Mutter werden – berufstätig bleiben
Für Irene
Beobachter-Edition
© 2019 Ringier Axel Springer Schweiz AG, Zürich
Alle Rechte vorbehalten
www.beobachter.ch
Herausgeber: Der Schweizerische Beobachter, Zürich
Lektorat: Käthi Zeugin, Zürich
Reihenkonzept: fraufederer.ch
Umschlagillustration: illumueller.ch
Satz: Rebecca De Bautista
Herstellung: Bruno Bächtold
e-Book: mbassador GmbH, Basel
ISBN 978-3-03875-199-1
eISBN 978-303875-232-5
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Die Autorin
Irmtraud Bräunlich Keller, lic. rer. pol. und langjährige Arbeitsrechtsspezialistin im Beobachter-Beratungszentrum, hat selber als berufstätige Mutter zwei Kinder grossgezogen. Sie ist auch Autorin der Beobachter-Ratgeber «Arbeitsrecht», «Flexible Jobs: Temporär, Teilzeit, Freelance», «Job weg. Wie weiter bei Kündigung und Arbeitslosigkeit?» und «Mobbing am Arbeitsplatz» sowie Co-Autorin von «Fair qualifiziert?», «OR für den Alltag» und «Plötzlich Chef».
Dank
Die Autorin dankt Gitta Limacher, Anne Sciavilla, Katharina Siegrist und Hanneke Spinatsch vom Beobachter-Beratungszentrum für das kritische Gegenlesen einzelner Kapitel sowie Käthi Zeugin für das wie immer sehr professionelle Lektorat und wichtige Anregungen. Ein grosser Dank gebührt auch allen Müttern, die bereit waren, für diesen Ratgeber aus ihrem Berufs- und Familienleben zu erzählen.
Stand Gesetze und Rechtsprechung: Juni 2019
Download-Angebot zu diesem Buch
Alle Musterbriefe finden Sie unter www.beobachter.ch/download (Code 1991). Sie können sie herunterladen und an Ihre Situation anpassen.
Inhalt
Vorwort
Wir planen eine Familie
Mutter werden – was heisst das für meine Karriere?
Immer mehr Mütter sind berufstätig
Rechtliche Rahmenbedingungen für Mütter
Altersvorsorge nicht vergessen
Erwerbsmodelle und Rollenverteilung aushandeln
Hausarbeit ist immer noch Frauensache
Die rechtliche Stellung der Väter in der Arbeitswelt
Wie wollen wir uns organisieren?
Diskriminierungsverbot am Arbeitsplatz
GlG – das unbekannte Gesetz
Diskriminierung trifft oft Mütter
So kann man sich gegen Diskriminierung wehren
Spezieller Schutz vor Rachekündigungen
Mütter erzählen – Anna, HR-Fachfrau
«Mit dem neuen Chef war plötzlich alles anders»
Schwanger – wie geht es jetzt weiter?
Schwangerschaft – was geht das den Arbeitgeber an?
Was gilt bei der Stellensuche?
Diskriminierung im Bewerbungsverfahren
Schwanger während der Probezeit
Nach der Probezeit: Wann sag ichs dem Chef?
Schutzbestimmungen für werdende Mütter
Beschäftigung nur mit Ihrem Einverständnis
Angemessene Arbeitsbedingungen
Arbeitsunfähig während der Schwangerschaft
Kündigungsschutz bei Mutterschaft
Gekündigt trotz Schwangerschaft – was tun?
Ungültige Kündigung: die Folgen
In diesen Situationen gilt der Kündigungsschutz nicht
Schwanger werden während der Kündigungsfrist
Die Zukunft planen
Längere Babypause vereinbaren
Pensum reduzieren
Wenn Sie selber kündigen wollen
«Mein Chef will mich loswerden»
Schikaniert und unter Druck gesetzt: So verhalten Sie sich richtig
Mütter erzählen – Sofia, Juristin
«Ein Kind zu haben, ist ein grosses, positives Abenteuer»
Mutterschaftsurlaub
14 Wochen sind bezahlt
Mutterschaftsentschädigung: die Grundlagen
Mutterschaftsentschädigung in speziellen Situationen
Längere Auszeit – was gilt?
