Zurück ins Leben!
Mein Weg aus der Wochenbettdepression
© 2019 Britta Scheufens
Verlag und Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44,
22359 Hamburg
ISBN
Paperback: |
978-3-7482-6344-9 |
Hardcover: |
978-3-7482-6345-6 |
e-Book: |
978-3-7482-6346-3 |
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Für meinen kleinen Sonnenschein
Katja Anna.
Ich liebe Dich bis zum Mond und zurück.
Und noch viel weiter…
Manchmal
Manchmal bin ich stark, manchmal bin ich schwach.
Manchmal bin ich stolz und manchmal gebe ich nach.
Habe ich die Nase voll, rufe ich laut „Nein“.
Manchmal bin ich sanft und manchmal auch gemein;
Manchmal lache ich und manchmal muss ich weinen;
Aber nach Regen wird die Sonne wieder scheinen.
Nach einer Niederlage geht es immer weiter.
Ich sorge mich nicht und nehme es gelassen und heiter.
Ich glaube, dass Engel mein Leben beschützen und mich
Auf steinigen Wegen liebevoll stützen.
Ich hoffe, dass ein Licht mich durch die Finsternis führt
Und dass jeder Mensch in Not dieselbe Hilfe verspürt.
Ist das Leben manchmal schwierig und keine Lösung in
Sicht, mein Trost heißt:
LIEBE,
GLAUBE,
ZUVERSICHT.
(Verfasser unbekannt)
Vorwort
Bei meinen Recherchen zu diesem Buch, habe ich sehr viel über das, was mit mir geschehen ist, gelernt. Dieses Buch zu schreiben war eine Art Therapie, die ich nun mit der Fertigstellung des Buches endgültig abschließen kann.
Insgesamt habe ich über drei Jahre an dieser, meiner Geschichte, geschrieben. Es gab Phasen, in denen ich sehr viel geschrieben habe. Stunden oder manchmal auch tagelang konnte ich nicht aufhören zu schreiben. Aber manchmal habe ich Wochen oder sogar Monate gar nichts geschrieben. Mir war nicht immer danach, mich wieder in diese Situationen hineinzuversetzen. Vorallem dann nicht, wenn es mir gut ging. Dann wollte ich mich nicht mit den furchtbaren Gedanken auseinanderzusetzen, die ich damals, vor allem meinem Kind gegenüber, hatte. Heute erschließen sich mir meine extrem wirren und auch teils grausamen Gedankengänge nicht mehr.
Gott sei Dank!
Die Rede ist hierbei von der Zeit, die ich nach der Geburt meiner Tochter durchlitten habe. Diagnose: Postpartale Depression.
In weiten Teilen unserer Gesellschaft ist die postpartale Depression, auch PPD genannt, immer noch ein großes Tabuthema. Mit der Erzählung meiner Geschichte hoffe ich darauf, diese Erkrankung ein bisschen mehr enttabuisieren zu können und anderen Müttern Mut zu machen, dass es einen Weg hinaus aus der PPD gibt. Betroffene Frauen sollten wissen, dass sie keine schlechten Mütter sind und nicht allein mit der Erkrankung und den dazugehörigen Gefühlen dastehen. Am Ende des Buches habe ich einige Adressen, Telefonnummern und Ansprechpartner aufgeführt, an die sich Betroffene wenden können, sowie ein Interview mit der 1. Vorsitzenden des bundesweiten Netzwerks „Schatten und Licht e.V.“, Sabine Surholt. Sie spricht unter anderem bestehende Probleme in der Diagnostikkette und den immer noch teilweise falschen Umgang mit der Erkrankung an. Worauf sollten Mütter und ihr Umfeld achten? Welche Symptome treten auf? Wie und wo können sich Betroffene Hilfe holen?
Ich möchte noch hinzufügen, dass ich versucht habe, manche Situationen, aus meiner heutigen Sichtweise, mit etwas Humor und auch einem Hauch von Sarkasmus betrachten zu können. Ich hoffe, dass mir dies gelungen ist.
Wenn die Veröffentlichung meiner persönlichen Geschichte auch nur einer betroffenen Mutter oder den Menschen in ihrem Umfeld hilft, hat sich meine dreijährige Arbeit bereits gelohnt.
