© 2019 ZS Verlag GmbH
Kaiserstraße 14 b
D-80801 München
eISBN 978-3-89883-998-3
1. Auflage 2019
Projektleitung: Kathrin Ullerich
Texte und redaktionelle Mitarbeit: Angelika Dietrich
Redaktionelle Mitarbeit: Dr. Caroline Hepperger
Lektorat: Sylvie Hinderberger
Covergestaltung: ZERO Werbeagentur, München
Grafische Gestaltung und Satz: Karin Miller
Fotografie: Michael Wilfling
Herstellung: Frank Jansen
Producing: Jan Russok
ePub-Konvertierung: Datagrafix GmbH Berlin
Mit freundlicher Unterstützung der Firma Ottobock, Duderstadt
Die ZS Verlag GmbH ist ein Unternehmen der Edel SE & Co. KGaA, Hamburg.
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Alle Rechte vorbehalten. All rights reserved. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.
schreibt als freie Journalistin für überregionale Zeitungen und Magazine wie den stern, DIE ZEIT und flow Portraits und Reportagen. Ihre Schwerpunkte sind Themen aus den Bereichen Gesundheit und Wissenschaft sowie Beruf und Bildung. Angelika Dietrich wurde mit dem Emma-Journalistinnenpreis ausgezeichnet. Seit 2007 ist sie Mitglied der Prüfungskommission der Deutschen Journalistenschule (DJS).
Drei Männer, eine Mission
Christian Neureuther: »Für einmalige Erlebnisse nehme ich auch Schmerzen in Kauf«
Heike Gessat: »Geht nicht, gibt’s bei mir einfach nicht«
DIAGNOSE ARTHROSE: DAS HILFT!
Was Sie über Arthrose wissen müssen
Raus aus dem Schmerzkreislauf
Die sechs Schmerztypen
Frank Bömers: »Ich habe gelernt, auf die rote Warnlampe zu achten«
Wickel, Wärme, Weidenrinde und Co.
Gesund essen für die Gelenke
Heilende Kräuter und Gewürze gegen Arthrose
Entlasten statt belasten
Yvonne Agreiter: »Die Berge sind meine Kraftquelle«
Wenn eine OP unvermeidlich ist
Selbsttest: Muss ich operiert werden?
Michi Brunner: »Mit meinen neuen Hüften gebe ich Vollgas«
NUR WER AM BALL BLEIBT, KOMMT WEITER
Der innere Schweinehund
Unsere Never-give-up-Storys: Dr. Klaus Gürtler und Dr. Burckhardt Bittrich
Die Kunst der Motivation
Unsere Never-give-up-Storys: Arno Tautermann und Karin Vinke-Brandscheidt
Coach your Mind
We never give up Felix Neureuther und Axel Lund Svindal/Tina Weirather und Hanni Wenzel-Weirather
BEWEGUNG TUT GUT: JETZT ERST RECHT
Die Heilkraft des Sports
Bewegung hält gesund
Bausteine der Bewegung
Ist KraftTraining Gut für mich?
Zehn goldene Übungen
DIE BESTEN SPORTARTEN BEI ARTHROSE
Sport trotz Arthrose? Ja, klar!
Beliebte Sportarten - auf einen Blick
BERGWANDERN
GOLF
LAUFEN
NORDIC WALKING
Kleines Stöcke-Abc
RADFAHREN
SCHWIMMEN
SKIFAHREN
SKILANGLAUF
TANZEN
YOGA
Die Autoren
Impressum
»Unser größter Ruhm liegt nicht darin, niemals zu fallen, sondern jedes Mal wieder aufzustehen, wenn wir gescheitert sind.«
- Konfuzius -
Wie kam es zu der Idee, ein Buch über Arthrose zu schreiben?
Christian Neureuther: Wenn sie die Diagnose Arthrose bekommen, denken viele Leute ja, dass jetzt gar nichts mehr so sein wird wie vorher und dass sie zum Beispiel nicht mehr Ski fahren oder bergsteigen können. Das ist Schmarrn. Das Leben ist nicht vorbei. Man muss zwar vielleicht manches neu ordnen, aber man kann trotzdem viel Spaß haben. Viele schaffen so eine Umstellung jedoch nicht allein. Wenn dieses Buch dabei hilft, haben wir unser Ziel erreicht.