Unbezahlter Urlaub: Achten Sie auf diese Punkte
Ferienkürzung wegen der Babypause?
Arbeitslos nach dem Mutterschaftsurlaub
Mütter erzählen – Sabina, Ökonomin
«Ich habe das Emotionale völlig unterschätzt»
Zurück in den Job
Arbeitnehmende mit Familienpflichten
Sonderbestimmungen für Eltern
Krankes Kind: die Rechte der Eltern
Die Rechte stillender Mütter
Stillen am Arbeitsplatz
Kein Kündigungsschutz während der Stillzeit
Teilzeitarbeit – was ändert sich?
Neuer Arbeitsvertrag
Lohn aushandeln
Arbeitszeit festlegen
Mindestens vier Wochen Ferien
Feiertage
Arbeitsunfähig wegen Krankheit
Unfallversicherung
Kündigungsregeln
Was ist eine Aushilfe?
Arbeiten von zu Hause aus
Homeoffice: ungestört und flexibel
Zu Hause arbeiten: die rechtlichen Aspekte
So machen Sie die Heimarbeit dem Chef schmackhaft
Familienzulagen
Wer erhält die Familienzulagen?
Beginn und Ende des Anspruchs
Wenn sich der Arbeitgeber
nicht an die Abmachungen hält
Plötzlich ist alles anders
Kündigung nach der Rückkehr vom Mutterschaftsurlaub
Wann kann man sich gegen die Kündigung wehren?
Mütter erzählen – Lea, Meeresbiologin und Politikerin
«Das letzte Jahr war eine Berg- und Talfahrt»
Familienergänzende Kinderbetreuung
Der richtige Platz für unseren Nachwuchs
Fremdbetreuung als Chance
Wenn die Grosseltern hüten
Tagesmutter, Kita oder Nanny?
Tageseltern
Was bieten Tagesfamilienorganisationen?
Die Tagesmutter direkt beschäftigen
So finden Sie die richtige Tagesmutter
Kindertagesstätten (Kita)
Die richtige Kita für unser Kind
Kita-Verträge abschliessen und auflösen
Was kostet eine Kita?
Wie steht es mit der Haftung?
Betreuung zu Hause: Nanny, Babysitter oder Au-pair?
Was ist eine Nanny?
Was ist ein Au-pair?
Hausangestellte beschäftigen
Arbeitsvertrag abschliessen
Welcher Lohn ist angemessen?
So kündigen Sie den Arbeitsvertrag mit der Nanny
Mütter erzählen – Nicole, Abteilungsleiterin Digital Business Development
«Es war klar, dass nicht nur ich zurückstecken würde»
Anhang
Musterbriefe und -verträge
Links und Adressen
Beobachter-Ratgeber
Vorwort
2018 waren über drei Viertel der Mütter mit Kindern unter vier Jahren berufstätig, bei Frauen mit älteren Kindern waren es 85 Prozent. Dass ein Mami arbeitet, ist also der Normalfall. Dennoch führt dies auch heute immer noch zu hitzigen Diskussionen. Berufstätige Mütter werden oft verurteilt. Und die Behauptung, Fremdbetreuung schade den Kindern, geistert immer wieder durch die Medien.
Als meine Grossmutter in den 1920er-Jahren als gutbürgerliche Gattin für ihre drei Kinder ein «Kinderfräulein» engagierte, wäre niemand auf die Idee gekommen, sie als Rabenmutter zu beschimpfen. Denn anders als die heutigen Mütter verharrte sie in ihrer traditionellen Frauenrolle, war weder berufstätig noch finanziell unabhängig.
Dass Kinder «fremdbetreut» werden, ist also keine Erfindung moderner Feministinnen. Wer es sich leisten konnte, beschäftigte seit eh und je Ammen, Gouvernanten und Erzieher. Und in den Grossfamilien wurden die Kinder von älteren Geschwistern, Grosseltern, Tanten, Knechten und Mägden miterzogen.