„Die besten Therapien sind Liebe und Freundschaft.“
(Unbekannt)
Dieses Zitat habe ich einmal irgendwo gelesen. Und in den meisten Fällen trifft dies sicher auch zu. In vielen Situationen meines Lebens weiß ich, dass ich ohne die Liebe von Freunden und Familie bereits aufgegeben hätte. Und doch gab es leider die eine Situation in meinem Leben, in der alles Verständnis, Liebe und die Fürsorge, die meine Familie und Freunde für mich aufgebracht haben, letztendlich nicht genug waren. Aber sie haben dazu beigetragen, dass ich meinen Weg weiter gegangen bin und nicht aufgegeben habe.
Doch Hilfe von außen war unumgänglich. Ich schaffte es nicht alleine mit Liebe und Freundschaft aus meiner persönlichen Dunkelheit heraus, die mich monatelang in mir selbst gefangen hielt.
Ich weiß, das ist eine dramatische Umschreibung, aber exakt so fühlt es sich an. Wie eine sehr schwere Dunkelheit, die dich umgibt und dir die Luft zum Atmen nimmt. Du bist am Leben, aber die Last des Lebens scheint dich zu erdrücken.
Für Menschen, die so etwas noch nie erlebt haben, ist es unmöglich nachzuvollziehen, was Betroffene fühlen. Und Betroffene sollten auch gar nicht erst die Erwartung an ihr Umfeld haben, dass es diese Gefühle nachempfinden kann. Sie werden es (hoffentlich) niemals können.
Man denkt immer, man muss etwas erreichen. Sich immer wieder aufs Neue beweisen. Ist das wirklich so? Gerade Frauen müssen sich heute mehr denn je immer mehr Anerkennung und Respekt verdienen und dabei am besten alles gleichzeitig und perfekt auf die Reihe kriegen. Zumindest ist das mein Eindruck. Früher war die Rolle der Frau klar: sie heiratete, bekam Kinder, blieb zu Hause und war Mutter und Hausfrau. Das war genug. Aber war es auch ein einfacheres Leben?
Ich weiß es nicht.
Und was ist heute? Heute wird alles, was Frau tut, hinterfragt. Und ich habe den Eindruck, dass Frauen es der heutigen Gesellschaft nicht rechtmachen können. Ganz egal, wie sie ihr Leben gestalten. Kriegt man ein Kind und entschließt sich dafür einige Jahre Hausfrau und Mutter zu sein, so wird man komisch angesehen und es wirft Fragen bei einer Gruppe von Frauen auf. Ob mit Kindern oder ohne Kinder - wie kann man nur mit einem Hausfrau- und Mutterdasein zufrieden sein?
Wie können die sich das leisten, dass sie zu Hause bleibt? Wie kann man nur so faul sein?
Entscheidet sich eine Frau hingegen, schnell wieder in ihren Beruf zurückzukehren, so hat man die andere Gruppe von Frauen, die sich über solche getroffenen Entscheidungen lauthals auslässt, da die Konsequenz für die Kinder ja in dem Fall nun mal die ist, sie in eine Betreuung zu geben. Sei es die Oma, die Kita oder eine Tagesmutter. Was für eine Rabenmutter gibt ihr Kind so früh in fremde Hände? Wie kann man so egoistisch sein? Wird das nicht der Mutter–Kind–Bindung schaden?
Und dann gibt es natürlich noch die Sorte Frau, die sich gänzlich gegen Kinder entscheidet. Das geht selbstverständlich gar nicht. In Zeiten von immer mehr Zuwanderung werden dann tatsächlich Diskussionen darüber geführt, dass wir Deutschen mehr Kinder in die Welt setzen sollen, damit wir nicht aussterben. Das wäre auf jeden Fall ein schlagendes Argument FÜR Kinder. Auch wenn man selbst eigentlich gar keines haben will. Man solle doch bitte trotzdem welche kriegen.
Für Deutschland.
Ich meine, wenn das kein Grund ist, sich für ein Kind zu entscheiden, was dann? Also mal ehrlich, ich frage mich manchmal, in was für einer Welt wir leben.
Ich gehöre zu der Sorte Frauen, die sich zwar für ein Kind entschieden haben, aber auch weiterhin ihren Beruf ausüben und auch noch ihr eigenes Leben und ihre eigenen Bedürfnisse (er-) leben wollen. Ich liebe meine Freunde, meine Hobbys, Klamotten, Reisen, Spieleabende und leider auch hin und wieder Alkohol, laute Musik und die eine oder andere Zigarette.
Ich habe mich oft gefragt, ob mich das zu einer schlechteren Mutter macht. Die Antwort ist für mich heute ganz klar: Nein.