Prof. Dr. Christian Fink: Ich kann Christian Neureuther nur recht geben. Allerdings darf man auch nicht vergessen, dass der Arthrose-Schmerz den Alltag und den Gemütszustand vieler Patienten massiv beeinflusst. Studien haben aber auch gezeigt, dass Menschen, die körperlich und sozial aktiv sind, weniger Schmerzen haben. Das wissen noch viel zu wenige – und das wollen wir ändern.
Frank Bömers: Im Wesentlichen geht es uns drei Autoren um das richtige Mindset, also die richtige innere Haltung zur Arthrose. Denn die hat wesentlichen Einfluss darauf, ob die Betroffenen positiv damit umgehen können.
Christian Neureuther: Ich bin von klein auf immer positiven Einflüssen ausgesetzt gewesen, das hat mich stark geprägt. Und ich möchte auch selbst allen Menschen möglichst freundlich und positiv gegenübertreten. Wenn es meinem Umfeld daraufhin besser geht, geht es mir auch besser. Ich glaube an die Wirkung solcher Einflüsse und bin mir sicher, dass eine positive Einstellung die beste Heilmethode ist.
Prof. Dr. Christian Fink: Ja, auch das ist inzwischen wissenschaftlich erwiesen.
Christian Neureuther: Seit Jahrtausenden suchen Menschen nach Kraftorten oder „Gurus“, die ihnen Kräfte übertragen, die sie selbst vielleicht nicht haben. Ich glaube nicht an Zaubertränke, aber ich glaube an die Aura positiver Menschen.
Frank Bömers: Aber immer positiv zu denken, fällt Menschen, die krank sind, oft schwer.
Prof. Dr. Christian Fink: Die große Gefahr ist ja, dass man wegen seiner Schmerzen weniger mit Freunden oder der Familie unternimmt. So isoliert man sich sozial, bewegt sich weniger und isst vielleicht etwas mehr. Dann baut die Muskulatur ab, man nimmt zu und die Arthrose-Schmerzen werden stärker. Wir wollen Wege aufzeigen, wie man diesen fatalen Kreislauf stoppen kann.
Christian Neureuther: Viele Leute wissen auch gar nicht, was heutzutage schon alles entwickelt worden ist. Wer weiß zum Beispiel, dass es einen speziellen Skiunterricht und Schwungformen für Menschen mit künstlichen Gelenken gibt? Beim Deutschen Skilehrerverband werden Sie fündig.
Prof. Dr. Christian Fink: Apropos Skifahren, die Geschichte eines Patienten hat mich ganz besonders bewegt: Ich habe einem Skirennläufer, den ich schon mit Anfang 20 wegen einer Meniskusverletzung behandelt habe (und dann noch oft wegen anderer Probleme), im letzten Jahr eine Knieprothese eingebaut. Nachdem wir alle konservativen Therapien ausgeschöpft hatten, war das die letzte Möglichkeit für ihn, schmerzfrei zu werden. Dabei ist er erst 39 Jahre alt! Dieser Fall hat mich motiviert, mich mit dem Thema Schmerz und Arthrose intensiv zu beschäftigen. Was kann man machen, um einen operativen Eingriff möglichst lange hinauszuschieben und trotzdem einen aktiven Lebensstil beizubehalten? Das ist einer der Inhalte, die wir in diesem Buch beleuchten möchten.
Sie wissen alle, wovon Sie reden: Jeder von Ihnen hat persönliche Erfahrungen, zudem haben Sie, Herr Prof. Dr. Fink, und Sie, Herr Bömers, auch beruflich damit zu tun.
Prof. Dr. Christian Fink: Ja, ich bin selbst sehr sportbegeistert und war eine Zeit lang ein recht passabler Triathlet und Skirennfahrer. Daher habe ich schon am Anfang meines Studiums viel Zeit am Sportmedizinischen Institut der Universitätsklinik Innsbruck verbracht und bin dort immer wieder mit verletzten Sportlern in Kontakt gekommen. Ich schrieb dann meine Dissertation über Knieverletzungen, dieses Thema hat mich nicht mehr losgelassen. Seit über 25 Jahren ist das Kniegelenk mein Hauptinteressengebiet geblieben, sowohl wissenschaftlich als auch operativ. Waren es zuerst nur die akuten Sportverletzungen, so sind in den letzten Jahren die chronischen Probleme und die Arthrose-Behandlung dazu gekommen. Oder wie es ein Kollege von mir so schön ausdrückt: „Man altert eben mit seinen Patienten.“
Christian Neureuther: Irgendwie beruhigend …
»Eine positive Einstellung ist die beste Heilmethode, das ist mittlerweile sogar wissenschaftlich bewiesen.«
Prof. Dr. Christian Fink: Und dann bin auch ich vom Arzt zum Patienten geworden. Bis vor drei Jahren hatte ich trotz sehr hoher sportlicher Belastung keinerlei Probleme mit meinen Gelenken. Doch plötzlich haben meine Knie zu schmerzen begonnen. Ich habe die Probleme anfangs zwar hartnäckig negiert, aber irgendwann ging das einfach nicht mehr. Erst war nur das Laufen schmerzhaft, dann sogar das Radfahren. Meniskusriss und Knorpelschaden war die Diagnose. Schließlich habe ich mich zu einer Arthroskopie durchgerungen. Den Meniskusschaden konnte man gut beheben, der Knorpelschaden aber bleibt.