Lassen Sie sich daher kein schlechtes Gewissen einreden, wenn Sie mit Kind Ihren Beruf weiter ausüben. Familie und Beruf zu vereinbaren, ist zwar nicht immer ganz einfach, doch die Probleme lassen sich lösen, wenn Sie Ihr neues Leben als «working mom» gut informiert in Angriff nehmen. Dieses Buch zeigt, worauf Sie dabei achten müssen, welche Rechte Sie am Arbeitsplatz haben und wie Sie die für Sie beste Kinderbetreuung finden. «Ein Kind zu haben, ist ein ausserordentliches, sehr positives Abenteuer», sagt eine der Mütter, die in diesem Buch zu Wort kommen. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen alles Gute, viel Erfolg und Befriedigung im neuen Lebensabschnitt.
Irmtraud Bräunlich Keller
August 2019
Mutter werden – was heisst das für meine Karriere?
Sie wünschen sich ein Kind oder sind bereits schwanger. Gleichzeitig stehen Sie aber auch mitten im Berufsleben, wollen auf Ihren Job nicht verzichten, sich beruflich weiterentwickelnoder sind ganz einfach auf das Einkommen angewiesen. Dieses Kapitel gibt Ihnen einen ersten Überblick darüber, was Sie wissen müssen, wenn Sie Beruf und Familie erfolgreich verbinden möchten.
Das Zusammenleben von Eltern und Kindern ist in den letzten Jahren bunter und vielfältiger geworden. Die traditionelle Rollenverteilung «Ernährer – Hausfrau» wird immer mehr zum Auslaufmodell. Am weitesten verbreitet ist gemäss Familienbericht 2017 die Aufteilung «Mann Vollzeit – Frau Teilzeit», und dies in allen möglichen Abstufungen. Dass berufstätige Frauen mit Kindern nicht mehr einfach als Rabenmütter abgestempelt werden, ist ein grosser Fortschritt.
Trotzdem gelten die Mutterschaft und die damit verbundene Teilzeitarbeit immer noch als Karrierekiller. Arbeitgeber befürchten Zusatzkosten, Absenzen, organisatorische Probleme. Mütter seien weniger flexibel und würden wegen der Kinder häufig am Arbeitsplatz fehlen, so das gängige Vorurteil. Diese Vorbehalte sind nachvollziehbar. Man sollte sich nichts vormachen: Beruf und Familie zu verbinden, ist nicht immer einfach. Da gilt es manchmal, Kompromisse zu machen und beruflich eine Zeit lang zurückzustecken. Das ist nicht nur negativ, denn das Leben mit Kindern bringt viel Freude und Befriedigung. Berufliche Nachteile werden dadurch häufig mehr als kompensiert. Das Problem dabei: Obwohl es zum Kinderkriegen zwei Menschen braucht, sind es bis heute hauptsächlich die Mütter, die die Folgen der Familiengründung beruflich «ausbaden» müssen. Sie sind es in der Regel, die ihr Pensum reduzieren, Abstriche beim Lohn, bei den Aufstiegsmöglichkeiten und der Altersvorsorge hinnehmen.
Immer mehr Mütter sind berufstätig
Aber es tut sich was: Immer weniger Mütter geben die Erwerbstätigkeit völlig auf. 2010 waren zwei Drittel der Mütter mit Kindern unter vier Jahren erwerbstätig. 2018 waren es bereits über drei Viertel – wenn auch häufig in kleinem Pensum. Dies zeigt eine Erhebung des Bundesamts für Statistik von 2018. Auch bei vielen Arbeitgebern findet allmählich ein Umdenken statt. Angesichts der Tatsache, dass die geburtenstarken Jahrgänge in den nächsten Jahren pensioniert werden und die Zuwanderung von Arbeitskräften nicht alles ausgleichen kann, wird auch von Arbeit-gebervertretern gefordert, die oft gut qualifizierten Mütter vermehrt in den Erwerbsprozess einzubinden. So plädierte der Präsident des Arbeitgeberverbands, Valentin Vogt, kürzlich in einem Zeitungsinterview dafür, dass Mütter mindestens 60 Prozent arbeiten sollten, und ortete einen Nachholbedarf bei den von den Kantonen und Gemeinden finanzierten Tagesstrukturen an den Schulen: «Väter und Mütter müssen ihre Kinder in der Schule am Morgen abgeben und am Abend abholen können», so Vogt. Dafür zu sorgen, sei Sache der öffentlichen Hand, die dann dank höherer Pensen der Frauen zusätzliche Steuereinnahmen generiere.
