Martin Knispel

Konfliktmanagment nach biblischem Vorbild

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Über das Buch:
Martin Knispel gibt auf humorvolle und einfühlsame Weise, aber auch ehrlich und mit deutlichen Worten Hilfestellung in einem Bereich, in dem wir uns als geistlich Leitende sowie als verantwortlich Mitarbeitende in der Gemeinde oft schwertun: dem offenen Umgang mit Konfliktsituationen, der konstruktiven Bewältigung von Krisen und ihrer zukunftsweisenden Lösung. Anhand konkreter biblischer Beispielgeschichten aus dem Alten und Neuen Testament macht er deutlich, wie es gelingen kann, aufeinander zu hören, sprachfähig zu werden, gemeinsam nach Lösungen zu suchen oder auch angemessen mit Scheitern umzugehen. Innovative biblische Einsichten und praktische Tipps aus seiner langjährigen Erfahrung als Organisationsentwickler und Krisenberater machen das Buch zu einem wertvollen Ratgeber.

Über den Autor:
Martin Knispel ist Religionspädagoge und promovierter Theologe. Er ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. Nach vielen Jahren kirchlicher Tätigkeit in Afrika war der Autor Direktor am Theologisch-pädagogischen Seminar Malche (Porta Westfalica) und Geschäftsführer der WERTESTARTER Stiftung, Berlin. Heute ist er Vorstandsvorsitzender bei World Relief Deutschland und engagiert sich als Organisationsentwickler und Krisenberater.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen
Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
http://dnb.dnb.de abrufbar.

ISBN 978-3-96362-939-6
Alle Rechte vorbehalten
© 2019 by Verlag der Francke-Buchhandlung GmbH
35037 Marburg an der Lahn
Umschlagbild: © iStockphoto.com / enisaksoy
Umschlaggestaltung: Verlag der Francke-Buchhandlung GmbH
Satz und Datenkonvertierung E-Book:
Verlag der Francke-Buchhandlung GmbH

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Vorwort

Von Hemingway wurde gesagt, dass er so schlecht gelaunt sein konnte wie der liebe Gott, wenn sich die gesamte Menschheit vollkommen danebenbenommen hat. Das hat mich doch sehr erstaunt. Hemingway hat mich als Schriftsteller immer fasziniert und ich wusste auch, dass er als Mensch wohl nicht immer ganz einfach gewesen war. Aber dass ihn ein unglaublicher Furor packen konnte, sodass man in seiner Nähe um sein Leben fürchten musste, war mir nicht bewusst. Er hatte Ruhm, Geld und war unabhängig, aber zugleich war er seinen Launen geradezu sklavisch unterlegen. »Bloß keine Schwächen zulassen, schon gar nicht vor sich selbst«, war eines seiner Lebensmottos. Wie konnte es sein, dass ein solches Literaturgenie mit sich und anderen nicht klarkam und sich schließlich das Leben nahm? Wie konnte es sein, dass sich ein feinfühliger und begnadeter Poet zugleich rüpelhaft, unbeherrscht und jähzornig verhielt?

Das Thema »Krisen und Konflikte« beschäftigt mich schon seit Beginn meiner Arbeit als sogenannter Hauptamtlicher im geistlichen Dienst. Die ersten sieben Jahre in einer christlichen Lebensgemeinschaft waren eine Art Stahlbad in Sachen Konflikte, hatten es doch viele von uns nicht leicht miteinander. Schon beim Verlassen der Wohnung frühmorgens konnte man an der hochgezogenen Augenbraue erkennen, ob der Nachbar gut drauf war oder nicht. Auf engstem Raum konnte man sich nicht verstecken, und das war beabsichtigt. Wir lernten viel, vor allem aber auch, wie man immer wieder verzeiht und einen Neuanfang wagt. Es war anstrengend.

Acht Jahre Afrika ließen mich dann später manchmal verzweifeln: Ich verstand die Afrikaner oft einfach nicht, trat in viele Fettnäpfchen und verursachte offensichtlich Konflikte, die ich selbst gar nicht wahrnahm. Zu den normalen Alltagskonflikten kamen nun noch kulturelle Konflikte hinzu, die fast nicht zu lösen waren. Wie kann man einen Konflikt bearbeiten, wenn man einen Vorgesetzten partout nicht konstruktiv kritisieren darf, ganz gleich, was er tut? Wir machten Fehler, lernten daraus und übten uns in Geduld.

