Der schmutzige Kampf um die Macht
In memoriam
Willi Reichel
Für meine Kinder,
meine Partnerin
und für alle,
für die Freiheit und Verantwortung
mehr sind als nur Worthülsen.
„Kickl ist der gefährlichste Innenminister seit 1945“1
Jan Krainer, SPÖ-Nationalratsabgeordneter
„Der Robespierre der FPÖ“2
Rainer Nowak, Die Presse-Chefredakteur
„Kickl gilt als der
begnadetste Kommunikationsstratege
seit Joseph Göbbels (sic).“3
Beko Baxant, Wiener SPÖ-Landtagsabgeordneter
„Herbert Kickl wollte Innenminister werden,
um aus der Republik Österreich
einen autoritären Staat zu machen.“4
Helmut Brandstätter, Ex-Kurier-Herausgeber
„Herbert Kickl hätte nie auf diesen Posten
gelangen dürfen.“5
Armin Thurnher, Falter-Herausgeber
„Der Hassprediger“6
Titel der Profilausgabe Nr.30/2019
Vorwort und Vorgeschichte
1.Amtsantritt: Der Neue und seine Nanny
2.Erste Wochen: Von bösen Burschenschaftern und braven Cousinen
3.Asylzentren: Er hat konzentriert gesagt
4.Polizeipferde: Da wiehern die Linken
5.BVT: Der FPÖ-Skandal ohne FPÖ
6.E-Mail-Affäre: Ohne Zuckerln keine Pressefreiheit
7.Asylreform: Wer hat wem zu folgen?
8.Messerattacken: Wenn Waffengegner Waffenverbote kritisieren
9.Ausreisezentren: Taferlstreit und rote Flügelkämpfe
10.Kickl und die Identitären: Die rechte Weltverschwörung
11.Kickl bei Stöckl: Wenn die Twitterblase kocht
12.Ein Euro 50: Der blaue Sklaventreiber
13.Ibiza-Skandal: Kickl muss weg
14.Wahlkampf: Alle gegen Kickl
Interview mit Herbert Kickl: „Der Auftrag ist nach wie vor da“
Über den Autor
Literaturverzeichnis
Impressum
Endnoten
Am 18. Dezember 2017 wird Herbert Kickl als Innenminister gemeinsam mit seinen 15 Regierungskollegen von Bundespräsident Alexander Van der Bellen angelobt. Eine neue politische Ära beginnt. Für die einen ist der neue Innenminister ein politischer Alptraum. Für den Rest der Bevölkerung ist Kickl nach Jahren verfehlter rot-schwarzer Einwanderungs- und Sicherheitspolitik ein Hoffnungsträger.
Dass ein Freiheitlicher dieses sensible und verantwortungsvolle Ressort übernimmt, ist für die Linken inner- und außerhalb Österreichs ein Schock. Vor allem, weil auch das Verteidigungsministerium mit Mario Kunasek an die FPÖ geht und der neue Justizminister, Josef Moser, zwar von der ÖVP aufgestellt worden ist, aber ebenfalls eine FPÖ-Vergangenheit hat.
Wie konnte es in einem Land, das seit 1970 mit einer einzigen Unterbrechung durchgehend von sozialistischen bzw. sozialdemokratischen Kanzlern regiert worden ist, überhaupt dazu kommen? Wie konnte die FPÖ, die mehr oder weniger vom gesamten meinungsbildenden Establishment, also von Medien, Wissenschaft, Künstlern, Kirche und NGOs angefeindet und bekämpft wird, in Regierungsverantwortung kommen?
Herbst 2017. Die Stimmung in der linken Reichshälfte ist angespannt. Die Nationalratswahl am 15. Oktober ist eine Richtungs-, eine Schicksalswahl. Die Linken fürchten, dass ihre jahrzehntelang einzementiert geglaubte Vormachtstellung nachhaltig zertrümmert wird. Nicht nur vorübergehend wie Anfang der 2000er unter Wolfgang Schüssel. Die Ängste sind begründet. Die Linke steckt in einer schweren Krise. Die gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen haben sich grundlegend geändert. Der Herbst 2015 und die Migrantenströme aus dem islamischen Raum haben die Stimmung im Land verändert. Bis heute scheinen die Linken und die alte Garde der ÖVP die Tragweite, die historische Bedeutung und die Dimension der damaligen Geschehnisse und der dadurch ausgelösten Entwicklungen nicht einmal ansatzweise begriffen zu haben. Das bewies unter anderem rund dreieinhalb Jahre später Ex-ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner, als er sein weinerliches Abrechnungs-Buch7 mit dem eitlen Titel „Haltung“ vorstellte und dabei keinerlei Selbstkritik oder Einsicht dafür zeigte, welche katastrophalen Fehlentscheidungen damals von der Regierung getroffen wurden.
Auch nach den Ereignissen in der Silvesternacht von Köln, der Frauenmordserie in Österreich Anfang 2019, der Explosion der Vergewaltigungszahlen oder dem Bekanntwerden der Zustände an österreichischen Schulen hat Mitterlehner, ein typischer Vertreter der Alt-ÖVP, seine Haltung nicht geändert. Damals wurde von der rot-schwarzen Regierungskoalition und den anderen Willkommensjublern ein tiefer Graben durch die österreichische Gesellschaft gezogen, der sich seither weiter vertieft hat.
Die unkontrollierte Masseneinwanderung aus Afrika und dem islamischen Raum, die Untätigkeit und Hilflosigkeit der rot-schwarzen Regierungskoalition unter Werner Faymann haben das Klima im Land, ja das Land an sich verändert. Diese Entwicklungen haben auch SPÖ und Grüne in eine tiefe Krise gestürzt.
