Zodiac
Gejagter zwischen den Welten
Teil 2:
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von
Mark Savage
Sci-Fi-Horror-Action-Roman

Impressum
Texte: © Copyright by Mark Savage
Titelbild: Bild von Adryanah auf Pixabay
Bild Rückseite: Pete Linforth
Covergestaltung: Nadja Klamet
Verlag: Mark Savage
mksavage@web.de
Druck: epubli, ein Service der
neopubli GmbH, Berlin
Printed in Germany
1. Auflage
© Alle Rechte vorbehalten
1.
Zodiac vernahm eine Explosion, als er den Übergang in den Linearraum einleitete. Er erwartete, abrupt wieder in den Normalraum zurückzufallen, wurde aber glücklicherweise vom Schicksal verschont. Womöglich erfolgte die Detonation eines defekten Aggregates, welchem die noch vorhandene Restenergie zum Verhängnis wurde.
Ein Blick auf die Monitore brachte Zodiacs Optimismus zum Verklingen. Die Schirme waren blind, sowie urplötzlich nach und nach sämtliche wichtigen Kontrollorgane des Schiffes ausfielen. Als Glück im Unglück quittierte der Zargonier die nach wie vor funktionierende Steuereinheit des Schiffes. Allerdings sah sich Zodiac gezwungen, diese Funktion manuell auszuführen, da die Hauptpositronik nicht mehr zuverlässig arbeitete. Dennoch würde sich das zargonische Schiff den Feinden wie auf einem Präsentierteller anbieten, sobald es in den Normalraum zurückfiel. Da es im Blindflug dahertrieb, und die Ortung ihren Dienst verweigerte, konnte der Feind praktisch in aller Seelenruhe den Siegeszug einleiten, ohne dass auf dem Diskus nur die geringste Aktivität erfasst werden konnte. Lediglich die außergewöhnlichen geistigen Fähigkeiten des Kommandanten verringerte die Gefahr um ein unbedeutendes Quant. Der Navigationssektor arbeitete nach wie vor fehlerfrei, so dass Zodiac keine Angst haben musste, durch einen ungeheuren Zufall mit einem Dunkelplaneten zu kollidieren. Als sich Zodiac in letzter Konsequenz seiner Hilflosigkeit bewusst wurde, übermannten ihn erneut Gefühle der Resignation und Ohnmacht. Das Vibrieren des Schiffes, das seinen Ursprung im Maschinenraum suchte, verriet zudem, dass eine weitere Transition unmöglich sein würde.
Dann erfolgte erneut eine gewaltige Explosion, die den größten Teil des Maschinenraumes zerstörte. Übergangslos fiel das Schiff zurück in das gewohnte Medium. Eine knappe Million Kilometer entfernt verharrten die Mortlats. Zodiac spürte ihre intensiven Hassgefühle und schloss endgültig mit dem Leben ab. Die Verzweiflung erweckte jedoch erneut seinen besonders stark ausgeprägten Selbsterhaltungstrieb. Er erkannte sofort den folgenschweren Fehler, den seine Feinde begingen. Mit ihrer hochwertigen Ausrüstung war es ihnen sicherlich nicht schwergefallen, seinen Austrittsort genaustes zu berechnen. Ebenfalls musste ihre Positronik sämtliche Messdaten verwertet und erkannt haben, dass der Gegner praktisch blind flog. In ihrer grenzenlosen Mordgier übersahen sie dabei die wichtigste Tatsache: Zodiacs Fähigkeit, ihre Gedanken jederzeit wahrnehmen zu können. Schon einmal brachte sie ihr Leichtsinn in eine lebensgefährliche Situation. Ein zweites Mal gedachte der Zargonier nicht, sie ihnen durchgehen zu lassen.
Angespannt konzentrierte er sich auf die fremden Gehirne, um sie mitsamt ihren lebensverachtenden Eigenschaften auszutilgen. Ihm wurde speiübel, widerstrebte sich doch alles in ihm. Als er den geistigen Befehl zur Vernichtung vollzog, kam es zu einer schrecklichen Detonation, die das Deck, auf dem er mit seinen Füßen stand, krachend einstürzen ließ. Während der schlanke Körper bewusstlos in den brennenden Trümmern untertauchte, verpuffte ein Teil seiner psionischen Energie im Überraum. Ein Fragment ihrer energetischen Ladung schlug dennoch gewaltsam in das Innere des Mortlatschiffes.
Das Xenomorph vibrierte vor Erregung, als es die Veränderungen außerhalb seines Behältnisses wahrnahm. Fast körperlich spürte es die drohende Gefahr, die von außen zu ihm drang. Es hasste die Wesen, die außerhalb seines Gefängnisses lebten, dennoch hoffte er in diesem Moment auf ihre Stärke. Etwas war geschehen, was auch seine Existenz bedrohte. Obwohl die Hermetik des Behälters keinerlei Wahrnehmungen erlaubte, so verfügte das künstlich erzeugte Wesen doch über eine gewisse Sensibilität. Obwohl es praktisch blind war, fühlte es, was sich außerhalb abspielte.