Weitere acht Jahre als Leiter eines theologischen Seminars in schwierigen Krisenzeiten ließen mich endgültig an meine Grenzen kommen. Ich schlitterte von einer Krise in den nächsten Konflikt und empfinde es noch heute als ein großes Geschenk, dass ich das überstanden habe. Ich konnte Konflikte lösen, habe aber auch erleben müssen, dass ich selbst Konflikte auslöste, die mir später leidtaten. Teilweise gelang Versöhnung, teilweise auch nicht. Das schmerzt bis heute. Ich kam mir oft vor wie ein Kutscher, dem die Pferde durchgegangen waren und der seine liebe Not hatte, die Zügel in der Hand zu behalten, während ihm gleichzeitig der Hut davonflog und er vom Sitz zu fallen drohte. Nun, ich habe damals überlebt und hoffentlich etwas daraus gelernt. Und das Seminar gibt es immer noch.

Auch auf meinen weiteren Lebensstationen blieben Konflikte nicht aus und so entschloss ich mich, dem Ganzen einmal sorgfältig auf den Grund zu gehen. Ich absolvierte eine intensive Ausbildung im Bereich Beratung und Organisationsentwicklung, die mir viele Prozesse und Mechanismen verdeutlicht hat. Seit dieser Zeit bin ich beratend und begleitend tätig, wenn es um Krisenberatung und Konflikte geht, und ich lerne täglich dazu.

Ganz nebenbei habe ich dann entdeckt, dass die Bibel voller Konfliktgeschichten ist. Überall gibt es Gezanke, Streit und Stress. Es gibt nichts Neues unter der Sonne und die große Sehnsucht nach immerwährender Harmonie scheint ein Wunschtraum von Schwärmern zu sein.

Aber da ist auch einer in der Bibel zu finden, der uns zeigt, wie man leben kann: Jesus Christus. Er ist der große Konfliktlöser, weil er uns Menschen erst einmal so annimmt, wie wir sind. Er kennt seine Leute sehr gut und zeigt im Neuen Testament, wie es gelingen kann, miteinander klarzukommen. Er macht seinen Jüngern deutlich, dass man sich aushalten muss und dass an seinem Tisch keiner bevorzugt wird.

Ich habe deshalb acht biblische Texte auf unser Thema hin abgeklopft und festgestellt, dass die Bibel in dem, was sie schildert, nicht nur unglaublich realistisch ist, sondern dass einst Papst Johannes Paul I. mit seiner Einschätzung recht hatte: »Auch die größten Heiligen waren höchstens tageweise ohne Sünde.« Deshalb finden auch Sie, verehrte Leser, sich vielleicht in diesen Geschichten wieder. Herzlich willkommen!

Einführung: Warum wir so sind, wie wir sind

Unser Leben wird neben vielen schönen und beglückenden Erfahrungen leider auch von Krisen und Konflikten heimgesucht. So starten wir vielleicht mit viel Enthusiasmus in eine neue Arbeit und stellen fest, dass der Kollege am anderen Ende des Schreibtisches äußerst gewöhnungsbedürftig ist. Mit dem soll ich die nächsten Jahre in einem Büro arbeiten? Das kann ja heiter werden, da ist der erste Streit schon vorprogrammiert! Jede freiwillig geschlossene Ehe hat mit dem Vorsatz begonnen, mit dem Partner glücklich zu werden. Doch die Prinzessin stellt sich manchmal zickig an und der Prinz schnarcht nicht nur, sondern nervt auch mit der Angewohnheit, einfach alles stehen und liegen zu lassen. Wozu hat er schließlich geheiratet?

All das ist in der Menschheitsgeschichte nichts Neues. Unseren zwischenmenschlichen Konflikten, Kämpfen, Kriegen und Zerwürfnissen liegt ein Muster zugrunde, das in der Bibel gleich zu Beginn angesprochen wird: Der andere ist schuld! Das Zeigen mit dem Finger auf andere, das Verdrängen des eigenen Anteils, das Leugnen der eigenen Schuld und der eigenen Fehlerhaftigkeit sind geradezu Grundmuster menschlichen Verhaltens. Die Urgeschichte – und hier besonders die Erzählung von dem ersten Menschenpaar – gibt uns einen vielsagenden Einblick in dieses Paradigma. Bis heute sind wir darin eingewoben.