Faymann versuchte damals, als er begriff, dass die Stimmung in der Bevölkerung vom medial inszenierten Willkommenstaumel in Unmut umschlägt, die Kurve zu kriegen. Er versuchte es mit einer halbherzigen Kehrtwendung und ließ ein „Türl mit Seitenteilen“8 an der Grenze zu Slowenien aufstellen.
Das wiederum brachte den mächtigen linken Wiener Parteiflügel gegen ihn auf. 2016 wurde Faymann beim traditionellen Maiaufmarsch vor dem Rathaus in aller Öffentlichkeit von seinen Genossen gedemütigt. Kurze Zeit später war Faymann Geschichte. Eingefädelt hatte diese parteiinterne Intrige Christian Kern, der Möchtegern-Manager und Macher, der die Privatwirtschaft nur vom Hörensagen kannte, da er seine gesamte berufliche Karriere der SPÖ zu verdanken hatte. Er trat auf den Plan, um nicht nur die heimische Sozialdemokratie, sondern das ganze Land zu retten. Die SPÖ und die linken Mainstreammedien entfachten einen unglaublichen Hype um Christan Kern. Er wurde als der Retter der Sozialdemokratie und Österreichs gefeiert. David Schalko, Regisseur und gut vernetzter heimischer Staatskünstler, bezeichnete Kern als „Mann, der alles kann“, und Profil Chefredakteur Christian Rainer nannte ihn gar „Halbgott“9. Kein Scherz.
Die Linken sangen ihre Lobeshymnen auf Kern nicht, weil sie von seinen Qualitäten überzeugt waren, sondern weil sie auf ein Wunder hofften, auf einen roten Halbgott, der sie aus ihrer existenziellen Krise führen, die zerrissene SPÖ wieder einen sollte. Sie hofften auf einen starken Mann. Man wollte mit dem medialen Wirbel um Kern die bösen rechten Geister, die man mit seiner Open-Border-Politik selbst heraufbeschworen hatte, wieder vertreiben. Der coole Instagram-Slim-Fit-Kanzler mit seinen Sprüchen aus dem Manager-Handbuch war damals der einzige, der dafür in Frage kam. Was mehr über den Zustand der Sozialdemokratie als über die Person Christin Kern aussagt.
Der medial erzeugte Kern-Effekt verpuffte schneller, als ein Genosse Freundschaft sagen kann, zumal Kern zu feige war, den Medien-Hype zu nutzen und Neuwahlen vom Zaun zu brechen. Sein Herausforderer wäre damals Reinhold Mitterlehner gewesen. Ein politischer Jausengegner, der gerade dabei war, die ÖVP gegen die Wand zu fahren. Mitterlehner lag bei der Kanzlerfrage, also welchen Parteichef würden Sie direkt zum Kanzler wählen, im Februar 2017 bei erbärmlichen elf Prozent.10
Diese Chance hatte Kern durch sein Zaudern und Zögern verpasst. Nun musste er gegen einen echten und keinen medial herbeiphantasierten politischen Shooting-Star antreten. Gegen Sebastian Kurz. Mitterlehner warf im Mai 2017 überraschend das Handtuch. Kurz trat an seine Stelle, allerdings nur unter der Bedingung, die alte großkoalitionäre ÖVP komplett umzubauen, um sich seine Machtsphäre abzusichern. Was die linken Medien Kurz damals als autoritär ankreideten, sollte sich später als wichtige und richtige Maßnahme für Kurz erweisen.
Christian Kern hatte dem talentierten Kurz wenig entgegenzusetzen, auch wenn sich die Journalisten bemühten, dem roten politischen Fliegengewicht unter die Arme zu greifen. Auch ein langes ORF-Interview, geführt von Kerns Urlaubskumpel Tarek Leitner, half wenig.
Christian Kern, vor wenigen Monaten noch ein Polit-Superstar, schrumpfte während des Wahlkampfes auf seine reale Größe. Er entpuppte sich als überforderter Phrasendrescher ohne politische Substanz. Mitten im Wahlkampf poppt zudem die Silberstein-Affäre auf. Tal Silberstein, Dirty-Campaigning-Spezialist aus Israel, und sein Team hatten versucht, mit schmutzigen Tricks den Wahlkampf zu beeinflussen. Unter anderem soll Silberstein die Idee für die rassistische und antisemitische Facebook-Fake News-Seite „Die Wahrheit über Sebastian Kurz” gehabt haben.11
Die Sache fliegt auf und geht nach hinten los. Auch wenn der ORF und andere linke Medien versuchten, die unappetitliche Geschichte möglichst klein und von der SPÖ fern zu halten, für Kern bedeutet das den nächsten Tiefschlag. Noch schlimmer läuft es für die Grünen. Ihre langjährige Gallionsfigur und Chefin, Eva Glawischnig, hat das sinkende Schiff gerade noch rechtzeitig verlassen, um wenig später in der Glücksspielindustrie Geld zu scheffeln. Ihre beiden Nachfolgerinnen, die Tirolerin Ingrid Felipe und die EU-Abgeordnete Ulrike Lunacek, sind heillos überfordert. Auch Peter Pilz hat sich von den Grünen verabschiedet. Der revolutionäre Marxist mit dem großen Ego hat seine eigene Partei gegründet und fischt ebenfalls im rot-grünen Wählerteich.