Das Xenomorph verspürte eine stetig wachsende Nervosität. Es ahnte instinktgetrieben, dass diese mit dem Faktor Zeit eng in Zusammenhang stand. Es hoffte, dass die Herren den Wettlauf gewinnen würden.
Moart und Hoax aktivierten die vom Inferno verschonten Roboteinheiten, um die Flammenmeere erfolgreich zu bekämpfen. Gelang es innerhalb der nächsten Minuten nicht, das Feuer einzudämmen, bedeutete dies den sicheren Untergang von Schiff und Mannschaft. Die beiden Mortlats entwickelten selbst eine hektische Tätigkeit, um das Schlimmste zu verhindern. Ihre Wut über den Gegner und ihr eigenes Versagen wurde überdeckt von dem starken Willen, das Schiff und in erster Linie ihr Leben zu retten. Während die beiden monströsen Kreaturen einen verzweifelten Kampf um das nackte Überleben ausfochten, trieb das havarierte Diskusschiff mitsamt seinem dem Tode geweihten Passagier tiefer in die Schwärze des Weltalls.
2.
Dan Wilder und seine Frau Barbara saßen an diesem Abend zusammen mit ihrer Mieterin Paula Lane auf der Veranda und führten ein recht hitziges Gespräch. Nach dem Besuch Kenneth Goldmans schienen alle Ungereimtheiten beseitigt, zumindest für Dan und Paula. Lediglich Babs wehrte sich heftig.
»Ich weiß gar nicht, dass ihr euch so einfach einwickeln lasst«, erklärte Babs kopfschüttelnd. »Ich gebe dir recht, Dan, wenn du meinst, Judy sei außergewöhnlich sensibel. Aber meine Tochter lügt nicht. Zudem ist es für mich eine unumstößliche Tatsache, dass sie über gewisse Fähigkeiten verfügt, die uns ungewöhnlich erscheinen.«
»Das mag durchaus sein«, wandte Dan ein, »doch ich weiß nicht, was das ausmachen soll. Judy sagt aus, sich nicht mehr bedroht zu fühlen. Er ist fort, hat sie vorhin gesagt. Also, dieser Architekt ist in der Zwischenzeit in Indien bei seiner Frau und den Kindern und lacht über uns.«
»Babs«, besänftigte Paula. »Ich hatte in letzter Zeit genügend Gelegenheit, mir von Goldman ein Bild zu machen. Dieser Mann macht auf mir nicht den Eindruck eines Betrügers.«
»Entschuldige bitte, Paula«, unterbrach Babs beherrscht. »Dein Urteilsvermögen dürfte alleine durch deine Gefühlswelt beeinflusst werden, sobald der Name Goldman fällt.«
Paula musste lachen. »Da täuscht du dich. Ich mag ihn, finde ihn charmant und wäre in meiner momentanen Situation einem heißen Flirt nicht abgeneigt. Doch leider muss ich dir sagen, dass er sich in den letzten Tagen sehr von mir distanziert, was ich durchaus begrüße. Er ist in Ordnung, denke ich, aber nicht mein Typ, wenn ich an Haus und Bett denke.«
»Es geht mich auch gar nichts an«, erwiderte Babs abwehrend. Sie verspürte plötzlich eine übermannende Müdigkeit. »Vielleicht habt ihr ja auch recht, aber ... es ist nur ... ich spüre, dass da irgendetwas nicht reinpasst. Die Beschreibung meiner Tochter passt auf keinen indischen Architekten. Sie passt eigentlich auf gar keinen ... Menschen. Paula, du hast doch Goldman nichts über Judys Verhalten, du weißt ...«
»Ich habe weder etwas von ihren verborgenen Fähigkeiten, noch etwas über die Umstände erzählt, die bei dieser Begegnung mitspielten.«
»Schatz«, sprach Dan sanft und strich seiner Frau über den Oberschenkel. »Wir sollten nicht weiter über diese Dinge streiten, sondern überlegen, wie wir unseren Scheck günstig anlegen. Von dieser Seite aus bekommt die Angelegenheit doch noch einen guten Beigeschmack.«
Babs sah ihn einige Sekunden schweigend an. »Du hast recht. Wir können das Geld gebrauchen.«
Sie gähnte.
»Ich möchte ins Bett.«
»Gute Idee«, erwiderte Paula. »Morgen wird ein langer Tag. Babs, ich wollte mich noch bedanken, dass du dich für mich stark gemacht hast. Ich war heute bei den Hettlers. Sie verkaufen mir das Haus, noch bis Ende dieses Monats. Ihr seid mich also nächste Woche bereits los.«
»Das ist aber schade«, meinte Dan, und erntete einen kritischen Seitenblick. »Wir freuen uns aber für dich, dass es geklappt hat. Ich hoffe, wir stehen bei der Einweihungsfeier auf der Gästeliste ganz oben.«
»An erster Stelle«, versicherte Paula, bevor sie sich verabschiedete und auf ihr Zimmer ging. Als sie sich nackt in ihre Decke kuschelte, verspürte sie plötzliche Einsamkeit. Ungewollt musste sie an den Mann denken, den sie schon seit geraumer Zeit nicht mehr zu Gesicht bekam. Und das, obwohl sie seiner Abteilung als Assistentin zugeteilt war. Ob Goldman dahinter steckte? Eifersucht? Ob Stephen sich manchmal wünschte bei ihr zu sein? Sie lächelte bitter. Wohl kaum. Seine neue Braut hieß Arbeit, und von ihr würde er sich nicht so schnell trennen.