Frank Bömers: Ich habe über 20 Jahre für einen Hersteller von Orthesen gearbeitet und mich treibt die Frage um, wie wir unserem Körper möglichst ohne OP und Medikamente helfen können. Seit ich selbst Arthrose im Rücken habe, brennt mir das Thema noch mehr unter den Nägeln.
Der Titel des Buchs ist „Never give up“: Wie lassen Sie selbst sich nicht unterkriegen?
Christian Neureuther: Belohnung ist das Wichtigste. Man darf sein jetziges Leben nicht mit dem früheren vergleichen, sondern muss schauen, was immer noch möglich ist. Am besten ist es, auf Entdeckungsreise zu gehen und Neues auszuprobieren. Dann ist die Vergleichbarkeit nicht so groß. Der Spaß am Augenblick sollte im Vordergrund stehen und nicht die Gedanken an früher. Im Leben nutzt sich halt manches ab, das ist ganz normal. Es ist doch geil, wenn ich mit 70 noch einen Skihang runterfahren kann, auch wenn ich mehr rutsche als carve. Jedes Mal, wenn ich draußen bin, merke ich, wie gut mir die Natur tut und wie sich mein Gemütszustand verbessert.
Frank Bömers: Ich habe gemerkt, dass ich das Leben nach wie vor genießen und ohne beziehungsweise mit nur wenig Schmerzen glücklich und ausgeglichen daran teilnehmen kann. Dafür muss ich aber meine Rückenmuskulatur trainieren, für Abwechslung zwischen Sitzen und Stehen sorgen und ab und zu in die Sauna gehen, um meine Muskeln zu entspannen. Inzwischen habe ich genügend Routine darin, ein Gleichgewicht für meinen Rücken zu finden.
»Was kann man machen, um einen operativen Eingriff möglichst lange hinauszuschieben und trotzdem einen aktiven Lebensstil beizubehalten? Das ist einer der Inhalte, die wir in diesem Buch beleuchten möchten.«
»Wir brauchen nicht so fort zu leben, wie wir gestern gelebt haben. Macht euch nur von dieser Anschauung los und tausend Möglichkeiten laden uns zu neuem Leben ein.«
- Christian Morgenstern -
Prof. Dr. Christian Fink: Leider braucht es zu oft den Schmerz, um wach gerüttelt zu werden, endlich wieder einmal aufs Rad zu steigen oder ins Fitnessstudio zu gehen. Aber allein das Wissen und die Erfahrung, dass eigentlich gar nicht so viel nötig ist, damit meine Knie- und Rückenschmerzen besser werden, treiben mich dann doch wieder an. Am allermeisten motiviert es mich aber, wenn ich konkrete Ziele habe: Ziele, von denen ich weiß, dass ich sie ohne Training einfach nicht schaffen werde. Und waren das vor 20 Jahren noch irgendein Achttausender oder eine Grönlanddurchquerung, so ist es heute eine Treckingtour mit meiner Frau in Nepal.
Das heißt, es sind zum einen die innere Einstellung und zum anderen die regelmäßige Bewegung, die dabei helfen, besser mit der Arthrose zurechtzukommen?
Prof. Dr. Christian Fink: Ja. Es ist uns bewusst, dass Beruf und Familie Zeit fordern, aber es hilft einfach nichts: Auch nach einem langen Arbeitstag muss ich zumindest noch aufs Rad oder auf den Berg hinterm Haus. Wenn ich nicht konsequent dranbleibe, wird das nichts. Und ich habe einfach keine Lust, keuchend und mit Knieschmerzen hinter meiner Frau herzulaufen. Das motiviert mich zumindest mal bis zur Nepalreise.