Im linken Parteienspektrum gibt es keine Persönlichkeiten, die die Österreicher von ihren Konzepten und Kompetenzen überzeugen können, zumal es die Linken waren, die die Massenzuwanderung stets gefordert, bejubelt und befeuert haben. Auf der anderen Seite stehen Sebastian Kurz, der aus der alten ÖVP die türkise Liste Kurz geformt hat, und die FPÖ mit Heinz Christian Strache, der stets vor den Folgen jener Politik gewarnt hatte, mit denen die Österreicher und Europäer nun leben müssen: Islamisierung, soziale Spannungen, Abfall des Bildungsniveaus, Brain Drain, steigende Gewalt etc.
Es schaut nicht gut aus für die SPÖ und die beiden Grünparteien, als am Sonntag, dem 15. Oktober um 7:00 Uhr morgens die Wahllokale öffnen. Und die Österreicher entscheiden sich für einen Richtungswechsel. Ehemalige Grünwähler wechseln zum noch linkeren Peter Pilz oder wählen aus strategischen Gründen die Sozialdemokraten. Was diese vor einem Absturz bewahrt. Mit den grünen Leihstimmen gelingt es der SPÖ, ihren Stimmenanteil zu halten, dafür sind die Grünen raus aus dem Parlament und Peter Pilz knapp drin. Das ist aber alles nicht so wichtig. Sebastian Kurz und die FPÖ fahren einen grandiosen Wahlsieg ein. Die Türkisen erreichen 31,47 Prozent, die Freiheitlichen kommen auf 25,97. Macht zusammen 57,44 Prozent. Das Ergebnis ist eindeutig, die Österreicher haben sich für einen bürgerlich-rechten Kurs und gegen den x-ten Neustart einer rot-schwarzen bzw. schwarz-roten Koalition entschieden. Auch wenn das die linke Reichshälfte nie akzeptieren konnte und wollte.
Die Schlüsselposition in einer konservativ-rechten Regierung ist neben dem Kanzler der Innenminister. Die FPÖ kann sich in den Koalitionsverhandlungen durchsetzen, bekommt den für sie so wichtigen Posten. „Wir haben sehr unnachgiebig verhandelt und in manchen Bereichen nicht nur Wert auf inhaltliche Schwerpunktsetzungen gelegt, sondern auch auf Schlüsselressorts. Und was sind die? Du hast das Finanzressort, du hast die Justiz und du hast das Innenressort. Die ÖVP konnte nicht alle für sich beanspruchen, weil wir sonst gesagt hätten: Na gut, dann sehen wir für uns keine gestaltende Rolle in einem gemeinsamen Reformprojekt. So ist es dann dazu gekommen, dass das Innenressort aus Sicht der ÖVP übriggeblieben ist, weil ihnen die anderen offensichtlich wichtiger waren“12, so Herbert Kickl. Parteichef H.-C. Strache wollte ursprünglich das Innenressort übernehmen, „es hat sich aber gezeigt, dass das wohl mit einer Koordinierungsrolle, die ein Vizekanzler hat, und mit der Repräsentationsrolle nicht kompatibel ist.“13 Deshalb wird Herbert Kickl Innenminister, obwohl er sich, wie er selbst betont, „nicht um das Amt gerissen hat“14.
Das wollen linke Journalisten und Kommentatoren freilich nicht so recht glauben. Sie verbreiten ihre eigenen Theorien und Mutmaßungen. „Herbert Kickl wollte (…) unbedingt Innenminister werden, um aus der Republik Österreich einen autoritären Staat zu machen“15, behauptet etwa Helmut Brandstätter, ehemaliger Kurier-Herausgeber. Das klingt nicht nur dramatischer, furchteinflößender und gefährlicher, es entspricht auch dem (Feind)Bild, das linke Meinungsmacher wie Brandstätter seit Jahren von Kickl zeichnen.
Die Macht, die Kompetenzen und die Gestaltungsmöglichkeiten, die Kickl nun als Innenminister bekommt, machen ihn in den Augen von Brandstätter und Co. noch gefährlicher. Kickl wird zum Gottseibeiuns der Linken. „Und schlagartig ist Herbert Kickl damit das primäre Feindbild der regierungskritischen Medien, der (…) parlamentarischen Opposition und der linksgepolten Zivilgesellschaft“16, schreibt Andreas Mölzer, ein politischer Weggefährte Kickls. Die Jagd auf Herbert Kickl hat begonnen.
„Der Mann fürs Grobe übernimmt das Innenressort“17, titelt die Kleine Zeitung. Als am 15. Dezember 2017 bekannt wird, wer das Innenressort übernehmen soll, sind sich die heimischen Journalisten und Kommentatoren einig. Wie die Kleine Zeitung reagieren fast alle Medien. Je nach politischer Ausrichtung von kritisch, gehässig, verängstig bis zu alarmistisch und apokalyptisch. Das Ende des Rechtsstaates ist nah! Positiv sind die Reaktionen lediglich in den wenigen rechten und konservativen Medien. Doch die gehen in der überwiegend linken Medienlandschaft völlig unter.
Die Frankfurter Rundschau blickt besorgt über die Grenze und beschreibt den neuen Innenminister als „gnadenlose rechte Hand“18. Und unter seinem Porträt steht: „Ist jetzt Chef der Polizei: FPÖ-Strippenzieher Kickl.“ Dass der angebliche Mann fürs Grobe, das Gehirn der FPÖ, jetzt für die innere Sicherheit Österreichs zuständig ist, sorgt für Unruhe über die Grenzen des Landes hinaus. Vorerst ist die Kritik aber noch einigermaßen zurückhaltend und sachlich. Im Nachrichtenmagazin Profil, neben ORF und Falter eines der linken Leitmedien Österreichs, ist man vor allem darüber besorgt, dass ausgerechnet jener Mann, der am 29. Oktober 2016 in Linz, beim Kongress der „Verteidiger Europas“, eine Rede gehalten hat, nun für Polizei, Staatsschutz und Sicherheit zuständig ist. Kickl sei jetzt „der Vorgesetzte jener Beamten, die in Linz im Einsatz waren“19.