Es dauerte lange, bis sie endlich einschlief.
Stephen Lane saß vor dem Schaltpult des neuen High-Tech-Radars und justierte das Gerät, ohne einen Blick auf die vor ihm ausgebreiteten Pläne werfen zu müssen. Er genoss es, in aller Stille zu arbeiten. Obwohl der Tumult der Bauarbeiten des tags über stündlich an Intensität abnahm, und somit nichts anderes verhieß als die endgültige Fertigstellung der militärischen Anlagen, so zog er die Nachtarbeit aber dennoch dem Tage vor. Nur noch selten musste er an Paula denken, und wenn es doch geschah, dann bemühte er sich, seine Aufmerksamkeit auf andere Dinge zu lenken.
Fasziniert beobachtete er die Monitore oberhalb der Bedienkonsole, die deutliche Bilder des Luftraumes per Satellit überliefert bekamen. Zahlenkolonnen wanderten auf einem Spezialbildschirm auf und ab. Sämtliche Bewegungen des Luftraumes überall auf der Erde wurden registriert und zugeordnet. Stephen musste an die Konsequenzen denken, sollten China oder Russland jemals von dieser Neuentwicklung Wind bekommen. Nicht auszudenken, was daraus zu entstehen vermochte. Das erste Mal seit langer Zeit erwachten erneut leise Zweifel in dem Chefastronom. Was hier geschah, konnte man ohne zu übertreiben als wissenschaftlich genial bezeichnen. Zu gern hätte er die Leute kennengelernt, die jene Geräte entwickelten. Sie mussten hoch intelligent und ihrer Denkweise gewöhnlichen Wissenschaftlern weit voraus sein.
Neugierig wühlte sich Lane durch seinen Papierberg und studierte die technischen Einzelheiten des Gerätes. Die Kompliziertheit schien enorm und es erschien unglaublich, dass menschliche Gehirne überhaupt in derart Fremdartiges zu konstruieren vermochten.
Oder sollte etwa ...? Stephen schüttelte ärgerlich den Kopf. Der Roswell-Zwischenfall fiel ihm wieder ein, und er schalt sich einen Narren, unbewusst solch haarsträubende Schlüsse zu ziehen. Er kannte die Leiter dieses Projektes persönlich, und er vertraute ihnen. Er musste ihnen schlicht vertrauen, denn das Vertrauen, das sie ihm entgegenbrachten, verdiente dankbare Erwiderung.
Etwas beruhigter studierte er weiter seine Unterlagen. Dann, kurz vor Mitternacht, schlief er ein.
Die Sichel des Mondes spiegelte sich kräftig im klaren Wasser des kleinen Sees. Die vorherrschende Romantik trotzte der Anwesenheit modernster Technologie. Die zwei Punkte inmitten des Sees schmiegten sich dem sanften Gang der Wellen harmonisch an. Der Mond zauberte die schwarzen Konturen ihrer Schatten auf die schimmernde Fläche des Wassers. Zwei Punkte trieben in stiller Treue zueinander durch das Medium, das ihre Körper in zärtlicher Berührung umwogte. Hanks verharrte minutenlang am Ufer und sog das Bild der romantischen Idylle in sich ein. Er nahm die Eindrücke auf seine Weise auf, einer Weise, die nie ein Mensch je auch nur annähernd nachzuvollziehen vermochte. Es war kein Mitleid, das ihn dazu bewegte, den dahintreibenden Leichen seiner beiden Brüder nachzustarren. Vielmehr verspürte er den Keim einer neuen Generation in sich aufgehen. In den Augen seiner Rasse hatte er ein schreckliches Verbrechen begangen, doch der Tod der zwei Artgenossen berührte ihn nicht. Schon bald wurde er zum Gehetzten, und er rechnete den eigenen Tod in seine Pläne mit ein. Sein Volk musste erwachen, die Fesseln des Geistes durchbrechen, die ihnen der Bund der Zweitausend auferlegte. Sein Tod musste ihn zum Helden werden lassen. Er war der Rebell, der ein neues Zeitalter einläutete. Das Universum war voller Seelen, die sie alle dringend benötigten, um eine neue Daseinsform anzunehmen. Seine beiden Brüder wussten, dass er mordete, um seine Gier zu stillen. Nie jedoch ahnten sie aber auch nur für einen einzigen Moment, er könne auch zu ihrem Mörder werden. Sein Volk war ihm wichtig, doch diese beiden stellten nur starrköpfige Marionetten des Rates da. Sie waren entbehrlich. Das Aufnehmen ihrer Bewusstseinsinhalte versetzte ihn in einen derartigen Rausch, dass er vollkommen wahnsinnig wurde. Nun stand er hier am Ufer, sah den Getöteten nach und verarbeitete die aufgesogene Energie, die ihn fast zu sprengen drohte. Der haarlose Mann im Nadelstreifenanzug verharrte noch einige Zeit, bevor er sich in SEINER Welt verbarg. Zu gerne hätte er der kleinen wunderbaren Judy einen Besuch abgestattet. Doch der letzte Funken seines fremdartigen Verstandes hielt ihn davon ab, Selbstmord zu begehen. Er musste warten, bis sein Hunger erneut erwachte, seine soeben aufgesaugte Energie verdaut hatte. Hanks sehnte diesen Augenblick ungeduldig herbei.