Rechtliche Rahmenbedingungen für Mütter
Die Chancen für Frauen, Beruf und Familie zu verbinden, waren wohl noch nie so gut wie heute. Dennoch gilt es nach wie vor, einige Hürden zu überwinden und Stolpersteine zu vermeiden. Umso wichtiger ist es, dass zukünftige Eltern sich vor der Familiengründung Gedanken über ihre neue Lebensgestaltung und Rollenverteilung machen. Um zu einer fairen Lösung zu kommen, sollten sie die rechtlichen Rahmenbedingungen kennen.
Mutterschaftsschutz – was heisst das?
Schwangere Frauen und Mütter sind durch verschiedene Gesetze besonders geschützt. Hier das Wichtigste im Überblick. Die Details finden Sie in den folgenden Kapiteln des Ratgebers ausführlich erläutert:
■Kinderwunsch und Familienplanung sind Ihre Privatsache und gehen den Arbeitgeber grundsätzlich nichts an (siehe Seite 46).
■Wenn Sie schwanger sind, sind Sie (mit wenigen Ausnahmen) völlig frei, wann Sie den Arbeitgeber informieren wollen (Seite 52).
■Dank dem Gleichstellungsgesetz dürfen Sie weder wegen Ihres Geschlechts noch wegen der Schwangerschaft oder der familiären Situation benachteiligt werden (Seite 30).
■Arbeitgeber müssen auf die Gesundheit von Schwangeren besonders Rücksicht nehmen (Seite 54).
■Als Schwangere haben Sie das Recht, die Arbeit jederzeit niederzulegen. Anspruch auf Lohnfortzahlung wie bei Krankheit haben Sie dann, wenn die Arbeitsunfähigkeit mit ärztlichem Zeugnis ausgewiesen ist (Seite 58).
■Während der ganzen Schwangerschaft und bis 16 Wochen nach der Geburt geniessen Sie einen absoluten Kündigungsschutz (Seite 60).
■Der Mutterschaftsurlaub in der Schweiz ist im internationalen Vergleich zwar bescheiden, aber immerhin ist nach der Geburt während 14 Wochen der Lohn zu 80 Prozent durch ein Taggeld gedeckt. Und zwei weitere Wochen darf man unbezahlt zu Hause bleiben. Vor der Geburt gibt es noch keinen gesetzlichen Mutterschaftsurlaub (zum Mutterschaftsurlaub siehe Seite 83).
■In den ersten acht Wochen nach der Geburt gibt es sogar ein striktes Arbeitsverbot.
■Stillende Mütter geniessen einen speziellen Gesundheitsschutz, können nicht zur Arbeit gezwungen werden und haben Anspruch auf bezahlte Pausen zum Stillen (Seite 113).
■Schutzbestimmungen gibt es auch für Arbeitnehmende – beiderlei Geschlechts – mit Familienpflichten (Seite 108).
■Schliesslich kennt die Arbeitslosenversicherung Sonderregeln für Frauen, die nach einer Erziehungspause wieder ins Berufsleben einsteigen wollen oder müssen (Seite 97).
INFO Die in diesem Ratgeber erläuterten rechtlichen Regelungen beziehen sich auf privatrechtliche Arbeitsverhältnisse. Staatsangestellte sollten die Personalgesetze des Bundes, des jeweiligen Kantons oder der Gemeinde konsultieren. Diese enthalten oft abweichende Bestimmungen.
Pensum und Urlaub sind Verhandlungssache
Die Regelungen rund um den Mutterschaftsschutz haben sich in den letzten Jahren zwar verbessert, doch längst nicht alle Fragen, die Frauen mit Kinderwunsch in Bezug auf ihren Job beschäftigen, sind gesetzlich geregelt. So wünschen sich viele Frauen nach der Geburt eines Kindes eine längere Auszeit oder möchten das bisherige Pensum reduzieren. Ein Anspruch darauf besteht von Gesetzes wegen jedoch nicht; solche Wünsche müssen mit dem Arbeitgeber ausgehandelt werden. Dass nach wie vor viele Vorgesetzte nicht Hand bieten für familienfreundliche Arbeitsformen, ist eines der Hauptprobleme junger Mütter. Das werden Sie in diesem Buch noch mehrfach zu lesen bekommen.