Christian Neureuther: Ich will Menschen sagen: Ihr habt Arthrose, das ist bitter und tut weh und ist mit Einschränkungen verbunden. Daneben gibt es aber trotzdem viel Neues und Schönes zu entdecken. Bitte bleibt auf der Suche und gebt nicht auf. Bleibt nicht daheim sitzen, das wäre das Schlechteste. Testet, was möglich ist, macht das Beste daraus!
»Trauern Sie nicht dem nach, was nicht mehr geht, sondern besinnen Sie sich auf das, was Sie noch ohne Schmerzen machen können. Im Vordergrund sollte immer der Spaß am Augenblick stehen, nicht die Gedanken an früher.«
Frank Bömers: Der Reiz des Buchs ist es, dass drei Autoren mit einem völlig unterschiedlichen Hintergrund – als Mediziner, als ehemaliger Profisportler und als Manager und „Weekend Warrior“, also Wochenendsportler – von ihren Erfahrungen berichten und diese mit anderen Betroffenen teilen. Wir wollen unseren Lesern viele nützliche Tipps für ihr Alltagsleben geben – wie man sich motiviert, wie man in Schwung kommt, wie man mit Schmerzen umgeht.
Prof. Dr. Christian Fink: Und wir wissen, wovon wir reden: Auch ich musste meine sportlichen Aktivitäten ziemlich umstellen. Ich fahre Rad statt zu laufen (auch mal E-Bike), gehe viel bergauf und wenig oder langsam bergab. Damit habe ich meine Beschwerden sehr gut im Griff. Der Zahn der Zeit nagt eben leider auch am Behandler. Das ist zugegebenermaßen anfangs schwer einzusehen, dann aber besinnt man sich auf das, was man ohne Schmerzen machen kann, und trauert nicht mehr dem nach, was jetzt nicht mehr geht.
Was würden Sie sich im Hinblick auf Arthrose wünschen?
Frank Bömers: Einen offenen und differenzierten Umgang mit dem Thema. Wenn man mit Betroffenen spricht, dann ist man schnell dabei, sich über die besten Schmerzmittel in Form von Salben und Tabletten auszutauschen oder ergreifende Geschichten von Bekannten zu erzählen, die gerade ein künstliches Kniegelenk oder eine neue Hüfte bekommen haben.
Christian Neureuther: In meinem Freundeskreis haben mittlerweile fast alle ein Zipperlein – aber mich stört es, wenn man nur noch darüber redet. Ich sage dann immer: Jetzt lasst uns was unternehmen, damit wir diesen ganzen Schmarrn vergessen. Machen wir eine Schifferlfahrt oder fahren wir mit der Gondel auf den Berg und gehen dort droben schön Kaffee trinken. Es ist nicht nur eine Sache der körperlichen Fähigkeiten, sondern auch der mentalen Einstellung.
Prof. Dr. Christian Fink: Als Mediziner würde ich mir wünschen, Arthrose einfach heilen zu können. Oder noch besser: dass wir Arthrose gar nicht erst bekommen. Als etwa 1992 die ersten Erfahrungen mit der Knorpelzellzüchtung veröffentlicht wurden, dachte man, man hätte den Stein der Weisen fast in der Hand. Als ich 1994 in den USA den ersten Operationskurs mit dieser Technik gemacht habe, herrschte die Meinung, es würde nur noch fünf bis zehn Jahre dauern, bis das Problem des Knorpelschadens und damit der Heilung der Anfangsstadien der Arthrose endgültig gelöst wäre. Heute, nahezu 25 Jahre später, sind wir von dieser Hoffnung leider noch immer weit entfernt. Auch wenn derzeit Stammzellen und Wachstumsfaktoren ähnliche Hoffnungsträger sind wie damals die Knorpelzellzüchtungen, wird es noch dauern, bis wir das Arthrose-Problem vollständig in den Griff bekommen. Bis dahin würde ich mir wünschen, dass die Industrie keine falschen Hoffnungen weckt und dass Patienten nicht sinnlos Geld ausgeben für Therapien, die keinerlei wissenschaftliche Basis haben.
Was geben Sie Ihren Lesern mit auf den Weg?