Es war schon spät, als die Türklingel anschlug. Babs zuckte ängstlich zusammen. Dan lag bereits im Bett, da er sehr müde gewesen war, und ihm an ihrer Lieblingsserie T.J. Hooker so gut wie nichts gelegen war. Dan konnte William Shatner einfach nicht ausstehen. Sie allerdings fand den mittlerweile etwas untersetzten und in die Jahre gekommenen Mann nicht unbedingt von schlechten Eltern.
Babs überlegte, ob sie Dan wecken sollte, entschied sich allerdings dagegen. Sie schaltete den Fernseher ab und trat vorsichtig zur Tür. Nach kurzem Räuspern fragte sie laut: »Wer ist da?«
»Ich bin es, Mrs. Wilder. Dorothea Wilson. Es tut mir leid, sie um diese Zeit zu stören, aber es ist wichtig, dass wir miteinander sprechen.«
Erleichtert atmete Babs auf und öffnete die Tür. Überrascht erkannte sie an Grandmas Seite einen alten, etwas gebeugten Mann mit rauschendem Bart, der sie freundlich begrüßte.
»Das ist Irwin Carlisle, mein ... früherer Verlobter«, kam sie ihm erklärend zuvor. »Er kommt aus Carolton und ist Professor eines Instituts, das sich mit Parapsychologie auseinandersetzt.«
Babs zog ein wenig missgünstig die Augenbrauen hoch. Da sie aber aufgrund Grandmas blassen und kranken Aussehens in Sorge war, beherrschte sie sich.
»Mrs. Wilson, ich möchte Sie nicht verärgern, aber es ist kurz nach Mitternacht. Eigentlich wollte ich gerade zu Bett ...«
»Sie haben natürlich recht«, bestätigte Carlisle eilig. »Dorothea, es war keine besonders gute Idee ...«
»Es geht nicht anders«, erwiderte die alte Dame resolut. »Diese Dinge dulden keinen Aufschub. Die kleine Judy schwebt in höchster Gefahr.«
»Nein, sie täuschen sich«, erklärte Babs. »Aber kommen Sie doch rein, ich werde alles erklären.«
Sie bat ihre Gäste herein und zusammen machten sie es sich im Wohnzimmer bequem. Babs servierte einige Gläser Perrier, während sie die alten Leute über die Neuigkeiten informierte.
»Sie sehen also«, sprach sie, als sie geendet hatte, »wir machen uns vollkommen unnötig Sorgen.«
»Sie glauben diesem Goldman vorbehaltlos?«, fragte Grandma, und ihre grauen Augen schienen Babs zu durchbohren.
Babs suchte verzweifelt nach einer Antwort.
»Wenn ich ganz ehrlich bin, so muss ich zugeben, dass mich seine Erklärung lange nicht so zufriedenstellt, wie er es vielleicht gerne möchte. Tatsache ist jedoch, dass Judy sich nicht mehr bedroht fühlt.«
»Entschuldigen Sie, wenn ich Sie unterbreche, Mrs. Wilder«, fuhr Carlisle höflich dazwischen. »Dorothea hat mir einiges über die Fähigkeiten Ihrer Tochter erzählt. Sie müssen nochmals verzeihen, dass wir Sie um diese Uhrzeit aufsuchen, aber Dorothea schien es plötzlich sehr eilig zu haben. Wissen Sie, wir beide haben uns seit sechzig Jahren nicht mehr gesehen. Durch Zufall wurde Dorothea aufgrund eines Zeitungsartikels auf mich aufmerksam. Dem Schicksal danke ich dafür, auch wenn ich bereits ein alter Mann bin. Leider verpasste ich meinen Zug, da das Taxi auf dem Weg zum Bahnhof einen Motorschaden erlitt. Mit vierundzwanzig Stunden Verspätung traf ich schließlich in Tretmond ein. Die Zeit danach verrann zu schnell. Dorothea und ich, wir hatten uns unendlich viel zu erzählen, Mrs. Wilder. Überlegen Sie nur, junge Frau, nach sechzig Jahren treffen wir beide uns nun wieder. Trotz meines Glücks bin ich etwas traurig, da Dorothea sich zu viel zumutet. Die Geschichte mit Ihrer Tochter setzt ihr ...«
»Ach, Irwin«, unterbrach ihn Grandma. »Sonst warst du derart leichtgläubig in diesen Dingen, und nun nimmst du an ich sei verrückt geworden.«
»Das hatte ich nie im Leben ...«
»Bitte, streiten Sie sich jetzt nicht, nicht nach all den Jahren«, vermittelte Babs, die das kurze Zwiegespräch der beiden zu ernst nahm. »Dorothea, erzählen Sie mir einfach, was Sie bedrückt.«
Grandma holte tief Luft, bevor sie fortfuhr.