Grosse Unterschiede zwischen den Betrieben
Auch die Frage, welche Tätigkeitsbereiche und Aufstiegsmöglichkeiten es für Mütter gibt, hängt vom beruflichen Umfeld ab. Dass viele Frauen nach der Geburt nur noch Teilzeit arbeiten, schränkt ihre Karrieremöglichkeiten in der Regel deutlich ein. Denn Arbeitgeber sind meist immer noch skeptisch in Bezug auf Teilzeit-Führungskräfte. Die Unterschiede von Firma zu Firma sind beträchtlich. Während fortschrittliche Unternehmen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie nach Kräften fördern, Kinderbetreuung mitfinanzieren, Teilzeitmodelle anbieten und Wiedereinsteigerinnen unterstützen, werden Frauen in anderen Betrieben schikaniert und weggemobbt, sobald sie dem Chef von ihrer Schwangerschaft erzählen (siehe Seite 71).
DIESE GESETZE SOLLTEN SIE KENNEN
■Obligationenrecht (OR) Art. 319 bis 362: Alles rund um den privatrechtlichen Arbeitsvertrag, zum Beispiel zum Kündigungsschutz bei Mutterschaft. In vielen Branchen gibt es zudem Gesamtarbeitsverträge (GAV), die günstigere Arbeitsbedingungen vorsehen als das Gesetz.
■Arbeitsgesetz (ArG) samt Verordnungen: Arbeits- und Ruhezeiten, Gesundheitsschutz, insbesondere auch für schwangere Frauen und stillende Mütter. Dem ArG unterstehen praktisch alle Industrie-, Gewerbe- und Handelsbetriebe. Nicht unterstellt sind die meisten öffentlichen Verwaltungen, Betriebe des öffentlichen Verkehrs sowie Landwirtschaftsbetriebe und private Haushaltungen. Im Gegensatz zum OR ist das Arbeitsgesetz öffentliches, zwingendes Recht. Die korrekte Anwendung wird von Amtes wegen überwacht.
■Mutterschaftsverordnung: Vorschriften zu gefährlichen und beschwerlichen Arbeiten bei Schwangerschaft und Mutterschaft
■Gleichstellungsgesetz (GlG): Verbot von Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der familiären Situation oder wegen einer Schwangerschaft
■Erwerbsersatzgesetz (EOG) und dazugehörige Verordnung: Lohnersatz bei Militärdienst und Mutterschaft (Mutterschaftsversicherung)
■Arbeitslosenversicherungsgesetz (AVIG) samt Verordnung: Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung, insbesondere auch während der Schwangerschaft und nach der Baby- oder Erziehungspause
Alle Gesetzestexte können Sie im Internet abrufen unter: www.admin.ch (→ Bundesrecht → Systematische Rechtssammlung). Geben Sie die Abkürzung des Gesetzes und allenfalls die Artikelnummer ein.
Altersvorsorge nicht vergessen
Ob und in welchem Umfang Sie nach der Geburt weiterarbeiten, wirkt sich nicht nur auf Ihr aktuelles Einkommen aus, sondern auch auf Ihre Vorsorge für Alter, Invalidität oder den Todesfall. Das geht bei der Familienplanung häufig vergessen. Wer sich rechtzeitig mit diesen Fragen auseinandersetzt, vermeidet böse Überraschungen, beispielsweise im Fall einer Scheidung.