Christian Neureuther: Als Leistungssportler bin ich es gewohnt, dass man sich nach einer Niederlage immer wieder aufrappelt. Aber ich glaube, viele Menschen haben das nicht gelernt. Und deshalb brauchen sie jemanden, der sie an die Hand nimmt. Der ihnen Tipps gibt, was sie konkret ändern können, und ihnen kleine Tricks verrät, wie sie trotz Arthrose noch ihren Lieblingssport ausüben können. Mir ist klar, dass ich nicht erwarten kann, dass sich jemand grundlegend ändert, aber ich kann sagen: Probiert es. Es lohnt sich wirklich!
Prof. Dr. Christian Fink: Ja, es hilft nichts: Wir müssen lernen, mit Einschränkungen zu leben und das Beste daraus zu machen. Rad fahren statt Marathon laufen, wandern statt Fußball spielen und einfach aktiv bleiben, statt faul herumzusitzen und dick zu werden. Das hilft Ihrem arthrosekranken Knie mehr als so manches teure „Wundermittel“. Das zu akzeptieren und es vor allem auch meinen Patienten näherzubringen, ist und bleibt mein Ziel – zumindest bis wir die Arthrose irgendwann endlich heilen können.
»Nicht alle Menschen haben gelernt, sich nach einer Niederlage wieder aufzurappeln. Und deshalb brauchen sie jemanden, der sie an die Hand nimmt. Der ihnen Tipps gibt, was sie konkret ändern können, und ihnen kleine Tricks verrät, wie sie trotz Arthrose noch ihren Lieblingssport ausüben können.«
Frank Bömers: Wir müssen der Tatsache ins Auge schauen und uns ehrlich darüber Gedanken machen, wie wir bestimmte Routinen und Gewohnheiten in unserem Alltag ändern können, damit unsere Lebensqualität auch mit Arthrose erhalten bleibt. Und wie wir gleichzeitig etwas für unsere Gesundheit tun können – immer mit dem Ziel, möglichst lange schmerzfrei und mobil zu bleiben. Statt zu jammern und Geschichten zu erzählen, sollten wir uns gegenseitig motivieren und endlich unsere Einstellung zu Ess- und Sitzgewohnheiten, zu Alltagssport oder zur Muskelkräftigung ändern. Es ist nie zu spät, damit anzufangen.
Christian Neureuther: Ganz genau. Und dieses Buch trägt hoffentlich einen großen Teil dazu bei. Wir glauben an Sie und drücken Ihnen die Daumen. Never give up!
»Wir sind nicht nur verantwortlich für das, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun.«
- Voltaire –
„Von klein auf bin ich damit aufgewachsen, dass man wieder aufsteht, wenn man hinfällt. Tat ich mir weh, klebte mir mein Vater ein Pflaster aufs Knie und sagte: ‚Das ist gleich wieder vorbei.‘ Mein Vater war Arzt und bei allen Patienten äußerst beliebt, denn er nahm sich Zeit für sie und heilte mehr über die Seele als mit Medikamenten. Das hat sich mir eingeprägt: Früher, als unsere Kinder noch klein waren und beim Skifahren stürzten, gab es kaum Tränen, denn Rosi und ich bauten sie gleich wieder auf und betonten, was das doch für ein toller Sturz war. Bei den Enkeln machen wir es heute genauso. Was ich damit sagen will: Egal, was passiert, versuche immer, dir einen positiven Blick zu bewahren und diesen auch auf andere Menschen zu übertragen. Ich bin überzeugt davon (und das zeigen mir die Feedbacks aus dem Leistungssport ganz extrem), dass sich eine positive Einstellung auf die Heilung von Krankheiten auswirkt. Dazu braucht es aber auch Menschen, die einem das vermitteln können, denn nicht jedem ist eine positive Grundeinstellung gegeben.
»Was auch passiert: Man darf sich nie mit einer schlechten Prognose zufriedengeben, sondern muss Auswege suchen. Und man braucht ein Umfeld, das positiv auf einen wirkt. Aufgeben ist definitiv keine Lösung.«
Als ich mit 14 Jahren vom Fußballspielen eine Knieverletzung hatte, sagte mir der Garmischer Chefarzt Fritz Lechner: ‚Vier Wochen Gips, Christian, dann kriegen wir das schon wieder hin. Wir operieren nicht.‘ Das war 1963. Solche Sätze sind es, die ein Patient hören will und soll! Ich erinnere mich an Felix, als er 17 war, da sagte der hiesige Radiologe nach einer Röntgenaufnahme zu ihm: ‚Mit diesem Knie kannst du den Leistungssport vergessen.‘ Felix kam völlig verzweifelt nach Hause und sagte: ‚Papa, mein Knie ist kaputt, der Arzt sagt, dass das mit dem Skirennsport aussichtslos sei und ich sicher operiert werden müsse.‘ Mit 17 schon einen irreparablen Knorpelschaden und eine OP? Never ever! Das wollte ich nicht glauben und nicht akzeptieren.