»Mein Leben neigt sich dem Ende zu, junge Dame. Nein, sagen Sie jetzt nichts, und auch du nicht, Irwin. Ich hatte Irwin hierher bestellt, damit er Judy untersucht und mit ihr einige Testreihen durchführt. Außerdem wollte ich durch ihn Licht ins Dunkel bringen, was Judys Begegnung mit dem Fremden anbetraf. Ich glaube zwar kein Wort von Goldmans Geschwätz, aber die Sache ist unwichtig. Vor einer Stunde hatte ich die wohl intensivste und wahrscheinlich letzte Vision meines Lebens. Sehen Sie, in all den zweiundneunzig Jahren meines Lebens haben meine Hände nie gezittert. Nun beben sie wie Espenlaub. Ich bat Irwin, Tretmond zu verlassen, um ihn außer Gefahr zu wissen. Er lehnte ab, und nach einem sehr persönlichen Gespräch akzeptierte ich seine Entscheidung.«
Irwins Gesicht nahm einen entschlossenen Ausdruck an. Seine Lippen pressten sich fest zusammen.
»Ich möchte Sie und Ihre Familien dringend bitten, ich betone dringend, Tretmond noch in dieser Stunde zu verlassen. Judys Verfolger ist Nebensache geworden. Der tausendfache Tod in Gestalt fremder Kreaturen wird über Tretmond hereinbrechen.« Grandma ließ ihre Worte wirken.
Babs schüttelte energisch den Kopf. »Das werden wir nicht tun, bei Gott. Ich schätze Sie sehr, Mrs. Wilson ... Dorothea, aber Sie verlangen eindeutig zu viel. Judys Fähigkeiten sind eine Tatsache. Mein realistisches Weltbild hat sich durch gewisse Dinge etwas verändert, aber Ihre Visionen sind kein Grund für mich in Panik zu geraten. Zudem glaube ich, dass Sie sehr krank sind. Bitte missverstehen Sie mich nicht.«
»Ich wusste, dass Sie so etwas sagen würden«, erwiderte Grandma traurig. »Aber Sie müssen es tun. Gehen Sie oder Sie verlieren Ihr Leben.«
Babs sah Hilfe suchend zu Irwin Carlisle.
»Mr. Carlisle! Was sagen Sie zu Dorotheas Vision?«
Irwin Carlisle sah betreten zu Boden. »Ich möchte dich nicht kränken, Dorothea, nicht ein weiteres Mal in meinem Leben. Aber Mrs. Wilder hat recht. Du bist sehr krank. Außerdem darfst du dich nicht aufregen, dein Herz ...«
»Nicht aufregen«, rief Grandma laut, so dass Babs zusammenzuckte. »Ihr sitzt da wie die Ölgötzen, obwohl euer Leben in Gefahr ist, erzählt mir einen Haufen Schwachsinn über eine arme alte Irre, und ich soll mich nicht aufregen?« Dorothea Wilson fuhr wie von der Tarantel gestochen hoch. »Dann werde ich die Kinder eben in Sicherheit bringen müssen, egal wie. Wo sind Tom und Judy?«
Babs fuhr nun ebenfalls auf. Obwohl sie Mitleid mit der alten Frau verspürte, konnte sie es nicht zulassen, dass sie mit ihrer so untypischen Hysterie das ganze Haus rebellisch machte.
»Bitte gehen Sie jetzt, Mrs. Wilson. Mr. Carlisle, würden Sie Ihre Freundin hinausbegleiten?«
»Nein, nicht ohne meine Kleinen«, schrie Grandma, und bevor Carlisle oder Babs sie aufzuhalten vermochten, stürmte sie die hölzerne Wendeltreppe hinauf. Sie lief direkt in Dans Arme, der sie verschlafen und verblüfft zugleich wie ein Gespenst musterte. Ein unsanfter Stoß warf ihn fast zu Boden.
»Hey«, schrie er auf, als er sah, wie Grandma die Tür des Kinderzimmers aufriss und hinein stürmte.
»Toooom! Judyyy!«, hörte er sie rufen. Sein fragender Blick traf Babs und Carlisle, die plötzlich schwer atmend vor ihm standen. Babs ließ ihn stehen und rannte wutentbrannt in Richtung Kinderzimmer. Sie hörte Grandmas raue Stimme.
»Toom! Judyyy! Wo seid ihr, um Himmels willen?«
Babs stockte. Erst jetzt kam ihr der Sinn von Grandmas Worten in den Sinn. Sie fuhr sich mit der Hand über die Stirn.
»Nein, nicht das«, klagte sie weinerlich. Hinter ihr stürmte Dan gefolgt von Carlisle in den Raum.
»Was ist ...?«
Das letzte Wort blieb ihm in Hals stecken. Völlig verstört musterte er die leeren Kinderbetten. Er verstand die Welt nicht mehr, und erst als Babs sich Hilfe suchend an ihn schmiegte, nahm er wieder geistigen Kontakt zu seinem Umfeld auf.