AHV und IV
Die 1. Säule des Schweizer Vorsorgesystems orientiert sich stark an einer traditionellen Rollenverteilung. Verheiratete Frauen, die nach der Geburt eines Kindes die Erwerbstätigkeit ganz aufgeben oder reduzieren, sind hier im Vergleich zu unverheirateten Frauen gut abgesichert. Zwar berechnet sich ihre eigene Rente aufgrund ihrer eigenen Beitragsjahre und ihres durchschnittlichen Jahreseinkommens, mitberücksichtigt werden aber auch die Jahre der Kindererziehung und die vom Ehemann eingezahlten AHV-Beiträge. Verdient der Ehemann sehr gut, erhält das Paar später eine volle Ehepaarrente, auch wenn die Frau nie berufstätig war – vorausgesetzt, die Ehe hält bis zur Pensionierung. Hier die wichtigsten Punkte:
■Für die Jahre, in denen Sie die elterliche Sorge über Kinder unter 16 Jahren ausüben, erhalten Sie Erziehungsgutschriften. Dies ist eine Kompensation für unbezahlte Hausarbeit und Kinderbetreuung und gleicht die Einkommenseinbusse etwas aus. Sind Sie verheiratet, geht die Gutschrift je zur Hälfte auf das AHV-Konto der Mutter und des Vaters. Geschiedene und unverheiratete Eltern müssen sich über die Aufteilung verständigen. Ist dies nicht möglich und liegt auch kein Entscheid des Gerichts oder der Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) vor, wird die ganze Erziehungsgutschrift der unverheirateten Mutter angerechnet (mehr dazu erfahren Sie im Merkblatt der AHV: www.ahv-iv.ch/p/1.07.d).
■Verheiratete Paare können ausserdem von einem Splitting profitieren. Das heisst, für die Berechnung der AHV-Rente wird das während der Ehe erzielte Einkommen beider Ehepartner addiert und Mann und Frau je zur Hälfte angerechnet. Das Splitting wird vorgenommen, sobald beide Ehepartner rentenberechtigt sind. Ist erst eine Seite im AHV-Alter, wird ihre Rente vorerst nur auf der Grundlage ihres eigenen Einkommens berechnet.
Im Fall einer Scheidung können Sie das sofortige Splitting verlangen, müssen also nicht warten, bis beide Seiten pensioniert sind (auch dazu gibt es ein Merkblatt: www.ahv-iv.ch/p/1.02.d).
■Geben Sie Ihre Berufstätigkeit ganz auf, müssen Sie keine eigenen Beiträge an die AHV/IV zahlen, sofern Ihr Ehemann erwerbstätig ist und Beiträge von mindestens 964 Franken pro Jahr entrichtet (doppelter Mindestbeitrag, Stand 2019). Dies gilt auch für das Jahr, in dem die Ehe geschlossen oder geschieden wird.
Die Kehrseite dieser Vorteile: Die einem Ehepaar zustehenden AHV-Renten werden plafoniert. Das heisst, die Renten beider Eheleute dürfen zusammen nicht mehr betragen als 150 Prozent der maximalen Einzelrente. In diesem Punkt fahren unverheiratete und geschiedene Paare finanziell besser, sofern beide berufstätig waren.
Unverheiratete Mütter aufgepasst
Sind Sie nicht verheiratet, gibt es kein Splitting. Ihre Rente im Alter oder im Fall von Invalidität wird allein aufgrund Ihres eigenen durchschnittlichen Jahreseinkommens berechnet (zuzüglich allfälliger Erziehungsgutschriften). Geben Sie Ihre Erwerbstätigkeit ganz auf, müssen Sie Beiträge als Nichterwerbstätige zahlen. Andernfalls drohen Beitragslücken und damit empfindliche Rentenkürzungen.
TIPP Beiträge für fehlende Jahre kann man nachzahlen, aber nur bis fünf Jahre zurück. Deshalb empfiehlt es sich, regelmässig einen Auszug aus dem individuellen AHV-Konto zu bestellen und zu kontrollieren, ob für alle Jahre der Mindestbeitrag eingetragen ist. Das können Sie einfach online tun unter www.ahv-iv.ch (→ Kontoauszug bestellen).