Über ein Jahr später sollte Kickls Auftritt bei dieser Veranstaltung zu wilden Vorwürfen und lautstarken Rücktrittsforderungen führen. Im Herbst 2017 war die Kritik an Kickls Teilnahme im Vergleich dazu noch relativ dezent. Zumindest in den großen Medien. Der linke politische Rand, diverse „Aktivisten“, NGOs und linke Vorfeldorganisationen fuhren schon damals, im Dezember 2017, schwere Geschütze gegen Kickl auf. Ihr Hauptkritikpunkt am neuen Innenminister ist mangels besseren Materials und schwerwiegenderer Vorwürfe seine Rede auf ebendiesem Kongress.
Alexander Pollak, Sprecher von SOS-Mitmensch, eine der zentralen Organisationen des hochaktiven linken Netzwerkes, das beständig gegen die neue Koalition agitiert, warnt in drastischen Worten vor der Angelobung der Regierung: „Es droht ein seit 1945 einzigartiger Machtgewinn für rassistische und verfassungsfeindliche Kreise in Österreich. Sollten das Innen- und das Verteidigungsministerium an die FPÖ gehen, würden Personen mit Extremismusnähe sämtliche sicherheitsrelevanten Agenden in ihrer Hand haben.“20 SOS Mitmensch hat sogar ein eigenes Dossier gegen die FPÖ angefertigt. Es ist allerdings nur ein Sammelsurium von ohnehin seit langem bekannten und von den Medien gebetsmühlenartig wiederholten Anschuldigungen und Unterstellungen. Dieses sogenannte Dossier beruht nur auf dem, was jeder Antifa-Praktikant innerhalb von wenigen Minuten über Google findet. Über Kickl hat Pollack folgendes zusammengetragen:
„Referent bei Kongress mit rechtsextremem Einschlag
Kickl tritt im September 2016 als Referent beim Kongress der ‚Verteidiger Europas‘ in den Linzer Redoutensälen auf, bei dem es Verbindungen in die Rechtsextremenszene und zur neonazistischen NPD gibt.“21
Welche Verbindungen das genau sein sollen, darüber klären Pollak und der Standard22, von dem Pollak diese Info abgeschrieben hat, allerdings nicht auf.
Auch die Linkswende, einer der vielen kleinen linksextremen Vereine, schlägt in dieselbe Kerbe: „Braunes Kabinett: Das sind die brandgefährlichen FPÖ-Minister“.23 Die extreme Linke hat mit ihrem weit verzweigten Denunzianten-Netzwerk, mit ihren vielen Maulwürfen und Zuträgern nicht mehr über Kickl herausgefunden als seine Teilnahme an dem Linzer Kongress. Kickl hat offenbar eine strahlend weiße Weste. Eine linksextreme Initiative auf Facebook, die auch der ORF gerne als Quelle nutzt, obwohl sie kein Impressum hat, also niemand weiß, wer dahintersteckt, titelt: „Herbert Kickl – ein Rechtsextremer als Innenminister“.24 Und warum ist Kickl für diese dubiose linke Facebook-Plattform ein „Rechtsextremer“? Bingo. Weil er beim Linzer Kongress aufgetreten ist. Die Rede, die Kickl dort gehalten hat, interessiert diese Gruppen hingegen wenig. Offenbar hat er nichts gesagt, was man gegen ihn verwenden hätte können.
Trotz dieser Bemühungen, trotz der Wühl- und Lobbyarbeit der linken bis linksextremen Vereine, Blogs und NGOs: Der Kongress gibt vorerst zu wenig her, um Kickl ernsthaft in Bedrängnis bringen zu können und die Mainstreammedien für diese Story zu begeistern.
Die haben vorerst andere Schwerpunkte. Profil-Chefredakteur Christian Rainer warnt vor dem Dilettantismus der Regierung, insbesondere der FPÖ-Minister.25 Wer sich nach dem Dilettantenduo Christian Kern und Reinhold Mitterlehner und ihrer rot-schwarzen Stillstandskoalition um die Qualität und Befähigung der neuen Minister sorgt, will vor allem Unsicherheit verbreiten und Zweifel streuen. Zum Anpatzen der türkis-blauen Koalition reicht es allemal. Vor allem, wenn man nichts Besseres zur Hand hat. Rainer beunruhigt aber auch, dass das Innenministerium, Verteidigungsministerium und – zumindest sieht das Rainer so - sogar das Justizministerium mit dem ehemaligen FPÖ-Mann Josef Moser nun unter Kontrolle der Freiheitlichen sind.26 Rainer ängstigt das dermaßen, dass er künftig am Telefon nichts mehr sagen möchte, „was den Innenminister interessieren könnte“.27
Ängste schüren, Gräben ziehen und Unsicherheit verbreiten ist bei den linken Meinungsmachern die Strategie der Stunde, denen es auch Wochen nach der Nationalratswahl schwerfällt, die Entscheidung der österreichischen Wähler zu akzeptieren. Die Regierung wird von Anfang an als Feindbild, als Gefahr für Freiheit, Wohlstand und das Ansehen Österreichs dargestellt. Man gibt ihr nicht einmal die Chance zu beweisen, was sie zu leisten imstande ist. Die linken Politaktivisten haben ihr Urteil längst gefällt. Die sonst im Journalismus übliche 100-Tage-Schonfrist für neue Regierungen oder Amtsinhaber gilt für die verhasste türkis-blaue Koalition nicht. Sie wird mit deutlich strengeren Maßstäben gemessen. Auf Objektivität, Fairness oder gar Wohlwollen darf sie nicht hoffen. Von Anfang an sind die Fronten klar: Diese Regierung muss so rasch wie möglich gesprengt werden, sie ist das erklärte Feindbild des Juste Milieus, das um seinen Status, seine Finanzierung, seine „wohl erworbenen Rechte“ und die Deutungshoheit fürchtet.