»Was geht hier vor?«, fragte Dan, und musterte misstrauisch den bärtigen Alten, der Grandma zu beruhigen suchte. Er erhielt keine Antwort. Sein Blick fiel auf das offenstehende Fenster. Die Kinderbetten standen zerwühlt und leer vor den ratlos umher stehenden Gestalten. Tom und Judy waren verschwunden.
1.
Benommen erwachte Zodiac aus seiner Bewusstlosigkeit. Um ihn herum kochte und brodelte verdampfendes Material. Es erschien ihm wie ein Wunder, am Leben zu sein. Ohne die nach wie vor intakten Aggregate seines Schutzanzuges wäre er längst in dieser Hölle verbrannt. Übelkeit kroch in ihm hoch. Die erste Bewegung, die er ausführte, scheiterte unter großen Schmerzen. Er benötigte nicht lange zu der Erkenntnis, dass er vollkommen hilflos unter einem Trümmerberg verborgen lag. Seine Körperkräfte reichten nicht aus, um die Bruchstücke von dem grazilen Körper zu stemmen. Er konnte von Glück reden, nicht zerquetscht worden zu sein. Plötzlich stutzte er.
Seine sensiblen geistigen Antennen nahmen Gedankenimpulse wahr. Ein unendliches Wirrwarr brach über ihn herein, und er unterbrach seine Konzentration, um nicht den Verstand zu verlieren. Milliarden von denkenden Gehirnen hielten sich in der Nähe auf. Zodiac wusste sofort um die Bedeutung dieser Erkenntnis.
Sein Schiff stürzte unaufhaltsam auf die Hülle eines Planeten zu. Er schloss die Augen, um sich still in sein Schicksal zu ergeben. Da gewahrte er den plötzlichen Schub, der das Schiff verzögern ließ. Sollte in dem havarierten Diskus tatsächlich noch eine Maschinerie intakt sein, die automatisch eine Verzögerung einleitete? Zodiac vermochte es nicht zu glauben. Das Schiff war ein Wrack. Es drohte jeden Augenblick auseinanderzubrechen. Wenn dies trotz aller Belastungen dennoch nicht geschah, dann würde es unweigerlich in der Atmosphäre verglühen. Der Zargonier spürte mit jeder Faser seines Körpers, dass das Schiff verzögerte, wenn auch mit viel zu geringen Werten. Zeigte die Allmacht in Ihrer unendlichen Güte tatsächlich Erbarmen mit einem Wesen, das sein Volk verriet? War sie auf seiner Seite? Zodiac betete. Er zwang sich wie so oft in letzter Zeit, erneut den Mut zur Hoffnung aufzubringen. Unbewusst konzentrierte er sich auf die wesensfremden Mentalimpulse. Seine Konzentration wurde gestört von einer nagenden Unruhe des Unterbewusstseins. War es ihm gelungen, die Mortlats zu vernichten, oder befanden sie sich nach wie vor auf seiner Fährte? Er ahnte, dass sein Zerstörungsschlag nur teilweise, wenn überhaupt, von Erfolg gekrönt war. Bewahrheitete sich diese schreckliche Befürchtung, bestand für jene fremden Intelligenzen höchste Gefahr.
Dem Zargonier wurde speiübel. Er erbrach sich in seinen Helm. Die automatische Absaugvorrichtung trat sofort in Tätigkeit und beseitigte die Verschmutzung innerhalb von Sekunden. Zodiac überfiel Panik, als ihm zunehmend das Bewusstsein schwand. Den plötzlichen Druck, hervorgerufen durch die Beharrungskräfte, denen das Schiff schlagartig ausgesetzt war, glich sein von der Natur genial ausgerüsteter Organismus in instinktiver Abwehrreaktion aus.
»Ich darf jetzt nicht ohnmächtig werden«, rief Zodiac panisch. Verzweifelt bäumte er sich auf. Er musste sich befreien, das Landemanöver einleiten. Wer wusste, wie lange die Automatik noch arbeitete. Womöglich streikte sie schon in den nächsten Sekunden. Die Erschöpfung von Geist und Körper forderte gnadenlos seinen Preis, ohne Rücksicht auf die Gefühlswelt des Zargoniers. Sein seelisches Gleichgewicht geriet in diesem Moment völlig aus den Fugen.
»Hilfe«, schrie er in Gedanken. »Ich brauche Hilfe ... Gefahr ... bitte ...«
Bevor absolute Schwärze von seinem Geist Besitz ergriff, drang eine Stimme zu ihm vor. Sie klang undeutlich, so als spräche sie aus unendlicher Ferne.
»Ich komme«, antwortete die Stimme. »Sei nicht so traurig. Ich will dir helfen. Wer bist du? Wo kann ich dich finden? Ich spüre ...«
Mehr nahm Zodiac nicht wahr. Voll grenzenlosem Erstaunen glitt er in die Finsternis.