Pensionskasse
In der 2. Säule, der beruflichen Vorsorge, schlagen Pensumsreduktionen oder Phasen ohne Erwerbstätigkeit deutlicher zu Buche als in der 1. Säule. Frauen mit kleinem Teilzeitpensum sind oft gar nicht versichert. Denn nur wer mindestens 21 330 Franken im Jahr verdient (Stand 2019), muss obligatorisch in eine Pensionskasse aufgenommen werden und kann eine eigene Altersvorsorge aufbauen. Erschwerend kommt hinzu, dass in der Pensionskasse jeweils nicht der gesamte Lohn versichert ist, sondern nur der sogenannte koordinierte Lohn (koordiniert mit der AHV). Das heisst, vom Teilzeitlohn wird in der Regel noch der volle Koordinationsbetrag abgezogen – 2019 sind das 24 885 Franken. Teilzeitbeschäftigte können so oft nur eine bescheidene 2. Säule aufbauen. Die Neurentenstatistik 2017 des Bundesamts für Statistik zeigt denn auch grosse Unterschiede zwischen Frauen und Männern bei den Pensionskassenleistungen. Laut dieser Erhebung erhielten Männer etwa doppelt so hohe Leistungen aus der 2. Säule als Frauen. Grund dafür seien – so die Medienmitteilung – familiär bedingte Erwerbsunterbrüche sowie die Teilzeitarbeit der Frauen.
Immerhin kennen fortschrittliche Pensionskassen Regelungen, die Teilzeitbeschäftigten entgegenkommen. Sie versichern auch tiefere Löhne oder reduzieren den Koordinationsabzug zum Beispiel entsprechend dem Beschäftigungsgrad. Massgebend ist das Pensionskassenreglement. Es lohnt sich, genau hinzuschauen, was im eigenen Betrieb gilt.
In der 2. Säule spart jeder Arbeitnehmer, jede Arbeitnehmerin grundsätzlich für sich selbst ein Altersguthaben an; dieses dient als Basis für die spätere Rente. Kommt es bei einem Ehepaar jedoch zur Scheidung, wird auch hier das Altersguthaben der beiden Partner gesplittet. Das gesamte während der Ehe angesparte Pensionskassenkapital wird je hälftig auf Mann und Frau aufgeteilt. Bei unverheirateten Paaren gibt es diesen Ausgleich nicht.
ACHTUNG Tiefe Zinsen und Umwandlungssätze führen dazu, dass die zu erwartenden Pensionskassenrenten laufend sinken. Sie müssen daher damit rechnen, dass Ihre Rente später um einiges kleiner sein wird als das, was heute auf Ihrem Vorsorgeausweis steht.
Sparen mit der 3. Säule
Solange Sie erwerbstätig sind, können Sie Ihre Altersvorsorge verbessern, indem Sie Beiträge in die Säule 3a einzahlen. Diese Form von Alterssparen ist attraktiv, denn Sie dürfen die Einzahlungen von den Steuern abziehen. Allerdings sind die Gelder für die Vorsorge bestimmt und können nur in wenigen Ausnahmefällen vorzeitig bezogen werden.
Sind beide Partner berufstätig, können beide unabhängig voneinander in der Säule 3a sparen. Die Einzahlungen pro Jahr sind nach oben begrenzt; 2019 liegen sie bei folgenden Beträgen:
■Maximal 6826 Franken für Angestellte und Selbständige, die einer Pensionskasse angeschlossen sind
■20 Prozent des Nettoerwerbseinkommens, höchstens aber 34 128 Franken für Erwerbstätige ohne Anschluss an eine Pensionskasse
Geben Sie Ihre Erwerbstätigkeit vollständig auf, sind Einzahlungen in die Säule 3a nicht mehr möglich – und als Teilzeitangestellte müssen Sie sich die Sparbeträge für das Alter zuerst einmal leisten können. Informationen zur Säule 3a finden Sie auf der Website des Bundesamts für Sozialversicherungen (www.bsv.admin.ch → Sozialversicherungen → Berufliche Vorsorge und 3. Säule → Grundlagen & Gesetze → Grundlagen → Gebundene Selbstvorsorge [Säule 3a]).
INFO Neben der Säule 3a gibt es auch die Säule 3b, die freie Vorsorge. Hierzu zählen sämtliche Vermögenswerte, die über die Säule 3a hinausgehen: zum Beispiel Lebensversiche-rungen, Anlagefonds, Konten, Wertschriften, Wohneigentum und wertvolle Sammlungen. Hier können Sie unbeschränkt sparen und auch frei über die Gelder verfügen. Steuerabzüge hingegen sind nicht möglich.