Die zentrale Rolle als Oberbösewicht fällt Herbert Kickl zu. Die ÖVP-Minister sind für diese Rolle ungeeignet, weil zu weiblich, zu farblos und im Schatten von Politstar Kurz stehend. Auch Norbert Hofer, der während des Bundespräsidentschaftswahlkampfes von der linken Van-der-Bellen-Front als rechtes NLP-gesteuertes Schreckgespenst aufgebaut wurde, scheidet aufgrund seines Ressorts ebenfalls aus. Wer für Eisenbahnen und Straßen verantwortlich ist, lässt sich nur schwer als Gefahr für Rechtsstaat und Demokratie verkaufen.
Deshalb war Herbert Kickl die logische Besetzung für diese Rolle, die er von nun an nicht mehr los wird. Man versucht von Anfang an den Innenminister zu dämonisieren, ihn als große Bedrohung für unser Land und unsere Gesellschaft darzustellen. Es schlägt die Stunde jener, deren politische Daseinsberechtigung und deren Geschäftsmodell der Kampf gegen rechts ist. Der blaue Innenminister ist die ideale Projektionsfläche für deren Ängste, ein Brandbeschleuniger für die lodernde linke Faschismushysterie.
Die heimische Kabarettszene lebt seit Jahrzehnten fast ausschließlich von der FPÖ und ihrem Umfeld. Die Freiheitlichen, die Rechten sind der Außenfeind, den man als Gegenpart braucht, um sich und die Seinen als Gemeinschaft der guten, moralischen, weltoffenen und toleranten Menschen definieren zu können. Das ist ein wesentlicher Teil des linken Selbstverständnisses, der linken Identität. Die FPÖ ist das Feindbild, die politische Benchmark, um sich selbst moralisch einzuordnen und zu erhöhen, um sein Tun und Denken aufzuwerten und auf die minderwertigen, rechten Menschen herabblicken und hinuntertreten zu können. FPÖ-Politiker und deren Sympathisanten erfüllen als moralische Fußabstreifer jene Aufgaben, die gemäß linkem Narrativ „der Ausländer“ für Rechte erfüllt. Die Rechten sind die Projektionsfläche für die Unzulänglichkeiten, den Hass, die Komplexe und die Ängste der Linken, sie sind für alles, was in Land und Gesellschaft schief läuft, verantwortlich. Auch am Niedergang der Linken sind die dummen rechten Wähler schuld, die einfach zu simpel gestrickt sind, um die Großartigkeit und Genialität der linken Ideologie, der linken Utopien und ihrer Verkünder zu kapieren.
Christa Zöchling, mehrfach ausgezeichnete Profil-Journalistin, charakterisiert FPÖ-Wähler so: „Es sind die hässlichsten Menschen Wiens, ungestalte, unförmige Leiber, strohige, stumpfe Haare, ohne Schnitt, ungepflegt, Glitzer-T-Shirts, die spannen, Trainingshosen, Leggins. Pickelhaut. Schlechte Zähne, ausgeleierte Schuhe.“28 Genauso werden FPÖ-Sympathisanten von Linken gesehen, die blauen Politiker und neuen Minister ebenso. Nur besser angezogen. Sie werden den Österreichern in den Mainstreammedien einerseits als extrem gefährlich, durchtrieben und heimtückisch, anderseits als recht einfache Gemüter, rechte Deppen, Abgehängte und Modernisierungsverlierer verkauft. An diesem Widerspruch stört sich in der linken Reichshälfte allerdings niemand. Ihre ebenso simple wie beliebte Erklärung: Die Durchschnittsösterreicher – und das sind ausschließlich die nichtlinken - seien einfach zu blöd für linke Ideen und Politik.
Herbert Kickl bildet eine Ausnahme. Während sich der gemeine SPÖ- oder Grünwähler dank der jahrelangen Propaganda, Desinformation, der linken Deutungshoheit und aufgrund seiner Sozialisation im linken Bildungssystem jedem Rechten intellektuell überlegen fühlt, H.-C. Strache, Johann Gudenus und den kleinen FPÖ-Funktionär, so wie Frau Zöchling, für geistig minderbemittelt hält, verhält es sich bei Herbert Kickl anders. Er gilt als das Gehirn der FPÖ, als Stratege, Mastermind, als durchtriebener Bösewicht, der, wie in einem schlechten James Bond-Film, mit seinem Heer von dümmlichen Untergebenen das ganze Land beherrschen möchte. Kickl, der Einäugige unter den Blinden, der für Strategie, Kommunikation und Marketing der FPÖ mehr oder weniger allein verantwortlich ist. Das ist das linke Narrativ, das die Medien verbreiten, seitdem H.-C. Strache die Partei im Jahr 2005 übernommen hat.
Der Wiener SPÖ-Landtagsabgeordnete Peko Baxant hält Kickl gar für den „begnadetsten Kommunikationsstrategen seit Joseph Goebbels“.29 Was aus dem Mund eines SPÖ-Politikers wohl als zweifelhaftes Kompliment gemeint ist. 2014 wurde Kickl von der Tageszeitung Die Presse interviewt: „Wie lebt es sich denn so als heimlicher Parteichef der FPÖ?“ Kickls Antwort: „Das ist auch so ein Blödsinn, der in den Medien kolportiert wird.“30 Der linke Mythos von der blauen Ein-Mann-Partei ist nicht totzukriegen.