Judy stand am Rande des kleinen Sees, in der Nähe des schmalen Waldstückes, und starrte nach oben. Sie trug lediglich das dünne Nachthemd an ihrem Leib. Die Kühle der Nacht ließ sie frösteln. Sie gab sich Mühe, ihr keine Beachtung zu schenken. Ihr Blick glitt hinauf in das von Sternen übersäte Firmament. Henriette, ihre blonde, langhaarige Puppe hielt sie eng an ihre Brust geschmiegt in den Armen. Sie erschrak, als sie hinter sich eine Bewegung verspürte. Einen Herzschlag später legte sich eine kalte Hand auf ihre Schulter. Das Mädchen schrie erschrocken auf.
»Psssst«, machte Tommy und legte den Zeigefinger auf seine Lippen. »Du weckst ja die ganze Gegend auf.«
»Du hast mich zu Tode erschreckt«, rief Judy erbost. »Außerdem hast du mich angeschmiert. Ich dachte du schläfst, dabei bist du mir nachgeschlichen. Wie siehst du überhaupt aus?«
Tom sah betreten an sich herab. Seine Schlafanzughose wies auf der rechten Seite einen langen Riss auf. Darunter wurde eine kleine Schnittwunde sichtbar. »Ich hab' mich an dem doofen Efeugitter aufgerissen. Dabei bin ich so erschrocken, dass ich den Halt verlor und mich an einem Strang festhalten musste. Das ganze Pflanzenzeugs hängt in Fetzen. Dad wird toben.«
»Das hast du nun davon, dass du mir nachschleichst. Was soll das?«, fragte sie, doch ihre Stimme verriet, dass sie sich wieder beruhigte. Tom bemerkte, wie ihr Blick suchend nach oben glitt.
»Das gleiche könnte ich dich auch fragen. Was meinst du, wie sich Mom bedankt, wenn sie herausbekommt, dass ihr kleines Schätzchen nachts aus dem Fenster klettert.«
Judy drehte sich trotzig um, drückte ihr Puppe an sich und sah nach oben. »Ich warte auf einen Freund. Er braucht meine Hilfe.«
Tom sah seine Schwester an, als sähe er sie zum ersten Mal. »Du hast einen Freund? Mann! Kenne ich ihn?«
»Das glaube ich kaum. Ich weiß ja selbst nicht, wer er ist.«
Tom machte sich nun doch ernsthaft Sorgen um seine kleine Schwester. Irgendetwas stimmte nicht mit ihr.
»Judy, ich glaube es ist besser, wir gehen jetzt nach Hause, bevor Mom und Dad etwas mitbekommen.«
»Sie werden nichts mitkriegen«, erwiderte Judy überzeugt. »Sie schlafen. Du kannst jederzeit gehen, wenn du Angst hast.«
»Ich lass dich hier nicht alleine«, erwiderte er trotzig. »Trotzdem möchte ich gerne wissen, was du hier suchst. Es ist kalt, wir werden uns verkühlen. Wenn es wirklich ein Freund ist, warum lässt er dich dann warten?«
»Ich habe dir doch gesagt, dass er meine Hilfe braucht.«
Tom schüttelte nur mit dem Kopf. »Und warum starrst du ständig nach oben?«, wollte er wissen.
Judy wies mit ausgestrecktem Arm in das Sternenzelt.
»Ich glaube, er wohnt dort.«
Lloyd Byron verließ in dieser Nacht still und heimlich das Hospital. Er stöhnte vor Schmerzen, als er kniend am Pförtner vorbeirobbte. Die Verbände störten ihn in seinen Bewegungen. Er musste Vorsicht walten lassen, damit die Wunden nicht erneut aufbrachen. Als er sich schließlich im Freien befand, steuerte er sofort den umliegenden Parkplatz an. Er suchte ein bestimmtes Fahrzeug. Als er den alten Mercedes letztlich erblickte, atmete er erleichtert auf. Er richtete sich auf und kam dem Fahrzeug entgegen, dessen Scheinwerfer einmal kurz aufblitzten. Hastig öffnete er die Beifahrerseite und warf sich schmerzstöhnend in den Sitz.
»Mann, tut das weh«, stöhnte er, und nickte dem Mann auf der Fahrerseite gequält zu.
»Du hast es so gewollt«, erwiderte der schwarzhaarige Riese mit den stahlblauen Augen. »Noch kannst du dir die Sache überlegen. Gib den Jungs ihre Kohle und schick sie nach Hause. Ehrlich gesagt, ich persönlich würde diese Entscheidung begrüßen.«
»Was ist mit Kane?«, fragte Lloyd, ohne auf die Worte seines Kumpels einzugehen.