Wir haben uns dann eine zweite Meinung geholt bei einem Spezialisten, bei dem schon andere Rennläufer erfolgreich behandelt worden waren. Dieser Arzt sah sich das Knie und die MRT-Bilder an und meinte: ‚Das ist nicht so schlimm, das bekommen wir auch ohne OP hin. Deine Skifahrerkarriere musst du deshalb bestimmt nicht aufgeben.‘ Die Augen von Felix leuchteten und das Vaterherz machte einen Freudensprung. Felix bekam eine Spritze ins Knie. Nur wenige Tage später konnte er schon wieder mit leichtem Training beginnen. Ans Aufhören musste er nicht mehr denken. Im Gegenteil: Seine Motivation war noch größer geworden. Wir sind über die Jahre noch öfter zur Behandlung dorthin gefahren. Diese Fahrten mit dem Buben sind unvergesslich und haben uns stark zusammengeschweißt. Auf Felix kamen noch viele verletzungsbedingte Herausforderungen zu, aber eines hat auch er gelernt: dass man sich nie mit schlechten Prognosen zufriedengeben darf, sondern Auswege suchen muss und ein Umfeld braucht, das positiv auf einen wirkt. In so einem Umfeld ist Aufgeben keine Lösung.
Ich selbst kenne das auch: Ich war 55 Jahre alt, als ich mir den Meniskus einklemmte. Die Arthroskopie hatte gerade völlig neue Möglichkeiten einer schonenden OP eröffnet und ich war sehr zuversichtlich, in kürzester Zeit wieder schmerzfrei zu sein. Als ich aus der OP aufwachte, sagte der Arzt zu mir: ‚Leider war nicht nur dein Meniskus kaputt, sondern dein Gelenkknorpel ist auch schon ziemlich aufgebraucht. Die Meniskusteile haben wir entfernt, beim Knorpel konnten wir aber nicht viel machen. Da hat die arthroskopische Operationsmethode ihre Grenzen und für ein neues Knie ist’s noch zu früh.‘ Das war ein Schock für mich! Der Heilungsprozess verlief entsprechend viel langsamer als erhofft: Noch Wochen danach konnte ich mit dem Skischuh nicht einmal mehr in die Skier steigen, ohne mit dem anderen Bein nachzuhelfen. Ich machte mir echte Sorgen: ‚Au weh‘, dachte ich, ‚jetzt kannst du das Skifahren vergessen und als Skiexperte bei der ARD brauchen sie dich auch nicht mehr. Ohne Kamerafahrten und Einsätze am Rennhang bist du untauglich für so einen Job.‘ Doch so leicht gibt man seine ‚große Liebe‘ nicht auf. ‚Jetzt erst recht, das pack ich wieder‘, dachte ich mir. ‚Dem Knie zeig ich’s.‘ Und eines hab ich mir geschworen: Ein neues Knie gibt’s bei mir noch lange nicht! Bevor ich mich operieren lasse, probiere ich wirklich alle Alternativen aus.
Und tatsächlich habe ich dann so ziemlich alles versucht, was es gibt: Ich habe Glucosamin eingenommen, Schmerztabletten eingeworfen, spezielle Krafttrainings gemacht, gedämpfte Schuhe getragen … Sogar Unmengen von Gummibärchen und Gelatine habe ich gegessen, weil es ja heißt, dass die für den Knorpel gut sind. Das war damals übrigens genau zu den Zeiten des Rinderwahnsinns. Schon möglich also, dass ich ein bisschen was vom Wahnsinn abbekommen hab.