Kickl, der einzige schlaue Mann der FPÖ, der die rechte Deppentruppe steuert, so hört man es auf allen linken Kanälen, vom Kabarettisten bis zum Innenpolitik-Experten. „Keine Personalentscheidung und keine strategische Weichenstellung wurde ohne sein Zutun gefällt“31, glaubt man bei der Zeitschrift News zu wissen, und Staatskünstler Florian Scheuba, gewohnt unlustig: „Wahrscheinlich glaubt H.-C. Strache, dass Herbert Kickl sein Freund ist. Das ist, als wenn Kasperl und Pezi glauben, dass die Hände, die in ihnen stecken, ihre Freunde sind.“32
Dass man Kickl als FPÖ-Politiker solche Fähigkeiten zuschreibt, liegt vor allem daran, dass Kickl in Diskussionen, Interviews und Konfrontationen seine politischen Gegner in der Regel auflaufen lässt, sie manchmal regelrecht demontiert. Sie sind ihm intellektuell und rhetorisch zumeist nicht gewachsen. Auch der große Armin Wolf, der Held der heimischen Linken, zieht im rhetorischen Zweikampf gegen Kickl zumeist den Kürzeren. Was einerseits den Hass auf Kickl steigert, es andererseits den Linken verunmöglicht, ihn in das Klischee des dummen, rechten Recken zu pressen. Deshalb hat man aus der Not bzw. dem Frust eine Tugend gemacht und Kickl zu einem blauen, menschenverachtenden Mastermind gemacht. Diese linke Zuschreibung bekommt durch seine Ernennung zum Innenminister eine neue Dimension und Tragweite. Weshalb die üblichen Verdächtigen, wie etwa Hannes Androsch, öffentlichkeitswirksam „Skepsis, Besorgnis und Beunruhigung“33 verspüren.
Kein Wunder, Kickl passt auch sonst nicht so recht ins klischeehafte Bild, das Linke von FPÖ-Politikern oder Rechten haben. Kickl studierte Philosophie, ist kein Burschenschafter und kann mit diesen auch wenig anfangen. „Das ist nicht meine Welt. Aber ich habe vor jedem Respekt, der das will. Wir sind nicht umsonst eine Partei, die Freiheit im Namen trägt.“34, so Kickl über sein Verhältnis zu den Burschenschaften. Das ist auch ein Grund, warum die Attacken zu Beginn von Kickls Amtszeit verhalten ausfallen. Denn eines der Hauptangriffsziele der linken Reichshälfte gegen die neue Regierungspartei waren zu Beginn die Burschenschaften, ihre Netzwerke und ihre Macht innerhalb der FPÖ. Hierzu gab es Anfang 2018 unzählige Artikel mit mehr oder weniger der gleichen Stoßrichtung. OE24 titelt gar: „Die Regierung der Burschenschaften“.35 Die Burschenschafter würden die Macht an sich reißen und Österreich übernehmen, so der Tenor. Die Vorlage lieferte das wenige Wochen vor der Nationalratswahl erschienene Buch von Hans Henning Scharsach: „Stille Machtergreifung“. Es wird mit dramatischen Worten beworben: „Ein kleiner, verschworener Kreis hat die FPÖ in Besitz genommen (…), zeigt Scharsach auf, was Österreich droht, wenn deutschnationale, schlagende Burschenschafter an die Macht kämen.“36 Da läuft dem politisch korrekten Bürger der kalte Schauer über den Rücken, mit solchen Verschwörungstheorien, die auch über Freimaurer, Illuminaten und Bilderberger verbreitet werden, kann man für die Wähler ein gar schröckliches Szenario aufbereiten. Burschenschaften sind im neuen Jahrtausend etwas Exotisches, Unbekanntes, Fremdes. Ihre Wurzeln und Geschichte kennt kaum noch jemand. Geblieben ist das Bild, das Linke über sie verbreiten, von den mit Schwertern kämpfenden, Bier saufenden, Frauen verachtenden Nationalisten.
Der Höhepunkt dieser medialen Kampagne gegen die Burschenschaften ist der sogenannte Liederbuch-Skandal, der zeitgerecht vor der Landtagswahl in Niederösterreich von der linken Wochenzeitung Falter lanciert wird. Der damals beschuldigte und kurzerhand von der FPÖ geschasste blaue Landesparteichef Udo Landbauer ist mittlerweile völlig rehabilitiert: Die linke Hetzkampagne, die auf einem alten Liederbuch, mit dem Landbauer nichts zu tun hatte, aufbaute, hat ihre Aufgabe erfüllt. Die FPÖ blieb weit hinter ihren Erwartungen zurück und die ÖVP erreichte in Niederösterreich die absolute Mehrheit. Dank eines alten Liederbuches und einer breiten Medienfront gegen die FPÖ.
Angesichts solcher Prioritäten, der Medienkampagne gegen die Burschenschaften und mangels besseren Materials wärmten die Mainstreamjournalisten vorerst nur jene Vorwürfe gegen Kickl auf, die jeder politisch interessierte Österreicher schon gefühlte 1000x gehört und gelesen hat: Dass Kickl als Reden- und Gag-Schreiber von Jörg Haider für den antisemitischen Witz verantwortlich ist: „Wie kann einer, der Ariel heißt, so viel Dreck am Stecken haben?“
Mit Ariel ist der ehemalige Chef der israelitischen Kultusgemeinde Wien, Ariel Muzicant, gemeint. Obwohl FPÖ-Chef Strache auf die zum wiederholten Male aufgewärmten Vorwürfe reagiert und Kickls Urheberschaft zurückweist, halten die meisten Medien an dieser Legende fest. Auch der Wahlkampfslogan aus dem Jahr 2006 „Daham statt Islam“, den Kickl ersonnen haben soll, gilt vielen linken Journalisten und Künstlern als Beweis für die moralische Verkommenheit und den latenten Rassismus Kickls. Der Slogan ist rund um Kickls Amtsantritt in den Medien vermutlich öfter zu lesen als er damals plakatiert wurde. Abgesehen davon: Zehn Jahre und eine Völkerwanderung später hat sich der Reim als geradezu prophetisch erwiesen.