Das Interessante an der biblischen Erzählung von Adam und Eva ist die Tatsache, dass sie auch »Urgeschichte« genannt wird. Die Erzählung lässt sich nicht reduzieren auf einen historischen Bericht irgendwann zu Anfang der Menschheitsgeschichte. Schön wäre es schon, dann wären wir ja im Grunde aus dem Schneider. Wir hätten halt Pech gehabt mit unseren verhaltensauffälligen Urgroßeltern. Und nur, weil sie sich so danebenbenommen haben, löffeln wir heute die Suppe aus. Aber so einfach ist es leider nicht.

Im Hebräischen bedeutet Adam so viel wie »Erdling / der aus Erde Geschaffene« und Eva »Mutter alles Lebendigen«. Die in der Bibel als erstes Menschenpaar vorgestellten Adam und Eva sind so etwas wie die Prototypen der Menschheit – Urbilder, die für uns alle stehen. Ein Fertighaushersteller baut in der Regel auf der grünen Wiese ein Musterhaus. Die Besucher wissen: So baut diese Firma, dafür steht sie. Auch wenn es in der Folge viele Varianten und Abweichungen von diesem Muster geben wird, so steht der Erschaffer des Musterhauses doch für die gesamte Art seiner Häuser. So ähnlich ist das bei Adam und Eva. Es gibt viele Abweichungen in Statur, Farbe und Kultur in der gesamten Menschheitsgeschichte bis heute, aber wir sind doch alle von der einen Art.

Adam, das sind die Männer; Eva, das sind die Frauen. Adam und Eva sind wir alle. Damit rückt die biblische Urgeschichte ganz nahe an unsere Welt und auch unbequem nahe an mein kleines Leben heran. Deshalb ist es sicher eine Verkürzung, wenn wir die beiden Prototypen auf die »Sündenfall-Geschichte« vor langer Zeit reduzieren würden. Es steckt viel mehr in den ersten Kapiteln der Bibel. Ich fürchte, dass wir einen eher einseitigen Blick auf den Menschen bekommen, wenn wir ihn nur von der Sünde her, also von seinen Defiziten her betrachten. Im Folgenden greife ich deswegen vier Prädikate »des Menschen schlechthin« heraus.

Der Mensch ist von Gott gut ausgestattet

Als Schlusspunkt und Höhepunkt der Schöpfungsgeschichte wird die Erschaffung des Menschen geschildert. Das ist aber nicht der eigentliche Clou. Viel wichtiger ist die Tatsache, dass Gott ihm seinen Odem, seinen Geist, einhaucht. Und dass er ihn, im Bild gesprochen, wie einen exzellent gelungenen Prototyp auf die Wiese stellt und sagt: Sehr gut! Ausgezeichnet! Wie wir!

Das Urbild des Menschen ist sehr gut und damit perfekt. Alle Möglichkeiten, ein fast unerschöpfliches Potenzial, sind in ihm angelegt. Die Entfaltung der Wissenschaften hat es uns in den letzten Jahren deutlich vor Augen geführt. Menschen fliegen in einer Blechkapsel auf den Mond, kreisen monatelang arbeitend, essend und trinkend um die Erde und kommen heil zurück. Ärzte operieren mit einer langen Nadel, durch die sie kleinste Operationswerkzeuge schieben, im Körper des Menschen, ohne nennenswert sichtbare Spuren zu hinterlassen. Was für Laien unfassbar ist, wird in der Forschung zur Normalität. All das – und man könnte hier viele weitere Seiten mit Beispielen füllen – zeigt, dass der Mensch ein Mitschöpfer ist, der das Potenzial, das Gott ihm mitgegeben hat, wunderbar zur Entfaltung bringt. Das tut er meist, ohne zu wissen, wem er das verdankt. Der Mensch ist also nicht nur Sünder, nicht nur fehlerhaft. Er trägt göttliches Potenzial des Schöpfers in sich, welches er in einzigartiger Weise zur Entfaltung bringen kann. Dies sollten wir immer mit bedenken, wenn wir von seinen Schattenseiten sprechen.

Der Mensch ist ein Beziehungswesen

»Seit ich die Menschen kenne, liebe ich die Tiere.« Dieser bekannte Satz des Philosophen Arthur Schopenhauer drückt viel von der Enttäuschung über die Menschheit aus, die sich in der Tat oft schlecht aufführt. Tiere sind aber auch keine Engel. Um zu überleben, bekämpfen sie sich und töten sich. Ein Löwe, der ein neues Rudel übernimmt, tötet nicht nur, wenn er Hunger hat, er tötet sogar die Junglöwen seiner neuen Frau, nur um zu zeigen, wer nun die Macht hat.