Ich habe schließlich Ski und Schuh an mein Knie angepasst und meine Skitechnik so verändert, dass sie nicht mehr so auf die Gelenke geht. Seitdem fahre ich viel aufrechter und mit viel stärkerer Vorlage, suche die weiten Schwünge quer über den ganzen Hang und finde es sogar als Zickzackfahrer geil, fast wie ein Abfahrer ohne die ganz großen Richtungsänderungen Tempo machen zu können. Wenn ich die Schneetage eines Winters zusammenrechne, bin ich inzwischen mehr auf den Langlaufskiern als auf den Alpinskiern unterwegs. Ich kann das selbst kaum glauben und hätte früher nie gedacht, welchen Genuss es bereitet, frühmorgens oder abends bei Dämmerung entspannt durch verschneite Traumlandschaften zu gleiten. Zu zweit mit Rosi oder ab und zu auch mit ein paar Gleichgesinnten auf der Loipe – das sind Momente, die mir der alpine Sport bis dahin eigentlich nur bei Skitouren oder Tiefschneeabfahrten geben konnte. Heute weiß ich: Am Berg ist es viel schwieriger, diese Ruhe zu finden. Ich habe übrigens damals auch das erste Mal das Schneeschuhwandern ausprobiert – und war sofort total fasziniert. Inzwischen laufen wir bei der BR-Schneeschuhnacht mit Tausenden Menschen durch die Wälder und freuen uns, dass so viele an dieser Sportart Gefallen gefunden haben.
Ich möchte fast sagen, dass nach dem einschneidenden OP-Erlebnis mein Sportlerleben noch abwechslungsreicher geworden ist. Schließlich haben Rosi und ich dadurch Sportarten entdeckt, die wir sonst vermutlich nie so intensiv betrieben hätten. Okay, ich spiele kein Tennis mehr, dafür haben wir aber mit Nordic Walking eine Sportart in Deutschland groß gemacht, die als die Arthrose-Sportart überhaupt gilt. Stöcke sind bei uns inzwischen fast täglich im Gebrauch: im Winter beim Skifahren, Langlaufen oder Schneeschuhwandern, im Sommer beim Nordic Walking. Nichts entlastet Knie und Hüfte so genial wie diese Stöcke. Die Muskulatur rund ums Knie wird gestärkt und die Ringe rund um die Hüfte bleiben schwach. Eine geniale Ganzkörpersportart gerade für Arthrose-Patienten. Ich nutze die Nordic-Walking-Stöcke auch gern am Berg. Sie ‚schieben‘ mich regelrecht den Berg hinauf und verteilen die Kraft vom Oberschenkel auf den ganzen Körper. Ohne die Stöcke würde ich einen Berg auch gar nicht mehr herunterkommen. Nichts entlastet ein Knie besser als diese Stöcke mit der speziellen Nordic-Walking-Schlaufe. Ich muss also den Bergen nicht Ade sagen. Und auch wenn das Knie natürlich weiterhin dem Verschleiß unterworfen ist: Den Berg rauf bringen mich die Stöcke immer und bergab gibt es wunderbare Gondeln oder Sessellifte, in denen ich beim Herunterschweben die Seele baumeln lassen kann. Ich spüre dann weder Knie noch Hüfte, sondern blicke ins Tal und freue mich über diese gelenkschonende Möglichkeit – und über die großartige Aussicht.
Sport und Bewegung sind elementare Bausteine für ein langes, gesundes und glückliches Leben. Gerade und erst recht für Arthrose-Patienten. Man muss nur seine Einstellung ändern. Natürlich würde ich gerne noch so verrückte Sachen machen wie früher und auf Skiern 30 Meter von einem Felsen springen. Aber jetzt sehe ich den Felsen, fahre leicht angestemmt darum herum und freue mich einfach darüber, dass ich da mal runtergesprungen bin. Und natürlich muss ich das dann gleich der Rosi sagen und zeigen, damit sie weiß, was ich mal für ein toller Hecht war. Daher noch mal: Man muss sich unter Umständen eben neue Sportarten oder Bewegungsformen suchen. Denn wenn man sich nicht mehr bewegt, wird man dicker und schwerer und bringt dadurch noch mehr Gewicht auf die geschädigten Gelenke. Man gerät schnell in einen Teufelskreis und driftet in eine Spirale der Bewegungslosigkeit, die äußerst deprimierend und Leben verneinend ist. Es gibt so viele wunderbare Bewegungsformen, man muss nur wollen und bereit sein, Neues auszuprobieren. Auch kleine Häppchen machen Spaß und haben eine große Wirkung. Ein gewisser Verschleiß gehört nun mal zum Leben dazu, da darf man nicht deprimiert sein. Aber ein gemütlicher Waldspaziergang auf weichem Moosuntergrund bei Regen macht einen mitunter glücklicher als ein Sonnenbad auf der Terrasse. Und der Knorpel freut sich mit. Depression wäre dann angesagt, wenn man sich gehen lässt. Ich freu mich, dass ich mit 70 noch einen Skihang runterkomme, über das Wie denke ich nicht nach. Es ist einfach in geiles Gefühl. Never give up!