Ganz aussteigen ist riskant
«Wer über längere Zeit unter 50 Prozent arbeitet, riskiert, nach der Pensionierung mit dem Existenzminimum auskommen zu müssen und finanziell stark vom Partner abhängig zu sein», hielt die Schweizerische Konferenz der Gleichstellungsbeauftragten 2016 in einer Studie fest. Fachleute empfehlen Frauen daher, unabhängig vom Zivilstand, ihren Beschäftigungsgrad nie unter 60 bis 70 Prozent fallen zu lassen. Natürlich muss jede Situation individuell geprüft werden. Statistiken und Studien zeigen jedoch regelmässig: Längere Berufsunterbrüche sind ein Risikofaktor für Armut im Alter – und betroffen sind vor allem Frauen.
Zu bedenken ist auch, dass sich die Arbeitswelt stetig und immer schneller verändert. In vielen Berufen ist ein Wiedereinstieg nach mehrjähriger Pause eine Illusion – zumindest auf dem bisherigen Niveau. Dies gilt umso mehr, wenn man sich im bereits fortgeschrittenen Alter zum Wiedereinstieg gezwungen sieht. Zur fehlenden Berufspraxis kommt dann oft noch ein angeschlagenes (berufliches) Selbstvertrauen. Behalten Sie daher, wenn immer möglich, einen Fuss im Beruf, auch wenn die Kinder noch ganz klein sind. Aufstocken ist immer einfacher als ein beruflicher Neubeginn.
NACH DER SCHEIDUNG FRÜHER WIEDER ARBEITEN GEHEN
Bis vor Kurzem galt in der Rechtsprechung die Regel, dass nach einer Scheidung der Elternteil, der die Kinder hauptsächlich betreute (meist die Mutter), vor dem zehnten Geburtstag des jüngsten Kindes nicht arbeiten gehen musste; anschliessend und bis zum 16. Altersjahr des jüngsten Kindes galt ein Pensum von 50 Prozent als zumutbar.
Diese Regel wurde im Herbst 2018 vom Bundesgericht revidiert. Im Scheidungs- oder Trennungsfall soll in Zukunft das Schulstufenmodell zur Anwendung gelangen. Demnach muss der hauptbetreuende Elternteil ab der obligatorischen Einschulung des jüngsten Kindes grundsätzlich zur 50 Prozent erwerbstätig sein, ab dessen Eintritt in die Sekundarstufe zu 80 und ab seinem 16. Geburtstag zu 100 Prozent (Urteil 5A_384/2018 vom 21.9.2018).
Erwerbsmodelle und Rollen verteilung aushandeln
Es ist ein bekanntes Phänomen: Ein Paar lebt gleichberechtigt auf Augenhöhe miteinander – jede Seite unabhängig mit eigenem Einkommen. Dann kommt das erste Kind zur Welt und plötzlich ist alles anders.
Dass Paare nach der Familiengründung in eine mehr oder weniger traditionelle Rollenverteilung rutschen, hat verschiedene Gründe: das höhere Einkommen des Mannes, fehlende Teilzeitmöglichkeiten für Männer, das Vorbild der eigenen Eltern, aber natürlich auch der berechtigte Wunsch vieler Frauen, möglichst viel Zeit mit dem Nachwuchs verbringen zu können. So ging es auch dem Finanzanalysten bei einer Investmentbank und seiner Partnerin, einer Grafikerin:
LAURA P. UND MARCO F. waren sich immer einig, dass sie auch als Eltern partnerschaftlich leben und sich gemeinsam um die Kinder kümmern wollten. Doch so ganz genau wurde das nie ausdiskutiert. Als Frau P. schwanger wurde, stand ihr Mann gerade vor einer lukrativen Beförderung und wollte auf keinen Fall beruflich zurückstecken. Laura P. hatte dafür Verständnis. Für sie selbst war zudem die berufliche Karriere plötzlich gar nicht mehr so wichtig. Sie freute sich auf ihr Baby und griff dankbar zu, als ihr Arbeitgeber ihr anbot, nach der Geburt noch an zwei Tagen im Geschäft aus-zuhelfen. Das Unbehagen kam erst später, als Frau P. merkte, dass sie in der Firma nur noch Routineaufgaben bekam und daheim auf Bergen von Hausarbeit sitzen blieb. Marco F. konnte kaum helfen. In der neuen Position musste er schliesslich sein Bestes geben.
Hausarbeit ist immer noch Frauensache