Wie auch immer man das Verhältnis zwischen Mensch und Tier deuten möchte, eines kann der Mensch auf Dauer nicht, und das macht die Urgeschichte deutlich. Er kann keine ebenbürtige Beziehung zu Tieren aufbauen, denn das geht nur unter seinesgleichen. Deshalb ruft er ja freudig nach der Erschaffung seiner Eva aus: Endlich Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch. Sie ist wie ich!

Menschen sind Beziehungswesen, die auf ein Gegenüber, ein Du, angelegt sind. In guten Beziehungen blühen wir auf, durch sie werden wir bereichert, durch sie lernen wir dazu. Durch sie wird uns aber gelegentlich auch ein Spiegel vorgehalten mit der Botschaft: Ganz so toll bist du doch nicht, es gibt noch Luft nach oben.

Diese Beziehungsfähigkeit ist die Voraussetzung für gelingendes Leben. Gerade in Konflikten, um die es ja in diesem Buch geht, ist die Fähigkeit, aufeinander zuzugehen, ins Gespräch zu kommen, sich auseinanderzusetzen, die Grundvoraussetzung dafür, Unstimmigkeiten lösen zu können. Das unterscheidet den Menschen vom Tier.

Der Mensch ist geschaffen zum Bauen und Bewahren

Eigentlich sind wir also ganz prima angelegt. Wir sind von Gott mit vielen Gaben ausgestattet, werden in Beziehungen gestellt und durch sie beschenkt. Dazu kommen noch Aufgaben, die unserem Leben Sinn und Ziel geben. Der Mensch ist nach Luther »zur Arbeit geboren wie der Vogel zum Fliegen«, und damit hat Luther natürlich recht.

Gott vertraut Adam und Eva den Garten an, um ihn zu bebauen und zu bewahren. Die Aufgaben des Menschen haben gestalterischen und schützenden Charakter. Arbeiten heißt nach biblischer Vorstellung, dass wir etwas entwickeln, aufbauen, neu schaffen sollen. Dazu gehören Kreativität und Einfallsreichtum. Dazu gehört der Mut, neue Wege zu gehen. Gleichzeitig gehört das dazu, was in der Geschichte leider oft ausschließlich Frauen zugesprochen und zugebilligt wurde, nämlich das Bewahren. Die schöpferischen Qualitäten haben nämlich leider auch eine Schattenseite. Der aus dem göttlichen Rahmen gefallene Mensch bebaut zwar, bewahrt aber nicht in der Weise, wie es nötig wäre. Er will mehr für sich als gut ist. Die Arbeit, die zum Segen für viele werden sollte, wird dann zum Fluch.

Wenn wir nun über Konflikte und damit auch über die Schuld des Menschen sprechen, tun wir dies vor dem Hintergrund des unvergleichlichen Potenzials und der ursprünglichen Gottebenbildlichkeit des Menschen. Der Mensch trägt immer beides in sich: Gaben und Grenzen, Fähigkeiten und Versagen, Potenziale und Abgründe. Beides sollten wir bei Konflikten mit bedenken. Ansonsten kommen wir über ein pessimistisches Menschenbild nicht hinaus, das die Defizite zwar sieht und benennt, aber nicht die Möglichkeiten und Chancen eines jeden Menschen, Dinge zum Guten zu wenden.

Menschen werden schuldig vor Gott und aneinander

Adam und Eva machen sich schuldig. Sie vergehen sich an Gottes Gebot. Der Baum und die Art des Obstes sind nicht so wichtig. Der Kern des Problems ist, dass sie Gott nicht ihr bedingungsloses Vertrauen schenken, sondern dem Zweifel, symbolisiert in der Schlange, Raum geben. Die Ursünde des Menschen ist das mangelnde Vertrauen und die mangelnde Hingabe an Gott als den Geber des Lebens.

Aus dieser Fehlhaltung erwächst die Spannung zwischen Adam und seiner Frau Eva. Adam sieht nicht ein, dass er versagt hat, und zeigt mit seinem Finger auf Eva. Sie ist schuld. Sie hat ihn verführt. Sie hat ihm die Frucht gegeben. Dass er die Frucht, wie in dieser herrlichen Geschichte beschrieben, einfach nimmt und hineinbeißt, verdrängt er offensichtlich. Seinen eigenen Anteil am Fehlverhalten will er nicht wahrhaben.

Und damit sind wir beim eigentlichen Kern vieler Konflikte in Beziehungen, sei es in Partnerschaften, in Arbeitsbeziehungen, in der Familie, im Verein: Es fällt uns Menschen unsäglich schwer, Schuld einzugestehen und zu sagen: »Ich war es!« Immer wieder suchen wir die Schuld nur bei anderen und nicht bei uns selbst.

