesetzgeber, Administrator und Feldherr geworden.“ Metternich, der ein sehr genauer Beobachter war, hat viele Gespräche nicht nur mit Napoleon Bonaparte, sondern auch mit anderen Persönlichkeiten wie Marie Louise, bei deren Hochzeit mit Napoleon er einer der Hauptbeteiligten bei der Anbahnung war, geführt und daraus seine Skizzen angefertigt und diese niedergeschrieben.
In einem Prospectus aus dem November 1879 wurde das Werk damals folgendermaßen angekündigt:
… Das Werk umfaßt, nach Zeitabschnitten und theilweise nach Materien geordnet, 4 Theile, welche je nach Umfang in zwei oder mehrere Bände abgetheilt werden.
Der vorliegende erste Theil (vom Geburtstage 1773 bis 1815) enthält in zwei Bänden das 1.–3. Buch, und zwar:
Eine autobiographische Denkschrift des Fürsten, „Materialien zur Geschichte meines öffentlichen Lebens“; – Gallerie berühmter Zeitgenossen. „Die Porträts Napoleon’s und Alexander’s“, geschildert von Metternich; – und eine Sammlung von Briefen, Vorträgen, Depeschen und Denkschriften Metternich’s, zur Ergänzung und Erläuterung der Autobiographie.
Der zweite Theil (von 1816 bis März 1848) umfaßt:
Die Schriftensammlung aus der Zeit 1816–1848 nebst kurzen Schilderungen berühmter Zeitgenossen, wie: Dom Miguel’s, Carlo Alberto’s, Louis Philippe’s, Canning’s u. A. aus der Feder Metternich’s; dann die Fortsetzung der autobiographischen Denkschrift „Leitfaden zur Erklärung meiner Denk- und Handlungsweise“ mit dem Schlußcapitel „Mein Rücktritt“.
Ueber das Wirken des Staatskanzlers auf dem Felde der auswärtigen Politik in der Zeit vom Ausbruche der Juli-Revolution in Paris 1830 bis zum Ausbruche der März-Revolution in Wien 1848 läßt sich kaum ein vollständigeres Bild denken, als es durch die an betreffender Stelle einverleibte Sammlung von „lettres particulières“ Metternich’s an den Botschafter Apponyi in Paris geboten wird. Bei einzelnen wichtigeren Ereignissen, wie z. B. die Juli-Revolution, der Tod des Kaisers Franz, die Vorfälle in Galizien u. dgl. m. unterbrechen besondere Einlagen, sämmtlich von der Hand Metternich’s, den sonst fortlaufenden Text der Depeschen.
Der dritte Theil (1848–1859) bringt:
Auszüge aus dem Tagebuche der Fürstin Melanie Metternich, mit vielen Beilagen aus der Feder des Staatskanzlers – höchst interessant für die Zeit vom März 1848 bis 1853, wo das Tagebuch schließt; – Briefe Metternich’s aus den letzten Lebensjahren 1854 bis 1859; – „Mein politisches Testament.“ Eine Denkschrift Metternich’s.
Unter den Beilagen des Tagebuches heben wir hervor: Briefe Metternich’s an Radetzky, Fürst Felix Schwarzenberg, Baron Kübek, Cardinal Rauscher, dann von auswärtigen Notabilitäten, Schreiben von und an König Leopold von Belgien, Kaiser Nicolaus, König Ludwig von Baiern, König Friedrich Wilhelm IV., Lord Stratford de Redcliffe etc. etc.
Der vierte Theil enthält folgende nach Materien geordnete Schriften:
Miscellen, Anekdoten, kleinere Begebenheiten und Curiositäten aus dem Leben Metternich’s nach eigenen Aufzeichnungen; – Pensées et Maximes; eine Sammlung von Aufsätzen Metternich’s aller Art, politischen, philosophischen, national-ökonomischen etc. Inhaltes, theils allgemeiner Natur, theils für specielle Länder berechnet; – Akademische Correspondenz mit Gelehrten und Künstlern, darunter Goethe, Humboldt, Liebig, Mezzofanti, Rauch, Jean Paul Richter, Rossini etc. – Als Abschluß folgt ein Anhang von Ausweisen über Diplome und Auszeichnungen aller Art.