»Er ist in Sicherheit, ebenso wie deine Eltern. Big Eddy hat keine Mühen gescheut, seine Kontakte spielen zu lassen. Es war nicht gerade einfach, so auf die Schnelle neue Papiere anzufertigen, noch dazu in so hoher Qualität. Deine drei Angehörigen starten in einer halben Stunde nach Barcelona. Das Feriendomizil, dass ich ihnen auf Lebenszeit zur Verfügung stelle, ist ebenfalls nicht gerade billig.«
»Lass das meine Sorge sein, Eddy«, fuhr ihn Byron an. »Geld ist kein Problem. Wichtig ist nur, dass Kane und seine Großeltern in Sicherheit sind.«
»Der Geheimdienst sitzt überall«, erklärte Big Eddy. »Ich weiß jetzt todsicher, dass sie dich die ganze Zeit über beschatteten und deine Telefone anzapften. Unser sinnloses Geschwätz dürfte allerdings keinen Verdacht erregt haben. Du weißt, dass ich noch in deiner Schuld stehe. Du hast mir damals in Brasilien aus der Scheiße geholfen und jetzt helfe ich dir. Rexter und die anderen sitzen bereits in ihren Trucks und warten auf meinen Anruf. Jeder von diesen gottverdammten Söldnern verlangt zwanzigtausend Dollar. Das ist dir doch wohl klar, oder?«
»Ich sagte bereits, dass Geld keine Rolle spielt«, erwiderte Byron kalt.
»Was mich angeht, so endet unser Geschäft hier in Atlanta«, meinte Big Eddy. »Ich habe keinen Bock, mir den Arsch wegen deiner Rachegefühle aufreißen zu lassen.«
»Du wirst mitkommen«, forderte Byron. »Wir haben einen Deal, und du wirst dich an unsere Abmachung halten. Nach dieser Aktion schuldest du mir nichts mehr, wir sind dann quitt.«
Big Eddy fluchte. »Verdammt, warum habe ich mich auf diesen Mist eingelassen? Na gut, aber eines sage ich dir. Die Sache wird verdammt teuer. Ich erhöhe meinen Preis um das Doppelte.«
»Mir egal«, antwortete Byron. »Fahr endlich los. Nach Tretmond sind es vierzig Meilen. Wenn es hell wird sinken unsere Chancen beträchtlich. Sind die Jungs auch gut gerüstet?«
»Maschinengewehre, Handgranaten, sogar Panzerfäuste liegen bereit.«
»Wo haben die Schurken das Zeug geklaut?«, wollte Byron wissen.
»Das geht dich nichts an«, erwiderte der Große schroff. Er startete den Wagen. »Irgend etwas ist faul«, meinte er. »Ich habe kein gutes Gefühl bei dieser Aktion, und ich gebe viel auf Gefühle, auch wenn ich nicht so aussehe. Doch niemand soll Big Eddy nachsagen, er wäre ein Feigling.«
Nur eine knappe Viertelstunde später rollten drei Lastwagen aus den Straßen Atlantas. In ihren Bäuchen verbargen sich Männer, für die Menschenleben keine Bedeutung besaßen. Sie wurden bezahlt, um zu töten, und sie verrichteten jene Art Arbeit im Allgemeinen präzise und genau. Diese Männer waren Söldner, abtrünnige Soldaten, die für Geld mordeten. Lloyd Byron verachtete diesen Schlag von Männern, doch heute Nacht benötigte er ihre Kampfkraft, um Karen zu rächen. Wobei der Reporter Gedanken hegte, von denen weder Big Eddy noch die Söldner etwas ahnten. Die Vermutungen, die er anstellte, behielt er aus Gründen seiner persönlichen Sicherheit für sich. Es tat ihm ein wenig leid, Big Eddy möglicherweise hintergehen zu müssen. Er sah aber keine andere Wahl, als seine Gegner aus der Reserve zu locken. Danach konnte er die nächsten Schritte einleiten. Lloyd Byron brannte sich lässig eine Zigarette an. Er ahnte nicht, dass es seine letzte sein würde.
Dan Wilder kam mit zwei großen Handstrahlern die Kellertreppe herauf. Babs beeilte sich, ihm eine davon abzunehmen. Sie zog sich in aller Eile eine dünne Weste über und trat mit Dan aus dem Haus. Grandma und Carlisle folgten ihnen bleich. Babs hörte Dan schnellen Schrittes zur Rückfront des Gebäudes eilen. Kurz darauf vernahm sie seine erboste Stimme.
»Verdammt, diese Schlingel. Seht euch das an.« Als Babs, gefolgt von den zwei alten Leuten Dans Blick folgte, sah sie das beschädigte Efeugewächs. Es hing in zerfetzten Streifen nach unten und ließ den Blick auf das sich dahinter befindliche Gitter frei. Ein Stofffetzen von Toms Pyjamahose hing an einem herausragenden Stück Nagel. Dan tobte.
»Die beiden können was erleben, wenn sie mir unter die Finger kommen. Ihre Horrorstorys haben mir wirklich für einen Moment Angst eingejagt.« Erbost musterte er Dorothea.
»Sie sind in Gefahr«, bestand Grandma nach wie vor auf ihrer Behauptung. »Wir müssen sie schnellstens finden.«
»Die kleinen Racker sind lediglich ausgebüxt, um sich von irgendwo den Nachthimmel anzusehen. Merken Sie nicht, dass Sie meiner Frau mit Ihren Geschichten Angst machen?«
»Dan«, versuchte ihn Babs zu besänftigen. »Das spielt doch jetzt keine Rolle. Ich finde, wir sollten die Kinder suchen. Denke nur an die beiden Typen, die mich überfielen. Wer weiß, was für ein Gesindel sich dort draußen rumtreibt.«