Doch das war mir nicht immer so klar. Um meinen Platz im Leben als Mutter, Ehefrau und Frau zu finden, habe ich sehr lange gebraucht. Lange Zeit war mir nicht klar, was mir wirklich wichtig ist. Und ich musste einige harte und für manche Menschen auch unverständliche Entscheidungen treffen, um zu dem Punkt zu gelangen, an dem ich mich endlich befinde. Heute kann ich sagen, ich bin mit meinem Leben rundum zufrieden.
Natürlich könnte es immer ein bisschen mehr sein. Mehr Geld, mehr Zeit, mehr Urlaub, mehr Ruhe. Aber letztendlich sind wir alle selbst für uns verantwortlich und können zum Großteil selbst über unser Leben bestimmen. Das Problem dabei ist sehr oft, dass sich gerade Frauen viel zu viele Gedanken machen, wie sie und die Entscheidungen, die sie treffen, auf andere wirken. Auf den Ehemann, die Eltern, die Nachbarn, die beste Freundin, die Kollegen, den Paketmann, den Metzger und natürlich auf die gesamte Gesellschaft. Gravierend hinzukommt, dass man ja auch am besten immer noch aussehen soll, wie einem Modemagazin entsprungen. Hat man ein paar Kilo zu viel auf den Rippen, hat man sich nicht unter Kontrolle und lässt sich gehen. Hat man zu wenig auf den Rippen, ist man krank, magersüchtig oder beides.
Liebe Frauen, tut Euch doch bitte selbst einen großen Gefallen. Hört auf Eure innere Stimme. Es kann manchmal wahnsinnig schwer sein, sie zu hören, bei all dem, was um uns herum geschieht. Verkehrslärm, Kindergeschrei, Streitereien mit der besseren Hälfte, Umweltkatastrophen,
Flüchtlingskrise und, für viele am lautesten, die Gedanken, die sich andere über einen machen.
Doch wenn wir mal einen Moment innehalten und in uns hineinhören, dann sollten wir uns bei jeder Entscheidung folgende Frage stellen: Was will ICH? Mir hat es irgendwann sehr geholfen, einmal schriftlich (nur für mich) zu formulieren, was ICH will. Wenn man seine Wünsche schwarz auf weiß liest, bekommen sie auf einmal ein viel stärkeres Gewicht. Ich würde fast sagen, dadurch sind mir schon öfter ganze Kronleuchter aufgegangen. Ich möchte keinesfalls behaupten, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben oder das Patentrezept für ein glückliches Leben gefunden zu haben, denn für jeden bedeutet „Glück“ etwas anderes, aber ich habe mich definitiv von dem Gedanken befreit, es immer allen recht machen zu müssen, mit dem was ich tue. Und ich kann Euch eins sagen… das ist sehr befreiend! Natürlich gibt es für jedes Handeln auch Konsequenzen. Ich habe durch meine heutige Denkweise auch einige Verluste erlitten, Streit mit Familie oder Freunden gehabt und musste mich auch beruflich meinen heutigen Bedürfnissen anpassen. Aber es hat sich gelohnt. Manchmal muss man egoistisch sein, um sich selbst und die, die man liebt schützen, zu können.
„Aber wir verleben unsere schönen Tage, ohne sie zu bemerken. Erst wenn die schlimmen kommen, wünschen wir jene zurück.“
(Arthur Schopenhauer)
Ich war nie eine von den Frauen, die bereits mit zwanzig wussten, dass sie mit dreißig Karriere machen, verheiratet sind, zwei Kinder haben und in einem hübschen Vorstadthäuschen leben. Mit zwanzig waren eher meine Überlegungen, was ich am nächsten Wochenende mache oder vielleicht auch, wie die nächste Silvesterparty aussehen soll. Das war es aber dann auch schon bei mir mit der vorausschauenden Planung. Ich hatte bis dahin immer nur recht kurzlebige Beziehungen und bevor ich meinen Mann kennengelernt habe, habe ich mir über das Heiraten und Kinderkriegen nie viele Gedanken gemacht. Ich war mit meinem unabhängigen Single-Dasein sehr zufrieden.
Wenn ich Single war, habe ich mich in der Gegenwart von anderen Paaren selten wie das fünfte Rad am Wagen gefühlt. Es machte mir nur manchmal etwas aus, Single zu sein. Überwiegend habe ich diese Zeit der Unabhängigkeit damals sehr zu schätzen gewusst und in vollen Zügen genossen. Ich konnte gehen, wohin ich wollte, machen, was ich wollte und war niemandem Rechenschaft schuldig. Bitte nicht falsch verstehen, mein Mann ist bei weitem kein Kontrollfreak oder hat ein Problem damit, wenn ich mich mal ohne ihn amüsiere, aber man lebt nunmal ein anderes Leben als Ehefrau und Mutter, als das eines ungebundenen Singles. Ihr wisst sicher, was ich meine. Mein heutiges Leben erfordert einfach Planung, Planung und nochmals Planung.