Natürlich bin auch ich manchmal verzweifelt: Doch in solchen Momenten hilft die Erinnerung an das, was ich alles schon gemacht habe oder welchen Blödsinn ich schon angestellt habe. Das hilft ungemein, um wieder neuen Blödsinn zu versuchen. Mein Tipp: Bleiben Sie neugierig und riskieren Sie ruhig auch mal was. Es tun sich immer neue Türen auf. Außerdem wird rund um die Arthrose extrem viel geforscht und entwickelt.
Sicher prägt mich bei meiner Neugier zum Teil meine Erziehung, am meisten aber sind es die Erfahrungen aus dem Leistungssport – jetzt schon über zwei Generationen. Denn wie lautet noch mal das Hauptmotto im Sport? Hinfallen, aufstehen, weitermachen! Das wäre eigentlich auch ein gutes Motto für jeden Arthrose-Patienten. Ich weiß natürlich, dass nicht jeder so einen inneren Antrieb hat wie ich. Und manchmal tu auch ich mir nicht weniger leicht. Es ist ja auch extrem anstrengend, neugierig zu sein. Wie gut, dass ich eine Familie habe, in der keiner den Papa und Opa ‚auf der Couch liegen lässt‘.
»Sport und Bewegung sind elementare Bausteine für ein langes, gesundes und glückliches Leben. Das gilt erst recht für Arthrose-Patienten. Man muss nur seine Einstellung ändern und Neues ausprobieren.«
Wer keine solchen großartigen ‚Pusher‘ zu Hause hat, muss sich selbst umschauen. Es gibt so viele wunderbare Organisationen: Sportvereine, Selbsthilfegruppen, Seniorengruppen Privatgruppen und, und, und. Man muss eigentlich nur einen Stein ins Wasser werfen, dann zieht er Kreise. Wer keinen Stein wirft, kann sich kein Netzwerk aufbauen. Allein den Stein zu werfen, ist schon positive Energie. Und das ist gerade bei Arthrose entscheidend. Hören Sie sich um: Wo gibt es die besten Alternativen? Wo neue Behandlungsmethoden? Neue Hilfsmittel? Suchen Sie sich jemanden, der Sie an die Hand nimmt und weiterbringt. Ziehen Sie sich nicht in die Arthrose-Ecke zurück, sondern gehen Sie aktiv nach vorn – und draußen.
Am wichtigsten ist meiner Meinung nach die ‚second opinion‘ oder noch besser die ‚third opinion‘. Holen Sie sich also eine zweite oder dritte Meinung ein. Jedes Gespräch und jede Information machen Sie klüger. Das ist besonders wichtig, wenn es um die Frage einer Operation geht. Gerade eine Knie-OP würde ich mir genau überlegen. Aus der Erfahrung des Leistungssportlers weiß ich, was Physiotherapeuten alles erreichen können. Da geht es bei Weitem nicht nur um ‚Handarbeit‘, sondern auch um das Erstellen von Trainingsplänen oder den Einsatz alternativer Methoden. Wir haben in diesem Umfeld grandiose Therapeuten kennengelernt; ohne sie hätte Felix seinen Leistungssport nie so lange betreiben können. Den Olli, den Mascht, den Flori – was für großartige Menschen, die nur eines im Sinn haben: dem Menschen zu helfen. Sie sind neugierig, bilden sich ständig weiter und geben einem ein wunderbares Vertrauen. Meist haben die Therapeuten noch Zusatzausbildungen, sind Heilpraktiker – auch Seelentherapeuten. Und das strahlen sie auch aus. Sie behandeln nicht nur Spitzensportler, sondern jedermann. Aus Überzeugung und aus Ethos für ihren Beruf. Solche Therapeuten gibt es übrigens nicht nur in Bayern, sondern überall. Man findet sie, indem man in den Medien verfolgt, welcher Sportler sich verletzt und zu welchen Therapeuten er geht. Bei den bekannten Sportlern genügen ein paar Klicks im Internet, um das herauszufinden. Suchen Sie den Kontakt zu dem Verein, zu dem Sportler oder seinem Umfeld. Haben Sie keine Scheu. Ich habe die positive Erfahrung gemacht, dass fast alle Menschen einem gerne weiterhelfen.