Schon die frühe Kirche war sich deshalb der Bedeutung der »Beichte« bewusst: Wer beichtet oder »be-ich-tet«, sagt: Ich war es. Nicht meine Eltern, meine schlechte Erziehung, meine Lehrer, noch nicht einmal mein Partner. Die Beichte – die eigene Schuld einem anderen Christen zu bekennen, der mir im Namen Jesu die Vergebung zuspricht – ist eine großartige Chance, in regelmäßigen Abständen mein Leben anzuschauen, Misslungenes anzuerkennen, loszulassen und daraus zu lernen.

Bis heute wird in der Pädagogik und Psychologie oft die Frage nach den Ursachen für das Verhalten von Menschen gestellt. Das ist sehr gut, wenn es hilft, Quellen von Problemen oder Fehlverhalten aufzudecken, Verletzungen nachzugehen und die eigene Lebensgeschichte besser zu verstehen. Es darf uns aber nicht dazu verleiten, dass wir in einer passiven Haltung verharren, weil andere an uns schuldig geworden sind. Es darf uns nicht dazu verleiten, uns in einer Opferrolle einzurichten. Wir sind nicht nur Opfer von Umständen, sondern auch Mitgestalter unseres Lebens. Hier kommen die kreativen Möglichkeiten, die Gott in der Schöpfung in uns angelegt hat, zum Tragen. Der überaus erfolgreiche Therapiezweig der Verhaltenstherapie hat daraus die Schlüsse gezogen, dass es entscheidend ist, wie der Mensch mit seiner Geschichte, so schlimm sie auch sein mag, umgeht, um seinem Leben eine gute Richtung zu verleihen. Natürlich spielt auch der eigene Wille dabei eine Rolle.

Adam trägt die volle Verantwortung für sein Leben mit allen Konsequenzen und es hilft ihm wenig, wenn er die Schuld auf Eva schiebt – und damit im Grunde auf Gott selbst. Er sagt ja: »Die Frau, die du mir gegeben hast, ist schuld daran!« (1. Mose 3,12) Schuldverschiebung gipfelt letztlich in der Anklage nicht nur gegenüber Menschen, sondern auch gegenüber Gott selbst. Und damit ist die Ursünde des Menschen am eindeutigsten beschrieben: Der Mensch macht sich vor Gott schuldig, indem er keine Verantwortung übernimmt, mit dem Finger auf andere zeigt und letztlich Gott selbst anklagt, der an der Misere schuld sein soll.

Konfliktlösungen fangen aber grundsätzlich damit an, dass wir in einer offenen Haltung miteinander in ein Gespräch auf Augenhöhe eintreten, den eigenen Anteil am Konflikt zu sehen versuchen und dazu auch stehen, sobald er uns klar wird. Ohne diese Bereitschaft finden Menschen im Konfliktfall nicht zueinander. Wenn Adam nichts einsehen will – oder besser gesagt, wenn ich es nicht einsehen will –, dann klagen wir irgendwann Gott selbst an, dass er uns den Schlamassel eingebrockt hat.

Sicher gibt es auch Konflikte im zwischenmenschlichen Bereich, bei denen der Fehler eindeutig auf einer Seite liegt. Ein Mitarbeiter kommt z. B. immer zu spät und geht davon aus, dass alle das mittragen. Es ist eindeutig, dass diese Person sich ändern muss, und wichtig, dass die Verantwortlichen freundlich, deutlich und entschieden darauf hinweisen, dass das nicht geht. Aber auch hier ist die Haltung entscheidend. Das Fehlverhalten der einen Seite darf mich nicht dazu verleiten, grob, verletzend und anklagend vorzugehen.

Was lernen wir aus der Geschichte von Adam und Eva? Wir Menschen werden schuldig, vor Gott und aneinander. Es hilft uns nicht, diese Schuld wegzuschieben oder darauf zu beharren: »Der andere ist schuld!« Weiter kommen wir nur, wenn wir »be-ich-ten« und einsehen, dass die Hand, die mit einem Finger auf den anderen zeigt, mit drei Fingern auf uns selbst verweist.

Im Folgenden schauen wir uns deshalb unterschiedliche biblische Beispiele daraufhin an, wie dort mit Krisen und Konflikten umgegangen wurde. Nicht immer waren die Lösungen glücklich, aber das macht die Bibel ja gerade so sympathisch und überzeugend, dass sie lebensnah und realistisch berichtet.