Wenn man zu zweit ausgehen möchte, dann ist das so spontan nicht mehr möglich. Ein Babysitter ist gefragt. In der Regel haben wir auch kein Problem damit, einen zu finden. Oma und Opa oder die Tanten. Meistens hat einer von ihnen Zeit und freut sich auch immer sehr auf unseren kleinen Sonnenschein.
Was ich damit nur sagen möchte ist, dass einfach mit Heirat und Kind ein gutes Stück Spontanität verloren geht, und lange Zeit hatte ich gerade nach der Geburt meiner Tochter ein sehr großes Problem damit, immer an ein so ein kleines Bündel gekettet zu sein. Im Volksmund nennt man das, was ich hatte, „Wochenbettdepression“, auch postpartale Depression (PPD) genannt. Hierbei handelt es sich um eine psychische Erkrankung, die weit mehr Mütter nach der Entbindung betrifft, als viele vielleicht glauben. Eine Depression darf nicht verwechselt werden mit dem Baby Blues auch „Heultage“ genannt. Hier entsteht in der Regel ein Stimmungstief, welches von alleine nach einigen Tagen wieder verschwindet.
Meine Depression hielt sich wacker über beinahe anderthalb Jahre. Ich musste mich aus einem sehr schweren Tief wieder an die Oberfläche kämpfen. Für mich war es der bisher schwerste Kampf in meinem Leben. Doch mit meinem heutigen Wissen kann ich sagen, dass es wohl auch gleichzeitig irgendwie eine glückliche Fügung war. Ich weiß, das klingt skurril, aber ohne diese Geschichte, wäre ich heute nicht der Mensch, der ich bin. Und ich mag den Menschen eigentlich ganz gern, der ich heute bin.
Es war, wie unsere Gesellschaft das heute (erstaunlicherweise) immer noch erwartet. Ich lernte einen Mann kennen, wir hatten unser erstes Date, gefolgt von vielen weiteren. Wir führten eine Weile eine Wochenendbeziehung aufgrund der Distanz unserer beiden Wohnorte.
Dann zogen wir zusammen. Wir hatten eine schöne, kleine, schnuckelige 100 Quadratmeter Wohnung, wie sich das für eine erste gemeinsame Wohnung gehört. Nach etwa zwei weiteren Jahren in der ersten gemeinsamen Wohnung, machte mein Mann mir einen Heiratsantrag am Strand von Oostkapelle (Zeeland). Ich sagte „Ja“.
Weitere zwei Jahre später kauften wir uns ein nettes kleines Grundstück und schwupps… nur ein klitzekleines Jahr später, konnten wir unsere neue Unterkunft, die wir auf dem Grundstück errichtet hatten, beziehen. Es war ein schönes Haus. Platz genug für ein bis drei Kinder.
Alles lief genau nach Plan. Dabei hatte ich nie einen Plan gemacht. Aber ich schätze, wenn ich einen gehabt hätte, hätte er in etwa so aussehen können. Wie schon gesagt, war ich nie eines dieser Mädchen, das immer schon genau wusste, dass es mal heiraten und einen ganzen Haufen Kinder kriegen wird und groß Karriere machen will. Und das alles am besten noch vor dem 30. Geburtstag.
Für mich war zwar immer der Gedanke an Kinder da, aber ich wusste, dass ich auch ohne Kinder glücklich und zufrieden geworden wäre. Hätte ich einen Mann kennengelernt, der partout kein Kind hätte haben wollen, so wäre ich auch damit glücklich geworden. Vorausgesetzt, es wäre DER Mann für mich gewesen.
Es passte einfach alles. Jedenfalls schien es so. Bis ich die Entscheidung traf, dass ich jetzt dazu bereit war, schwanger zu werden. Mein Mann wartete darauf schon sehnlichst. Er hätte auch schon viel früher ein Kind bekommen, wenn ich dazu bereit gewesen wäre. Naiv, wie ich war, dachte ich, ich hätte noch eine ganze Weile Zeit, mich an den Gedanken zu gewöhnen, dass ich jetzt schwanger werden möchte. Doch nur sechs kurze Wochen später war es bereits soweit.