Und wenn einem überhaupt nichts mehr einfällt, womit man den neuen Innenminister anpatzen kann, lässt man einen unbekannten „ehemaligen Wegbegleiter“ über Kickl herziehen. Der neue Innenminister sei „ein Psycho“37, lässt Star-Journalist Florian Klenk den geheimnisvollen Unbekannten über Kickl in einem Falter-Artikel sagen, bei dem der Hass Klenks auf den „verkrachten Philosophiestudenten“ aus jeder Zeile trieft. Auch Beamte kommen darin zu Wort, die derart verängstigt sind, dass sie sich „zu unüblichen Zeiten in den hintersten Raucherkammerln von Vorstadtcafés treffen, wo sie so leise flüstern, dass man sie kaum versteht. Sie kommunizieren über abhörsichere Messenger-Dienste. Sie schreiben Mails über Fake-Accounts.“38 Raucherkammerln in Vorstadtcafés, das klingt nach dem tristen Setting einer typischen österreichischen TV-Serie à la David Schalko oder einem Tatort-Krimi mit Harald Krassnitzer. Der gemeine Falter-Leser lässt sich von dieser blumigen, linken Gebrauchsprosa sicher schwer beeindrucken.
Jedenfalls flüstern die verängstigten Spitzenbeamten in den Hinterzimmern der Wiener Vorstadtcafés Klenk zu, Kickl, „sei nicht deshalb gefährlich, weil er ein besonders starker Mann wäre, sondern im Gegenteil. Anders als seine Vorgänger sei er mit der Organisation einer so großen Bürokratie völlig überfordert.“39 Klein, verunsichert, überfordert, gefährlich, verkracht, eine gescheiterte Existenz. Er hat vermutlich auch Mundgeruch, schiefe Zähne und quält kleine Katzen, aber das würde Klenk nicht schreiben, er ist schließlich mehrfach ausgezeichneter, seriöser Journalist, und der Falter das linke Leitmedium des Landes.
Auch Christian-Kern-Biograph, Revolutionärer Marxist und Standard-Journalist Robert Misik macht sich über Kickls abgebrochenes Philosophiestudium lustig. Kickls Körpergröße ist ohnehin ein Dauerbrenner und damals die beliebteste Pointe auf heimischen Kleinkunstbühnen und im ORF40. Auch die – natürlich ebenfalls hochseriöse – Journalistin Livia Klingl (ORF, Standard, Kurier) macht sich über Kickls Größe lustig. Auf Facebook schreibt sie über ein Foto von Herbert Kickl, der neben dem über zwei Meter großen Bildungsminister Heinz Faßmann steht: „der inbegriff des großen deutsch(national)en mannes. wer ihn ned gleich findet: bitte lupe nehmen“41.
Die selbsternannten Qualitätsjournalisten und -medien kennen bei Kickl keine Niveauuntergrenze. Was man der FPÖ vorwirft, von Menschenfeindlichkeit bis Hass, von schlechtem Stil bis zu persönlichen Untergriffen, ist gegen Kickl nicht nur erlaubt, sondern erwünscht. So „analysiert“ der Journalist und Hobbypsychologe Christoph Winder im Standard:
„Der kleine Kärntner erweist sich abermals als der große österreichische Aufgansler. Als Spalter, von dem man befürchten muss, dass er sich in letzter Konsequenz einmal selbst in der Mitte entzweireißen wird wie weiland Rumpelstilzchen. (…) Warum baut jemand seine Laufbahn ausschließlich auf bösen Reimen auf? Warum liegt ihm so daran, etwaig vorhandene Charaktereigenschaften wie Großzügigkeit, Gemeinsinn oder Menschenfreundlichkeit jahrzehntelang penibelst vor der Öffentlichkeit zu verbergen? Schierer Hass auf Österreich kann es nicht sein, dazu war das Land zu gut zu ihm. Wo sonst käme ein Studienabbrecher mit dubiosen weltanschaulichen Identifikationen in höchste Regierungsämter (…) Nein, Herbert Kickls Verhalten wirkt wie ein verzweifelter Schrei nach Liebe. Da muss etwas passiert sein, da muss ein ungeheurer Mangel danach rufen, unter billigem Zynismus versteckt und kompensiert zu werden. (…) Wir bräuchten ein paar gute Menschen, die sich um Kickl kümmern. Ihm ein schönes Fichtennadelschaumbad bereiten, die mörderischen Spannungen aus den Schultern massieren. Ihm zärtlich den Dreitagebart streicheln, den steinharten Charakterpanzer lockern, das schmächtige Körperchen ölen und salben. (…)“42
Nein, das ist keine Satire. Der Standard, der dieses Pamphlet veröffentlicht hat, gilt – zumindest in Österreich – als Qualitätsblatt. Trotz oder besser aufgrund solcher Absonderungen.