Wien, am 11. Juni 2019
Bernhard Borovansky
Verleger des Braumüller Verlages
Colloredo’s und Cobenzl’s Rücktritt. – Stadion’s Berufung zum Minister des Aeußern. – Metternich’s Bestimmung nach Petersburg. – Statt dessen als Botschafter nach Paris. – Beweggrunde dieses Wechsels. – Unterredung mit Kaiser Franz. – Wenig Belehrung aus den Archiven. – Abreise von Wien. – Unfreiwilliger Aufenthalt in Straßburg. – Ankunft in Paris. – Beginn des eigentlichen öffentlichen Lebens. – Bei Talleyrand. – Erste Audienz bei Napoleon in St. Cloud. – Jena. Der Höhepunkt der Macht Napoleon’s. – Die Fehler Preußens. – Dessen Schicksalswandlungen. – Die Fehler Napoleon’s. – Bulletins-Methode. – Die gloire nationale. – Napoleon’s Rückkehr von den Ufern des Niemen. – Abschieds-Audienz Talberg’s. – Graf Tolstoy. – Graf Nesselrode. – Napoleon’s Blicke nach Spanien. – Monarchen-Zusammenkunft in Erfurt. – Graf Romanzow. – Metternich’s passive Haltung. – Laffayette. – Barrère. – Kriegerische Absichten Napoleon’s auf Spanien. – Die große Audienz vom 15. August 1808. – Champagny’s Beschwichtigung. – Ankunft in Wien. – Die Lage Oesterreichs. – Unterredung mit Kaiser Franz. – Metternich’s Ansichten über den Krieg. – Napoleon’s Haltung. – Abbruch des diplomatischen Verkehrs mit Oesterreich. – Verhinderung der Abreise Metternich’s und Ursache davon. – Frankreichs innere Lage. – Einkünfte der französischen Marschälle. – Die Stellung Napoleon’s. – Antikriegerische Strömung der Großwürdenträger und der Marschälle Frankreichs. – Charakteristik Talleyrand’s, Fouché’s und Cambacérès’. – Metternich’s Abreise von Paris als Gefangener unter Escorte. – Gerüchte von der Schlacht bei Aspern auf der Reise. – Besuch der Kaiserin Josephine in Straßburg. – Ankunft in Wien. – Metternich’s Vater nebst dem Erzbischof von Wien und den Grafen Pergen und Hardegg zu Geiseln bestimmt. – Unterredung mit Champagny in der Wiener Hofburg. – Internirung in der Villa am Grünberg. – General Savary’s Besuch daselbst. – Sonstige Besuche am Grünberg. – Abreise an den Ort der Auswechslung. – Gegenbefehl in Wieselburg. – Napoleon’s Entschuldigung. – Nachtquartier in Acs. – Scharfes Feuer einer österreichischen Batterie auf Metternich’s Wagen. – Ruckkehr nach Raab. – Endliche Auswechslung in Acs. – Oberst Avy. – Zusammenkunft mit dem Palatin in Komorn. – Empfang von Seite des Kaisers Franz in Wolkersdorf. – Stadion’s niedergeschlagene Stimmung. – Beschießung der Lobau. – Vorbereitungen zur Schlacht. – Botschaft des Erzherzogs Karl und Antwort des Kaisers Franz. – Rückzug der österreichischen Armee. – Das Hauptquartier in Znaim.
Die Folgen der Schlacht bei Austerlitz machten das Verbleiben der Männer, welche den Krieg von 1805 unternommen hatten, im Amte unmöglich. Graf Colloredo, der Kabinetsminister, und Graf Cobenzl, der Hof- und Staats-Vicekanzler, zogen sich zurück und der Kaiser nahm zum Minister der auswärtigen Angelegenheiten den Grafen Stadion, seinen Botschafter in Petersburg. Da Kaiser Alexander gewünscht hatte, mich auf dem Posten eines Botschafters bei ihm zu sehen, erhielt ich den Befehl, Berlin zu verlassen und mich über Wien nach meiner neuen Bestimmung zu verfügen. Anfangs April in dieser Hauptstadt angekommen, stieg ich beim Grafen Stadion ab, der mir mittheilte, daß ich, anstatt nach St. Petersburg zu gehen, mich nach Paris zu verfügen hätte. Graf Philipp Cobenzl, für den Botschafterposten in Frankreich bestimmt, war eben von Napoleon abgelehnt worden, der mich als dasjenige Organ Oesterreichs bezeichnete, das am tauglichsten sei, die Beziehungen anzuknüpfen, die er von nun an zwischen beiden Reichen hergestellt zu sehen wünschte.
Was ich später über die Gründe, welche damals Napoleon vorschwebten, erfahren habe, ist Folgendes: Mein französischer College in Berlin war der weiter oben erwähnte Herr de Laforest, ein Vertrauensmann des Fürsten Talleyrand. In den Augenblicken starker Spannung, die dem Abschlusse der Allianz zwischen Oesterreich, Rußland und Preußen vorausgingen, war die Stellung des Herrn de Laforest eine sehr schwierige geworden. Da es zu meinen Gewohnheiten gehört, die Geschäftsfragen nicht mit den Personenfragen zu vermengen, so bestrebte ich mich, meine Beziehungen zu meinem französischen Collegen auf einem Fuße freimüthiger Höflichkeit zu erhalten. Diese Beziehungen dauerten in den verschiedenen Phasen der Ereignisse fort. Das entging Herrn v. Talleyrand nicht, dessen Politik der Begründung guter Beziehungen zwischen Frankreich und Oesterreich nicht feindlich war. Graf Philipp Cobenzl hatte sich in Paris abgenützt, man wollte dort eine neue Persönlichkeit: die Wahl fiel auf mich.
Wie ein Blitzstrahl traf mich diese Veränderung meiner Bestimmung, als ich sie vernahm. Nur ungern entsagte ich dem Posten in St. Petersburg, denn die persönlichen Beziehungen, in welche ich zu dem Kaiser Alexander getreten war, hatten mich hoffen lassen, daselbst meinem Monarchen auf eine nützliche Weise zu dienen und zugleich auf eine solche, die meinen politischen Anschauungen mehr zusagte, als die Art von Thätigkeit, welche in Paris gegenüber Napoleon meiner wartete.
Auf der anderen Seite bot die Aufgabe, Oesterreich unmittelbar nach dem Preßburger Frieden in Frankreich zu vertreten, eine solche Summe von Schwierigkeiten, daß ich besorgte, ich sei ihnen nicht gewachsen. Tags darauf erschien ich beim Kaiser Franz und war so frei, ihm die Verlegenheit meiner Lage zu schildern. Er empfing mich mit seiner gewöhnlichen Güte, belobte mich über meine Haltung in Berlin und stellte mir die Nothwendigkeit, mich in das, was er mein Geschick nannte, zu fügen, in Ausdrücken dar, die mir es unmöglich machten, mich seinem Willen zu entziehen.