Der Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen der Universität Wien, also nicht gerade ein rechtsrechter Fascho-Verein, führt als Beispiel für „Diskriminierung, sexuelle Belästigung und Belästigung“ folgendes Beispiel an: „Bemerkungen zu körperlichen Merkmalen, Aussehen oder Kleidung.“43. Schmächtiges Körperchen! Diese politisch korrekte Verhaltensregel gilt definitiv nicht, wenn man gegen Herbert Kickl, andere FPÖ-Politiker und deren Sympathisanten in den Kampf zieht. Vermutlich deshalb, weil es sich – auch wenn das Gutmenschen nie offen aussprechen würden – um rechte Untermenschen handelt.
Wären diese politisch korrekten Moralapostel wie der Standard-Poet Winder doch nur halb so kritisch sich selbst gegenüber wie gegenüber Herbert Kickl. Viel mehr als Witze aus der untersten Humorschublade, persönliche An- und Untergriffe, Bullshit, so wie ihn Harry G. Frankfurt44 definiert, und aufgekochte Vorwürfe aus dem Jahre Schnee haben die vereinigten Linken zu Kickls Amtsantritt nicht zu bieten.
Trotzdem fühlen sich Bundeskanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Heinz Christian Strache genötigt, ihnen entgegenzutreten. Kurz: „Jeder hat seine Geschichte, aber jeder hat auch seine Chance verdient.“45 Eine für Kurz typische Antwort, mit der er zwar den Innenminister nicht entlastet und Distanz zu ihm wahrt, aber die vielen linken Kritiker einigermaßen ruhigstellt. Weil all diese Angriffe und Vorstöße zu erwarten waren, und sich Kurz und die ÖVP bewusst waren, welchen medialen und politischen Aufschrei die Bestellung Kickls zum Innenminister auslösen würde, hat man von Anfang an eine Maßnahme zur Beruhigung der Lage vorgesehen: die 36jährige Richterin Karoline Edtstadler. Sie wird Staatssekretärin im Innenministerium.
Ganz freiwillig hat die Regierung diese Entscheidung nicht getroffen, Bundespräsident Van der Bellen soll sich eine türkise Aufpasserin im blauen Innenministerium gewünscht haben.46 Kickl sollte jemand zur Seite gestellt bekommen, der seine Entscheidungen überwacht und unter die Lupe nimmt47, wie die Presse schreibt. Ein Kindermädchen für den bösen blauen Buben, eine „türkise Aufpasserin“48, wie der Standard spöttisch anmerkt.
Edtstadler lehnt solche Zuschreibungen – zumindest in der Außenkommunikation – ab, bezeichnet sich selbst als Partnerin. So richtig hat sie in die Rolle von Kickls Nanny auch nie gefunden. Ob sie aufgrund von Kickls Durchsetzungsvermögen dazu nicht in der Lage war oder dies ohnehin nie vorhatte, wird wohl unbeantwortet bleiben.
„Guten Morgen. News aus Kickls Innenministerium. Heute soll Alexander Höferl zum Pressesprecher des neuen Innenminister werden“, twittert Falter-Chefredakteur Florian Klenk. Warum Klenk das seiner großen Online-Fangemeinde frühmorgens mitteilen muss: Alexander Höferl ist Chefredakteur des rechten Nachrichtenportals unzensuriert.at. Jetzt soll er Pressesprecher des Innenministers werden. Dass der FPÖ-Innenminister für sein Kabinett keine Welcome-Refugee-Aktivsten, Grüne oder sonstigen Linke sucht, sondern Menschen, die ihm politisch und ideologisch nahestehen, denen er vertrauen kann, ist zwar logisch und wäre dem Falter-Journalisten bei einem SPÖ-Minister auch keine Zeile wert gewesen, im Fall von Kickl ist es hingegen ein Skandal: Ein freiheitlicher Innenminister sucht sich seine Mitarbeiter im freiheitlichen Umfeld. Alarmstufe blau! Im Fall von Herbert Kickl werden sogar Selbstverständlichkeiten zu einem Skandal hochgeschrieben.
Höferl wird zwar nicht Pressesprecher, sondern Kommunikationschef, und er war auch nicht Chefredakteur von unzensuriert.at, aber das sind für linke Journalisten ohnehin nur Nebensächlichkeiten. Hauptsache, der Mann ist irgendwie rechts. Entscheidend ist, dass Höferl für unzensuriert.at „bis zuletzt“ gearbeitet hat und nun ins Innenministerium wechselt. unzensuriert.at ist nicht nur ein rechtes und FPÖ-nahes, sondern vor allem ein reichweitenstarkes Medium. Der Kurier berichtet 2016: „In Österreich verzeichnete im vergangenen Jahr so insbesondere die Seite unzensuriert.at wachsende Reichweiten. Im Jänner kamen im Anschluss an die Kölner Silvesternacht zehn der 50 erfolgreichsten Artikel auf Facebook von der FPÖ-nahen Seite (…)“49 Da kann das eine oder andere krisengebeutelte linke Mainstreammedium schon neidisch werden. Und wo Neid ist, ist der Hass nicht fern. Medien wie unzensuriert.at sind den schwächelnden Alt-Medien ein Dorn im Auge. Der Standard schreibt über unszensuriert.at, dass die Seite mit Artikeln gegen Migranten und vermeintlich linke Journalisten auffällt, aber auch mit Russland- und Ungarn-freundlicher Berichterstattung.50
Das ruft einen weiteren wichtigen Player im linken Netzwerk auf den Plan: Willi Mernyi, gelernter Starkstrommonteur, seit seinem 17. Geburtstag SPÖ-Mitglied, Gewerkschafter und vor allem Vorsitzender des Mauthausenkomitees. Mernyi gilt aufgrund dieser Funktion als so etwas wie eine moralische Instanz in Österreich.
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